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Bd. 6 - Auf dunklen Pfaden

                                                                                      Auf dunklen Pfaden                    Strange eyes fill strange rooms,

                                                                         voices will signal their tired end.

                                                                         The hostess is grinning,

                                                                         her guests sleep from sinning."

The Doors, 1967, Strange Days

1. Kapitel:

Tor in die Anderswelt


 


„Lass sie in Ruhe!“, rief Mark Larsen mit irrem Funkeln in den Augen, als sich Connor Baigent seiner Freundin Sabrina näherte. Immer noch waren sie in der Gewalt des ehemaligen Hüters, von dem sie nun sicher wussten, dass er ein Vampir war.

Sicher war auch, dass Connor sein Lei­nenkissen verloren hatte, welches Mitglieder des Ordens vor dem bösen Blick und anderen Unan­nehmlichkeiten, die einem die schwarze Familie bereiten will, schützt.

Connor streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger über Sabrinas Stirn. Eine Platzwunde, die eben erst aufgehört hatte zu bluten, wurde so wieder geöff­net. Kleine Tropfen quollen hervor und liefen die Stirn hinunter, bis Connor sie mit dem Finger auffing. Ein Stöhnen drang tief aus seiner Kehle hervor.

Dann leckte er sich das Blut vom Fin­ger. Wieder stöhnte er und verdrehte dabei die Augen.

„Oh, Hüter … weißt du eigentlich, dass es nichts gibt auf der Welt wie die Sucht nach dem Le­benssaft? Kein Dro­gensüchtiger kann nachempfinden, was ich spüre. Ich kann das Blut in den Adern rauschen hö­ren, höre euren Herz­schlag. Und nun schmecke ich auch ihr Blut.“

„Wag es nicht…“, setzte Mark an, doch er wurde unterbro­chen.

„Sei ruhig! Und höre dir meine Ge­schichte weiter an.“

Ungläubig sahen Mark und Sabrina den Vampir an. Beide hatten damit gerechnet, dass Connor sie nun ebenfalls zu Wesen der Nacht machen wollte. Sabrinas Atem beruhigte sich nur langsam, noch immer stand die Angst in ihren Augen, als sie zu Mark blickte. Der hätte gerne mit den Schultern gezuckt, doch das ließen die Fesseln nicht zu.

Dann erzählte Connor Baigent weiter.

 

***

 

Mai 2006

Connor Baigent war am Boden, kniete vor dem Mann, den er am meisten hasste: Pascal Tureille! Nach all den Jahren war er wieder da, wie ein Todesengel stand er über ihm.

„Wie lang musste ich auf diesen Augenblick warten, wie lang schwelte der Gedanke an Rache in mir wie ein unlöschbares Feuer.“

Connor lagen tausend Erwiderungen auf der Zunge. Er wollte Tureille seinen Hass ins Gesicht speien, doch er blieb ruhig. Er wusste, dass er keine Chancen gegen drei Vampire hatte. Er sah dem Franzosen einfach nur ins Gesicht, denn den Triumph, vor ihm auch noch den Kopf zu senken, wollte er ihm nicht geben.

„Du sagst nichts? Irgendwann wirst du deinen Mund öffnen müssen, um deine Schmerzen hinauszuschreien. Hüter!“

Das letzte Wort hatte Tureille fast ausgespuckt wie etwas Giftiges. Die beiden anderen Vampire sagten nichts, nur ihr böses leises Lachen war von Zeit zu Zeit zu hören. Und das Stöhnen der UFO-Jünger, die sich langsam wieder aufrafften.

Wieder nahm Tureille seinen Monolog auf, als wäre er auf einer Bühne.

„Elena Tepescu wird sehr erfreut sein, dich zu sehen. Sie sagte, sie hätte ebenfalls noch eine Rechnung mit dir zu begleichen. Sie hat es nicht gerne, wenn man sich ihren Befehlen widersetzt.“

„Das ist das Problem dieser Schlampe, nicht meins!“, brach Connor nun doch sein Schweigen. Eigentlich wollte er es gar nicht, aber er konnte seine Wut nicht mehr kontrollieren. Und noch ein anderes Gefühl mischte sich dazwischen.

Was ist nur mit mir los? Was passiert jetzt mit mir?

Die Worte Tureilles wurden leiser, zumindest kam es Connor so vor. Stattdessen hörte er immer lauter das Stöhnen der Überfallenen.

Oh nein, das darf nicht sein! Nicht ausgerechnet jetzt! Reiß dich zusammen, Connor!

Dann begriff er schlagartig. Das zerrissene Hemd… und dort, gut einen Meter hinter seinem Erzfeind, lag etwas kleines Helles.

Das Leinenkissen!

Pascal bemerkte seinen Blick und sah nun auch zu dieser Stelle. Vielleicht sah er das Leinenkissen, aber anscheinend wusste er nicht, welche Bedeutung es hatte.

„Was ist dort hinten? Suchst du nach einer Fluchtmöglichkeit? Vergiss es, Connor, vergiss es einfach. Du hast keine Chance. Und warum auch weglaufen und wohin? Egal, wohin du gehst, du wirst zu einem Diener des Bösen werden. Ist das nicht wirklich lustig? Ein Hüter, der nun bald selbst Jagd auf den Schatz machen wird.“

„Niemals!“ Connors Schrei war so hart, dass sogar Tureille zusammenzuckte. Doch Connors Gedanken sagten etwas ganz anderes.

Er hat Recht, ich werde zu einem Jäger werden. Muss Blut trinken! Ich kann es riechen.

Nein! Reiß dich zusammen!

Aber das Blut, ich brauche es.

Du hast bisher schon Blut getrunken und wirst es auch weiter tun. Aber du wirst nie einen Menschen beißen! Niemals! Widerstehe! Denn ein Biss wird dich auf die Seite des Bösen ziehen. Unwiderruflich!

Connor presste die Handballen gegen die Schläfen. Warum hörten die Stimmen ihn ihm nicht endlich mit ihrer Diskussion auf? Wenn er nur wüsste, wie er sie zum Schweigen bringen konnte!

Beiß einen Menschen, trink sein Blut, und es herrscht Ruhe in deinem Kopf!

NEIN! Ich will nicht! Ich will das nicht!

Aber stell dir das herrliche Gefühl vor, wie sich deine Zähne in warmes Fleisch graben, wie das Blut sprudelt, über deine Lippen perlt. Gib es zu, dass es das ist, was du willst!

„Neeeiiin!!!“, schrie Connor.

Plötzlich glomm ein Lichtschein im Steinkreis auf. In der Luft schwebend und ohne eine Quelle. Zuerst nur so groß wie eine Faust, dann dehnte sich das grünlich schimmernde Licht immer weiter, streckte sich dabei. Es sah fast so aus, wie das Auge einer Katze. Alle Blicke waren nun darauf gewandt, egal ob Mensch oder Vampir, jeder war davon gefesselt.

„Was zur Hölle ist das?“, murmelte Pascal Tureille.

Niemand gab ihm eine Antwort, aber Connor nutzte die Ablenkung der anderen, um sich wieder aufzurichten. Für einen Augenblick vergaß er sogar seinen Durst, seine Gier nach Blut.

Das Licht hatte mittlerweile eine Ausdehnung von gut einem halben Meter Breite und zwei Metern Höhe erreicht. Blitze zuckten nun daraus hervor, ebenfalls grünlich.

Connor musste geblendet die Augen schließen, doch selbst durch die Lider wurde das Licht kaum gemildert. Nur langsam ließ es nach. Connor konnte nicht sagen, wie lang es dauerte, bis er es wagte, wieder die Augen zu öffnen.

Doch dann wurde die Überraschung noch größer. Ein Mann trat aus dem Katzenauge. Er war sehr alt, ein langer grauer Bart hing bis auf die Brust herab. Diese wiederum wurde von einer hellen Kutte bedeckt, welche bis zum Boden reichte. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, seine Augen waren geschlossen. Mit einem großen Schritt verließ er das grüne Licht und stand nun nur wenige Meter von den Menschen und Vampiren entfernt.

Nach einem weiteren Schritt öffnete er die Augen. Schlagartig gefror sein Lächeln, dann verschwand es völlig. Ein Ausdruck der Überraschung folgte. Er sah nun genauso verwundert auf die Männer rund um ihn, wie diese ihn anblickten.

„Er… er ist gekommen, um uns zu holen!“, rief nun einer der UFO-Jünger. Ein großer Mann, mit dunklen kurzen Haaren.

„Endlich! Hier sind wir!“

Ein Mann, der dem ersten ähnlich sah, stand nun auch auf.

„Aber  das gibt es doch gar nicht… das ist doch völlig…“, murmelte ein dritter Mann mit blonden Haaren.

„Halt die Klappe, Casey! Erweise dich nicht als unwürdig oder ich werde dich zurücklassen!“, schrie der Erste wutentbrannt.

Die anderen drei starrten einfach gebannt auf den Mann, wie Kinder, die vor dem Nikolaus stehen.

Der alte Mann blickte entsetzt auf die Redner und starrte sie an. Nach wenigen Sekunden aber schon drehte er sich um und verschwand mit einem großen Schritt zurück in dem Licht, das ihn gebracht hatte.

Sofort begann das Licht, langsam zu verblassen. Und Connor sah, wie drei junge Männer darauf zu rannten.

„Los, wir müssen ihm folgen!“, rief einer von ihnen.

Und Connor erkannte seine Chance. Er stieß Pascal Tureille hart vor die Brust und sprintete los, das Tor begann sich bereits zu schließen. Die UFO-Jünger verschwanden gerade darin.

Das ist meine einzige Chance!

„Haltet ihn!“, schrie Pascal Tureille noch, doch Connor warf sich mit einem Hechtsprung in das Licht. Dann sah er nichts mehr.

 

***

 

Das Licht spie ihn aus. Ein anderer Begriff wollte ihm nicht dafür einfallen, denn es ging rasend schnell. Eben noch hatte ihn das grüne Licht umwogt, dann war es schon vorbei und er lag… wieder im Grünen. Diesmal allerdings war es eine Wiese, auf der er lag. Und er war nicht alleine. Neben ihm lagen die drei UFO-Jünger, die das Tor noch vor ihm erreicht hatten.

Es war taghell hier. Als Connor das bemerkte, zuckte er im ersten Augenblick zusammen, wartete auf die Schmerzen, wartete auf den Auflösungsprozess. Doch nichts geschah.

Der ehemalige Hüter blinzelte zum Himmel. Er war strahlend blau und gänzlich leer. Connor sah keine einzige Wolke, keinen Schleier ‑ und keine Sonne!

Wo war er hier?

Er blickte sich um.

Schade, dass Grün nicht meine Lieblingsfarbe ist, zuckte ihm durch den Kopf. Denn um ihn herum war wirklich alles Grün. Eine weite Wiese erstreckte sich bis zum Horizont in alle Himmelsrichtungen.

Vereinzelte Bäume standen in der Nähe, in der Ferne wurde ihr Bestand dichter, bis sie sich zu einem dunklen Wald zusammengefunden hatten. Er hörte die Rufe von Tieren und Vögeln, sah aber nichts von ihnen. Nur ein Farbklecks passte nicht hier hin. Er war weiß und etwa dreißig Meter entfernt. Es war der Mann in der weißen Kutte, der aus dem grünen Leuchten getreten war, nur um nach ihrem Anblick direkt wieder zu verschwinden. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und eilte über die Wiese.

Connor wusste, dass dieser Mann die einzige Möglichkeit war, um Antworten zu erhalten. Schnell stand er auf und ging einige Schritte los.

„Hey Sie! Warten Sie!“, rief Connor ihm zu, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob der Alte ihn überhaupt verstand.

Selbst auf die doch ziemlich große Distanz konnte er erkennen, wie der Mann zusammenzuckte. Dann drehte er sich halb um. Connor lief nun etwas schneller, war bis auf gut fünfzehn Schritte herangekommen.

„Warten Sie, was wird hier gespielt?“

Der Mann riss die Augen auf und gab einen entsetzten Laut von sich. Und das war auch schon die einzige Antwort, die der Mann gab. Dann wandte der Alte sich von Connor ab und lief mit einer Geschwindigkeit los, die dieser ihm niemals zugetraut hätte. Mit raumgreifenden Schritten hetzte er auf einen Baum zu, der einer Eiche nicht unähnlich war.

Was macht der denn da? Der klatscht doch gleich vor den Stamm!

„Halt! Bleib stehen!“

Noch drei Schritte vielleicht… zwei… einer! Jetzt! Doch es gab keinen Aufprall. Der Mann verschwand einfach im Baum! Als hätte der Stamm sich geöffnet, wie eine Tür. Nun kam auch Connor dort an, wo eben noch der Flüchtige gewesen war.

„Das ist doch nicht möglich…“, murmelte er und dachte im gleichen Moment: Denkt sich ein Vampir, der eben durch ein grünes Licht aufgesaugt und ausgespuckt wurde und im Vorleben der Bewacher von Jesus Ur-Ur-Ur-Enkeltochter war

 

***

 

„Das kann doch nicht wahr sein!“, Pascal Tureille tobte. Er konnte es nicht fassen, hatte seinen Erzfeind doch schon gehabt. Vor ihm hatte er gekniet, hoffnungslos und verloren. Was war nur passiert? Tureille konnte es sich nicht erklären. Was war das für ein seltsamer Mann gewesen? Und wo war er hergekommen? Dass es Übernatürliches gab, war ihm nach all den Jahren als Mitglied der schwarzen Familie natürlich klar, aber er wollte Erklärungen.

„Pascal, was…“, setzte einer seiner Begleiter zu einer Frage an.

„Was auch immer du fragen willst: Woher soll ich denn die Antwort wissen, du dämlicher Idiot!“ Ein Mensch hätte jetzt tief durchgeatmet, Pascal streckte sich nur einmal.

„Okay, der Hüter ist uns entkommen, wie auch immer. Wir werden es schon noch herausfinden.“

„Was machen wir mit den anderen?“

Verächtlich sah der Anführer der Dreiergruppe auf die zurückgebliebenen Männer, die immer noch am Boden lagen. Die drei bewegten sich stöhnend und erwachten mit schmerzenden Schädeln.

„Eine kleine Stärkung kann nicht schaden. Jeder packt sich einen! Dann bringen wir sie zu Elena. Vielleicht wird sie das etwas besänftigen.“

Denn vor ihrem Zorn musste sich sogar Pascal Tureille in Acht nehmen.

 

***

 

Connor ging die letzten Schritte bis zu dem Baum, der den Mann gerade geschluckt hatte. Ja, so hatte es ausgesehen. Er tastete über die Rinde, zuerst nur mit den Fingerspitzen. Dann legte er die gesamte Handfläche darauf. Nichts, ein ganz normaler Baum, wie er überall auf jedem Kontinent und in jedem Land der Welt zu finden war. Die Rinde war hart und undurchlässig. Er klopfte an den Stamm wie eine Tür, doch ein „Herein“ wurde ihm nicht zugerufen.

Dann drehte er sich um. Die drei Männer, die mit ihm hierher gekommen waren, waren mittlerweile aufgestanden.

Nahrung!, schoss es ihm durch den Kopf.

Reiß dich zusammen! Du weißt nicht, wo du bist und ob es hier in der Nähe noch andere Menschen gibt, außer diesem seltsamen Alten.

Connor wollte erst einmal mit seinen Begleitern reden. Kurz darauf stand er den drei Männern gegenüber. Da sie sich kannten, hatten sie sich nebeneinandergestellt. Connor musterte die drei.

Am auffälligsten war der Mann in der Mitte. Dunkle kurze Haare, ein markantes Gesicht. Die Augen waren ebenso dunkel wie die Haare und der düstere Blick zusammen mit dem harten Zug um die Mundwinkel verlieh ihm etwas Gemeines. Außerdem überragte er die anderen beiden deutlich, war sogar größer als Connor. Links neben ihm stand ein Mann, der ungefähr die Größe von Connor hatte. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mittleren und für einen Moment vermutete Connor Brüder vor sich zu haben. Die Haare dieses Mannes hatten den gleichen Schnitt, waren allerdings braun und auch die Gesichtzüge waren etwas weicher. Nur der harte Blick war ihnen gleich.

Der rechte unterschied sich völlig von den beiden. Die blonden Haare fielen fast bis auf die Schultern, das Gesicht war weich und der Blick sanft.

Ihre Kutten waren zerrissen und voller Blut, also legten sie sie nun ab. Darunter trugen sie normale Straßenkleidung.

 Doch auch die war von den Wunden in Gesicht, Hals und Oberkörper mit Blut befleckt. Zumindest war das so bei den beiden großen Typen. Der Kleine sah noch ganz munter aus.

Und appetitanregend!

Connor musste sich wieder zusammenreißen, um nicht nur auf das langsam verkrustende Blut zu starren.

„So, Jungs, dann schießt mal los. Was war das eben, wo sind wir hier, wer war der Typ und was soll die ganze Scheiße?“, fragte Connor.

„Wir sind…“, setzte der jüngste mit den blonden Haaren an.

„Ich hab’s dir schon mal gesagt: Halt die Klappe, Casey! Und du weißt, wie ich es hasse, mich wiederholen zu müssen. Wenn hier einer redet, dann bin immer noch ich das, kapiert?“

Der Angesprochene senkte den Blick und nickte.

„Ja, Richard.“

„Gut, dann ist das ja geklärt. Und nun zu ihnen, Mister Unbekannt. Es ist reichlich unhöflich, einfach drauf los zu fragen, ohne sich vorzustellen.“

„Mein Name tut erst mal nichts zur Sache. Ich will wissen, was passiert ist. Es sah nicht sehr zufällig aus, dass ihr da bei den Witch Stones aufgekreuzt seid.“

„War es auch nicht. Wir haben dort auf etwas gewartet.“

„Und scheinbar ist es eingetroffen, was?“

Diesmal antwortete niemand sofort, doch dann ließ sich der Große, der wohl so etwas wie der Anführer der Gruppe war, zu einer Antwort herab.

„Ja, es ist eingetroffen. Aber ich sehe keinen Anlass es ihnen zu erklären, Mister. Sie gehören nicht zu uns, haben keine Ahnung von dem, was in der Welt vorgeht.“

Hast du eine Ahnung, dachte sich der ehemalige Hüter und musste sich ein Grinsen verkneifen.

Vielleicht solltest du ihm einfach den Hals durchbeißen, um ihm zu zeigen, was wirklich in der Welt vorgeht!

Connor schüttelte den Kopf.

Der mittlere, von dem er den Namen immer noch nicht wusste, blickte sich gehetzt um, als erwartete er, dass jederzeit etwas passiere. Auch den anderen beiden fiel das auf. Der Mann, der als Richard angesprochen worden und anscheinend so etwas wie der Anführer dieser Truppe war, packte ihn bei den Schultern.

„Mann, Peter! Kannst du nicht einfach mal cool bleiben?“

„Lass mich los!“

Er schüttelte sich und löste den Griff.

„Bleibt mal ruhig, Jungs! Es bringt ja nix, wenn wir uns hier in die Haare kriegen. Wir sollten zusammenarbeiten“, sagte Connor.

Ja, wieg sie nur schön in Sicherheit. Und dann packst du dir den ersten!

Nein, verdammt! Ich werde niemanden beißen!

Oh, ich denke, das werden wir noch sehen

„Also, mein Name ist Connor Baigent.“

Noch einmal musterte ihn der Anführer. Dann atmete er tief durch. Anscheinend hatte er sich entschlossen auf Connors Vorschlag einzugehen.

„Ich bin Richard Moore. Das hier ist Peter Sanderson und der Kleine da, das ist Casey Sittler. Und ja, ich weiß was hier abgelaufen ist“, griff er noch einmal Connors Frage von vorhin auf.

„Und was ist jetzt da abgelaufen?“

„Wir wurden von ein paar Wichsern angegriffen, die einfach nicht wissen, was sie angerichtet haben.“

„Verdammte Scheiße! Aber ich weiß, was die angerichtet haben. Die haben mich übel zugerichtet!“, schrie Peter Sanderson.

„Ich blute auch, als bleib locker.“ Zum ersten Mal hatte Casey Sittler einen ganzen Satz gesagt. Seine Stimme war genauso weich wie sein Gesicht.

Blut! Er blutet und weiß doch nicht, dass es nur der Anfang für ihn ist.

Connor blickte auf den Jungen und leckte sich über die Lippen.

„Wurdest du verletzt?“, fragte er ihn

„Was? Oh, ähm… ja, hier am Hals. Ein Schlag hat mich getroffen.“

„Und ihr beiden?“

Diesmal hatte er die Frage an Richard Moore und Peter Sanderson gestellt.

„Nein, ich habe nicht viel einstecken müssen. Eher umgekehrt.“ Moore lachte auf, aber es war nicht mehr als der Versuch, Unsicherheit zu überspielen.

Connor sah Sanderson in die Augen, die wie im Fieber glänzten.

„Hier, auch am Hals und am Kopf. Ein Schlag, ja… ein Schlag hat mich getroffen. Oder beim Sturz auf den Boden… ich weiß nicht so richtig… es kann auch…“

Peter Sanderson stotterte die Silben heraus und blickte sich um, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier.

