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Lesen Sie noch Bücher? - März 2014

Auf eine Mail mit Uschi ZietschLesen Sie noch Bücher?

Das Lesen von Büchern ist ein Luxus, den Otto Normalverbraucher noch gar nicht so lange hat. Aber wissen wir diesen Luxus heutzutage überhaupt noch zu schätzen? Oder ist uns das Lesen mittlerweile lästig geworden, weil es viel zu zeitaufwendig ist? Verkommt das Buch zu einem dekorativen Accessoire im Wohnzimmerschrank, das Bildung signalisieren soll? Und gibt es dabei Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein?

Ich habe Uschi Zietsch nach ihrer Meinung gefragt.


Andreas: Als ich mir so die Abschlussfeier der Olympischen Spiele angeschaut habe, sind in meinem Kopf ein paar Fragen aufgetaucht. Nun können einem bei Sportveranstaltungen im Allgemeinen und Olympia im Besonderen die verschiedensten Fragen kommen. Aber speziell bei der Abschlussfeier von Sotschi wurde behauptet, dass das russische Volk viel liest und stolz auf seine großen Schriftsteller ist. Nun haben wir beide uns letzten Monat über den Anteil an englischer Literatur auf den Verkaufstischen und in den Regalen unserer Buchhandlungen gesprochen. Aber lesen wir an sich überhaupt noch genug Bücher? Oft habe ich die Entschuldigung gehört, dass man als berufstätiger (Familien-)Mensch zum Lesen nur noch im Urlaub kommt. Du bist nicht nur Autorin, sondern führst auch den Fabylon-Verlag, bist bald damit wieder auf der Messe vertreten. Hast du über die Jahre eine Entwicklung in den Lesegewohnheiten gespürt?
Uschi:
Man muss dazu sagen: Ganz früher war das Lesen ein Privileg der Gutsituierten, denn die hatten nicht nur das Geld, sondern auch die Zeit zum Lesen. Den Luxus des „Lesens für jedermann“ gibt es noch gar nicht so lange und begann als Wende mit der Pulp-Literatur, den „Groschenheften“, und in Deutschland ergänzt mit Reclam, „Hoch“-Literatur zum erschwinglichen Preis. Mit den steigenden Bildungsmöglichkeiten wuchs „beim Volk“ natürlich auch der Wunsch nach Literatur, und die erschwinglichen Taschenbücher etablierten sich neben den Hardcovern und waren als Massenware nicht nur im Buchhandel zu finden.
Im neuen Jahrtausend trat wiederum eine Wende ein.
Das Leseverhalten war durch die vielfältigen, multimedialen Freizeitmöglichkeiten in der Tat stark rückläufig. Wenn ich meine Print-Zahlen von den 80ern/90ern mit heute vergleiche, muss ich schon sagen: bin ich verrückt, überhaupt noch Bücher zu produzieren?
Dass man zum Lesen nur noch im Urlaub kommt liegt nicht am Beruf, den hatte man früher auch. Aber da war man in der Freizeit nicht auch noch im Fitnessstudio, beim Zocken, beim Geocaching, bei Workshops, Hobbys und hauptsächlich im Internet. Die Zeit ist nach wie vor da, nur hat das Lesen nicht mehr die Priorität wie früher, weil es jede Menge andere Abwechslung gibt, da muss man eben einteilen.
Bis vor wenigen Jahren sah es also ganz danach aus, als würde das Lesen immer mehr an Bedeutung verlieren.
Aber: seit den eBooks hat das Lesen wieder deutlich zugenommen, denn einen kindle, das iPad usw. hat man sowieso immer mit dabei, also kann man auch platzsparend jede Menge Bücher drauf speichern – und liest jetzt bei allen Gelegenheiten, zu denen man nichts anderes machen kann: Auf der Fahrt zur und von der Arbeit/Unterricht, beim Arzt, bei der Behörde, in der Mittagspause. Das sind zwar manchmal nur kurze Zeiträume, aber sie werden ergiebig und sinnvoll genutzt.
Insofern würde ich sagen: das Lesen nimmt nach einer Flaute zusehends wieder größeren Raum ein, und die immer wieder unkenhaft totgesagte Belletristik gedeiht und blüht wie je her.

Andreas: Frauen lesen Romane, Männer Gebrauchsanweisungen. Stimmt das? Gibt es deiner Meinung nach Unterschiede im Leseverhalten der Geschlechter?
Uschi: Ich finde nur für ein Genre einen Unterschied. Bei vielen Frauen spielt die Romantik eine große Rolle, und „Frauenromane fürs Herz“ sind heute so beliebt wie nur je, ergänzt durch „romantische Fantasy“ mit Schmusevampiren & Co. Das ist aber auch schon alles, ansonsten ist durchgängig bei allen Genres nur der eigene Geschmack entscheidend. Ich glaube auch nicht, dass nach wie vor Frauen mehr Bücher kaufen als Männer, seit es die eBooks gibt. Und es gibt genauso wie bei den Männern auch viele Frauen, die keine Romane lesen; in Leipzig erlebe ich durchaus nicht selten die ganze Familie auf Tour, Mann und Kinder stöbern, die Frau steht gelangweilt daneben. Und verbietet den Kindern den Kauf von Büchern, weil man ja schon den ganzen Eintritt bezahlt hat. Ja, echt! Sehr selten einmal ist es der Vater, der nein sagt, auch wenn er mein Buch noch so skeptisch betrachtet.
Jahrelang wurde das Kaufverhalten bei der („neuen Welle der“) Fantasy von männlichen Teenagern bis Mittzwanzigern beherrscht, weil sie zu ihren Games Geschichten lesen wollten. Das hat den Erfolg der „Völker-Fantasy“ begründet. Inzwischen gibt es so viele Fantasy-Themen auf dem Markt, dass der weibliche Leseranteil signifikant gestiegen ist und es sich vermutlich auch hier wieder ziemlich die Waage hält.

