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WTF - WFA - Rassismus, Puritanismus und die World Fantasy Convention

World Fantasy AwardWTF - WFA
Rassismus, Puritanismus und die
World Fantasy Convention

Schon seit 1939 gibt es die World Science Fiction Convention (kurz: Worldcon) der World Science Fiction Society, auf der seit 1953 der Hugo für die besten Sf-Veröffentlichungen verliehen wird. Benannt wurde der Preis nach Hugo Gernsback (1884 – 1967), einem luxemburgischen Emigranten. Gernsback war Erfinder und Herausgeber des Pulp-Magazins „Amazing Stories“, das er freilich nur drei Jahre lang führte, bevor er 1929 bankrott ging.


Der HugoDas Magazin, das bis heute fortbesteht, wurde jedoch zu einem Grundstein des amerikanischen Science Fiction-Fandoms. Der Preis ist eine stilisierte Rakete im Stil der dreißiger und vierziger Jahre.

Die 1945 gegründeten Mystery Writers of America vergeben bereits seit 1946 den Edgar Allan Poe Award an die besten Werke im Bereich der Kriminalliteratur und des Kriminalfilms, wobei – wie beim Hugo – inzwischen noch andere Bereiche hinzugekommen sind. Kaum überraschen kann die Tatsache, dass hier der Preis eine Büste Poes ist, des Erfinders der Detektiverzählung.

Mit keinerlei Honneurs bedacht waren viele Jahrzehnte lang die Verfasser von Arbeiten der Phantastik, die ihre moderne Ausprägung auch zunächst in der Pulpmagazinen des frühen 20. Jahrhunderts – vor allem „Weird Tales“ erhalten hat. „Weird Tales“ deckte von dem, was man heute als Sword & Sorcery bezeichnet, über Gothic Fiction bis hin zur Weird Fiction alles ab, was nicht der technikorientierten Phantastik oder dem rationalen Bereich der Kriminalistik zuzurechnen war.

Jedoch gab es für diesen Teil der Literatur keine großen Cons ... Und keinen Award, der es mit dem Hugo oder dem EdgarAllan Poe Award aufnehmen konnte. Um diese Lücke zu füllen, wurde 1975 die World Fantasy Convention (WFC) ins Leben gerufen. So, wie der Hugo auf Hugo Gernsback und der Edgar auf Edgar Allan Poe verweist, so wurde als Symbolfigur für den World Fantasy Award ein Schriftsteller ausgewählt, dessen Werk bis zum heutigen Tage einen geradezu unglaublichen Einfluss auf die Genreliteratur hat: Howard Phillips Lovecraft, der wohl bedeutendste Autor aus Weird Tales Tagen.

Die Tatsache, dass jemand ein bedeutender, prägender Autor gewesen ist, macht ihn nun nicht zwangsläufig zu einem Heiligen, noch nicht einmal zu einem netten Mann. Im Falle von Lovecraft ist schon lange bekannt, dass er Antisemit und Rassist war. Das erstere nahm im Laufe der Jahre ab – tatsächlich waren viele seiner Freunde Juden, und seine kurzzeitige Ehefrau Sonja Greene war ebenfalls eine Jüdin. Sein Rassismus wiederum war ein Aspekt, der zwar die Stimmung einiger seiner Geschichten färbt, den er aber nur sehr bedingt auf der Zunge herumtrug. Notorisch wurde diese Einstellung erst im Februar 1975, als L. Sprague de Camp die erste Biographie Lovecrafts vorlegte und darin das abstoßende Gedicht „On the Creation of Niggers“ abdruckte, welches der damals 22-jährige HPL 1912 geschrieben, aber nie veröffentlicht hatte. Das setzte nach Veröffentlichung der Biographie einen hitzigen Diskurs in Gang.

World Fantasy AwardDennoch fand die erste World Fantasy Convention im Oktober 1975 in Lovecrafts Heimatstadt Providence statt und stand unter dem Thema „Der Lovecraft-Zirkel“. Der Karikaturist Gahan Wilson, in den ersten drei Jahren auch „Toastmaster“ der WFC, schuf den Preis, eine Karikatur-Büste Lovecrafts, und der erste Ehren-Preisträger war Lovecrafts Freund und Epigone Robert Bloch.