„Mist, jetzt ist die Wunde wieder aufgeplatzt“, rief da Casey Sittler.

Er hielt den Kopf zur Seite gedreht und starrte auf seine Schulter, über die nun schon Blut lief.

Ich muss jetzt trinken!

Connor konnte sich nicht mehr beherrschen.

„Aaaaah!“

Mit einem Aufschrei stürzte Connor sich auf den Jungen und riss ihn um.

„Ich will dein Blut!“, schrie er.

 

***

 

Gegenwart

Mark konnte es nicht fassen. Natürlich wusste er mittlerweile, was mit Connor Baigent passiert war, wusste es mit allen Konsequenzen. Ein Biss und das folgende Blutsaugen würden Connor für alle Zeiten und unwiderruflich auf die Seite des Bösen gezogen haben, ihn zu einem richtigen Vampir und damit Mitglied der schwarzen Familie gemachte haben. Und er wusste auch nur zu gut, wozu ein Vampir fähig war. Aber diese Erzählung brachte ihn doch ins Schwitzen. Was sollte nur aus ihm werden? Wobei er sich um sich selber noch weniger Sorgen machte als um Sabrina. Er würde es nicht ertragen können, wenn ihr etwas geschah. Er war der Hüter und es war seine Aufgabe, gegen die Mächte des Bösen zu kämpfen. Dass es nur ein kurzes Gastspiel bleiben würde, betrübte ihn, doch die Angst um Sabrina brachte ihn fast um den Verstand. Angst und vor allem auch Wut pulsierten durch seine Adern. Doch wie lange würde noch Blut durch sie fließen?

Er kannte Sabrina erst so kurz und war doch so unglaublich glücklich mit ihr, das durfte doch noch nicht alles vorbei sein!

Und was war mit Christine? Und dann im Endeffekt auch mit der ganzen Welt und der Menschheit? Das Begreifen der möglichen Auswirkungen ließ ihm fast schwarz vor Augen werden. Pfeifend sog er die Luft ein. Er musste den ehemaligen Hüter aufhalten, aber wie? Worte waren die einzige Waffe, die er im Moment noch einsetzen konnte.

„Connor, du…“, setzte er an. Doch der Vampir schüttelte nur den Kopf.

„Hör einfach weiter zu, Mark.“

Etwas anderes blieb ihm und Sabrina ja auch gar nicht übrig.

 

***

 

Mai 2006

Connor wollte dem Jungen die Zähne in die Kehle schlagen, sein warmes Blut in seine Kehle laufen lassen. Der Junge hatte keine Chance gegen die Kräfte des Blutsaugers. Mit hartem Griff bog er die zur Abwehr erhobenen Arme beiseite und drehte dann den Hals zur Seite.

Gleich…gleich ist es soweit, ich kann das Blut schon rauschen hören! Ja, ich schmecke es schon fast!

Da traf ihn ein knallharter Tritt an den Armen. Zwar spürte er keine Schmerzen, aber dem Druck musste auch er nachgeben. Der Tritt sprengte seinen Griff und pfeifend sog Casey die Luft in seine Lungen, die schon wie Feuer brannten. Er kniete auf dem Jungen, der keine Möglichkeit hatte, sich zu befreien.

Da traf Connor auch schon der zweite Tritt, diesmal in die Rippen. Er konnte die Knochen knacken hören. Der Stoß warf ihn von dem Jungen und er rollte einige Meter weit.

„Gut so, Peter! Gib es dem Wichser!“, feuerte Richard Moore den Angreifer an. Selbst griff er nicht in den Kampf ein.

Casey Sittler rieb sich die schmerzende Kehle und keuchte wie ein Ertrinkender. Schwarze Lichter zuckten immer noch vor seinen Augen.

Connor wollte gerade wieder hoch kommen, als ihn ein Schlag schon wieder zu Boden warf.

„Es ist mein Blut, hörst du? Ganz allein meins!“

Sandersons Stimme überschlug sich fast.

Er ist auch ein Blutsauger!, erfüllte Connor die Erkenntnis, die er gerade so nachdrücklich empfangen hatte.

Nach einem weiteren Tritt, der ihn beim Hochkommen erwischte, ließ Sanderson überraschend von ihm ab. Dafür sprang Peter Sanderson auf Richard Moore zu. Der wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah, und machte auch keinen Versuch den vermeintlichen Freund abzuwehren. Was dieser gerade gesagt hatte, hatte er überhaupt nicht begriffen.

Der Schlag riss ihm fast den Kopf von den Schultern. Doch er fiel nicht um. Er war geübt von vielen Schlägereien und wusste, wenn er einmal am Boden lag, war es vorbei mit ihm.

Instinktiv schlug er zurück, traf auch. Doch sein Schlag war viel zu harmlos für den Vampir. Als hätte ein Kind ihn geschlagen ging er unbeeindruckt weiter und packte zu.

Die Tritte hatten Connor zwar nicht verletzten können, aber sie hatten ihn soweit durchgeschüttelt, dass er wieder klarer denken konnte.

Verdammt, zu was für einer Bestie bin ich nur geworden?, dachte er.

„Sanderson! Nein, lass den Mann los! Du darfst ihn nicht beißen!“

Er sprang auf und rannte los. Es waren nur wenige Meter, aber die Distanz zwischen den Vampirzähnen und der pochenden Halsschlagader unter der Haut betrug nur eine Handspanne.

Das kann ich nicht schaffen!

Im gleichen Moment, als er es begriff, drangen die Zähne in den Hals ein. Zerrissen erst Haut, dann Fleisch und dann die Ader. Sofort sprudelte Blut hervor und spritzte dem Vampir ins Gesicht. Erst dann hatte er seinen Mund über die Wunde gepresst, um keinen Tropfen des Lebenssaftes mehr zu verlieren.

Connor konnte das Saugen und Schlürfen hören. Längst hatte Moore die Gegenwehr aufgegeben. Die Arme hingen schlaff an seinen Seiten herunter. Die Augen waren halb geschlossen und blickten ausdruckslos in die Leere.

Obwohl Connor wusste, das der Mann verloren war, krachte er mit voller Wucht gegen den Vampir und sein Opfer. Dieser ließ los und alle drei rollten über die Wiese. Während zwischen den beiden Vampiren ein Kampf entbrannte, blieb Richard Moore einfach still liegen.

Er konnte die Kampfgeräusche hören. Es war, als würde in weiter Ferne jemand aufeinander einschlagen. Ein Stöhnen war zu hören. Unter sich fühlte er die Kühle der Erde. Dann trat ein Schatten in sein eh immer enger werdendes Blickfeld.

Es war Casey, das Gesicht war verschwommen, aber an den blonden Haaren konnte er ihn erkennen.

Casey…hilf mir hoch, wollte Richard sagen. Doch kein Wort kam mehr über seine Lippen. Und hören konnte er auch nichts mehr. Er sah zwar, dass Casey seine Lippen bewegte, aber er verstand es nicht. Dann setzte der Herzschlag endgültig aus und seine Augen schlossen sich.

 

***

 

Mühsam kam Casey auf die Beine. Seine Kehle schmerzte. Dieser Mann, wie hieß er noch gleich? Ach ja, Connor Baigent. Er hatte ihn angegriffen. Ohne die Hilfe von Peter wäre er jetzt schon tot. Wo waren sie hin? Er ließ seinen Blick schweifen.

Da vorne rollten sie alle durchs Gras. Einer blieb reglos liegen.

Das ist Richard! Ich muss ihm helfen!

Obwohl Casey selbst noch mehr als fertig war von dem Angriff, dachte er sofort die anderen. Das war schon immer seine Art gewesen. Nett und hilfreich, wo immer es nur ging. Oft hatten das die anderen ausgenutzt. Aber hier und jetzt war weder die Zeit noch der Ort um sich zu ändern. Es ging hier um Leben und Tod. Er hatte gerade noch einmal Glück gehabt, aber was war mit Richard?

Dann stand er vor ihm und beugte sich über ihn.

„Hey, Richard…was ist mit dir?“

Keine Bewegung, nicht mal ein Zucken im Gesicht verriet ob Richard ihn verstanden hatte. Er kniete nieder und griff nach Richards Arm. Er suchte die richtige Stelle und fühlte nach dem Puls. Nichts! Nicht ein einzelner Herzschlag mehr! Hatte er ihn vor Aufregung nicht gespürt? Er ließ den Arm fallen und wollte die Finger an den Hals legen. Stattdessen legte er sie in eine abscheuliche klaffende Wunde. Voller Ekel zog er die Finger zurück, die nun rot und feucht waren. Da wusste er: Richard Moore konnte keiner mehr helfen!

Er schloss ihm die Augen und sah dann hinüber zu den Kämpfenden.

 

***

 

Peter Sanderson und Connor Baigent schlugen wie die Wahnsinnigen aufeinander ein. Schmerz kannten sie beide nicht mehr. In einer kurzen Kampfpause rief Connor darum:

„Schluss jetzt! Das bringt doch nichts! Du bist ein Vampir, genauso wie ich.“

Aber es gibt dennoch einen Unterschied!, dachte Connor. Du hast einen Menschen gebissen. Du gehörst nun auf die Seite des Bösen. Ich nicht.

Noch nicht

Connor war sich darüber im Klaren, dass Peter Sanderson ihn mit seinem Angriff vorerst vor diesem Schicksal bewahrt hatte.

„Ich bin auch ein Vampir!“, wiederholte er noch einmal.

Um seine Worte zu unterstreichen öffnete er den Mund und präsentierte seine Zähne.

Auch Sanderson vollführte diese Geste. Seine Zähne waren allerdings noch rot vom Blut seines ersten Opfers.

Peter Sanderson ließ die Arme sinken und entspannte sich.

„Und nun? Wie soll es weiter gehen?“

„Das weiß ich auch nicht so genau, aber auf jeden Fall müssen…“

Connor konnte seinen Satz nicht beenden. Wind kam auf, sacht nur. Aber nach der totalen Windstille und absoluten Ruhe die bis gerade in diesem Land geherrscht hatte, merkte man es sofort. Der Wind steigerte sich, man vernahm ein deutliches Rauschen. Dazwischen erklang ein Ton, ein Summen, und wurde immer lauter. Fast körperlich konnten sie ihn spüren.

Er sah hinüber zu Sanderson und dann zu Casey Sittler. Auch der schien es zu hören, denn er blickte sich um und wollte ebenso die Quelle dieses Summens ergründen. Dann musste er sich die Hände auf die Ohren pressen, denn der Ton löste nun schon ein körperliches Unbehagen bei ihm aus. Auch Peter Sanderson erging es so. Casey Sittler hingegen schien das Summen nicht zu stören, es kam ihm eher vor wie eine sanfte Melodie.

Ob es daran liegt, dass er ein Mensch ist?, fragte sich Connor.

So plötzlich wie das Summen erklang, verstummte es auch wieder. Und genau so plötzlich standen sieben Männer bei ihnen, einer von ihnen derjenige, den sie bereits bei den Witch Stones gesehen hatte. Sie kamen aus der Richtung, in die der andere vorhin gelaufen war, bis ihn der Baum verschluckte.

Und sie sahen im auch alle sehr ähnlich. Sie trugen ebenfalls diese seltsame Kutte, zwar nicht alle ganz weiß, aber dennoch eindeutig vom gleichen Schnitt. Und auch sie trugen lange Bärte und Haare.

„Seht, da sind sie.“

Connor runzelte die Stirn. Der Alte benutzte eine Sprache, die Connor noch nie gehört hatte, und dennoch konnte er ihn verstehen.

„Du hast wahr gesprochen, wie wir nicht anders erwartet haben.“

„Der Rat der Sieben muss schnell entscheiden, was mit ihnen geschehen soll.“

„Hey“, rief Connor auf Englisch. „Wenn ihr schon über uns redet, könntet ihr wenigstens mit uns reden.“

„Schicken wir sie einfach zurück.“

„Nein, sie sind eine Gefahr für die Menschen. Und auch für uns, wenn sie den Weg hierher erklären.“

„Sie kennen nur den Weg zu den Steinen, aber nicht den hindurch. Außer wird ihnen niemand glauben.“

„Dennoch dürfen wir dieses Wagnis nicht eingehen. Und töten können wir sie auch nicht.“

„Das verderbte Land! Schicken wir sie dahin!“

Plötzlich herrschte Ruhe. Alle sahen den Weißbärtigen an, der die letzten Worte gesprochen hatte.

„Aber es ist ein Mensch dabei!“, sagte schließlich der ihnen Bekannte aus der Gruppe.

Sieben Mann blickten auf Casey Sittler.

„Es geht nicht anders, es ist zu gefährlich, sie zurück zu schicken. Und hier bleiben können sie auf keinen Fall.“

Die Diskussion wogte hin und her. Keiner wagte es, sich einzumischen.

Dann hörte man zustimmendes Gemurmel und die Männer nickten, als hätten sie eine Entscheidung gefällt.

Der erste dieser seltsamen Männer, die ein wenig wie Mönche wirkten, sprach zu der seltsamen Gruppe die es hierhin verschlagen hatte.

„Der Rat der Sieben hat beschlossen, euch in das verderbte Land zu schicken! Auch wenn es uns um dich Menschen leid tut, doch wir sehen keine andere Möglichkeit. So sei es und so wird es geschehen!“

„So sei es und so wird es geschehen“, wiederholten die anderen sechs.

„Das verderbte Land? Aber was ist das? Und wo sind wir überhaupt?“, fragte Connor.

Aber ohne eine weitere Antwort hoben die Männer ihre Arme. Und wieder ertönte dieses Summen. Nur war der Ton diesmal dunkler, von einer düsteren Schwere erfüllt.

Dann erschien ein seltsames Licht über ihnen.

Eins von diesen komischen Toren! Aber es sieht nicht so aus wie das bei den Witch Stones.

Tatsächlich war es diesmal eher grau statt grün, wirkte richtig gehend dreckig und passte so überhaupt nicht in dieses Land, das bisher so eine Ruhe und Frieden ausgestrahlt hatte. Es senkte sich von oben auf Richard Moore, Peter Sanderson, Casey Sittler und Connor Baigent herab.

„Verdammter Mist…“, murmelte Peter Sanderson.

Und Connor kam nicht umhin, ihm zuzustimmen. Dann hatte das Tor sie verschlungen.

Und um Connor Baigent wurde es ein weiteres Mal dunkel.

 

***

 

Gegenwart

Wieder stoppte Connor seinen Bericht und legte eine Pause ein.

„Du hast eine weite Reise unternommen“, sagte Sabrina.

„Ja, das stimmt. Von den Lebenden zu den Toten, von der Erde zur Hölle…und zurück zu euch.“

„Du bist der seltsamste Vampir, der mir je begegnet ist“, sagte Mark.

Was auch nicht schwer ist, so viele waren es ja noch nicht.

„Du hast mehrmals die Chance jemanden zu beißen und kämpfst dagegen an. Der Hüter und seine Freundin sitzen gefesselt vor dir und du spielst Märchenonkel. Wie soll ich dich nur einschätzen?“

„Wie schon gesagt, warte es ab. Geduld scheint nicht deine Tugend zu sein, Hüter. Das musst du noch lernen.“

„Das lässt sich leicht von jemandem sagen, der ein ewiges Dasein vor sich hat.“

„Oh, das kannst du auch haben, wenn du willst.“

Connor grinste Mark an.

„Nein, danke. Lass mal sein, ich fühl mich ganz wohl mit Aussicht auf noch ein paar Jährchen. Das reicht mir.“

„Paar Jährchen? Was macht dich so sicher, das es nicht nur noch ein paar Stündchen sind? Und ich einfach nur warte, bis ich wirklich durstig bin?“

Mark schwieg und sah Sabrina an.

„Erzähl uns von dem verderbten Land“, sagte sie schnell.

Connor Baigent seufzte, als würde eine schwere Last auf ihm liegen. Dann fuhr er fort…


 


                                                          Waiting for you to come along,

                                                          waiting for you to hear my song,

                                                          waiting for you to come along,

                                                          waiting for you to tell me what went wrong.

The Doors, 1970, Waiting for the sun.

2. Kapitel:

Das verderbte Land


 


Während die erste Reise durch das helle grünliche Licht sehr schnell verlaufen war, schien dieser Trip kein Ende zu finden. Connor ahnte, das auch Casey Sittler, Peter Sanderson und Richard Moore mit ihm unterwegs waren. Sehen konnte er sie allerdings nicht, denn er war umgeben von einer Dunkelheit, die absolut war. Nicht ein Fünkchen Licht war da, selbst eine Kerze hätte hier wie das Strahlen einer Sonne gewirkt. Falls dieser Tunnel das Licht nicht einfach verschluckt hätte.

Dann, nach einer unbestimmbaren Zeit, wurde es langsam heller. Es wirkte wie eine Dämmerung. Kurz darauf der Aufprall. Mit ungeheurer Wucht krachte Connor auf einen harten Boden. Er war froh, dass er keine Schmerzen mehr spüren konnte.

„Aaaah!“

Das war Caseys Stimme gewesen.

Klar, der Junge fühlt noch was. Das muss weh getan haben…

Connor stand auf. Ebenso Peter Sanderson, schließlich war er auch ein Vampir und spürte nichts mehr.

Casey Sittler hingegen lag stöhnend auf dem Boden. Richard Moore, der ehemalige Anführer von Vosenius’ Kindern, lag nicht weit entfernt von ihm. Allerdings still und ohne sich zu bewegen.

Seine Verwandlung ist noch nicht abgeschlossen, aber lange kann es nicht mehr dauern, bis auch er vom Blutdurst angetrieben wird. Armer Kerl…zwar ein Arschloch, aber dennoch ein armer Kerl, dachte Connor.

Und noch jemand war bei ihnen. Es war der Mann, der sie zusammen mit den anderen Miraculix-Verschnitten hier hin geschickt hatte.

„Wo sind wir hier? Was soll das?“

Peter Sanderson stellte die Fragen, die auch Connor auf der Zunge lagen.

„Dies ist das verderbte Land. Einst gehörte es zu unserer Seite. Doch das ist lange her

Zum ersten Mal lag etwas wie Wehmut in seiner kräftigen Stimme, die scheinbar überhaupt nicht zu seinem alten Körper passen wollte.

„Und was sollen wir hier?“, fragte Connor.

Traurig sah der alte Mann ihn an.

„Überleben, wenn ihr könntes tut mir leid für den Jungen. Und irgendwie auch für dich.“

Dann wandte er sich um, ging zwei Schritte und das grüne Tor entstand. Keine fünf Sekunden später hatte er die Gruppe verlassen.

„Na toll, der Einzige der irgendwie eine Ahnung hat, ist weg. Und jetzt? Verdammte Scheiße!“

Connor beachtete den tobenden Sanderson nicht, sondern sah sich erst mal um. Das Land hier war das komplette Gegenteil zu ihrem vorigen Aufenthaltsort. Hier gab es keine grüne Wiese, keine Blumen und Bäume. Sie standen auf braun-schwarzem Gras, fauliger Geruch drang vom Boden herauf.

Die Bäume die es gab, trugen keine Blätter. Sie waren tot, wie scheinbar alles hier.

Connor sah zum Himmel. Eine trübe Glocke, mehr nicht. Es sah aus wie zu besten Smogzeiten über Mexiko-City. Scheinbar war es Nacht, denn nur ein trüber Mond spendete schwaches Licht.

Inzwischen hatte Richard Moore angefangen zu stöhnen, er klang nun wie Casey Sittler vor wenigen Minuten.

Nun meldete sich auch Casey zum ersten Mal:

„Hilf mir hoch!“

Connor packte nach seinem Arm und zog ihn auf die Beine.

„Danke.“

„Keine Ursache.“

„Wo sind wir hier, Connor?“

Auch Casey blickte sich nun um. Angst stand in seinen Augen.

Wieder fiel Connor ein, das er nur ein Mensch war.

Klar, dass er die meiste Angst hat. Hätte ich auch an seiner Stelle.

Peter Sanderson trat zu ihnen.

„Was machen wir jetzt?“, fragte er.

„Überleben, wie es der Typ gesagt hat.“

„Toller Plan!“

„Hast du einen besseren, Sanderson? Nein? Dann halt doch einfach mal die Fresse!“

Connor musste sich einfach Luft verschaffen. Dieser Vampir ging ihm ungeheuer auf die Nerven.

Peter Sanderson setzte zu einer Erwiderung an, ließ es dann aber doch sein. Sein Blick zeigte allerdings, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen worden war.

„Lass uns erst mal warten, bis Richard aus seinem Schläfchen erwacht“, sagte er stattdessen.

Schläfchen… widerlicher Bastard!

Connor schauderte, als er an das Blut saugen dachte. Und da fiel es ihm zum ersten Mal aufer verspürte keine Gier mehr nach Blut!

Aber… das ist unmöglich! Das gibt es doch gar nicht, unmöglich!

Connor hatte keine Zeit weiter darüber nach zu denken, denn Casey stieß ihn an.

„Connor, was ist mit dir? Und was meint Peter mit „Schläfchen“?“

Connor sah Casey tief in die Augen. Er wusste, dass es keinen Sinn hätte ihn zu belügen, deswegen wollte er ihm die schonungslose Wahrheit sagen. Auch, um ihn auf seine Seite zu ziehen.