Kommentare  

#1 Lefti 2014-03-01 09:50
Mir kommt der Artikel so vor, als ob er mitten drin aufhört. Soll dis so sein? :sigh:
Zitat:
speziell bei der Abschlussfeier von Sotschi wurde behauptet, dass das russische Volk viel liest und stolz auf seine großen Schriftsteller ist.
Ja! Vor allem Schriftsteller politischer Bücher und Bücher mit Themen aus Forschung und Wissenschaft. Alle(!) diese Bücher sind meistens in rot gehalten und sind auf dem Buchdeckel mit 'Hammer und Sichel' versehen.
Es lebe der Kommunismus und die CCCP! :lol:
Zitat:
Jahrelang wurde das Kaufverhalten bei der („neuen Welle der“) Fantasy von männlichen Teenagern bis Mittzwanzigern beherrscht, weil sie zu ihren Games Geschichten lesen wollten. Das hat den Erfolg der „Völker-Fantasy“ begründet.
Wann war denn diese "neue Welle"? Welche Zeit ist damit gemeint?
Und könnt ihr das Genre der "Völker-Fantasy" etwas genauer beschreiben? :eek:
#2 Larandil 2014-03-01 10:37
zitiere Lefti:
:lol:Wann war denn diese "neue Welle"? Welche Zeit ist damit gemeint?
Und könnt ihr das Genre der "Völker-Fantasy" etwas genauer beschreiben? :eek:


Och Lefti. Wo warst du die letzten zehn Jahre?
2002: Stan Nicholls - "Die Orks"
2003: Markus Heitz - "Die Zwerge"
2006: Christoph Hardebusch - "Die Trolle", Michael Peinkofer - "Die Rückkehr der Orks"

... und natürlich die Elfen, die Goblins, die Oger - jeder, der bei "Drei!" nicht auf dem Baum oder unter der Erde war, kriegte mindestens eine Trilogie übergezogen. Eher mehr.

In der "Zeit" erschien ein Bericht über einen Selbstversuch beim Schreibseminar: www.zeit.de/2013/51/autor-fantasyroman
#3 Lefti 2014-03-01 11:13
Ach, ihr meint 'die Welle', die von der HdR-Film-Trilogie (2001-2003) losgetreten wurde?! :zzz :zzz :zzz
Als dann auch das 'gemeine' Volk anfing Fantasy zu lesen und dementsprechend 'Mainstream'-Fantasy, bzw. 'Völker'-Fantasy für das gemeine Mainstream-Volk produziert wurde... :sigh:
Da hast Du recht, bis auf die Zwergen-Romane von Markus Heitz und Frank Rehfeld habe ich diese Welle verschlafen, da es für mich dementsprechend nichts Neues gab. :zzz
Seit dieser Zeit habe ich mich weiterentwickelt und bin mehr auf dem Trip der Science Fantasy, Science Fiction, Steampunk(-welle :lol: ) und Dark Fantasy. Yepp, man muss dem 'gemeinen' Volk immer einen Schritt voraus sein...! ;-) :P

Wobei bei der Bezeichnung 'Dark Fantasy' immer noch erheblicher(!) (Auf)klärungsbedarf besteht, weil viele Leuts 'Dark Fantasy' immer noch mit Grusel/Horror verwechseln, bzw. gleichsetzen.
#4 Kerstin 2014-03-02 17:25
Keine Zeit ist die Standard-Ausrede für alles, was einem keinen Spaß macht. So richtig zieht das nicht, wenn man für jede Menge anderen Kram die Zeit findet. Überlegt mal, wieviel Zeit die Leute lt. Statistik mit Fernsehen verbringen, im Internet surfen, auf Facebook und Co. verbringen, ins Nagelstudio rennen und was sonst noch beliebt, aber beileibe nicht lebensnotwendig ist.

Ich arbeite für drei Firmen und baue ein Haus. Da reicht schon die 7-Tage-Woche kaum noch aus. Trotzdem habe ich auf dem Nachttisch ein Buch liegen und eins im Bad. Hier und da mal ein paar Seiten gehen immer und wirken sehr entspannend.

Wenn mir andere ankommen mit dem Zeitgejammer und was sie angeblich für einen Stress haben, dann muss ich mich manchmal schwer beherrschen, nicht handgreiflich zu werden.

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