Lovecraft und sein Einfluss blieben ein fortdauerndes Motto der WFC, in vierzig Jahren nicht weniger als zehn Mal, mit Themen wie „Clark Ashton Smith“, „Robert Ervin Howard“, „Weird Tales“ oder Lovecrafts 100-tem Geburtstag. Ehrenpreise gingen in dieser Zeit unter anderem an die Lovecraft-Korrespondenten und -Freunde Fritz Leiber, Frank Belknap Long, C. L. Moore, E. Hoffman Price, Donald Wandrei und Hugh B. Cave (und, wie erwähnt, Bloch), sowie Epigonen wie Ray Bradbury, Jorge Louis Borges, L. Sprague de Camp, Brian Lumley und – erst in diesem Jahr – Ramsey Campbell.

Im Oktober 2011 wurde erstmals ein World Fantasy Award an eine schwarze Schriftstellerin vergeben, und zwar an die Autorin Nnedi Okorafor, die ein Jahr vor der ersten World Fantasy Convention geboren wurde und damals naturgemäß von der Diskussion nicht das Mindeste mitbekommen hatte. Okorafor fand erst zwei Monate nach der Preisverleihung heraus, dass Lovecraft ein Rassist gewesen war. Ein Freund zeigte ihr besagtes Gedicht. Sie sprach daraufhin den Vorjahressieger China Miéville an (der 2005 eine Lobpreisung Lovecrafts für eine Ausgabe von „At the Mountains of Madness“ verfasst hatte), der sich als Anhänger Michel Houellebecqs entpuppte ("in diesem und keinem anderen Punkt“, wie er ihr schrieb) und erklärte, Lovecraft sei ein üblerer Rassist gewesen als damals üblich, und sein Werk sei von diesem Hass vergiftet; er selbst habe das Gesicht seiner WFA-Büste zur Wand gedreht. Okorafor stellte daraufhin in ihrem Blog betroffen fest:

“Das ist etwas, womit Farbige, Frauen, Minderheiten lernen müssen umzugehen, wenn sie es in ihrer erwählten Kunst zu Größe bringen wollen: Die Tatsache, dass viele der Ahnen, die wir verehren und von denen wir lernen wollen, uns hassen oder gehasst haben“.

Jeff VanderMeer bezog sich in einem Artikel vom September 2012 auf Okorafors Blog und schlug vor, die Lovecraft-Büste zu ersetzen – weniger wegen des Vorwurfs des Rassismus als vielmehr aus der von ihm empfundenen Notwendigkeit heraus, sich von der Nostalgie der Autoren der Weird Tales-Generation zu befreien, um der modernen Weird Fiction mehr Raum zu geben und sich nicht im „Kannibalismus“ zu ergehen.

Zwei Jahre später – drei Jahre nach Okorafors Blog – startete der bis dahin mäßig erfolgreiche Autor und Herausgeber Daniel José Older eine Petition auf change.org, um die Büste Lovecrafts durch eine Büste der zweifachen Hugo-Preisträgerin Octavia Butler (1947 – 2006) ersetzen zu lassen, welche die gesamte Belletristik nachhaltig verändert habe. Lovecraft hingegen sei ein „bekannter Rassist und schrecklicher Schreiberling“ gewesen. Older berief sich, wenn auch verspätet, auf Okorafors Betroffenheit.

„Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, (Lovecrafts) Bigotterie zu unterstützen und Sci-Fi/Fantasy von der Vergangenheit zu befreien“.

Older fand eine Unterstützerin in Okorafor, jedoch schon bald auch in anderen Fans und Autoren, die ihre Meinungen in Blogs und Kommentaren kundtaten. Einige beschränkten sich darauf, wie Okorafor auf Lovecrafts Rassismus zu reflektieren (wobei häufig die Vermutung nahelag, dass das infame Gedicht, das überhaupt nur durch Zufall erhalten geblieben ist, auslösendes Element war), andere griffen ihn zusätzlich als schäbigen Schriftsteller an, und weitere hackten schließlich darauf herum, wie hässlich und misslungen die Statue des WFA-Ehrenpreisträgers Gahan Wilson sei.