„Er meint damit, dass er ihm das Blut ausgesaugt hat und Richard sich gleich als Vampir erheben wird. Und danach genau so gierig auf Blut sein wird, wie es sein Mörder, Peter Sanderson, selbst ist.“

Casey schien nicht zu begreifen, er starrte abwechselnd Connor, dann Peter und dann wieder Richard an, der jetzt die Augen geöffnet hatte und sich langsam aufsetzte.

„Halt mal den Ball flach, Connor!“, ereiferte sich Sanderson. „Du bist selbst ein Vampir und musst Blut saugen, um zu überleben.“

Er hat Recht, aber scheinbar gilt das hier nicht. Oder ist es nur Wunschdenken?

„Ich müsste, ja“, murmelte Connor.

„Was soll das heißen?“

„Das geht dich nichts an.“

„Was ist passiert?“, hörte man nun Richard.

„Willkommen im Club, mein Alter.“

„Was für ein Club, Peter? Man, irgendwie dreht sich alles.“

„Im Club der Blutsauger.“

„Was?“

„Fühl mal deine Zähne.“

Mit der Zunge tastete Richard über seine Vorderzähne. Und tatsächlich waren dort zwei Zähne verändert worden. Sie waren länger und spitzer als sonst.

„Du gewöhnst dich schnell dran“, sagte Sanderson.

Plötzlich zuckte er zusammen und sein Gesicht verzog sich.

„Peter! Was ist mit dir?“

Casey…er sorgt sich immer noch um die beiden. Und das, obwohl sie ihn jederzeit leer saugen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen.

Peter Sanderson hatte sich schnell wieder gefangen und nichts wies auf das gerade Geschehene hin.

„Peter, alles in Ordnung mit dir?“, fragte Casey noch einmal nach und ging auf Peter zu.

Connor wurde fast ehrfürchtig vor soviel Gutherzigkeit.

„Ja, verdammt. Lass mich in Ruhe!“

Mit diesen Worten stieß er Casey zurück.

Um die Situation zu lockern sagte er schnell:

„Wir sollten uns überlegen, was wir nun unternehmen. Hier gibt es scheinbar nichts, wohin wir gehen könnten. Geschweige denn jemand, an der wir uns mit unseren Fragen wenden könnten. Unser Ziel allerdings sollte klar sein: Wie kommen wir von hier, wo immer das auch ist, wieder zurück?“

„Mir gefällt es nicht, dass du hier einfach die Anführerrolle übernehmen willst, Connor! Und ihr könnt von mir aus machen, was ihr wollt. Komm, Richard, wir hauen ab. Casey?“

Casey sah unschlüssig zu Connor, der leicht den Kopf schüttelte.

Wenn du mit ihm gehst, bist du verloren, sagte sein Blick.

Und auch Richard schien mit diesen Plänen nicht ganz einverstanden zu sein.

„Bist du noch ganz dicht? Du saugst mich aus und ich soll dann mit dir gehen? Wohl als Kind zu oft vor die Schleuse geschwommen!“

„Bleib cool, Alter!“

„Ich zeig dir mal wie cool ich bin!“, schrie Richard.

Mit diesen Worten schlug er zu. Ein gewaltiger rechter Haken krachte an Peters Schläfe. Sein Kopf zuckte zur Seite und im gleichen Moment noch traf ihn ein Tritt in den Bauch, der ihn umwarf.

Oh nein, nicht schon wieder. Das führt mal zu gar nichts, dachte Connor.

Peter sprang auf und rannte auf Richard zu. Mit voller Wucht rammte er ihm den Kopf in den Körper. Diesmal war es Richard, der zu Boden ging.

„Jungs! Es reicht!“

Connor packte sich Sanderson. Aus seinen Jahren als Hüter, wusste er nur all zu gut, wie man einen Gegner still hält. Das es hier ein Vampir war, machte ihm nichts, schließlich war er selber einer. Er drehte ihm die Arme nach hinten und packte so fest zu, dass Sanderson sich nicht bewegen konnte.

Moore sprang wieder auf und wollte seinerseits auf den nun wehrlosen Gegner losgehen. Doch Connor wirbelte einfach beiseite, als Richard angerannt kam und ließ ihn so ins Leere laufen.

„Richard! Was soll das denn bringen?“, schrie Connor ihn an.

„Ihr seid beide Vampire, ihr spürt keinen Schmerz und ihr könnte euch, verdammt noch mal, auch nicht umbringen. Auch wenn ihr tagelang auf euch einprügelt. Aber von mir aus, hier!“

Er stieß Peter von sich, der mit Richard kollidierte. Aber seine Worte hatten beide wohl erst einmal zur Besinnung gebracht, denn sie bleiben einfach nebeneinander stehen, ohne sofort wieder wie die Wilden aufeinander los zu gehen.

„Okay, da ihr ja wieder einigermaßen klar seid: Was machen wir jetzt? Lasst uns einfach losgehen und sehen, ob wir irgendwas entdecken, wäre mein Vorschlag.“

„Ich komme mit dir, Connor“, sagte Casey.

„Ich auch“, pflichtete ihm Richard mit verächtlichem Blick auf Peter zu.

„Ich nicht, ich gehe alleine.“

Connor war klar gewesen, das Peter nicht mit ihnen kommen würde. Es war ihm auch egal, aber er wusste, dass er einen Feind hatte, vor dem er sich in Acht nehmen musste.

„Dann verschwinde!“, sagte er an Peter gewandt.

„Wir sehen uns wieder!“, sagte er zum Abschied. Dann drehte er sich um und ging los.

„Peter!“, rief Casey.

„Lass ihn“, sagte Richard. „Wir sind besser dran ohne ihn.“

„Lasst uns auch gehen, hier ist nichts mehr für uns zu tun.“

Ebenso wie Peter gerade setzte sich nun auch die kleine Truppe in Bewegung, in die entgegen gesetzter Richtung allerdings.

Peter Sanderson marschierte mit schnellem Schritt davon. Er war wütend. Er hatte es nicht geschafft, die Führung von Vosenius’ Kindern zu übernehmen.

Und er war wütend auf Connor Baigent, den er als seinen Feind einstufte. Aber er würde ihm zuvorkommen. Und wenn er ihn erst einmal aus dem Weg geräumt hatte, stünden Richard und Casey auch wieder auf seiner Seite, da war er sich sicher.

Doch dieses Verschwinden aus der Gruppe hatte noch einen anderen Grund. Er spürte einen seltsamen Druck in seinem Schädel, ein komisches Zucken erfasste seine Glieder von Zeit zu Zeit. Es war immer nur kurz, aber für diesen Moment hatte er keine Kontrolle über seinen Körper. Diese Schwäche wollte er den anderen nicht zeigen. Nicht, bevor er nicht wusste, was mit ihm los war. Und vor allem, wie er es stoppen konnte.

Peter sah zum Himmel. Dieser trübe Mond spendete kaum Licht und er war froh, dass er besser sehen konnte als ein normaler Mensch.

Er warf einen Blick zurück. Von Richard, Casey und Connor war nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich waren sie in die entgegengesetzte Richtung gelaufen.

Plötzlich knickte sein rechtes Bein weg!

„Aah, verdammt!“, schrie er auf.

Von einem Augenblick zum anderen hatte er kein Gefühl und keine Kraft mehr in dem Bein gehabt.

„Was ist das nur für eine Scheiße?“

Er versuchte aufzustehen, doch es gelang ihm nicht wirklich. Auf einem Bein weiterhüpfen wollte er auch nicht. Liegenbleiben allerdings auch nicht, deshalb zog er sich bis zu einem von diesen vertrockneten Bäumen und lehnte sich an. So hatte er seine Umgebung wenigstens besser im Blick. Diese nahm er nun genauer in Augenschein, soweit das Licht das noch zuließ. Die Bäume nahmen hier in der Gegend langsam zu, standen etwas dichter. Gar nicht weit entfernt gab es sogar einen kleinen Wald. Dort schaffte es das Licht gar nicht mehr, bis auf den Boden zu kommen.

Immer wieder versuchte er, sein Bein zu bewegen. Ein Knacken über ihm, ließ ihn nach oben sehen.

Sein Blick streifte durch die Äste, doch es war nichts zu sehen. Blätter in denen sich ein Tier verstecken konnte, hatte der Baum zu seinem Glück ja nicht.

Wieder kümmerte er sich um sein Bein, massierte es und zog es mit den Händen an den Körper heran.

Knack!

Schon wieder dieses Knacken, direkt über ihm. Schnell der Blick nach obennichts.

„Jetzt werde nicht paranoid, verdammt! Da ist nichts“, sagte er sich selber.

Knack! Diesmal viel lauter. Und noch bevor er den Kopf drehen konnte, krachte etwas gegen seine Schulter. Und bohrte sich hinein!

Connor, Richard und Casey gingen mittlerweile eine ganze Zeit. Bis Casey sagte:

„Können wir nicht mal rasten? Euer strammer Marsch strengt ganz schön an. Und langsam kriege ich Hunger.“

Ich vergesse immer wieder, dass er ein Mensch ist. Und ich habe ja nicht mal mehr Blutdurst…was wohl seine Rettung ist. Ich hoffe, das gleiche gilt für Richard, dachte Connor.

„Alles klar“, sagte er dann. „Lasst uns etwas ausruhen, aber nicht lange.“

Richard und Casey ließen sich auf den Boden sinken. Connor blickte sich um. Sie mussten für Casey etwas zu essen besorgen. Und noch wichtiger war: Trinkwasser für ihn. Sonst wäre er in wenigen Tagen tot.

Aber wie findet man etwas, wenn man nicht weiß wo man ist und ob es das, was man sucht, hier überhaupt gibt?

Vielleicht im Wald, der dort hinten anfing?

„Wollt ihr hier bleiben? Dann sehe ich mich in dem Wald da hinten um?“, fragte Connor.

„Wir sollten zusammen bleiben“, antwortete Richard.

„Dann lasst uns gehen. Geht es, Casey?“

„Ja, ja, ist schon in Ordnung.“

Sie gingen weiter. Und plötzlich wurde es dunkel!

Der Ast vom Baum hatte sich blitzschnell wie eine Lanze in seine Schulter gebohrt! Er steckte sicher gute fünf Zentimeter darin. Es war Sandersons Glück, das er ein Vampir war und keine Schmerzen empfand.

Von links schoss ein zweiter Ast heran. Peter packte zu und stemmte sich dagegen. Ein Mensch hätte gegen diese Kraft keine Chance gehabt, aber er konnte sich wehren. Mit großer Anstrengung gelang es ihm, den Ast zu brechen.

Im gleichen Moment glaubte er einen Schrei zu hören. Wieder schoss ein Ast heran, nein es war sogar zwei. Einer war auf seinen Kopf gezielt. In letzter Sekunde riss er den Kopf zur Seite und der Ast prallte gegen den Stamm. Dem zweiten Ast, der auf seine Seite zu raste, konnte er nicht ausweichen. Natürlich fühlte er auch hier keine Schmerzen. Aber etwas anderes machte ihm Sorgen. Es konnte gut sein, das ein Ast ihn zufällig pfählte! Dann nutzte im auch seine Konstitution als Vampir überhaupt nichts mehr.

Jetzt reicht es aber!

Er ließ seine Faust gegen den Ast krachen, der in seiner Schulter steckt. Er zerbrach knackend. So hatte er wenigstens schon mal etwas mehr Bewegungsfreiheit als vorher.

Mit einer Hand packte er einen weiteren Ast, der ihn angreifen wollte und hielt ihn fest.

Mit der anderen zog er das Holz aus seiner Seite, ließ sich dabei in die andere Richtung fallen.

Er war frei, musste jetzt nur schnell aus der Reichweite dieses Mörderbaums kommen.

Jetzt kann ich nur hoffen, dass mein Bein mich nicht im Stich lässt!

Mit einem Aufschrei warf er sich zur Seite und sprang auf.

„Jaaa!“, er musste einfach aufschreien. Das Bein hielt und schnell machte er einige große Schritte von seinem Angreifer weg. Dann drehte er sich um und sah ihn an.

Die Äste zogen sich wieder in die Krone zurück und es sah aus, als wäre nichts geschehen.

„Scheiß-Welt!“

Peter wollte erst gegen den Stamm treten, dann hielt er doch lieber Abstand. Stattdessen begutachtete er seine Wunden. Blut war keins ausgetreten. Wie auch, er hatte ja keins mehr.

Die anderen Bäume sahen diesem hier sehr ähnlich. Sicher waren sie genauso auf Beutejagd wie er.

Kein Wunder, dass man hier keine Tiere sieht.

Peter dachte nach. Er konnte um diesen Wald herum gehen, aber das würde sehr lange dauern. Durch den Wald zu gehen, war sicher kürzer, aber auch gefährlicher. Umkehren würde er nicht, dann würde er nur auf Connor treffen. Dazu hatte er im Moment überhaupt keine Lust.

Die Bäume standen relativ dicht, aber wenn er schnell rannte, könnte er es schaffen. Noch einmal sah er sich die Mörderbäume genau an, suchte sich den besten Weg. Dann rannte er los, genau zwischen die Stämme.

„Was ist denn jetzt los?“, rief Richard.

Das Licht war weg, als hätte jemand einen Schalter benutzt, so schnell war es gegangen. Ohne Vorwarnung standen sie im Dunkeln.

„Richard, Casey… wo seit ihr?“

„Hier.“

„Und hier“, kamen die Antworten zurück.

Dann flammte ein kleines Licht auf. Ein Feuerzeug.

„Wenigstens etwas“, sagte Casey der die kleine Flamme in der Hand hielt.

„Sehr gut.“

„Ich bin zwar Nichtraucher, aber so etwas kann man ja immer gebrauchen, wie man sieht.“

Connor sah nach oben. Dieser trübe Mond, der vorhin noch etwas Licht spendete, war verschwunden.

„Ich glaub, ich weiß, was passiert ist“, sagte Connor.

Casey und Richard sahen ihn fragend an.

„Diese Scheibe da vorhin am Himmel, habt ihr sie auch für einen Mond gehalten?“
Beide nickten.

„Ich auch, aber das war er wohl nicht. Das war die Sonne hier!“

„Was? Dieses trübe Ding?“

„Eine andere Erklärung habe ich nicht.“

Richard zuckte mit den Schultern.

„Wie auch immer, was machen wir jetzt?“

„Aua!“

Dann wurde es wieder dunkel. Richard und Connor drehten den Kopf dahin, wo sie Casey wussten.

„Sorry, das Feuerzeug wurde einfach zu heiß.“

„Kein Problem, viel zu sehen gibt es hier ja eh nicht. Entweder wir legen uns hin und warten bis es hell wird, oder wir suchen uns was zum Feuer machen.“

„Keiner weiß, wie lange es dunkel bleibt und was für Tiere hier in der Nacht ihr Unwesen treiben. Ein Feuer wäre schon gut“, sagte Richard.

„Dann sucht mal im Dunkeln nach Holz“, entgegnete Casey.

„Der Wald ist ja nicht mehr weit gewesen. Auf dem Weg dorthin gab es auch keine Hindernisse, wie wir vorhin noch sehen konnten. Wir gehen hintereinander, legen die Hand auf die Schulter des Vordermannes. So verlieren wir uns nicht. Okay?“

„Okay, Connor.“

In einer Reihe liefen die drei Nachtwanderer los.

Peter raste zwischen die Stämme, sofort regten sich überall die Äste in den Baumkronen. Aber er kam gut vorwärts, der Wald war doch nicht so dicht wie er gedacht hatte. Aus dem Augenwinkel konnte er seltsame Skelette sehen, die an den Stämmen hingen. Teilweise auch noch mit Fellresten bedeckt.

Geschickt wich er den Ästen aus und raste weiter. Als es auch für ihn stockdunkel wurde.

„Scheiße!“

Er ließ sich einfach fallen, etwas anderes konnte er nicht tun. Das war sein Glück, er konnte hören wie ein Ast durch die Luft wischte.

Dann muss ich jetzt wohl hoffen, dass mich die Bäume nicht riechen können. Und dass es bald wieder hell wird.

Mehr konnte Peter in seiner Lage nicht tun. Es beruhigte ihn, dass sich scheinbar auch keine Tiere in den Wald wagten.

Als nach einigen Minuten immer noch kein Ast in seine Nähe gekommen war, fühlte er sich sicherer. Lang ausgestreckt blieb er liegen und wartete auf das Licht.

„Wie weit ist es wohl noch?“

„Das lässt sich schwer schätzen, wenn man überhaupt nichts sieht, Casey.“

„Soll ich noch mal das Feuerzeug anmachen?“

„Nein, damit sehen wir auch nur die Umgebung. Und wenn wir bis zum Wald

Connor kam nicht dazu den Satz zu Ende zu sprechen, denn im gleichen Moment prallte er gegen etwas.

„Vielleicht solltest du es doch noch einmal anzünden.“

Man hörte Caseys Kleidung rascheln, dann leuchtete die kleine Flamme auf. Connor war tatsächlich gegen einen Baum gelaufen. Sie hatten den Wald erreicht.

„Wenigstens etwas. Da liegen überall Äste rum und die Bäume sehen auch so vertrocknet aus, das sie gut brennen werden.“

Connor hob einen dünnen Ast auf und hielt ihn in die Flamme. Sofort griff das Feuer nach der Nahrung. Der Ast war eine gute provisorische Fackel. Auch Casey und Richard folgten seinem Beispiel. Das Licht reichte nun aus, um Holz zu sammeln. Schnell hatten sie genug für ein Lagerfeuer zusammen, an welchem sie kurz darauf saßen.

„So, wir sollten uns nun überlegen wie wir weiter vorgehen. Unser Ziel ist im Grunde klar: Wieder zurück in unsere Welt.“

„Und wie soll das funktionieren, Connor?“, fragte Richard.

„Auch das ist im Grunde klar. Wir brauchen einen von diesen Umhangträgern. Sie haben uns hergebracht, sie können uns auch zurückholen.“

„Super, dann ist ja alles geritzt. Die rennen hier ja zu Dutzenden rum.“

Casey warf noch ein Stück Holz nach.

„Wir dürfen noch etwas nicht vergessen: Peter! Er wird sich nicht einfach zurückziehen und nichts unternehmen.“

„Was soll er denn unternehmen? Wir sind zu dritt. Und auch er wird das gleiche Ziel haben wie wir.“

Casey nickte.

„Aber dennoch sollten wir die Augen offen halten. Oder besser ihr, ich bin hundemüde.“

Dem Satz ließ er ein herzhaftes Gähnen folgen. Dann legte er sich auf die Seite und schlief sofort ein.

Er muss wirklich am Ende sein, dachte Connor.

„Richard?“, wandte er sich an den anderen Vampir.

„Ja?“

„Jetzt wo der Junge schläft, kann ich dich endlich was fragen. Ich weiß, du bist noch nicht lange Vampir und vielleicht kannst du mir gar nicht auf die Frage antworten, weil du das Gefühl noch gar nicht kennen gelernt hast und

„Jetzt frag schon endlich, Connor.“

„Hast du keinen Blutdurst? Diesen quälenden Drang jemanden zu beißen und sein Blut zu trinken?“

„HmmNein, bisher nicht. Warum?“

„Weil mich das Gefühl bisher verdammt gequält hat. Es war unglaublich schwer dagegen anzukämpfen. Hier hingegen fühle ich das nicht. Es ist wie die Befreiung von einem quälenden Druck, dem ich sicher nicht mehr lange hätte standhalten können.“

„Das heißt du hast noch nie jemanden gebissen?“

„Richtig. Ebenso wie du.“

„Ja, aber ich bin auch erst sehr kurz Vampir. Ob es Peter auch so geht?“

Connor zuckte nur mit den Schultern.

„Lass uns warten bis die Sonne aufgeht.“

Im gleichen Moment musste er lachen.

„Worüber lachst du?“

„Ein Vampir, der auf den Sonnenaufgang wartet, ist das nicht komisch?“

Auch Richard musste lachen.

„Also, warten wir auf den Sonnenaufgang und dann kümmern wir uns darum, dass Casey was zu essen bekommt.“

Den Rest der Nacht verbrachten sie meist schweigend.

Auch Peter wartete auf den Sonnenaufgang. Er konnte die Zeit schlecht einschätzen, aber es mochten einige Stunden vergangen sein. Dann kam das dämmrige Licht wieder. Er drehte den Kopf, um zu sehen, ob die Äste wieder kamen. Als das nicht der Fall war, stand er auf und rannte wieder los. Es mochte gut eine halbe Stunde gedauert haben, als er den Wald verließ. Ein neues Ziel brachte ihm das nicht. Hinter den Bäumen sah es genauso aus wie davor. Vermodertes braunes Gras, keine anderen Pflanzen oder Tiere zu sehen oder zu hören.

Er verspürte den Drang zu fluchen, ließ es dann aber doch sein. Es machte wenig Sinn, wenn er seine Wut nicht an irgendetwas, oder noch besser, an irgendwem auslassen konnte.

So ratlos hatte er sich noch nie gefühlt. Er fragte sich, wie es den anderen ergehen mochte. Wahrscheinlich genauso wie ihm.

Plötzlich wuchs ein Schmerz in ihm heran. Zuerst nur dumpf, leicht drückend in seinem Brustkorb.