Je größere Kreise Olders Petition zog, je mehr auf den langsam in Fahrt kommenden Zug sprangen, desto mehr Widerstand von Lovecrafts Bewunderern war die (nicht sehr überraschende) Folge. Olders Anhänger spielten zunächst die Karte aus, dass diese Verteidiger Weiße seien, und implizierten dumme Sturheit und rassistische Bigotterie.

Als Speerspitze der Verteidiger kam freilich schnell Lovecrafts Biograph S. T. Joshi ins Spiel. Joshi adressierte Olders Petition im August 2014 zunächst, indem er darauf verwies, dass der WFA eben nicht im Bereich „Sci-Fi/Fantasy“ vergeben wird (in dem Octavia Butler fast ausschließlich tätig war), sondern für Leistungen in den Genres Horror und Fantasy (wo der Beitrag Butlers zu vernachlässigen sei). Außerdem merkte er an, dass es „längst anerkannt sei, dass Lovecraft tatsächlich einer der großen Prosa-Stilisten englischer Zunge“ gewesen war. Und schließlich reflektierte er darüber, dass der Preis Lovecrafts Werk würdige - und nicht seine persönliche Lebenshygiene.

Older antwortete seinerseits, Lovecraft sei ein Versager von epischen Proportionen, sowohl als Schriftsteller wie als Mensch gewesen, der einen symbolischen Stellenwert wie den als Gesicht des WFA nicht verdient habe.

Joshi warf daraufhin die Frage auf, was Older überhaupt über Lovecraft wisse, abgesehen davon, dass dieser ein Rassist gewesen war:

„Hat er je einen Versuch unternommen, die Quellen – intellektuell, sozial, familiär, kulturell - von Lovecrafts Rassismus zu verstehen? Gibt er sich damit zufrieden, banale Verurteilungen einer Person wiederzukäuen, die vor 100 Jahren lebte, ohne auch nur den geringsten Versuch zu unternehmen, die Gründe ausfindig zu machen, die diese Person zu ihrer Einstellung kommen ließen? Das wäre das Werk eines Schmierenschreibers, nicht das eines informierten Kritikers oder Gelehrten."

Older ignorierte Joshis weitere Angriffe und suchte stattdessen ein größeres Publikum, um seine Position zu vertreten. Im September 2014 – Older hatte zu diesem Zeitpunkt 2500 Unterschriften in seiner Petition gesammelt – gab er dem britischen „Guardian“ ein Interview, in dem er unter anderem äußerte, Lovecraft wäre ein „enthusiastischer Anhänger des Genozids“ gewesen – eine kühne und unbelegte These. Diese Äußerung in Verbindung mit einer weiten Verbreitung führte sicherlich dazu, dass „politische Korrektheit“ schlagartig eine noch größere Rolle in der Diskussion einnahm. Older veröffentlichte in den darauf folgenden Monaten eigene Artikel im „Guardian“ zum Thema und gab weitere Interviews.

Im Oktober 2014 fiel eine Abstimmung auf der World Fantasy Convention selbst zugunsten der Lovecraft-Büste aus. Dennoch hatten die Veranstalter selbst bereits im Vorfeld angekündigt, die Zukunft des Aussehens des Preises zu überdenken.

Es ist interessant, dass – anders als im Fall der Hugos – es keine konservative, fundamental rechte Bewegung gegeben hat, die versuchte, Dominanz auf den Preis auszuüben. Organisierten sich hörbar beim Hugo unter den „Sad Puppies“ meist mediokre Autoren, um den Preis zu ihren Zwecken zu manipulieren, waren es beim WFA – dem „Howie“ – im Wesentlichen linke Leser und Autoren, oder aber Mitglieder der schwarzen Minderheit, die scharf Stellung bezogen, wobei die Vertreter der „Political Correctness“ eine ähnliche Aggressivität an den Tag legten wie die extrem Rechten beim Hugo, und die Gegenseite meist mit dem Totschlagargument abkanzelten, sie seien – wie Lovecraft – offensichtlich Rassisten. Argumente zum Erhalt der Büste wurden ignoriert, heruntergespielt oder beschimpft. Zu den eher abstrakten Äußerungen zählte unter anderem der Vorwurf, S. T. Joshi sei ein „weißer Rechtsextremist“ (Joshi ist Inder und gilt damit unter Rechtsextremen als „schwarz“). Ramsey Campbell, der Lovecraft vor dem Vorwurf verteidigte, ein schlechter Stilist gewesen zu sein, handelte sich dafür die gehässige Bemerkung ein, dass auch berühmte Schriftsteller offensichtlich nicht zwingend in der Lage sein müssten, einen guten Autoren von einem schlechten unterscheiden zu können.

Letztendlich dürfte die wundersam überraschende Feststellung, dass Lovecraft ein Rassist gewesen ist, und damit verbunden die Stimme „politischer Korrektheit“ entscheidend dafür gewesen sein, dass auf der letzten WFC im Oktober 2015 verkündet wurde, die Lovecraft-Büste Wilsons würde zum letzten Mal vergeben - auch wenn das Komitee selbst keine Begründung für diese Entscheidung abgab. Es heißt, mächtige Verlage wie TOR (der künftig Daniel José Older verlegt) und Herausgeber wie Ellen Datlow hätten sich massiv dafür eingesetzt, den Preis zu verändern. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die diffuse "Political Correctness" in den Vereinigten Staaten eine bedeutsamere Rolle spielt als beispielsweise in Deutschland und beispielsweise dazu geführt hat, dass Werk von Autoren wie Mark Twain „bereinigt" wurden. Sogar historische Reden von Martin Luther King wurden so zensiert.

Daniel José Older twitterte nach der Verkündung:

„WIR HABENS GESCHAFFT. IHR HABT ES GESCHAFFT. ES IST VOLLBRACHT. JAAAAAAAA“.

Jeff VanderMeer schrieb

„Ich bin froh, dass Lovecraft nicht länger das Symbol des World Fantasy Award ist (und habe das als Mitglied des Vorstands unterstützt). Das ist eine Selbstverständlichkeit“.

Auf der anderen Seite schrieb der Autor William Hopfrog Pugmire, selbst Angehöriger einer Minderheit,

„Ich will nicht mehr länger etwas mit der World Fantasy (Convention) zu tun haben. Sollte das Unwahrscheinliche geschehen und eines meiner Werke für den Preis vorgeschlagen werden, werde ich darauf bestehen, dass meine Nominierung zurückgenommen wird“.

Der britische Herausgeber Stephen Jones kommentierte auf Facebook:

„Ich bin stolz auf meine drei World Fantasy Awards. Ich bin stolz auf die Arbeiten und die Summe meiner Arbeiten, für die ich sie gewonnen habe. Ich bin stolz darauf, dass sie eine stylisierte Repräsentation H. P. Lovecrafts sind – einen der einflussreichsten und kreativsten Autoren phantastischer Literatur, die das Genre gekannt hat. (...) Und ich bin stolz darauf, dass sie von Gahan Wilson, einem Gründervater der World Fantasy Convention und einem der talentiertesten Künstler und Autoren auf dem Gebiet des Makabren, entworfen und gestaltet wurden. Es ist eine Ehre, diese Preise zu besitzen (...). Worauf ich nicht stolz bin ist der World Fantasy Convention-Vorstand und ihre feige Reaktion auf eine kleine, aber lautstarke Minderheit, die kein Gefühl für Geschichte oder Tradition haben. Lasst den, der ohne Sünde ist, den ersten Stein werfen“.

Autor und Herausgeber Jason V. Brock schlug auf ebenfalls auf Facebook, in eine ähnliche Bresche:

"(Diese Entscheidung) macht den Preis viel weniger bedeutsam. Sie degradiert dessen Geschichte und scheißt auch noch drauf. (...) Jeder denkt jetzt, die Summe von Lovecrafts Leistungen sei eine faktische Mitgliedschaft im Ku Klux Klan gewesen. Das ist Scheißdreck, der kein Quentchen Respekt verdient hat“.