Was passiert nur mit mir? Verdammt!

Dann wuchs der Schmerz immer weiter an. Er presste die Hände auf seinen Körper. Ihm wurde schwarz vor Augen und er konnte nicht mehr stehen bleiben. Mit einem Stöhnen brach er in die Knie. Der Schmerz raste nun in Wellen durch seinen Körper, schien ihn in Stücke zu reißen. Aus seinem Stöhnen war längst ein Schreien geworden, als würde er gepfählt werden. So zumindest stellte er sich das vor. Er konnte sich nicht mal mehr auf den Knien halten und brach endgültig zusammen. Hilflos wie ein Kleinkind rollte er über den Boden. Er hatte nicht mal mehr die Kraft zu schreien, nur noch ein Wimmern drang über seine Lippen.

Langsam, ganz langsam ließ der Schmerz nach. Ein Keuchen drang aus seiner Kehle. Kam die Qual vorhin wie die Flut, so trat nun die Ebbe ein. Sein Sichtfeld klärte sich, er sah die braunen Grashalme direkt vor seinen Augen, fühlte sie in seinem Gesicht und an seinen Händen.

„Was war das nur?“

Er musste jetzt einfach seine Stimme hören um in die Normalität zurückkehren zu können. So lange es ihm so ging, hatte er keine Chance gegen die anderen.

Und zum ersten Mal hatte Peter Sanderson Angst um sein untotes Leben.

Der Tag kam und die schwache Sonne stand genauso schnell am Himmel, wie sie gestern verschwunden war. Eine Dämmerung schien es hier nicht zu geben.

Richard weckte Casey, der tief und fest geschlafen hatte. Kurz darauf wanderten sie weiter, wieder ohne Ziel. Casey wurde immer schwächer, der Wassermangel war ihm nun deutlich anzumerken. Nach einigen Stunden, zumindest schätzen sie die Zeitspanne ungefähr so ein, wurde das Gras etwas heller. Aber immer noch stank es, als würde es beim Wachsen direkt verfaulen. Auch vereinzelte Blumen, die noch abscheulicher stanken und hässliche Blütenkelche hatten, waren nun zu sehen. Und seltsame Löcher in der Erde, sie sahen so aus wie Kaninchenbauten, allerdings größer. Passende Tiere sahen sie nicht. Und tatsächlich, nach einer weiteren Stunde fanden sie einen Bach, vielleicht zwei Meter breit. Die Tiefe war nicht zu erkennen, da das Wasser trüb war und das Licht nicht ausreichte.

„Endlich, Wasser!“, rief Casey. Der Anblick lieferte ihm neue Kräfte und er wollte loslaufen. Doch nach zwei Schritten hatte Connor ihn eingeholt und hielt ihn am Arm fest.

„Was soll das, Connor? Lass mich los!“

„Warte doch, Casey! Siehst du nicht wie trübe das Wasser ist? Und wie dickflüssig es sich durch das Bett zieht? Wer weiß ob man das trinken kann.“

„Mir egal, ich verdurste sonst! Ob ich an dem Dreckswasser sterbe oder ob ich verdurste, das macht für mich keinen Unterschied mehr.“

Connor sah zu Richard, aber auch der zuckte mit den Schultern. Also ließ der ehemalige Hüter den Menschen los. Casey stürmte an den Rand des Baches und kniete nieder. Dann krempelte er die Ärmel hoch und stieß die Hände tief ins Wasser.

Tatsächlich war es dicker als auf der Erde. Dennoch zog er die Hände hoch zum Mund und trank es. Es war schwieriger zu schlucken, in etwa als würde man Pudding trinken, so kam es ihm vor. Aber es löschte den Durst.

„Wunderbar!“

Es kam Casey vor wie der köstlichste Nektar. Wieder und wieder trank er große Schlucke. Dann drehte er sich um.

„Seht ihr? Es ist genießbar.“

Richard und Connor zuckten zusammen.

„Was habt ihr? Was ist denn?“

„Oh, Scheiße… Casey, dein Gesicht!“

Casey zuckte zusammen, sofort riss er die Hände hoch, von denen noch Wassertropfen zähflüssig zurück in den Bach klatschten.

„Was? Was ist mit meinem Gesicht?“

Er fühlte sich über seine Haut, auf der nun ein Juckreiz einsetzte, als würde er mit Brennnesseln gepeitscht werden.

„Du hast da Flecke bekommen, rund um den Mund. Viele kleine rote“, sagte Richard.

Wieder tastete Casey über sein Gesicht, dann besah er sich seine Hände. Und auch dort zeigt sich das gleiche Phänomen.

„Das muss von dem Wasser kommen.“

Der Juckreiz wurde immer schlimmer, Casey begann nun hektisch in seinem Gesicht zu kratzen. Das Jucken ließ aber nicht nach, im Gegenteil.

„Scheiße! Es brennt, es brennt höllisch!“

„Nicht weiter kratzen, Junge!“, rief Connor, aber Casey hörte nicht auf ihn. Immer wilder kratzte er, schon öffneten sich kleine Wunden und Bluttröpfchen, die nur schwer zwischen den roten Flecken zu erkennen waren, traten hervor.

„Aaaaah, helft mir doch! Helft mir! Ihr müsst mir doch

Weiter kam der blonde Mann nicht, denn ein Hustenanfall ließ ihn erzittern. Er klang wie ein Kettenraucher nach vierzig Jahren Marlboro-Genuss.

Richard war nun bei ihm und hatte ihn an den Schultern gepackt. Connor versuchte seine Hände fest zu halten, damit er nicht weiter kratzen konnte, aber Casey gebärdete sich wie ein Wahnsinniger.

Und dann spuckte er Blut! Tröpfchen davon trafen auch Connor im Gesicht, aus dem Mundwinkel rann immer mehr Lebenssaft hervor.

„Verdammt, Connor, was sollen wir mit ihm machen?“

„Wir können nichts machen. Nur abwarten und hoffen, das es ihm wieder besser gehen wird.“

Casey röchelte nur noch.

„Casey! Hey, Casey! Kannst du mich hören?“, schrie Connor ihn an. Keine Reaktion.

„Er kollabiert!“

Caseys Augen verdrehten sich bis nur noch das Weiße zu sehen war. Richard schüttelte ihn um ihn wieder zu Besinnung zu bringen.

„Bleib wach, verdammt!“

Doch Caseys Augen fielen zu und er erschlaffte.

„Connor, ist erist ertot?“

Connor legte ihn flach auf den Boden, dann fühlte er nach dem Puls.

„Er lebtnoch.“

„Du glaubstdass er sterben wird?“

„Ganz ehrlich, Richard, ich weiß es nicht.“

Den ganzen Tag lag Casey da wie tot. Immer wieder sprachen Connor und Richard ihn an, doch er zeigte keine Reaktion, auch nicht auf Berührungen. Wenn sie ihm die Augen öffneten, blickte er starr nach oben, blinzelte nicht. Seine Atmung war flach. Die beiden Vampire waren ratlos. Sie hätten ihn tragen können, aber wohin? Und warum? Ein Ziel hatten sie nicht, darum beschlossen sie, zu warten bis Casey erwachte. Oder starb

Auch Peter Sanderson hatte Probleme, seine Anfälle kamen immer häufiger. Und sie dauerten immer länger.

Wieder lag er bewegungsunfähig auf dem Boden, Schmerzen rasten durch seinen Körper. Er sah nur die absolute Schwärze, die ihn umgab. Halt, war da nicht etwas? Ein rotes Glimmen, das langsam anwuchs? Das näher kam? Ja, tatsächlich.

Peter wollte danach greifen, doch er konnte seinen Arm nicht bewegen. Das Glühen kam näher. Und jetzt erkannte er es. Es war Blut! Eine Welle von Blut, die ihn überschwappte. Sie spülte ihn hinweg, an einen Ort, der noch dunkler war als vorher, wenn das überhaupt möglich war

…komm zu mir… kooooommmm…

Eine Stimme war da. War sie wirklich da? Oder war es nur Teil dieser Sinnestäuschung?

…kooommm… du wirst zu mir kommen…

Wo bist du?, dachte Peter.

…sieh… und verstehe…

Wieder diese Welle aus Blut, wieder schwappte sie über ihn hinweg. Diesmal nicht ins Dunkel, er sah einen Hügel, nein, das war schon ein Berg. Düster und drohend reckte er sich empor, die Gipfel reichten bis fast an diesen düsteren Horizont.

…finde mich hier… suche und finde mich… du wirst kommen…

Langsam kehrte Peter wieder in die Wirklichkeit zurück, die Vision verschwamm. Zurück blieben nur die Schmerzen die ihn peinigten. Und die Zweifel, ob er das wirklich gehört hatte oder ob es nur eine Wahnvorstellung gewesen war.

Casey lag nun bereits mehrere Wochen in diesem Zustand, es gab keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung. Es tat sich überhaupt nichts. Seltsamerweise magerte Casey in seinem komatösen Zustand nicht ab, obwohl er gar nichts zu sich nahm. Auch Wasser schien er nicht zu benötigen. Außer des Wassers aus dem Fluss, welches Casey erst in diesen Zustand gebracht hatte, gab es eh keines. Die Wunden, die Casey sich durch das Kratzen im Gesicht zugefügt hatte, sahen noch wie am ersten Tag aus. Es schien, als sei Casey überhaupt nicht bei ihnen.

Abwechselnd blieben Connor oder Richard bei ihm, allein lassen wollten sie ihn nicht.

Der jeweils andere übernahm es, das unbekannte Land zu erforschen, auf der Suche nach irgendetwas. Einem Zeichen von intelligenten Leben vielleicht, an eine Rückkehrmöglichkeit glaubte so recht keiner von den beiden mehr.

An diesem Tag war es Connor, der wieder unterwegs war. In Richtung Norden und Osten waren sie bereits weit vorgedrungen, ohne je etwas zu entdecken. Es gab nur die Eintönigkeit von verfaultem Gras, das sich mit toten Wäldern abwechselte.

Diesmal marschierte er Richtung Westen. Er summte eine Melodie, um die Stille zu durchbrechen.

the westis the bestyeah, the west is the best”, sang er dieses alte Lied der Doors. Die Textzeile nahm er einfach als gutes Omen und wiederholte sie wie ein Mantra immer wieder.

Gute drei Tagesmärsche war er von ihrem provisorischen Lager entfernt, soweit war er noch nie vorgedrungen.

Wie es wohl Richard geht?, fragte er sich.

Bei Casey glaubt er die Antwort zu kennen.

Seine Füße traten die Grashalme platt, die sich hinter ihm auch nur widerwillig wieder aufrichteten, so dass seine Spur lange zu sehen war. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet.

Bis er stolperte und lang hinfiel.

„Was zum“, setze er noch an, als er auch schon am Boden lag.

Er stand wieder auf und untersuchte die Stelle, die ihn zu Fall gebracht hatte. Ein Loch im Boden, eigentlich gar nicht klein. Wäre er nicht so von der Eintönigkeit abgelenkt gewesen, hätte er es sicher bemerkt.

Er hockte sich davor und sah hinein: ein schmaler Gang führte schräg nach unten, sonst war nichts zu sehen.

Sieht aus wie ein Kaninchenbau, aber ich bezweifle einfach mal, dass hier auch so ein kuscheliges Tierchen haust…

„Fieppiep

Laute, die er keinem bekannten Tier zuordnen konnte, drangen nun nach oben. Es klang wie eine Mischung aus Vogel und Katze.

Connor hatte die Neugierde gepackt.

„Fieppiep“, versuchte er die Geräusche nach zu ahmen. Und tatsächlich wurde ihm geantwortet.

„Fieppieppieppiep

Im gleichen Moment sprang etwas aus dem Loch hervor, und sogar über Connor hinüber.

„Fieppiep“, klang es nun hinter ihm.

Er drehte sich um und sah ein seltsames Wesen. Vielleicht etwas größer als eine Katze, mit brau-grauem Fell. Allerdings auf drei Beinen, die alle unter dem Körper in einer Reihe waren. Kein Wunder, das das Tier so gut springen konnte.

Arme hatte es keine, dafür einen platten Schwanz, der noch zur Stütze diente und auf dem Boden auflag.

„Hey, was bist du denn für einer?“

Connor schätzte das Tier als harmlos ein. Die Augen waren zwar neugierig, aber nicht feindselig auf ihn gerichtet. Krallen sah er nicht an den Pfoten und das Gebiss sah auch nicht unbedingt gefährlich aus, außerdem war er immer noch ein Vampir.

„Komm mal her du“, sagte er und lockte das Tier mit der Hand an. Nach kurzem Zögern kam es auch näher. Es machte kleine Schritte, was bei den drei kurzen Beinchen sehr lustig aussah. Connor musste grinsen und für einen Moment vergaß er sogar Richard und Casey. Tatsächlich ließ sich das Tier streicheln, das Fell war weich, in etwa so wie bei einem Koala.

Ein paar Minuten ließ er sich Zeit, dann wollte er sich wieder auf den Weg machen.

„So, mein Kleiner, es war ja sehr nett mir dir, aber ich muss jetzt weiter.“

„Fiep“, machte es traurig.

„Ich muss wirklich, Kleiner.“
Connor stand auf und winkte dem kleinen Tierchen noch mal zu, als es ihm einfach mit einem Sprung in die Arme sprang.

Connor war vollkommen überrascht.

„Hey, so geht das aber nicht!“

Zu weiterem Protest kam er nicht mehr, denn hinter ihm krachte es und Erdbrocken flogen ihm in den Nacken.

„Roooooaaaar!“

Das Brüllen hinter ihm gefiel ihm genauso wenig. Langsam drehte er sich um. Und sah ein Tier, das seinem kleinen Freund nicht unähnlich war. Nur das es ihm bis zur Brust reichte, ihn böse Augen über einem kräftigen Gebiss böse anstarrten und Krallen den Boden aufwühlten.

„Deine Mama nehme ich an“, murmelte er.

„Ruhig, ganz ruhig. Ich tu dem Kleinen ja nichts.“

„Grrrrrrroooooaaarrrr!“

Scheinbar hatte er sie nicht überzeugt.

Zeit mich hier zu verabschieden…

„Und tschüss!“

Mit diesen Worten warf er den kleinen, süßen, fiependen Freund seiner großen, unschönen, brüllenden Mama entgegen, wirbelte herum und raste los, das Riesenvieh mit Brüllen hinterher. Sprünge von gut fünf Metern machend! Wieder kam es ihm zu Gute, dass er kein Mensch war, sondern ein Vampir. Jeder normale Mann wäre schon längst außer Atem. Aber auch er musste alles geben, denn erwischen lassen wollte er sich nicht. Nur langsam holte er einen kleinen Vorsprung heraus. Über die Schulter blickte er zurück.

Endlich hat das Mistvieh aufgegeben!

Tatsächlich war es stehen geblieben, brüllte nur noch hinter Connor her. Dann drehte es um und kehrte zu ihrem Jungtier zurück. Connor musste grinsen.

Endlich mal etwas Abwechslung, dachte er und ging weiter.

Casey lag immer noch in seinem Zustand. Richard hatte sich in die Nähe gesetzt, da er mit keiner Veränderung rechnete.

finde michdu wirst kommen

Richard sprang auf. Überrascht blickt er auf Casey. Seine Augen waren geschlossen, aber er konnte sehen, dass sie sich hinter den Lidern wild bewegten.

„Was hast du gesagt? Casey, kannst du mich hören?“

Er fasst ihn an, aber darauf zeigte der lang ausgestreckt liegende keine Reaktion.

werden kommenmüssen zu dir kommenwobistdu?“

„Zu wem kommen, Casey? Was redest du da?“

Er fasste Casey an der Schulter und schüttelte ihn. Doch er gab keine Antwort mehr und blieb so still, als wäre nichts geschehen.

Casey fühlte etwas. Ihm war, als wären Millionen von Jahren vergangen, in denen er die absolute Stille kennen gelernt hatte. Bis er zu ihr selber geworden war.

Absolute Stille in absoluter Nacht. Eine Zeit in der er alles vergessen hatte: wo er war, wann er warund sogar wer er war.

Bis diese Stimme ihn erfüllt hatte. Sie war in seinen Körper gedrungen und hatte ihn wieder mit Leben erfüllt, hatte seine Sinne erweckt. Und sie hatte seine Augen geöffnet, er konnte wieder sehen. Zuerst nur Helligkeit, doch dann kristallisierten sich Umrisse hervor, die immer schärfer wurden.

kooommm zu mirdu wirst kommen“, raunte es ihm zu.

„Werbistdu?“

Es kostete ihn unglaubliche Kraft, diese simple Frage zu formulieren.

ihr müsst kommenalle kommenzu mir

„Wohin? Zu wem?“

siehund verstehe

Die Umrisse zeigten nun einen Berg, hoch ragte er auf. Der Gipfel war von Wolken verhangen.

finde mich hiersuche und finde michdu wirst kommen

„Ich werde kommen“, antwortete Casey. Dann wurde es wieder dunkel. Die Stimme war verschwunden. Doch diesmal fiel Casey nicht wieder in die Nacht zurück. Er öffnete die Augen.

„Casey!“

Richard jubelte innerlich als Casey die Augen öffnete.

„Casey, kannst du mich nun hören? Casey, Casey“.

Er rüttelte wieder an ihm.

„Ja, ich kann dich hören, Richard. Warum auch nicht?“

„Warum auch nicht? Das ist nicht dein Ernst, oder? Man, wir dachten wir könnten dich hier bald einbuddeln!“

„Was?“

„Ja, du warst mehr tot als lebendig. Und jetzt bist du wieder wach, als wärst du nur für fünf Minuten eingenickt. Das ist unglaublich?“

Casey stand auf, seine Knochen fühlten sich steif an.

„Oh man, ich bin ganz schön steif geworden.“

„Kein Wunder.“

Casey sah sich um.

„Wo ist überhaupt Connor?“

„Unterwegs, schon seit ein paar Tagen.“

„Was sagst du da? Ein paar Tage?“

„Ja, einige Tage sind es schon.“

„Wiewie lange lag ich hier?“

„Nunes ist schon

„Wie lange, Richard?“

Caseys sonst so weiche Stimme duldete keinen Widerspruch.

„Wir können es nicht mehr richtig einschätzen, aber es waren sicherlich… sieben Wochen.“

„Sieben Wochen? Du machst Witze, oder?“

Richard schüttelte den Kopf.

„Das kann doch nicht sein. Mir kommt es vor, als wären gerade mal  ein paar Stunden vergangen.“

„Kannst du dich an irgendwas erinnern?“

„Nicht wirklich.“

„Du hast dieses seltsame Wasser getrunken. Dann bekamst du rote Flecken an den Armen und im Gesicht und bist kollabiert. Wir hatten Angst, dass du stirbst. Du lagst für Wochen in diesem Koma und wir wollten hier warten bis es dir besser geht oder du… na ja, du weißt schon.“

Richard wollte diese Angst, die sie all die Zeit gehabt hatten, nicht auch noch in Worte fassen.

Casey starrte bei seiner Erklärung in den Fluss.

„Hm… ja, ich erinnere mich daraus getrunken zu haben. Aber mehr weiß ich nicht mehr.“

Eine Pause trat ein und für eine Zeit hingen beide ihren Gedanken nach.

„Du hast vorhin geredet“, sagte Richard.

„Mit wem?“

„Ich? Geredet? Was habe ich denn gesagt?“

„Du sagtest: Wer bist? Wohin? Zu wem? Und: Ich werde kommen. Du musst dich also mit jemandem unterhalten haben. Die Frage ist nur, mit wem. Mich hast du anscheinend nicht gemeint.“

„Ich weiß nicht wer es war. Auf einmal hörte ich diese Stimme. Und dann sah ich diesen Berg.“

„Was für einen Berg?“

„Ein ziemlich großer Berg sogar. Und diese Stimme sagte mir, das ich dorthin kommen soll.“

„In welche Richtung ist das?“

„Das hat er mir nicht gesagt, aber irgendwie zieht es mich da hin.“

Casey zeigte mit dem rechten Arm nach Westen.

„Nach Westen also. Das ist die Richtung, in die auch Connor gegangen ist.“

„Sollen wir auf ihn warten oder ihm folgen?“, fragte Casey.

„Was hältst du für besser?“
Casey der jetzt wusste, dass er für Wochen ausgeschaltet war, steckte voller Tatendrang.

„Lass uns losgehen! Vielleicht braucht Connor unsere Hilfe.“

Das Feuer löschten sie mit Erde, das Wasser wollte keiner von ihnen noch einmal berühren. Dann marschierten sie Richtung Westen.

Peter Sanderson dachte immer noch darüber nach, ob es eine Vision gewesen war oder nur eine Wahnvorstellung. Es war ihm sehr real erschienen, die Schmerzen allerdings auch. Möglicherweise hatte es ihn einfach getrogen, aber irgendwie war da ein Drang in ihm, der ihn in eine bestimmte Richtung zog. Und ein Druck in seinem Kopf, der immer dann auftrat, wenn er eben jenen Pfad verließ, der ihm durch die Stimme gewiesen wurde. Es schien, als würde dann selbst der Wind flüstern… komm… komm zu mir…

„Verdammt, was bleibt mir also anderes übrig?“, sagte Peter zu sich selbst.

Und so schlug auch er den Weg ein, den Connor seit Tagen unwissend und nun auch Richard und Casey gingen.

Connor marschierte immer noch über die Ebene. Seit dem seltsamen Tier, war ihm kein Lebewesen mehr begegnet. Dafür nahm die Pflanzenwelt deutlich zu. Büsche tauchten immer mehr auf. Sie gingen ihm bis zur Hüfte, ihre Blätter waren klein und sahen etwa so aus, wie Eichenblätter. Zwischen ihrem Grün schimmerten rötlich Früchte hindurch. Einige von ihnen waren aufgeplatzt oder aufgehackt und verströmten einen süßlichen Duft, der durchaus verlockend war. Für jemanden, der nichts mehr zu essen brauchte, war es allerdings auch nicht mehr als eine reine Feststellung. Trotzdem wollte Connor sich die Früchte genauer ansehen. Er steuerte den ihm am nächsten wachsenden Busch an und tastete nach den Blättern. Nichts passierte, kein Brennen, kein Jucken und keine Schmerzen. Er wühlte sich durch das dichte Geäst und griff nach der Frucht. Sie hatte eine glatte Schale, darunter fühlte er das weiche Fruchtfleisch.

Das wäre vielleicht was Essbares für Casey, dachte sich Connor.

Er versuchte die Frucht zu pflücken, aber sie ließ sich nicht ablösen.

„Na komm schon, du dummes Teil!“

Er rüttelte stärker, doch bis auf einige Blätter bewegte sich nix.

„Das kann doch nicht so schwer sein, verdammt!“, fluchte Connor. Er packte stärker zu. Und plötzlich packte der Busch zu!

Schlingen, die er bisher noch nicht gesehen hatte zwischen den Blättern, legten sich um sein Handgelenk und zogen sich zusammen. Umso mehr er zog und zerrte, umso enger wurden die Schlingen, die jetzt auch langsam seinen Arm tiefer in den Busch zerrten. Mit aller Kraft stemmte er sich dagegen, aber es half nichts. Connor steckte rettungslos fest. Er gab es auf zu ziehen, und im gleichen Moment hörte auch der Busch auf zu ziehen. Dann probierte er es wieder mit einem Ruck, aber wieder das gleiche ernüchternde Ergebnis.

Connor setzte sich auf den Boden und fing an zu überlegen.

„Und das alles für ein Stück Obst“, murmelte er genervt.

Casey und Richard legten ein ordentliches Tempo vor, schließlich hatte Connor einige Tage Vorsprung. Und sie konnten nur hoffen, dass er stur geradeaus gegangen war. Bisher hatten sie aber auch nichts gesehen, das Connor dazu hätte bringen können, den Weg zu verlassen.

„Richard, nicht so schnell“, keuchte Casey.

„Denk mal bitte daran, dass ich Luft holen muss.“

„Tut mir leid, Casey. Weißt du, das ist für mich alles mittlerweile sonormal.“

Vor dem letzten Wort stockte Richard kurz. War es für ihn wirklich schon ‑ normal? So lange war er noch gar kein Vampir, aber bisher hatte er eigentlich nur Vorteile dadurch kennen gelernt. Genau wie hier beim Laufen, egal welches Tempo er anschlug, er kam nicht außer Atem.

„Sollen wir fünf Minuten rasten?“

„Ja, das wäre gut.“

„Aber dann müssen wir wieder los, sonst kriegen wir Connor nie ein.“
…ihr werdet ihn finden… bringt ihn mit… bringt ihn zu mir…

Wieder diese Stimme, Casey zuckte zusammen. Auch Richard bemerkte, dass mit seinem Freund etwas nicht stimmte.

„Casey, was ist mit dir?“

…beeilt euch… kommt… kommt… schnell…

„Casey?“

Richard fasste ihn an der Schulter an.

„Dawar wieder diese Stimme.“

„Die du hörtest, kurz bevor du aufgewacht bist?“

„Ja.“

Immer noch sah Casey ziemlich abwesend aus.

„Was hat sie gesagt?“, fragte Richard nach.

„Im Grunde das gleiche wie das letzte Mal. Wir sollen kommen. Und sie sagte, dass wir Connor finden werden und ihn mitbringen sollen.“

„Wem diese Stimme gehört, weißt du immer noch nicht, oder?“

„Nein, es ist nur diese Stimme, mehr weiß ich nicht.“

„Sollen wir weitergehen? Es wird bestimmt bald wieder Nacht und wir sollten die Helligkeit nutzen. Und wenn die Stimme sagt, dass wir Connor finden werden, ist das ein gutes Zeichen, finde ich.“

Casey nickte und erhob sich. Schweigend gingen die beiden weiter, bis die Nacht eintraf.

Wie immer gab es keine Dämmerung und sofort war es stockdunkel.

„Und nun?“, fragte Casey.

„Ich sehe noch einigermaßen gut“, antwortete Richard, der als Vampir die besseren Augen hatte.

Mit einem Klacken ließ Casey sein Feuerzeug aufflammen.

„Ja, du, aber ich nicht.“

„Wenn wir Connor einholen wollen, müssen wir die Nacht nutzen.“

„Verdammt, Richard! Ich sehe nichts, ich habe Hunger wie ein Verrückter und fühle mich ausgetrocknet wie Stück Dörrobst in der Sahara, mir tun die Beine weh und ich bin müde.“

„Du hast doch lange vorgeschlafen“, scherzte Richard.

„Haha! Sehr komisch, Richard!“

„Schon gut. Ich hätte da eine Idee.“

„Die da wäre?“

„Nun, ich könnte dich huckepack nehmen.“

Vor Überraschung ließ Casey das Feuerzeug fallen, Richard bückte sich danach und steckte es ein. Casey hätte es eh nicht gesehen, wenn er es ihm hingehalten hätte.

„Ja, ich werde nicht müde und es wird mich auch nicht anstrengen. Es ist die einzige Chance die wir haben.“

Casey überlegte. Er wusste, dass Richard Recht hatte. Aber er kam sich reichlich albern dabei vor, von jemand getragen zu werden.

„Was ist jetzt?“, hakte der Vampir nach.

Casey begann zu grinsen.

Es sieht ja keiner.

„Alles klar, spielen wir Ponyexpress.“

Und weiter ging es durch die Nacht.

Als die Nacht eintraf, steckte Connor immer noch im Busch fest. Eine Lösung war ihm nicht eingefallen.

„Rooooaaar!“

Connor sprang auf. Dieses Brüllen kam ihm doch sehr bekannt vor.

„Rooooaaar!“

Das Vieh ist hartnäckiger als ich dachte. Vielleicht hört es mich nicht, wenn ich ganz ruhig bin.

Das Tier war etwa fünfzig Meter von Connor entfernt und kam langsam näher. Jetzt waren es noch gut vierzig Meter und Schritt für Schritt führte es näher an den gefangenen Vampir heran.

So viel zu dem Thema, ‚Es bemerkt mich nicht’, dachte Connor, als es nur noch zwanzig Meter entfernt war.

Connor zog wieder an seinem Arm, aber auch jetzt schien der Busch nicht in der Stimmung zu sein ihn loszulassen. Das Rascheln war in der sonst stillen Nacht deutlich zu hören.

„Rooooaaar!“

Mit einem lauten Brüllen rannte es auf Connor zu.

Auch Peter Sanderson war den ganzen Tag durchgelaufen. Und je weiter er sich in die vorgegebene Richtung bewegte, umso sicherer war er sich, das Richtige zu tun. Bereits nach wenigen Minuten hatte er immer mehr beschleunigt, rannte nun seit Stunden, ohne auf die Umgebung zu achten. Über die modrigen Wiesen, vorbei an einzelnen toten Bäumen. Nur begleitet vom flüsternden Wind.

„Roooaaar!“

Ein Brüllen ließ ihn anhalten. Es war das erste Mal, dass er hier ein Tier hörte. Und das hier klang nach einem ziemlich großen Tier.

„Roooaar!“

Und besonders freundlich klang es auch nicht. Dennoch interessierte ihn das Wesen sehr, denn höchstwahrscheinlich war es mit Blut gefüllt. Er wollte einfach seine Zähne in etwas schlagen. Vielleicht würde das endlich die Schmerzen beenden, die immer noch von Zeit zu Zeit in ihm explodierten und ansonsten wie eine dumpfe Glocke sein Fühlen betäubten.

Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, dann rannte er wieder los.

Das Monstrum rannte auf Connor zu, er hatte keine Chance auszuweichen. Im letzten Moment sprang er in die Luft, trotzdem wurde er erwischt. Das Vieh krachte gegen seinen Arm und seine Schulter. Er landete auf dem Tier, das den Busch aus der Erde riss, ohne dass sein Arm dabei frei kam. Auf dem Rücken konnte er sich nicht halten und so krachte er hinter dem Tier auf den Boden. Er rappelte sich auf und starrte dem Angreifer hinterher, der seine liebe Mühe damit hatte, zu bremsen und seine massige Gestalt zum Stehen zu bringen. Es brauchte gut zwanzig Meter dafür, dann warf es sich herum und raste wie ein Stier in der Arena wieder auf Connor los. Allerdings hatte Connor keine große Lust, den Torero zu spielen. Er warf sich zur Seite und das Vieh rannte vorbei. Der Busch behinderte ihn aber deutlich in seiner Beweglichkeit.

„Connor!“

Ein Schrei hallte durch die Nacht. Wieder raste das Ungeheuer vorbei und Connor hatte Zeit, sich nach dem Mann umzusehen, der ihn gerufen hatte. In einiger Entfernung stand Peter Sanderson.

„So sehen wir uns wieder, alter Blutsauger!“, schrie er. Und lockte so das Vieh in seine Richtung.

Erst, als ihn das heranrasende Ungetüm fast erreicht hatte, merkte Peter Sanderson, was er mit seinem Geschrei angerichtet hatte. Das Tier war schneller als er gedacht hatte. Er spannte seine Muskeln an und erst im letzten Moment warf er sich zur Seite.

Connor wollte sich erst bei ihm bedanken, dass er ihm dieses Problem abgenommen hatte, aber er ließ es dann doch sein.

Peter Sanderson rannte nun auf Connor zu. Große Lust, mit ihm zusammen zu arbeiten, hatte Connor nicht, aber etwas anderes blieb ihm hier wohl kaum übrig.

„Was hast du dir denn da für ein Haustier angelacht?“, rief Peter ihm zu.

„Einen Vampirus-in-Bodenstampfus, ganz seltene Rasse. Schwer zu bekommen.“

„Und noch schwerer loszuwerden, scheint mir. Und was ist mit dem Busch?“

„Den gab es gratis dazu“, antwortete Connor bissig.

„Jetzt mal im Ernst, was machen wir? Abhauen?“

„Willst du mit dem Vieh kämpfen, Peter? Dann bitte, ich halte dich nicht auf.“

„Verdammt, Connor! Sei froh, dass ich hier aufgetaucht bin und

Im gleichen Moment war das Vieh schon wieder da. Die beiden Blutsauger sprangen zur Seite und für das Vieh hieß es erneut ab durch die Mitte.

„Es ist langsamer als wir, wir könnten tatsächlich abhauen.“

„Roooaaar!“

Wieder das Brüllen, diesmal aber weniger angriffslustig, eher schmerzerfüllt.

„Rooaar!“

Connor und Peter sahen zu dem Tier, das wieder aufbrüllte. Und sahen ein weiteres Ungeheuer. Es stieß aus der Luft auf es herab. Eine Art Flugsaurier, mit sicher drei Metern Flügelspannweite, scharfen Krallen und nicht minder spitzen Zähnen in einem lang gestreckten Maul. Wieder stieß es herab und ließ die Krallen in den Rücken des Tieres krachen. Blut spritzte und Fellstücke folgen durch die Luft.

Vom Flugsaurier war nur das Schwingen der mächtigen Flügel zu hören, sonst blieb es still.

„Roooaaar!“

Mit einem letzten Brüllen ergriff der vom Angreifer zum Opfer degradierte Bodenbewohner die Flucht. Es rannte los, sprang steil hoch, höher, als man es ihm seiner Form nach zugetraut hätte und landete mit den Vorderbeinen zuerst, begann den Boden auf zu wühlen und verschwand wieder, schneller als vermutet, unter der Erde.

„Kräääh!“

Zum ersten Mal hörte das Flugungeheuer, scheinbar enttäuscht über den Verlust der Beute krächzte es seinen Unmut heraus.

„Um was wetten wir, dass es sich was Neues sucht?“

„Hast du da was bestimmtes im Auge?“

„Kräääh!“

„Weißt du, Connor, frag ihn doch gleich selber.“

Diesmal kam der Feind von oben und war noch schneller. Ausweichen war nicht mehr möglich, also schlug Connor zu. Connor dachte nicht daran, dass immer noch der Busch an ihm hing. Das Vieh krachte in die Äste, den Kopf voran. Blätter flogen, Äste brachenund dann steckte es genauso fest wie Connor.

Blitzschnell packte Peter zu und drückte den Hals des Wesens zu.

„Hab dich, Drecksvieh!“, schrie er.

Minutenlang zappelte es, dann hing es still.

„Ich hab verdammt noch mal genug von dieser Welt!“, fluchte Connor.

„Die Tiere sind unfreundlich und die Pflanzenwelt steht dem in nichts nach.“

Während er das sagte schüttelte Connor seinen Arm. Überraschenderweise fiel der Busch ab.

„Na also, geht doch“, murmelte er.

„Da kann ich dem Vieh ja noch fast dankbar sein.“

„Wofür?“

„Es hat uns entwurzelt. Aber jetzt Spaß beiseite, was treibt dich hierher? Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns wieder sehen.“

Er hört den Ruf also nicht, schoss es Peter durch den Kopf.

„Zufall“, sagte er schnell.

„Nenn mir doch mal ein vernünftiges Ziel in diesem Wo-auch-immer-wir-sind. Gesucht hab ich euch nicht!“

„Hätte ich auch nicht vermutet.“

„Apropos euchwo sind Casey und Richard?“

Connor deutete mit dem Arm nach Osten.

„Da hinten irgendwo. Aber das du hier rum rennst, zeigt mir, dass du auch nix gefunden und auch nicht wirklich zurecht kommst.“

„Und?“

Connor überlegte ob er über seinen Schatten springen sollte.

„Nun, es wäre vielleicht nicht verkehrt, wieder zusammen arbeiten zu können.“

Er streckte die Hand aus. Nach einigem Zögern schlug Peter ein. Und dachte sich dabei:

Wenn die richtige Gelegenheit kommt, sieh dich vor, Connor.

Aber auch Connor dachte rein pragmatisch.

Wenn er in meiner Nähe ist, habe ich ihn besser unter Kontrolle.

„Gut, dann erzähl doch mal, was du in all der Zeit erlebt hast. Du siehst nicht besonders gut aus, Peter.“

Ich werde ihm ganz sicher nicht von der Stimme erzählen. Und erst recht nicht, von meinen Anfällen und den Schmerzen.

„Nichts, außer verrückten Pflanzen. Die Tiere gerade waren die ersten bisher und von mir aus können es auch die letzten gewesen sein. Und bei euch so?“

„Auch nicht viel, aber gefallen tut es mir hier auch nicht wirklich.“

Das war eine halbe Lüge, zwar fühlte Connor sich auf der Erde ‑ er glaubte nur nicht mehr, überhaupt noch auf der Erde zu sein ‑ an sich wohler, aber mit dem Ausbleiben des Blutdurstes war eine große Last von ihm gefallen.

„Was machen wir jetzt?“, lenkte er ab.

„Sollen wir zurück zu Richard und Casey laufen?“

„Nein!“

Die Antwort war etwas zu hektisch und zu laut gekommen, als dass sie Connor nicht misstrauisch gemacht hätte.

„Warum nicht?“, fragte er lauernd.

„Weilnun, du kommst doch aus der Richtung, da ist doch nichts.“

„Es wäre mir aber wohler, wieder zusammen zu sein mit den anderen.“

Dass Casey allerdings im Koma liegt, muss er eigentlich auch nicht erfahren.

Während sie so diskutierten ging die mondartige, düstere Sonne wieder auf.

„So, es ist hell. Na ja, hell ist auch übertrieben, aber hell genug, dass du wieder etwas erkennen kannst.“

„Und was soll das heißen?“

„Runter mit dir, Casey!“

Casey glitt zu Boden und stand wieder auf eigenen Füßen.

„Sag mal, kann es sein, dass die Tag‑ und Nachtwechsel hier wesentlich schneller sind, als wir es gewöhnt sind?“

„Ja, ich glaube auch. Zumindest kommt es mir auch so vor.“

„Die sieben Wochen, die ich...“, er stockte.

„Nun, die ich verschlafen habe, hast du die anhand dieser Tageswechsel gezählt.“

„Ja, natürlich. Warum fragst du?“

„Weil dann vielleicht viel weniger unserer Zeit vergangen ist.“

„Das kann gut sein. Sollen wir weitergehen?“

Richard nickte und ging los. Schweigend gingen sie eine ganze Zeit nebenher, bis Richard rief:

„Sieh mal, die Erde da vorne. Die sieht aus wie aufgewühlt.“

Sie gingen noch näher und betrachteten den Boden.

„Sieht aus wie Kaninchengänge, oder wie ein Fuchsbau.“

Casey bückte sich und sah hinein.

„Es ist nichts zu sehen.“

„Da vorne, Casey, sieh doch mal.“

Richard ging schnellen Schrittes auf ein gewaltiges Loch zu.

„Das sieht mir nach etwas Größerem aus. Und ich weiß nicht, ob ich das kennen lernen möchte.“

Casey nickte.

„Du hast recht, lass uns weitergehen.“

„Warum willst du nicht in diese Richtung, Peter? Sag es doch ganz einfach, dann endet diese sinnlose Diskussion endlich!“, sagte Connor reichlich genervt.

„Ich will es einfach nicht, versteh das doch einfach. Von mir aus können wir uns auch wieder trennen.“

Connor und Peter starrten sich fest in die Augen, ein Duell entbrannte, in dem keiner nachgeben wollte.

Sicher standen sie so einige Minuten, bis Connor sagte:

„Das ist einfach lächerlich. Selbst wenn wir uns jetzt trennen, sehen wir uns sicher irgendwann wieder.“

Das glaube ich nicht, denn ich habe schließlich ein Ziel, dachte Peter Sanderson.

Peter zuckte nur mit den Schultern.

„Wir verlieren Zeit, wenn wir erst wieder dorthin gehen.“

„Zeit? Wobei verlieren wir Zeit? Hast du ein Date klar gemacht?“

Connor lachte auf.

„Nein, ich nehme es dir einfach nicht ab, dass du keinen Grund hast. Wahrscheinlich

„Wahrscheinlich zieht es ihn genau wie mich nach Westen.“

Connor wirbelte herum.

„Casey! Richard! Wo kommt ihr denn her? Und wieso bist du wach? Und was meinst du mit?“

In der hitzigen Diskussion hatten weder Connor noch Peter mitbekommen, dass ihre zwei Begleiter zu ihnen gestoßen waren.

„Ruhig, Connor. So viele Fragen auf einmal kann ich nicht gleichzeitig beantworten. Also der Reihe nach: wir kommen vom Fluss, dort bin ich auch wieder wach geworden. Ich weiß zwar nicht genau warum, aber ich weiß, warum Peter nicht dorthin will.“

Casey sah Peter an.

„Willst du es ihnen sagen oder soll ich es?“

Wieder zuckte Peter Sanderson nur mit den Schultern.

„Nun sag es schon, Casey.“

„Casey hörte eine Stimme, die ihn nach Westen rief. Und wahrscheinlich wird auch Peter sie gehört haben, richtig?“

Nun richteten sich drei Augenpaare auf Peter.

„Und wenn schon?“

„Du hattest ein Ziel und hast es mir nicht gesagt, Peter? Und du hättest Richard und Casey zurück gelassen, wenn sie nicht zufällig hier aufgetaucht wären? So viel zur Zusammenarbeit.“

Connor wandte sich an Casey.

„Was ist das für eine Stimme?“

„Ich weiß nicht, wem sie gehört. Aber man hat mir eine Vision geschickt, ein hoher Berg und er wird im Westen liegen. Dorthin zieht es mich nämlich.“

„Aber warum hat Richard diese Stimme nicht gehört? Und ich auch nicht?“

„Ich habe keine Ahnung, Connor.“

„Auf jeden Fall können wir endlich etwas mehr tun, als nur ziellos herum zu irren. Lasst uns losgehen!“

„Ja, gleich“, sagte Casey.

„Was ist denn noch?“

„Ich habe Hunger. Und diese Früchte in den Büschen sehen verdammt lecker aus, ich sollte mir einige pflücken.“

Casey ging auf den nächsten Busch zu.

„Nein!“

Connors Schrei ließ ihn zusammenzucken.

„Was?“

„Pack diesen verdammten Busch nicht an! Ich habe eine Nacht in so was fest gehangen. Sie packen sofort nach dir und lassen dich nicht mehr los.“

„Toll, ich brauche etwas im Magen, sonst verhungere ich. Und die Früchte sehen auch sehr saftig aus, ich brauche Wasser, ihr Vampire, versteht ihr das?“

„Warte, ich habe eine Idee.“

Connor ging zu dem ausgerissenen Busch, immerhin hatte dieser ihn losgelassen, als er entwurzelt wurde. Langsam führte er seine Hand zwischen die Blätter. Nichts geschah. Er griff nach einer Frucht, mühelos konnte er sie pflücken. Er ging zu Casey und reichte sie ihm.