S. T. Joshi reagierte erwartungsgemäß verbittert und schickte seine beiden World Fantasy Awards an das Komitee zurück:

„Die Entscheidung (die Lovecraft-Büste abzuschaffen) scheint mir ein feiges Nachgeben gegenüber der übelsten Art politischer Korrektheit zu sein und eine ausdrückliche Anerkennung der krudem, ignoranten und tendenziösen Verleumdungen Lovecrafts durch die Propaganda einer kleinen, aber lautstarken Gruppe von Agitatoren“.

Welche Auswirkungen die Entscheidung der World Fantasy Convention auf die Zukunft des Preises haben wird – wie der Preis überhaupt aussehen wird (die Vorschläge gehen im Allgemeinen in Richtung Drachen oder Einhörner) – ist derzeit nicht abzusehen.

Eine Folge hat die aggressive PC-Kampagne jedoch gezeitigt: sie hat H. P. Lovecraft weit in eine rechte Ecke gedrängt, tatsächlich so weit, dass sich die Vertreter von Minderheiten, die Lovecraft verteidigt haben – Farbige, „Mischlinge“, Homosexuelle und Juden wie Brock, Joshi, Pugmire und viele mehr – und Liberale wie Ramsey Campbell oder Feministinnen wie Jessica Amanda Salmonson sich nun plötzlich auf der gleichen Seite befinden wie die amerikanichen Ultrarechten, die in vorauseilendem Eifer eine eigene Lovecraft-Büste aus Porzellan bei dem amerikanischen Holocaust-Leugner Charles Krafft in Auftrag gaben.

Greg Johnson kommentierte die Entscheidung der WFC in einem Blog mit dem Hinweis,

„Lovecraft hätte sich ohnehin von der hässlichen Büste, die seinen Namen trägt, und von den vielen schwachsinnigen Schmierfinken, die sie erhalten haben, beleidigt gefühlt“.

Jarl A. Nicholl schrieb in einem Kommentar zu Johnson,

„Das Entfernen von Lovecrafts Bildnis wegen der rassischen Realitäten, die er in seinen prophetischen (sic!) Schriften beschrieben hat, ist ein schwerer Schlag gegen die kulturelle Front, Bestandteil eines anti-weißen Genozid-Projektes“.

Der sogenannte Counter-Currents-H. P. Lovecraft-Preis für Literatur sei, so Johnson, eine Auszeichnung für "Literaten höchsten Kalibers, die die Grenzen politischer Korrektheit überschreiten" - also durchaus keine Herausforderung an die entfesselten Eiferer der Political Correctness, sondern vielmehr eine Einladung an Supremacisten und Rassisten. Der erste Preisträger der Counter-Currents (die unter anderem Verse und Lobpreisungen auf Adolf Hitler in ihrem Verlagsprogramm haben) war entsprechend der Autor Tito Perdue, der Rassismus als „wundervolle Einrichtung“ bezeichnet und geschrieben hat, dass

„ohne Rassismus unsere Welt von Neanderthalern dominiert wäre, oder von der Menschenklasse, die vor allem in der unteren afrikanischen Sahara haust“. Greg Johnson führt weiter aus: „Die Counter-Currents und andere Organisationen der Neuen Rechten werden neue Institutionen und Ehrungen schaffen, um die Größe des Europäischen Menschen weiterzutragen“.

Ramsey Campbell hat bereits ganz richtig festgestellt, dass die Vereinnahmung Lovecrafts durch die Counter-Currents sicherlich nicht dazu beiträgt, Lovecrafts Reputation zu verbessern. Die Tragik der ganzen Affäre geht jedoch über Campbells Feststellung hinaus: es ist die Tatsache, dass die fackelschwingenden Puritaner der Linken Lovecraft geradezu in die Arme der marschbereiten Rechtsextremen getrieben – ihn ihnen geschenkt  - haben. Von nun an ist der Name Lovecrafts wirklich befleckt, und die, die sich von ihm inspirieren lassen, werden fast selbstverständlich mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden. So wie die Sad Puppies den Hugo beschädigt haben, so haben Older und seine Unterstützer die WFC gespalten.