„Bitte sehr. Jetzt kannst du nur hoffen, dass dir nicht das Gleiche passiert wie mit dem Wasser.“

Mit skeptischem Blick biss Casey in die Frucht. Und verdrehte die Augen!

„Casey!“, rief Richard.

„Verdammt, nicht schon wieder! Casey, alles okay?“

Mit vollem Mund antwortete er:

„Klar, was soll denn nicht in Ordnung sein?“

„Und warum verdrehst du dann so die Augen?“

„Weil dass hier das leckerste ist, dass ich jemals gegessen habe.“

„Mach so einen dämlichen Witz nie wieder.“

Sie packten sich alle Taschen voll damit Casey auf längere Zeit versorgt war und zogen los.

Es vergingen einige ereignislose Wochen, in denen nichts geschah. Vereinzelt entdeckten sie neue Pflanzen, von denen sie sich aber fernhielten. Die Büsche mit den Früchten tauchten immer wieder auf. Da man die Früchte so nicht pflücken konnte, musste jedes Mal mühsam ein Busch entwurzelt werden, was die Gruppe oft längere Zeit aufhielt. Gott sei Dank waren die Früchte allerdings so wasserreich, dass Casey keine zusätzliche Wasserquelle benötigte. Zwar wurde noch mal ein kleiner Bach entdeckt, aber Casey hatte kein Interesse daran, noch einmal hier aus einem Fluss zu trinken. Dazu kamen noch wenige, aber lästige Insekten, die so ähnlich aussahen wie Libellen, aber kleiner waren als die ihnen bekannten.

Nach gut zwei Wochen erreichten sie die ersten Ausläufer des Gebirges.

„Hier ist es, ich kann es fühlen. Wir sind schon sehr nahe“, sagte Peter, der ansonsten relativ schweigsam gewesen war.

„Er hat recht, ich fühle es auch“, pflichtete Casey ihm bei.

In Sichtweite reckten sich mehrere Berge hoch in die Luft, Schnee lag nicht auf den Spitzen, wie man es in dieser Höhe hätte erwarten können. Der Boden unter ihnen wurde felsiger und die Vegetation ging bis auf einen moosartigen Bewuchs vollkommen zurück. Es dauerte eine weitere Woche, bis sie die Ausläufer des Gebirges erreichten. Ein Pfad schlängelte sich den Gipfeln entgegen, dennoch würde der Aufstieg mühsam werden. Je höher sie kamen, desto steiler wurde es, der Pfad verschwand. Wahrscheinlich war hier seit Ewigkeiten niemand mehr hoch gestiegen. Casey kam immer mehr außer Atem.

Wahrscheinlich ist der Sauerstoffgehalt hier oben wesentlich geringer als unten, dachte Connor.

„Geht es noch, Casey?“

„Ja ja, irgendwie geht es schon“, keuchte er als Antwort.

„Wirklich? Sonst können wir auch eine Rast einlegen“, schlug Connor vor.

„Keine Rast mehr, wir sind zu nahe am Ziel um uns jetzt noch aufzuhalten“, widersprach Peter.

„Wenn der Junge nicht mehr kann, rasten wir!“

„Es geht schon“, sagte Casey, der eine Auseinadersetzung vermeiden wollte.

… bald … bald schon … ihr seid ganz nahe … beeilt euch …

Peter Sanderson blieb stehen.

„Hast du es auch gehört?“

Casey nickte nur.

„Also Beeilung, es kann nicht mehr weit sein.“

Er wollte losstürmen, doch Richard hielt ihn zurück.

„Halt, nicht so schnell. Weder wissen wir, was uns da oben erwartet und außerdem ist der einfache Aufstieg dort vorne endgültig vorbei.“

Er deutete nach vorne. In naher Entfernung ging der langsame Anstieg in Steilwände über. Bald würden sie klettern müssen.

Kurze Zeit später wagten sie den Anstieg. Connor und Richard kletterten voran, Peter und Casey etwas unter ihnen. Jeder Meter hier musste dem Berg abgerungen werden. Casey wurde zusehends schwächer, nur mit Mühe konnte er sich noch weiter quälen. Eine Pause konnten sie hier allerdings nicht einlegen. Und dann musste Casey der Entkräftung Tribut zollen. Er griff daneben und rutschte ab.

„Aaaaah!“

„Casey!“

Connor blickte nach unten. Casey hing an einem Überhang, hielt sich nur mit einer Hand fest. Etwa drei Meter über ihm war Peter Sanderson. Connor und Richard befanden sich weitere fünf Meter höher in der Wand.

„Peter, hilf mir!“, schrie Casey.

Wieder rutschten seine Finger weiter ab, gerade noch konnte er nach packen.

„Verdammt, hilf ihm doch!“

Peter blickte erst auf Casey, dann auf Connor, dann an ihm vorbei.

„Aber das Ziel muss zum Zielso nah 

Peters Gesicht war schmerzverzerrt. Denn genau in diesem Moment rasten wieder Schmerzen durch seinen Körper.

… du musst kommen… kann dich heilen … werde deine Rettung sein … komm zu mir …

Da war wieder diese Stimme in ihm, sie lockte ihn, diese Versprechungen waren so herrlich. Er zog sich höher.

„Peter!“

Wieder schrie Casey den Namen des ihm nächsten, doch Peter schien taub dafür zu sein.

Connor konnte es nicht fassen, Peter half Casey nicht, schloss stattdessen zu ihnen auf und kletterte sogar an ihnen vorbei.

„Wenn ich dich kriege, Peter Sanderson, hat deine letzte Stunde geschlagen!“, schrie Connor ihm zu. Gleichzeitig machte er sich auf den Weg nach unten, langsam und vorsichtig. Wenn er jetzt stürzte, war Casey damit nicht geholfen.

„Halt dich fest, ich komme.“

Richard wartete unterdessen, starrte nur gebannt nach unten. Peter war längst einige Meter voraus. Connor suchte einen guten Halt und hielt seine Hand ausgestreckt.

„Pack zu, Junge!“

„Ich kann nicht, dann falle ich!“

Panik war in Caseys Stimme, nackte Angst vor dem unausweichlichen Tod, der ihn ereilen würde, wenn er stürzte.

„Verdammt, wir sind hier nicht in einem Film, wo wir das diskutieren, um die Spannung zu steigern. Du packst jetzt sofort zu, vertrau mir.“

Casey nickte leicht und packte dann zu.

Gut, dass der Junge so leicht ist.

Zentimeter für Zentimeter zog Connor ihn hoch, bald schon konnte er mit den Füßen nachhelfen und erleichterte so die Arbeit. Zitternd hing er neben Connor in der Wand.

„Danke, Connor. Du hast mir das Leben gerettet.“

„Keine Ursache, du hättest das Gleiche für mich getan.“

„Nur Peter nicht.“

Connor blickte nach oben.

„Dafür wird er büßen. Das ist ein Versprechen. Komm jetzt.“

Sie schlossen zu Richard auf und folgten dem Vorausgeeilten.

Peter Sanderson hatte eine gute Strecke Vorsprung erreicht, er konnte schon das Ende des Steilstücks sehen. Nur noch wenige Meter, dann hatte er es geschafft. Mit einem letzten Ruck zog er sich auf ein Plateau, das sich nun vor ihm ausbreitete. Nicht besonders groß, gute dreißig Meter lang und leer. Aber interessant war das, was am Ende des Plateaus lag. Eine Höhlenöffnung gähnte in wie ein riesiges zahnloses Maul an. Und daraus hervor kam ein Lichtschimmer.

„Endlich bist du gekommen

Zum ersten Mal hörte er die Stimme nun akustisch und nicht nur in seinem Kopf.

„Tritt näher, komm herein zu mir.“

Langsam ging er in die Höhle herein. Sie war leer, bis auf eine Art Liege, die direkt aus dem Fels geschlagen worden war. Das Schimmern hatte keine sichtbare Quelle, schien einfach da zu sein.

Auf der Liege lag ein uralter Mann. Er sah genauso aus wie jene, die sie erst hierhin gebracht hatten.

„Wer bist du?“, fragte er ihn, doch der Mann ging gar nicht darauf ein.

„Du bist ein Blutsauger, ich spüre es

Ein Husten unterbrach ihn, der ausgemergelte Körper, der in einer dreckigen Kutte steckte, wurde durchgeschüttelt. Als der Hustenanfall vorbei war, sprach er weiter.

„Ja ja ja, ein Vampir. Hast du Schmerzen?“

„Woher weißt

Peter konnte seine Frage nicht zu Ende stellen, ein Kichern unterbrach ihn.

„Woher ich das weiß? Ich weiß eine ganze Menge. Und ich weiß auch, dass jeder Blutsauger hier Schmerzen leidet, die jeden an den Rand des Wahnsinns bringen können. Du warst nicht allein, richtig? Wo sind die anderen, sie waren in deiner Nähe, oder?“

„Hier sind wir! Und ich fühle keine Schmerzen“, sagte da plötzlich Connor Baigent.

Peter drehte sich gar nicht erst um, der alte Mann wandte nur den Kopf der Höhlenöffnung zu.

„Ah, noch zwei Blutsauger. Und ein Mensch. Keine Schmerzen? Dann hast du wohl noch nicht gebissen, richtig? Ihr seid unvollständige Blutsauger, wenn man so will.“

„Und wer bist du?“

„Ich binoder besser, ich war mal ein Druide. Doch das ist lange her, eine unvorstellbar lange Zeit schon.“

„Dann waren es Druiden, die uns hier her gebracht haben? Aber warum?“

„Sie haben euch gebracht? Wart ihr vorher in einem wunderschönen Land?“

„Das ist richtig.“

Connor war hier zum Sprecher für die Gruppe geworden, seine Rachegedanken an Peter mussten zurückstehen.

„Dann ist es kein Wunder, dass ihr hier seid, dieses schöne Land ist nichts für euch dreckigen Blutsauger!“

„Welches Land ist es?“, fragte Connor.

„Das geht euch nichts an!“, sagte der Alte mit einer Kraft in der Stimme, die man ihm kaum zugetraut hätte. Zum ersten Mal mischte sich nun auch Casey ein.

„Du hast michuns gerufen?“

„Ja, das habe ich.“

„Warum nur Peter und mich?“

Der Druide deutete auf Richard.

„Er war bei dir, du konntest es ihm sagen.“

Dann deutete er auf Connor.

„Und er war eh schon auf dem richtigen Weg. Und zu mehr reichte meine Kraft nicht mehr aus.“

„Wie bist du hier her gekommen?“

„Ich kam freiwillig, vor endlos langer Zeit. Ich wollte dieses Land erforschen, doch dann erst merkte ich, das ich hier meine Kräfte verlor, sie wurden immer geringer und es war mir nicht mehr möglich zurück zu kehren. Darum rief ich euch zu mir.“

„Sollen wir dir etwa helfen? Wir können nichts tun.“

„Ihr könntet nichts tun, das ist richtig. Aber ich will nicht in diesem Land sterben, ich will zurück.“

„Wie soll das funktionieren?“

Der Druide schob sich in eine sitzende Position, lehnte sich mit dem Rücken an den Felsen. Er hob seine Arme an und bewegte seine Hände seltsam hin und her, dabei murmelte er unverständliches in seinen grauen langen Bart. Funken blitzen plötzlich zwischen seinen Fingern, Peter Sanderson schrie auf und packte sich an die Schläfen. Wieder kicherte der Druide halb wahnsinnig.

„Nicht! Was tust du?“

Die Funken zogen einen Bogen von seinen Händen bis zu Peter, öffneten ein Tor. Connor wollte nicht, dass Peter Sanderson starb. Er warf sich auf den Druiden, doch die Funken schlugen nach ihm. Connor wich aus, geriet ins Stolpern. Das Tor war mittlerweile mannshoch. Und direkt hinter ihm. Connor stürzte hinein.

„Aaaah!“

Mit einem letzten Schrei verschwand er. Peter brach in die Knie, kämpfte sich aber wieder hoch. Zitternd stand er auf den Beinen, ging einen langsamen Schritt auf den Druiden zu.

„Jaaa“, schrie dieser.

„Deine dunkle Kraft wird das Tor öffnen, ich werde...“

Wieder unterbrach ihn ein Hustenanfall, die Funken ließen nach. Auch das Tor wurde schwächer an den Rändern, stattdessen ging es Peter wieder besser.

„Nichts wirst du mehr tun, alter Bastard!“

Er stürzte sich auf den Druiden, die Funken hatten sein Haar angesengt und auch Brandwunden in seinem Gesicht hinterlassen.

„Casey, komm schnell!“

Richard erfasste die Situation etwas schneller, er packte den jüngeren Mann am Arm und zog ihn mit sich auf das Tor zu. Nach zwei weiteren Schritten waren sie darin verschwunden. Hinter ihnen brach das Tor zusammen. Das letzte was sie hörten war der Schrei des Druiden.

„Neeeeeiiiiiiiiin! Es ist zu spätdie Verbindung ist unterbrochen

Er ließ die Hände sinken, alle Kraft schien aus ihm gewichen zu sein. Peter packte sich den Druiden, legte die Hände um seinen Hals und drückte zu. Erst jetzt schien dieser wieder zur Besinnung zu kommen.

Mit seiner letzten Kraft schickte er einen tödlichen Impuls durch seine Hände in Peter Sanderson. Doch im gleichen Moment brach dieser ihm das Genick. Das letzte Glimmen erlosch in der Höhle und so lagen zwei Leichen in völliger Dunkelheit.

Das Tor spie Connor aus. Er krachte auf den Boden, sprang sofort auf und sah sich um: Witch Stone! Er erkannte das Gelände, war gar nicht weit weg vom Steinkreis. Aber es war nicht mehr Sommer, sondern später Herbst, Anfang Winter. Kurz darauf fielen auch Casey und Richard aus dem Tor, das sich hinter ihnen schloss.

„Aber das ist doch hier“, fing Casey an.

„Witch Stone“, vollendete Connor.

„Connor! Alles okay bei dir?”

„Ja, aber wo ist Peter? Und der Druide?“

„Keine Ahnung, das Tor hat sich geschlossen.“

Schweigend standen sie eine Zeit nebeneinander.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte dann Casey.

Ich weiß, was ich unternehmen werde, dachte sich Connor. Aber ich kann es ihnen nicht sagen, der Orden würde Richard töten.

„Wir werden unsere Wege gehen, Casey.“

„Getrennt?“

„Getrennt“, bestätigte Connor. Er reichte Richard und Casey die Hand. Dann nahm er Casey beiseite.

„Du solltest dich jetzt wieder in Acht nehmen, vor Richard. Im Moment wird er noch keinen Blutdurst verspüren, aber ich merke schon jetzt, dass es nicht für immer sein wird. Besser, du trennst von ihm, mein Junge.“

„Kann ich nicht mit dir gehen?“

„Nein, auch ich bin ein Vampir. Und auch ich werde über kurz oder lang wieder Blut trinken müssen, um zu existieren. Geht jetzt.“

Noch einmal verabschiedeten sich die drei, dann verschwanden Casey und Richard. Connor suchte noch einmal die Umgebung ab, aber sein Leinenkissen fand er nicht wieder. Danach ging auch er, jetzt wieder im Bewusstsein, die Sonne fürchten zu müssen.

Eine Nacht später am Steinkreis

Der Mann in der Lederhose betrachtete aufmerksam den Boden. Dann hatte er gesehen, was er nur noch vage gehofft hatte. Frische Fußspuren, die sich deutlich abzeichneten.

„Ich wusste, dass es sich lohnen würde, all die Zeit hier in der Nähe zu bleiben. Ich wusste, dass du wieder auftauchst, Connor Baigent. Und ich weiß, dass wir uns schon bald wieder sehen werden.“ Unwillkürlich griff Pascal Tureille nach dem kleinen Leinenkissen in seiner Hosentasche und ärgerte sich, dass er ausgerechnet dann auf Jagd war, als Connor zurückgekehrte.

„Das war meine Geschichte“, schloss Connor Baigent seine lange Erzählung.

„Wahnsinn“, flüstere Sabrina. Mark schüttelte nur den Kopf.

„Und doch die reine Wahrheit.“

„So ist es, Hüter.“

„Danach hast du also den Plan gefasst, uns zu entführen?“

„Dass es euch traf, war Zufall. Ein glücklicher, wohlgemerkt. Offen konnte ich euch ja nicht entgegentreten, ihr hättet mir nie geglaubt, hättet mich getötet.“

„Aber warum dann doch dieses Risiko?“

„Ist das nicht logisch, Mark? Ich will zurück, zurück in das Land, in dem ich kein Blut saugen muss und trotzdem existieren kann. Ich will dort eine Art Asyl für Vampire erschaffen.“

„Aber die Schmerzen, an denen Peter Sanderson litt

„Ich denke, dass es Entzugserscheinungen waren, die aber nach und nach aufhören werden. Ich muss es einfach probieren.“

Bittend sah er sie an.

„Ihr müsst mir einfach helfen.“

Dann stöhnte er auf.

„Connor, was ist mit dir?“

„Ichich kann es nicht mehr kontrollieren. Ihr müsstwegschnell!“

Mit einem Messer zerschnitt er Marks Fesseln. Der Hüter erhob sich ächzend, sein Kreislauf war nicht ganz auf der Höhe nach dem langen Sitzen und durch die Fesselung.

„Kann ... nicht aaah!“

Connor ließ das Messer fallen und packte Sabrinas Hals.

„Connor! Nein!“, schrie Mark und sprang auf seinen Vorgänger zu.


 

 


                                                            Take the highway to the end of the night…

                                                            end of the night…end of the night…

                                                            Take the journey to the bright midnight…

                                                            end of the night…end of the night…

                                                             

(The Doors)

3. Kapitel:

Licht im Dunkel


 


Mark prallte gegen Connors Körper, der seine Hände um Sabrinas Hals gelegt hatte. Der Aufprall war hart und der Vampir wurde zur Seite geschleudert. Fauchend wirbelte er herum, während vor Marks Augen schwarze Blitze zuckten. Er war nach dem langen gefesselten Sitzen nicht ganz auf der Höhe.

„Connor, reiß dich zusammen!“, rief er in die Richtung, in der der Blutsauger stehen musste. Nur langsam klärte sich sein Blickfeld, gerade noch rechtzeitig um den Kopf zurück zu ziehen. So entging er dem harten Schlag um Haaresbreite.

„Connor!“, schrie nun auch Sabrina, die immer noch gefesselt auf dem Stuhl saß.

Wieder kam der Vampir auf Mark zu.

„Bitte“, sagte Mark eindringlich zu dem Mann, der unter anderen Umständen sicher ein Freund für ihn geworden wäre. Aber eigentlich erlaubten es die Umstände überhaupt nicht, dass es zwei Hüter gleichzeitig gab. Und schon gar nicht, dass einer davon ein Blutsauger war.

„Bitte, Connor. Denk daran, du warst…du bist der Hüter!“, verbesserte sich Mark.

Connor hielt inne, es schien als hätte dieses eine Wort mehr gesagt als alles andere zuvor. Er ließ die Hände sinken, doch noch immer schien er mit sich zu kämpfen.

„Denk daran, wenn du uns beißt, können wir dir nicht helfen. Der Orden wird dich jagen und vernichten. Nur ich kann dir helfen, wieder dorthin zu kommen, wo du hin willst. Und ich werde dir helfen, versprochen, Connor.“

Er hielt dem Vampir die Hand hin als letztes Zeichen.

„Du wirst mir helfen?“

„Ja.“

Connor ergriff die Hand und schlug ein. Mark fielen innerlich tonnenschwere Steine vom Herzen und auch Sabrina hörte man befreit aufatmen.

Mark bückte sich nach dem Messer und befreite auch seine Freundin von den Fesseln. Sabrina rieb sich die Handgelenke, das nun wieder ungehindert fließende Blut brachte ein schmerzhaftes Kribbeln mit in die Hände, welches aber schnell nachließ.

„Verschwindet trotzdem schnell von hier. Noch einmal werde ich mich sicher nicht unter Kontrolle halten können“, sagte Connor.

Mark griff sich in die Hemdtasche und zog etwas Kleines daraus hervor.

„Hier.“

„Was…dein Leinenkissen?“

„Ja, es wird dich weiter vor Elena Tepescu schützen.“

Connor nahm es Mark aus der Hand und sah ihm tief in die Augen.

„Danke. Und jetzt verschwindet!“

Mark nickte, packte Sabrina am Arm und zügig verließen sie die Hütte. Ihr Weg führte sie in Richtung Eingang zu den Kyffhäuserhöhlen. Immer wieder blickten sie zurück, doch Connor folgte ihnen nicht. Erst als sie den Eingang zu den Höhlen erreicht hatten und darin verschwanden, wurden sie langsamer und fingen an miteinander zu sprechen.

„Ich kann es fast nicht glauben, dass wir noch leben“, sagte Sabrina.

„Ja, du hast Recht. Bei jedem anderen Vampir wäre es wahrscheinlich auch schon lange mit uns zu Ende gewesen. Aber Connor ist immer noch etwas Besonderes. Er verdient es, dass man ihm hilft.“

„Aber wie willst du ihm helfen?“

„Ich kann es nicht.“

Sabrina stutzte.

„Du hast es ihm doch versprochen, Mark. War das nur um unser Leben zu retten?“

„Nein, so gut solltest du mich kennen und wissen, dass ich meine Versprechen zu halten pflege“, antwortete Mark ihr.

„Und wie willst du es machen, wenn du es nicht kannst?“

„Ich kann es nicht, aber ich kenne jemanden der es wahrscheinlich kann. Hinnerk!“

Sabrina nickte.

„Wenn es einer kann, dann er. Aber wie finden wir Connor wieder?“

„Verdammt, daran hab ich ja überhaupt nicht gedacht. In der Hütte wird er sicher nicht bleiben. Aber so wie ich ihn einschätze, wird er einen Weg finden, Kontakt aufzunehmen mit uns. Vielleicht weiß auch Hinnerk eine Möglichkeit.“

„Hoffentlich, Mark. Connor ist in keiner guten Lage. Er muss sich vor dem Orden verstecken und vor Elena Tepescus Spähern, er steckt zwischen den Fronten und muss aufpassen, nicht davon zerrieben zu werden.“

Sie erreichten die Treppe und öffneten die Tür, die sie wieder in das Glückshaus in Hüll führen würde. Hinter sich schlossen sie die Tür wieder, als Sabrina laut nieste.

„Gesundheit.“

„Danke. Es würde mich nicht wundern, wenn wir uns bei dem Abenteuer eine heftige Erkältung zugezogen haben. Ich glaube, ich gehe erstmal heiß duschen.“

„Mach das, werde ich auch nachher. Aber erstmal sehe ich nach, ob Hinnerk da ist.“

„Dann sieh mal nach.“

„Hinnerk!“, rief Mark ziemlich laut.

„Toll, so hätte ich das auch noch gekonnt.“

„Ja, hinterher“, grinste Mark sie an.

„Na und?“

„Das ist wie mit dem Ei des Kolumbus. Als er es vorgemacht hatte, konnte es auf einmal jeder.“

„Pah, damit ist die Sache für mich gegessen.“

„Das Ei?“

Sabrina zog die Luft ein.

„Du bist und bleibst ein Kasper, der keine zehn Minuten ernst bleiben kann.“

Mark grinste nur und gab seiner Freundin einen Kuss.

„Geh duschen, Schatz. Sonst erkältest du dich wirklich.“

„Moment, ich will nur eben auch nach Hinnerk sehen. Hinnerk!“

Sabrina schrie noch lauter als Mark vorher. Gespielt böse sah er sie an.

„Musste das sein?“

Diese Frage hatte nicht er gestellt, sondern Christine, die im Schlafanzug auftauchte.

„Christine!“

„Ja, wer sonst?“, fragte die dreizehnjährige.

„Ist alles in Ordnung hier?“

„Klar, was soll denn los sein? Habt ihr was Schönes gefunden in der Höhle?“

Mark schüttelte den Kopf.

„Warum bist du denn nicht ans Telefon gegangen?“

„Ich hab geschlafen mit dem Discman auf den Ohren. Und wo wart ihr dann so lange?“, wollte das Mädchen wissen, das die für ihr Geschlecht typische Neugier zeigte.

Mark fragte sich, ob er ihr die Geschichte erzählen sollte. Er wollte Christine nicht unbedingt dadurch aufwühlen, dass ihr alter Hüter Connor wieder aufgetaucht war. Sabrina schien seine Gedanken zu erraten und schüttelte ebenfalls den Kopf.

„Es gab nichts zu entdecken, leider“, sagte Sabrina.

„Wo sind Hinnerk und James?“, fragte Mark nach.

„Ich habe keine Ahnung, wahrscheinlich einkaufen.“

In diesem Moment hörte man einen Schlüssel, der ins Schloss geschoben und umgedreht wurde. Hinnerk und James traten ein.

„Verdammter Stau!“, fluchte Hinnerk zur Begrüßung.

„Hallo, Hinnerk, hallo, James. Eine schöne Fahrt gehabt?“, fragte Christine grinsend.

„De Deern is frech!“, verfiel Hinnerk wieder in seinen Dialekt.

„Hinnerk! Gut, dass du bist!“, sagte Mark.

„Was denn los, mien Jung?“

„Wir haben dir eine Geschichte zu erzählen, die dich brennend interessieren wird.“

„Die will ich auch hören“, protestierte Christine.

„Nein, die ist nur für Hinnerks Ohren bestimmt“, beschied Mark ihr.

„Sabrina…“, wandte sie sich an Marks Freundin, in der Hoffnung das diese ihn überstimmen würde. Aber auch Sabrina schüttelte den Kopf.

„Mark hat Nein gesagt und er hat Recht und ich gehe jetzt duschen.“

Mit diesen Worten verschwand sie in Richtung Badezimmer. Zum ersten Mal meldete sich nun auch James zu Wort.

„Ich werde mich um die junge Lady kümmern. Christine, dein Zimmer könnte mal wieder aufgeräumt werden.“

Maulend verzog sich das Mädchen, sie wusste, wann sie verloren hatte.

„Ganz einfach, meine Herren“, sagte James und gestattete sich entgegen seiner zurückhaltenden Art ein leichtes Schmunzeln, das aber schnell wieder der für ihn typischen ernsten Ausdrucksweise Platz machte. Dahinter versteckten sich allerdings ein gutes Herz und ein wichtiger Mitstreiter im Kampf gegen die schwarze Familie. Wenn auch nicht direkt an der Front, so war er doch für Christine und ihre Erziehung ebenso wichtig wie Sabrina für die Fragen, die nur eine Frau einer anderen beantworten konnte.

„Sehr gut, James“, lobte auch Mark.

„Ich werde uns dann mal Tee kochen“, bewies der Butler seine britische Ader und verschwand in der Küche.

Hinnerk und Mark standen nun alleine im Eingangsbereich des Hauses.

„So, Mark, dann schieß mal los.“

Noch wusste Hinnerk nicht, wie treffend diese Metapher war, aber der folgende Satz traf ihn wirklich wie eine Kugel.

„Connor Baigent ist wieder zurück!“

Es war Mitte Dezember und auf einmal war die Kälte, die Hinnerk bisher vor der Tür zurückgelassen glaubte, wieder da. Ein eisiger Schauer rann ihm über den Rücken.

„Das musst du mir ausführlich erzählen, Mark.“

Beide gingen ins Wohnzimmer und setzten sich an den Tisch. Mark begann seine Erzählungen damit, wie er mit Sabrina in den Höhlen des Kyffhäusers nach einer Waffe suchte, die sie im Kampf gegen die schwarze Familie unterstützen sollte. Mit Sabrinas kurzem Luftschnappen vor dem Ausgang der Höhle, ihrem Verschwinden und wie Connor ihn mit einem Trick überfallen und ebenfalls entführt hatte, weil er ihn als Hüter erkannt hatte. Wie der Blutsauger ihnen seine Lebensgeschichte erzählte und was ihm widerfahren war, nachdem Elena Tepescus Überfallkommando das Herrenhaus an der Küste Südenglands niedergebrannt und er durch die Gegend geirrt war. Sein Treffen mit Pascal Tureille und die Reise in die beiden seltsamen Länder, das Treffen mit dem Druiden und die Rückkehr. Während er all das erzählte, drehte sich Hinnerk eine seiner gefürchteten Zigaretten aus schwarzem Tabak.

„Und all das tat er um uns, den Orden genauer gesagt, um Hilfe zu bitten. Ich glaube Connor. Und wenn ihm einer helfen kann, dann du, Hinnerk“, beendete Mark seine Erzählung.

„Hmmmm“, brummte Hinnerk in seinen Bart und zog tief an seiner Zigarette. Geräuschvoll blies er den Qualm aus und brummte wieder.

„Jetzt sag doch was, Hinnerk. Du weißt sicher einige Antworten. So wie ich dich kenne, weißt du bestimmt sogar, in welchem Land Connor war.“

Wieder zog Hinnerk am Rauchwerk, dann drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus.

„Ja, Mark, ich weiß es. Deine Ausführungen waren deutlich genug. Es gibt nur eine logische Antwort darauf. Connor Baigent war in Avalon. Ich hätte nie gedacht, dass daraus jemand zurück kehrt.“

„Avalon? Davon hab ich gehört.“

„Ja, was denn? Bestimmt etwas aus irgendwelchen Schundheften, das kannst du vergessen, Mark.“

„Dann erzähl du mir mehr darüber.“

„Nein, nicht jetzt. Aber ich kann dir sagen, dass auch ich Connor glaube und ich ebenfalls finde, dass wir ihm helfen sollten. Die Frage ist nur, wie machen wir das? Keiner von uns hat eine Möglichkeit, ihn zu erreichen. Die Zeit ist ebenfalls ein Problem, er ist kurz davor, ein richtiger Blutsauger zu werden. Bisher ist er ja eigentlich nur ein Bluttrinker.“

Sabrina betrat das Wohnzimmer, sie trug einen blauen Bademantel und auf dem Kopf einen weißen Turban.

„Hallo, Sabrina“, begrüßte Hinnerk sie.

„Da hast du ja noch mal Glück gehabt.“

„Das kannst du laut sagen. Mark hat dir also die Geschichte erzählt, gut. Was ist deine Meinung?“

„Wir werden Connor helfen. Wenn wir ihn erreichen.“

„Hat jemand eine Idee, wie wir das anstellen können?“

Keiner sagte etwas. In dieser Stille klang das Handy besonders laut.

 

***

 

Connor war noch kurz in der Hütte geblieben, bis Mark und Sabrina in den Höhlen verschwunden waren. Dann hatte auch er sie verlassen. Der Blutdurst tobte in ihm wie eine Bestie, die mit scharfen Krallen alles in ihm zerriss. Er krümmte sich zusammen, kämpfte immer wieder gegen den Schmerz an, der ihn peinigte. Es gab nur zwei Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen. Entweder musste Connor zurück in diese düstere Welt, was nicht so einfach zu erledigen war, oder er musste das Blut eines Menschen trinken, was in dieser einsamen Hütte auch nicht ganz einfach war. Er überlegte, ob er einfach ziellos durch den Wald stapfen sollte in der Hoffnung, doch noch jemanden zu finden. Der Durst trieb ihn vor die Tür. Wahllos ging er in eine Richtung, zwischen Bäumen hindurch und unter tief hängenden Ästen duckend. Es war schon kein richtiges Gehen mehr, er schleppte sich voran. Und hörte dann die Schritte eines Menschen, die im Schnee gut zu vernehmen waren. Eine Grimasse verzerrte sein Gesicht, eine Mischung aus Hoffnung etwas gegen die Schmerzen tun zu können und aus Angst, zu weit zu gehen war darin zu lesen.

Karl Höppner stapfte durch den Schnee. Eigentlich liebte er seinen Beruf als Forstbeamter, aber bei diesem Wetter sank auch bei ihm die Lust auf die Arbeit immer näher Richtung Nullpunkt herab.

Wenigstens ist es der letzte Kontrollgang in diesem Jahr, dachte er. Danach würde er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Österreich fahren, um dort Weihnachten zu feiern. Dort lag zwar auch Schnee, aber mit zwei Skiern unter den Füßen war es nicht so beschwerlich wie hier und jetzt. Immer wieder sanken die Füße bis über die Knöchel ein und es kostete einige Anstrengung sie jedes mal wieder hoch zu ziehen.

„Hilfe!“

Leise drang der Ruf an seine Ohren. Hatte er sich verhört? Karl blieb stehen und blickte sich um. Entdecken konnte er nichts.

„Helfen Sie mir…“

Wieder der Hilferuf, er hatte sich also nicht getäuscht.

„Wo sind Sie denn? Antworten Sie!“

„Hier drüben bin ich, bitte kommen sie. Ich kann nicht laufen.“

Karl Höppner hatte nun genau zu gehört. Der Ruf war schräg links hinter ihm abgegeben worden. Er drehte sich um, sah aber wieder nur einige dicht stehende Bäume.

„Rufen Sie noch mal, damit ich die Richtung weiß.“

„Hier bin ich.“

Karl ging los, auf die Bäume zu.

„Jetzt weiß ich, wo Sie sind. Was ist ihnen denn passiert? Was machen Sie hier draußen, sind Sie überfallen worden?“

Er trat zwischen die dicken Stämme, die breiter waren als er selbst. Noch einige Schritte ging er weiter, aber wieder konnte er niemanden sehen.

Verdammt, höre ich jetzt schon Stimmen? Hier ist doch niemand.

„Wo sind Sie denn?“

„Hier!“, sagte die Stimme nun in seinem Rücken. Sie klang überhaupt nicht mehr kraftlos und schwach, sondern stark und entschlossen. Karl wirbelte herum, er sah einen etwa fünfzigjährigen Mann mit schulterlangen Haaren. Dann sah er nur noch eine Faust auf sich zurasen und schließlich sah er nichts mehr. Für Karl Höppner gingen die Lichter aus.

„Tut mir leid“, murmelte Connor Baigent noch, dann bückte er sich nach dem ohnmächtigen Mann und krempelte ihm den linken Ärmel hoch und zog ihm den Handschuh aus. Mit dem Messer, mit dem er noch vor kurzer Zeit Mark Larsen los geschnitten hatte, fügte er dem Mann nun eine Wunde zu. Sofort sprudelte das Blut hervor, die ersten Tropfen fielen in den Schnee und ließen Connor an ein Märchen denken, dessen Titel ihm gerade nicht einfallen wollte. Dann presste er seine Lippen auf die Wunde und trank gierig einige Schlucke Blut. Der Geschmack war unbeschreiblich für ihn. Er wusste, dass er nicht zu viel trinken durfte, sonst würde der Mann sterben. Mühsam riss er sich zusammen, gerne würde er noch mehr Lebenssaft schlucken wollen, aber er musste aufhören. Er löste den Mund von der Wunde, leckte sich die letzten Tropfen von den Lippen und presste die Wunde zu. Verbandszeug hatte er nicht, aber er hatte nicht sehr tief geschnitten. Als die Blutung aufhörte, fühlte er nach dem Puls des Mannes. Das Herz schlug und die Atmung war auch noch regelmäßig. Er zog den Ärmel wieder runter und zog ihm den Handschuh über die Finger. Dann lehnte er sein Opfer an einen Baumstamm, das einzige was Karl Höppner jetzt noch passieren konnte, war eine Erkältung, falls er zu lange im Schnee sitzen sollte. Aber darum konnte Connor sich jetzt nicht kümmern, er hatte Wichtigeres zu erledigen, jetzt, wo er wieder klar denken konnte. Zu alter Kraft zurückgekehrt, machte er sich auf den Weg zurück zur Hütte.

Dort angekommen nahm er das Handy in die Hand, das er Sabrina Funke abgenommen hatte und mit dem er bereits Mark in die Falle gelockt hatte. Er ging den Nummernspeicher durch und wählte den Hüter an.

 

***

 

„Das ist deins, Mark“, sagte Hinnerk.

Mark zog den kleinen flachen Apparat aus seiner Hemdtasche und sah auf das Display. Sabrina stand dort zu lesen. Mark sah seine Freundin an.

„Schatz, du rufst mich an“, sagte er und nahm den Anruf entgegen.

„Ja?“, meldete er sich, die anderen sahen ihn gespannt an.

„Hallo, Connor. Alles in Ordnung bei dir?“

Mark stellte den Lautsprecher an, den das moderne Gerät hatte, damit Sabrina und Hinnerk mithören konnten.

„Bei mir ist alles wieder in Ordnung.“

„Und dein Blutdurst?“

„Sagen wir mal, ich habe ihn runtergeschluckt.“

Eine kurze Pause entstand, dann fragte Mark:

„Hast du…jemanden gebissen?“

„Nein, du kannst mir ruhig glauben. Ich habe euch vorhin nicht angelogen und ich werde es auch jetzt nicht tun. Aber wir sollten unseren Plan schnell umsetzen, die Zeit drängt immer noch.“

„Gif mi mol dat Dingen“, verlangte Hinnerk.

Mit den Schultern zuckend reichte Mark das Handy weiter.

„Connor, hier ist Hinnerk.“

„Hallo, alter Freund. Wie geht es dir denn?“

„Danke, gut, aber ich glaube nicht, dass du deswegen anrufst, oder?“

„Nein, es geht um Wichtigeres und es ist gut, dass du da bist. Ich denke, Mark wird dir die Geschichte erzählt haben.“

„Hat er“, antworte Hinnerk und nickte, obwohl Connor es nicht sehen konnte.

„Gut, das spart Zeit. Kannst du mir helfen? Ich bin sicher, du kannst es.“

Hinnerk atmete hörbar aus.

„Ja, ich kann es. Und ich werde auch. Wo bist du jetzt?“

„Immer noch in der Hütte in der Nähe des Kyffhäuser.“

„Mark und ich kommen dich holen.“

„Gut, dann bis gleich.“

Hinnerk unterbrach die Verbindung.

„Sabrina, zieh dich an und sieh im Internet nach ob du noch für heute Abend eine Flugverbindung nach England bekommst, vier Personen. Los, Mark!“

Sabrina nickte nur und verschwand, um sich fertig zu machen. Mark und Hinnerk liefen in Richtung Küche, um die geheime Tür zu benutzen, die sie in die Höhlen des Kyffhäusers brachte. Dabei prallten sie beinahe mit James zusammen, der ein Tablett mit einer Teekanne und Tassen trug.

„Vorsicht, meine Herren. Was ist denn der Anlass zu dieser Eile?“

Mark sah ihn an und sagte nur:

„Wir holen eben Connor Baigent zu uns rüber.“

James fiel beinahe das Tablett herunter. Die Erwähnung des Mannes, dem er so viele Jahre lang gedient hatte, wühlte ihn stark auf. Natürlich war er bemüht, sich dies nicht anmerken zu lassen.

„Ich denke, ich muss nicht für eine Person mehr decken?“

Mark nickte nur und bestätigte damit James indirekte Frage, ob Connor noch ein Mensch war.

„Hier, Mark.“

Connor war kurz verschwunden. Als er wiederkam, drückte er Mark etwas in die Hand. Es war ein Leinenkissen.

„Hast du die auf Vorrat gekauft?“

„Ja, die waren im Dutzend billiger. Und jetzt komm.“

Mark öffnete die Tür und beide stiegen die Treppe hinab. Das schwache Licht, das aus den Wänden drang, umgab sie und ließ genug erkennen, um sicher und schnell den Weg zu finden. Der Weg, der hier nur kurze Zeit brauchte, führte ihn an der Oberfläche, gesehen von Hüll, das rund sechzig Kilometer von Hamburg entfernt lag, bis an die Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt.

„Glaubst du, dass Connor die Höhle betreten kann?“

„Wenn du dabei bist, wird es hoffentlich gehen, Mark. Du bist ja hier so etwas die die Eintrittskarte. Außerdem war ja auch schon ein Untoter hier drin.“

„Und das Glückshaus in Hüll? Du kennst seine Auswirkungen.“

„Auch da mache ich mir nicht so viele Sorgen. Wenn Connors Geschichte stimmt, und das wird sie wohl, dürfte auch das Haus nicht so stark auf ihn einwirken. Aber ich hoffe, dass Sabrina noch einen Flug für uns bekommt.“

„Wo willst du hin?“

„Nach Witch Stone natürlich.“

Sie erreichten den Ausgang der Höhle und verließen das Gesteinsmassiv. In der Nähe stand Connor Baigent, immer noch viel zu leicht angezogen. Als Mark ihn sah, fiel ihm ein, dass auch er sich noch nicht geduscht und umgezogen hatte. Sofort begann er zu frieren.

„Hallo, Mark“, begrüßte ihn der Blutsauger.

„Lange nicht gesehen“, scherzte er.

„Auf uns trifft das zu“, sagte Hinnerk.

„Allerdings. Nett, das du mir trotzdem hilfst.“

„Das hat nicht viel mit Nettigkeit zu tun.“

„Sondern?“

„Wenn du aus dieser Welt bist, kannst du hier kein Unheil anrichten.“

„Was ich auch nie wollte.“

„Dann komm jetzt, die Zeit ist kein Verbündeter für uns.“

Sie betraten die Höhlen und eilten zurück.

 

***

 

Währenddessen in England, Witch Stone…

„Verdammt, Pascal, jetzt komm endlich!“

Der Angesprochene schüttelte trotzig den Kopf.

„Nein, ich werde noch bleiben.“

„Elena hat gesagt, wir sollen zurückkommen. Sie braucht uns für etwas anderes.“

„Es ist mir scheißegal, was Elena Tepescu gesagt hat!“, schrie Pascal Tureille.

„Aber…“

„Nichts aber! Haut doch ab und sagt ihr, der Pakt zwischen ihr und mir ist vorbei.“

„Das wird ihr gar nicht gefallen, du solltest es dir noch einmal überlegen, Pascal.“

„Nein, für mich ist nur wichtig, dass ich endlich Connor Baigent erledigen kann. Sagt ihr das und lasst mich allein.“

Der andere Vampir zuckte nur noch mit den Schultern und gab seinen zwei Begleitern das Zeichen zum Abmarsch.