Kommentare  

#1 Hermes 2015-11-23 10:21
Wenn man diese Argumentation konsequent verfolgt, müsste man die Umbenennung der US-amerikanischen Hauptstadt fordern. Denn George Washington war erwiesenermaßen ein Sklavenhalter.
#2 Lawrence 2015-11-23 10:35
zitiere Hermes:
Wenn man diese Argumentation konsequent verfolgt, müsste man die Umbenennung der US-amerikanischen Hauptstadt fordern. Denn George Washington war erwiesenermaßen ein Sklavenhalter.


Genau das habe ich in einschlägigen US-Foren und auf FB auch kommuniziert. Außerdem wäre ordentlich Kosmetik am Mount Rushmore erforderlich ...
#3 Andreas Decker 2015-11-23 10:55
Hervorragende Zusammenfassung.

Das Anliegen kann man - nüchtern betrachtet - sogar verstehen. Warum ein Preissymbol so gestalten, dass es vielen Empfängern Unbehagen bereitet? Eben so wie es Okorafor ausgedrückt hat. Kann man drüber diskutieren.

Aber wie diese Diskussion gelaufen ist, hat den Preis vergiftet. Keine Frage. So ist das eben, wenn man aus etwas direkt eine Glaubenssache macht. Da ist rationaler Diskurs nicht gewünscht.

Die Befürworter - zu denen auch Leute wie Steven Erickson gehören - meinen jetzt, man sollte oder könnte das trennen. HPL als Preissymbol sei eine und seine Bedeutung für das Genre eine andere Sache. Schließlich würde niemand vorschlagen, ihn nicht mehr zu lesen.

Halte ich für typisch amerikanischen Bullshit. Wie soll das der Leser trennen, vom Außenstehenden ganz zu schweigen? So hysterisch, wie Older & Co die Sache bewusst angeheizt haben, muss der interessierte Beobachter glauben, dass Lovecraft in jeder Story mindestens einmal die Satzung des KKK untergebracht hat. Und wieso macht einen allgemein als beschissenen Autor angesehen Typen überhaupt zum Symbol eines Preises?

Dass man die ursprüngliche Frage zum Thema gemacht hat, ist wie gesagt legitim. Dass Leute wie Older es geschafft haben, so viele vor ihren Karren zu spannen und Lovecraft in der Tat zum Symbol der widerwärtigen amerikanischen Rechtsradikalen zu machen - die ihn plötzlich für sich entdecken - das muss man ihnen übel nehmen.
#4 Larandil 2015-11-23 11:58
Marcel Reich-Ranicki wurde einmal von einem Reporter gefragt, wie er mit dem Antisemitismus von Richard Wagner zurechtkäme. Seine Antwort war: "Es gab und gibt viele edle Menschen auf Erden, aber sie haben weder den Tristan geschrieben noch die Meistersinger.“
#5 Lawrence 2015-11-23 14:13
@Andreas Decker: Ich sehe das mit Okorafor genauso - die wünschte sich einfach eine Diskussion. Vorhalten muß man ihr, dass sie sich später von Older vor den Karren spannen ließ.
Ich habe auch für VanderMeers Haltung durchaus Verständnis, wenngleich darin zum Ausdruck kommt, dass er sich nicht mit der Frage befaßt hat, wer den Preis geschaffen hat, wofür er gedacht war etc. ... Das zeigt sich überhaupt in weiten, uninformierten Kreisen, die blöcken, Horror hätte beim WFA ohnehin nichts zu suchen.

Hat Older viele Unterstützer gehabt? Man weiß es nicht genau. Die bedeutensten Autoren und Herausgeber waren eher Pro-Lovecraft, wie es scheint, aber TOR ist beispielsweise ein Pfund, mit dem man gut wuchern kann und eine echte Macht im Genre.

Older und seine Horde haben sich aufgeführt wie ein fackelschwingender Lynchmob; selbstgerecht, rücksichtslos, mordlustig, verbrannte Erde hinterlassend. Jason V. Brock vertritt die Ansicht, dass Older die ganze Nummer abgezogen hat, um sich bekannt zu machen ... das hat er jedenfalls geschafft und ist bei TOR auf Jahre unter Vertrag.

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