Pascal Tureille starrte verärgert auf die Steine von Witch Stone. Connor Baigent war zurückgekehrt, als er auf Jagd war, um seine blutigen Triebe zu stillen. Der Frust saß tief und fraß an ihm. Aber irgendwie fühlte der Franzose, dass sein Erzfeind hierher zurückkehren würde. Und er hoffte es; eine andere Spur und Chance hatte er im Moment nicht, also musste er warten. Den Pakt mit Elena Tepescu hatte er gerade gebrochen. Er überlegte, ob ihm das zum Nachteil gereichen könnte. Dann zuckte er mit den Schultern, er war noch nie Mitglied eines Clans gewesen und hatte sich der Rumänin nur angeschlossen, weil es ihm nützlich war. Angst hatte er keine vor ihr, dennoch würde er in nächster Zeit vorsichtiger sein müssen, wenn er ihre Wege kreuzte.

„Connor, du verdammter Bastard, erscheine endlich“, flüsterte er. Er wusste nicht, dass sich sein Wunsch schon bald erfüllen sollte.

 

***

 

Tatsächlich gab es im Kyffhäuser keine Probleme für Connor. Zusammen mit Mark und Hinnerk erreichte er die Treppe, die ins Glückshaus in Hüll führte.

Sabrina erwartete sie bereits, in der Hand hielt sie einen Ausdruck.

„Ich habe tatsächlich etwas gefunden, vier Plätze in der Maschine um zehn Uhr. Die Tickets liegen am Schalter für uns bereit“, sagte sie.

Mit dem Geld des Ordens war es kein Problem, mal eben vier Flugtickets zu kaufen. Es wäre noch nicht mal ein Problem gewesen, das gesamte Flugzeug zu kaufen. Der Orden verfügte über unglaubliche Mittel. Sei es Geld, Kontakte oder Macht. In anderer Hand hätte das Zusammenspiel dieser drei Faktoren zu großen Problemen für die Menschheit geführt.

„Ihr macht ja Nägel mit Köpfen.“

Plötzlich stand James in der Tür.

„Ich habe Ihre Stimme gehört, Sir.“

„James…“, mehr konnte Connor im Moment nicht sagen.

Mark, Sabrina und Hinnerk zogen sich dezent in den Hintergrund zurück.

„Wie geht es Ihnen?“

Noch immer wahrte der Butler seine höfliche Distanziertheit.

„Es ist okay, James. Es gibt Schlimmeres.“

„Sie sind also ein Blutsauger? Ein Feind des…des Schatzes?“

„Der Schatz…ist Sweetie hier? Kann ich sie sehen? Ich bin kein Feind, glauben sie mir, James, bitte. Bitte.“

Zum ersten Mal war Verzweiflung in Connors Stimme zu hören. James sah zuerst zu Mark, der leicht den Kopf schüttelte.

„Ja, Sir, sie ist hier. Und, ja, Sir, ich glaube Ihnen, dass sie kein Feind sind. Aber Sie sind auch nicht mehr derjenige, dem ich all die Jahre gedient habe. Ich halte es für keine gute Idee, wenn die junge Lady Sie sieht.“

„Aber…“

„James hat recht“, pflichtete Mark dem Butler bei.

„Sie kam schwer darüber hinweg, was passiert ist. Die Wunden sind nur langsam verheilt und es muss noch viel Zeit vergehen, bis sie es vielleicht irgendwann einmal vergessen kann. Diese Zeit hast du, Connor. Gib die Hoffnung nicht auf, vielleicht wirst du sie irgendwann einmal wieder sehen.“

Der Vampir nickte, dann ging ein Ruck durch seine Gestalt.

„Dann lasst uns keine Zeit verlieren.“

Hinnerk nickte.

„Aufbruch, Kinners! Ich fahre!“

„Oh, nein!“, flüsterten Mark und Sabrina gleichzeitig.

Connor sah sie überrascht an.

„Warte es nur ab“, sagte Mark, dem schon jetzt schlecht wurde, wenn er an die Fahrt dachte.

„Auf Wiedersehen, James. Es hat mich sehr gefreut, sie noch einmal zu treffen. Passen sie gut auf Sweetie auf“, sagte Connor zum Abschied an seinen alten Freund. Beiden schüttelte sich die Hand.

„Passen sie gut auf sich auf“, sagte James.

Hinnerk saß bereits in seinem schwarzen Siebener-BMW hinter dem Steuer, Mark und Sabrina saßen auf der Rückbank als Connor sich auf den Beifahrersitz schwang. Dann rasten sie los Richtung Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel.

Auf der etwa sechzig Kilometer langen Strecke lernte Connor, warum Sabrina und Mark bei der Bestimmung des Fahrers so aufgestöhnt hatten. Hinnerk raste wie ein Besessener über die Straßen und auf der Autobahn drehte er richtig auf. Mit über zweihundertzwanzig Kilometern pro Stunde raste der dunkle Wagen durch die noch junge Nacht. Sie brauchten nur gute fünfundzwanzig Minuten bis zum Flughafen, die den Mitfahrern allerdings ziemlich lang vorkamen, während Hinnerk öfters lachte und von Zeit zu Zeit rief:

„Ja, so macht Auto fahren noch richtig Spaß! Das ist eine schöne Maschine!“

Hinnerk parkte den Wagen in einem Parkhaus, von dort fuhren sie mit dem Fahrstuhl nach unten und betraten Terminal eins, das erst im Mai letzten Jahres eingeweiht worden war. Im gleichen Jahr wurde zum ersten Mal die Passagierzahl von zehn Millionen übertroffen. Sie kamen an den Schalter von British Airways, wo Sabrina das Wort übernahm.

„Guten Abend, ich habe online vier Flugtickets hinterlegen lassen. Auf den Namen Sabrina Funke.“

Die junge blondhaarige Frau tippte auf ihrer Tastatur den Namen ein.

„Ja, Frau Funke, es ist reserviert für sie. Bezahlt wurde bereits.“

Sie druckte die Tickets aus und überreichte sie, dann nannte sie noch den Ausgang, der sie am schnellsten zum Flugzeug brachte. Kurz darauf saßen die vier bereits im Flugzeug auf dem Weg nach Heathrow.

Das Flugzeug war ziemlich leer und so konnten sich die vier eine Reihe aussuchen, in der sie sich ungestört unterhalten konnten.

Der kurze Flug ging schnell vorbei. Auf der Kurzstrecke wurde nicht mal ein Essen gereicht, obwohl Mark und vor allem Hinnerk der Magen knurrte.

„Die Stewardess sieht auch zum Anbeißen aus“, sagte Connor grinsend, als er den immer lauter werdenden Protest aus der Magengegend seiner Mitreisenden hörte. Ein finsterer Blick von Mark ließ ihn verstummen.

„In London wird erstmal was gegessen, Eile hin oder her“, meinte auch Sabrina.

„Bis dahin sollten wir aber abklären, was du überhaupt in Avalon willst. Ich glaube nicht, dass du nur dorthin willst, weil du dort keinen Blutdurst mehr spürst, Connor. Es wäre gut für uns, deine genauen Pläne zu kennen“, sagte Mark.

„Also gut, ihr gebt ja sonst doch keine Ruhe. Ich will nicht alleine bleiben in Avalon, ich habe ehrgeizigere Pläne. Mein Ziel ist es, dort ein Vampirasyl zu errichten.“

„Und wie willst du das anstellen? Denk mal nach, du bist, ich würde fast sagen, einzigartig in deinem Wesen. Ein Vampir, der kein Blutsauger ist. Hast du jemals von so etwas gehört? Oder du, Hinnerk?“

Hinnerk schüttelte den Kopf, sagte aber: „Nein, habe ich nicht. Ich würde den Plan aber nicht so schnell verwerfen. Es kann gut passieren, dass wir mal an einen Vampir geraten, der noch niemand gebissen hat.“

„Und was ist mit der Abhängigkeit zu seinem Erschaffer? Connor hatte noch sein Leinenkissen, das ihn vor Elena Tepescu gerettet hat.“

„Daran hab ich nicht gedacht“, musste Hinnerk zugeben.

„Trotzdem, ich bleibe bei meinem Plan“, sagte Connor trotzig. Er hatte diesen Entschluss gefasst und würde ihn so schnell nicht wieder loslassen.

Kurz darauf landete die Maschine und entließ ihre Passagiere. Sie wurden von einem Shuttle-Bus aufgenommen, der sie zum Terminal brachte. Dort stärkten sich Sabrina, Mark und Hinnerk erstmal mit Fish’n Chips.

„Gar nich so übel, woll? Nich so jut wie in Hamburch, aber essen kann man dat woll“, sagte Hinnerk und bestellte noch schnell was für den Weg.

Das nächste Ziel war der Schalter einer Autovermietung. Hinnerk plädierte für einen Bentley, Mark für einen Rover.

„Ein Bentley ist viel zu auffällig.“

„Aber wesentlich schneller und bequemer als der kleine Rover.“

Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss, es wurde ein Rover, aber der größte. Ein Rover 75, mit 4,6 Liter-Motor bei acht Ventilen.

Sabrina wollte nach dem Schlüssel greifen, aber wieder war Hinnerk schneller.

„Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, Kinners.“

„Wer hat denn so viel gegessen und immer mehr bestellt?“, fragte Sabrina schnippisch.

Mark verdrehte nur die Augen, er wusste, dass Connor sich die Fahrt nicht nehmen lassen würde, dazu liebte er Autos zu sehr.

Kurz darauf rasten sie Richtung Witch Stone.

Trotz der wahnwitzigen Fahrweise gelang es Mark, während der Fahrt ein wenig zu schlafen. Auch Sabrina nickte ein. Beide lagen aneinandergelehnt auf der Rückbank.

„Hinnerk, ich muss dich noch was fragen. Wie willst du das Tor nach Avalon öffnen?“

Hinnerk antwortete darauf nur mit einem Brummen und murmelte etwas in seinen Bart.

„Bitte was?“, hakte Connor nach.

„Ich werde das Tor öffnen, dass muss dir reichen.“

Connor erkannte, dass er keine Antwort mehr erhalten würde und schnitt ein anderes Thema an.

„Gut, du willst es mir nicht sagen. Dafür muss ich dir noch etwas sagen. Es ist nur eine Vermutung, aber nicht ganz unwahrscheinlich. Es kann sein, das wir in Witch Stone auf Pascal Tureille treffen werden.“

„Den Franzosen, von dem du Sabrina und Mark erzählt hast?“

„Ja, diesen verdammten Froschfresser meine ich!“

Der Hass in Connors Stimme war fast körperlich zu spüren, sein Blick war hart geworden.

„Du glaubst wirklich, dass er dort so lange auf dich gewartet hat?“

„Ich würde es tun! Der Hass zwischen uns ist unglaublich. Vor allem mein Hass auf ihn. Er ist der Mörder meiner Freundin und der Mörder meines Kindes. Nur seine Vernichtung kann die alten Wunden schließen, die immer noch brennen, als wären sie gestern geschlagen worden.“

Danach schwiegen die beiden für eine Weile. Nur aus dem Autoradio drang leise ein unbekanntes Lied, ab und zu unterbrochen von den Ansagen des Moderators.

„Sind wir bald da?“, murmelte Sabrina plötzlich verschlafen von der Rückbank.

„Bald, ja“, antwortete Connor mit einem Blick auf den Kilometerstand.

„Aber eine Rast müssen wir noch einlegen.“

„Warum? Du wirst doch nicht müde vom Fahren.“

„Das nicht, aber die Sonne geht bald auf und dann sollte Connor in einem dunklen Raum sein.“

Das nächste und vorletzte Ziel auf ihrer Reise war also das Witch Stone Motel, das sie gut eine halbe Stunde nach dem Gespräch erreichten. Es erinnerte Mark ein wenig an Bates’ Motel aus Psycho, dem Klassiker von Alfred Hitchcock. Genauso abseits gelegen und leer. Allerdings stand kein Mann hinter dem Empfangstresen, sondern eine junge Frau die ihnen die Schlüssel für die zwei Zimmer aushändigte. Das eine war für Sabrina und Mark, das andere bezogen Connor und Hinnerk.

Vom Zimmer aus telefonierte Mark kurz mit James in Hüll, der die Nachricht, das alles in Ordnung war, bereits sehnsüchtig erwartet hatte. Danach verbrachten sie den Tag überwiegend auf den Zimmern. Während Sabrina und Mark in das kleine, dem Motel angeschlossene Restaurant gingen, ließ sich Hinnerk sein Essen auf das Zimmer bringen.

Als der Abend kam und die Sonne unterging, machten sie sich auf den Weg zu den Steinen. Sie lagen nicht weit weg vom Motel und waren zu Fuß gut zu erreichen. Sie ahnten nicht, dass ein Augenpaar sie bereits beobachtete, als sie die Monolithen erreichten.

 

***

 

„Da bist du ja endlich, mein Erzfeind. Endlich ist die Zeit der Abrechnung gekommen. Und auch wenn du dir Hilfe mitgebracht hast, es wird dich nicht retten, Connor Baigent. Dein Tod ist beschlossene Sache“, flüsterte Pascal Tureille aus dem Schutz einer kleinen Baumgruppe heraus.

Sabrina, Mark, Hinnerk und Connor standen direkt an den Steinen.

„Es ist nicht gerade Stonehenge“, sagte Mark.

„Und es ist nicht immer die Größe, von der du auf die Kraft eines Gegenstandes schließen kannst, Mark“, sagte Hinnerk belehrend.

„Das stimmt allerdings“, sagte Sabrina grinsend in Marks Richtung.

„Haha, sehr lustig. Können wir jetzt mal ernst werden, bitte?“

Connors nächste Bemerkung erreichte genau dieses bei der Gruppe.

„Er ist hier, ich fühle ihn.“

„Wer ist hier? Ich sehe niemanden.“

„Pascal Tureille.“

„Tureille?“

„Ja.“

Connor drehte sich einmal im Kreis um einen Überblick zu bekommen und seinen Erzfeind zu sehen. Auch die anderen sahen sich suchend um.

„Pascal! Zeig dich endlich! Oder bist du zu feige?“, schrie Connor in die Nacht hinein.

Und tatsächlich regte sich etwas. Ein Rascheln drang durch die Bäume zu ihnen.

„Zu feige? Wer ist hier zu feige, Connor? Wer taucht denn hier mit einer halben Armee auf?“

„Dass du nicht zählen kannst, habe ich schon immer geahnt.“

„Connor, sollen wir…“, begann Mark.

„Nein, Hüter, dass ist ein Kampf, der nur mich etwas angeht.“

Pascal Tureille war bis auf wenige Meter an ihn heran gekommen.

„Bist du bereit für deine Vernichtung, Froschfresser?“

„Nicht mehr als du für deine!“

Mit einem Aufschrei stürzten die beiden Vampire aufeinander zu, doch Connor wich im letzten Moment aus und ließ nur ein Bein stehen. Pascal stolperte und fiel zu Boden, mit dem Gesicht schlug er hart auf. Sofort sprang Connor ihm mit beiden Beinen auf den Rücken, dass die Wirbelsäule bedrohlich knackte. Er drückte ihm die Knie in den Rücken und packte mit beiden Händen nach dem Hals des Franzosen, den er eisern umklammerte. Mit einem starken Ruck konnte er ihm das Genick brechen, was unweigerlich zu dessen Tod geführt hätte.

„Hast du gedacht, ich lasse mich hier auf einen langen Kampf ein? Dessen bist du gar nicht würdig, Tureille. Du bist reiner Abschaum und so werde ich dich auch behandeln. Du liegst vor mir im Staub und dazu wirst du auch gleich werden, Mörder meiner Frau. Und Mörder meines Kindes!“

Er drehte den Kopf des Franzosen schon zur Seite, als dieser keuchte:

„Ich bekenne mich nicht in allen Anklagepunkten schuldig.“

„Was. . . soll das heißen?“

Connor war für einen Moment abgelenkt, mit einem starken Ruck warf Pascal sich hoch und Connor von seinem Rücken. Ein harter Tritt nach hinten verschaffte ihm Platz. Schnell sprang er auf und wieder standen sich die beiden Vampire Angesicht in Angesicht gegenüber.

„Blut von deinem Blut, Connor. Oh, ich vergaß, du hast ja keins mehr.“

Pascal lachte gehässig auf.

„Sag mir was du weißt.“

„Niemals, Ex-Hüter!“

Ansatzlos drosch Connor ihm seine Faust ins Gesicht.

„Rede, verdammter Bastard!“

Sofort setzte er nach, doch diesmal fiel er auf eine Finte Tureilles herein. Nun war Connor in der gleichen Lage, in der eben noch sein Gegner gewesen war und musste um sein untotes Leben fürchten.

„Nichts kannst du beschützen, Connor. Nicht das Leben von Charlotte, nicht den Schatz und noch nicht einmal dein Leben. Es wundert mich, dass du so lange der Hüter warst“, sprach der Franzose ihm von hinten in das Ohr.

„Ich hoffe für den Schatz, dass der neue Hüter nicht wieder so eine schreckliche Niete ist.“

„Frag mich doch selbst“, sagte Mark, der sich seinerseits von hinten an die beiden Blutsauger herangeschlichen hatte, die ihre Umwelt völlig vergessen hatten.

„Was?!“

Diesmal war es Pascal der abgelenkt wurde und Connor, der mit einer schnellen Bewegung den Griff sprengte. Schnell brachte er Abstand zwischen sich und Tureille.

„Der neue Hüter steht vor dir, Blutsauger. Und er ist gar nicht erfreut.“

Mark nickte Hinnerk zu, der wiederum aus dem Rücken des Blutsaugers zupackte und ihn hart umklammerte. Tureille war zu überrascht und als auch noch Mark und Connor eingriffen, hatten sie ihn schnell unter Kontrolle.

„Noch einmal zurück zum Thema. Was ist mit meinem Kind geschehen?“

Doch Pascal Tureille schwieg. Er wusste, dass er verloren hatte und ihn nichts mehr retten konnte.

„Rede, verdammt!“

„Zwing mich doch!“

Inzwischen kam Sabrina mit einem provisorischen Pfahl. Bei dessen Anblick funkelte die Angst in den Augen des Vampirs. Connor nahm ihr den Pflock aus der Hand.

„Deine letzte Chance, Tureille.“

Als dieser nicht reagierte, setze er den Pfahl an und schlug mit der Faust zu.

„Aaaah!“

Der Pfahl drang in den Körper ein, brach durch die Rippen.

„Nur noch wenige Zentimeter und dein schwarzes Herz wird durchbohrt. Rede endlich!“

Wieder drückte Connor zu und das Holz verschwand einen weiteren Zentimeter im Körper.

„Aaah! Beende es endlich. . . du. . . Bastard“, keuchte Tureille.

Connor schüttelte den Kopf.

„Er wird es nicht sagen, Connor“, sagte Mark.

„Vernichte ihn und lass uns weiter machen.“

Ein Ruck ging durch Connor.

„Für Charlotte!“, schrie er und trieb den Pfahl durch das untote Herz Pascal Tureilles. Mit einem letzten Stöhnen brach der Blick und die Verwesung setzte ein. Innerhalb kurzer Zeit lag nur noch etwas Staub vor ihnen und die Kleidung, die Pascal getragen hatte.

„Wie fühlst du dich jetzt, Connor?“, fragte Mark.

„Leer, meine Jahre lange Suche nach Rache hat ein Ende gefunden. Aber ich habe ein neues Ziel, die Suche nach meinem Kind.“

„Und das Vampirasyl?“

„Das auch. Hinnerk?“, fragte er den bärtigen Mann.

„Es kann losgehen.“

Hinnerk trat in die Mitte der Steine und begann sofort in einer seltsamen Sprache zu murmeln.

Sabrina und Mark verstanden genauso wenig wie Connor, aber kurz darauf sahen sie, was die Worte auslösten. Ein Tor, wie Connor es beschrieben hatte, entstand in ihrer Nähe.

„Beeil dich, Connor“, sagte Hinnerk angestrengt.

„Ich kann es nicht ewig aufrechterhalten.“

Connor wandte sich an Sabrina.

„Entschuldige die Entführung und danke für deine Hilfe.“

Er schüttelte ihr die Hand, dann ging er weiter zu Mark.

„Pass gut auf Sweetie auf, Mark. Du bist der Hüter, denk daran. Ich verlasse mich auf dich.“

„Das kannst du, Connor.“

„Danke, Mark. Mein Freund.“

Er schüttelte auch dem Hüter die Hand.

„Danke, Connor. Wir sehen uns ganz sicher wieder.“

„Verschwinde schon, Connor“, sagte Hinnerk, der nicht so viel für Gefühlsduseleien übrig hatte, aber am Klang seiner Stimme erkannte man, wie er wirklich fühlte.

Dann trat Connor in das Tor und war verschwunden. Hinnerk ließ die Arme sinken und hinter Connor schloss sich das Tor.

„Das war es wohl.“

„Ja, das war es. Für jetzt aber mit Sicherheit nicht für immer“, sagte Mark. Dann gingen die drei und machten sich auf den Heimweg.


 

Wird fortgesetzt

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