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...Kurt Luif über Leben, Schreiben, SF, Vampire und Dämonen (Teil 1)

Kurt Luif ...Kurt Luif...
...über Leben, Schreiben, SF, Vampire und Dämonen
(Teil 1)

Vor 40 Jahren begann im Pabel-Verlag die Planung für die Vampir-Horror-Roman-Reihe und Kurt Luif war daran beteiligt. Grund genug, ihn einmal zu seinem Leben, seiner schriftstellerischen Tätigkeit und anderen Erlebnissen zu befragen.

Für den Interessierten eine echte Fundgrube. Hier nun der erste Teil dieses Gespräches...

 

Zauberspiegel: Kurt, wir wissen viel über deine Autorenkarriere als Dämonenkiller-Autor Neal Davenport, aber über deine Jugend, deine Fanzeit, deine ersten Profischritte und deine Geburtshilfe bei der Vampir-Horror-Roman-Reihe wissen wir kaum etwas. Wie also war deine Jugend?
Kurt Luif: Ich kam am 14.05.1942 in Wien zur Welt. Meine Mutter war 35 Jahre alt, mein Vater 42, er wurde in Knittelfeld geboren, eigentlich hätte er Adolf Luef heißen sollen, doch der Pfarrer verschrieb sich und so hieß er Luif und ich auch.
Als die Bombardierung Wiens immer wilder wurde, setzte sich meine Mutter mit mir zu Verwandten in Böhmen ab. Dort kamen die Russen immer näher - um es vereinfacht auszudrücken. Meine Mutter entschloß sich zur Flucht, aber nicht zurück nach Wien, sondern zu einen der Brüder meines Vaters, Georg, der in Dresden eine kleine Blitzableiterfirma hatte. Weshalb sich meine Mutter so entschied, das hat sie mir nie verraten, sie sprach nur einmal darüber (da war ich 20). Wir überlebten das Inferno und flohen über Prag nach Wien. Meine Mutter war in Wien geboren, aber ihre Eltern waren aus Pardubize hergekommen und hießen Svagerka. Sie war zweisprachig aufgewachsen, ich durfte auf der Flucht nicht sprechen, ein deutsches Wort und sie hätten uns zerrissen.
Ich habe überhaupt keine Erinnerung an die Geschehnisse, aber ich wachte oft schreiend auf.
Was da wirklich geschehen war, das wurde mir erst viel später bewußt, als ich mich näher mit Hitler und seiner braunen Brut beschäfigte.
Rückblickend wundert es mich, daß nie in meiner Zeit im SF-Fandom über das Hitler-Regime gesprochen wurde.
Nach 1945 trennten sich meine Eltern, meine Mutter wollte die Scheidung, doch mein Vater weigerte sich. Die Volksschule verbrachte ich in einem Internat in Grinzing. In der ersten Klasse bekam ich eine Mittelohrentzündung mit Diphtherie und verbrachte Weihnachten im Spital, ein paar Wochen später folgte die Gelbsucht. Alle in meiner Klasse konnten lesen, ich nicht. Den ganzen Sommer quälte mich meine Mutter mit Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen von Selma Lagerlöf. Einer der langweiligsten Romane… Und endlich klappte es.
Aber ich machte mir noch nichts aus Büchern, das änderte sich erst, als ich SCHATZ IM SILBERSEE las, da wurde ich zum totalen Karl-May-Fan.
Ich hatte einiges über das beginnende SF-Fandom gelesen, aber konnte mich nicht aufraffen, Kontakt aufzunehmen. Wir hatten auf Untermiete gewohnt, meine Mutter hatte auf eine Eigentums-Wohnung eingezahlt, und sie war fertig geworden und wir übersiedelten 1954 in die Fasangasse.
Meine Mutter war Chef-Sekretärin in einer Spedition am Rennweg. Sie hatte mich auf den Bauernhof in Kaumberg geschickt, auf den wir die vergangen Jahre immer im Sommer gewesen waren. Ich mußte zurück nach Wien, sie sei schwer erkrankt.
Sie hatte einen Gehirntumor und sollte operiert werden. Ich durfte sie nicht sehen, damals gab es noch die idiotische Vorschrift, Kindern war der Zutritt verboten.
Ich kam zum Bruder meiner Mutter, der hatte ein Textilgeschäft in der Jörgerstraße. Er und seine Frau waren leidenschaftliche Tarockspieler und so durfte ich zusehen, wenn sie tarockierten und lernte so das Spiel ganz gut. Die Tante wurde schwanger und ich kam ein paar Wochen zu meinem Vater.
Meine Mutter hatte die Operation überlebt, blieb aber rechtsseitig gelähmt, wir kehrten in die Fasangasse zurück und lebten von der kleinen Pension, die sie bekam, mein ungeliebter Vater steuerte nicht einen Groschen zu unserem Unterhalt bei. Ich trat mit 14 eine kaufmännische Lehre (so hieß das wohl) in der bereits erwähnten Spedition an.

Zauberspiegel: Wie bist du mit dem SF-Fandom in Kontakt gekommen und wie waren deine ersten Schritte im Fandom?
Kurt Luif: Wie die Fans mit Science Fiction in Berührung gekommen waren, das erzählten alle gern. Und es war fast immer so: Zuerst die Utopia-Kleinbände, dann die Großbände und vor allem das UTOPIA-Magazin.
Damals war ich 12 oder 13. Mir hatte ein Freund einen Jim Parker geschenkt Nr. 5, der haute mich nicht um, ein paar Wochen später bekam ich die Nr.18 und war begeistert. Vorher hatte ich aber auch einige der Bildheftchen verschlungen. Ich durchkämmte die Romanschwemmen, die gab es an fast jeder Ecke und hatte bald alle Jim Parker.
Ecke Rennweg/Fasangasse gab es einen Zeitungskiosk bei dem ich meine SF Literatur kaufte (1956). Zufällig wollte auch ein Junge in etwa meinem Alter den neuesten Jim Parker, wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir von der Wiener SFCD-Gruppe, ob ich mitkommen wolle. Er hieß Wolfgang Eberl und ging mit Axel Melhardt in die gleiche Schule. Der Samstag kam, doch der Eberl ließ sich nicht blicken.
 Er kam dann eine oder zwei Wochen später, entschuldigte sich. An dem Tag, als er mich eigentlich treffen hätte sollen, war Walter Ersting dawesen, da erfuhr ich, daß er Clark Darlton war, einer meiner damaligen Lieblingsautoren...
Wir fuhren mit der Straßenbahn in eine Gegend, wo ich noch nie gewesen war. Das Club-Lokal entpuppte sich als aufgelassenes Milchgeschäft in der Hasnergase im 16. Bezirk. Auffallend war ein Paar, er hinkte und sie sah wie eine Nutte vom Gürtel aus, weißblond und sehr sexy. Ich weiß nicht mehr, ob es das Paar war, das später nach Australien ging.
Da lernte ich die „Großkopferten“ kennen: Schönauer. Tretzmüller, Kirchmayr, die aber bald in der Versenkung verschwanden. Eine wesentlichere Rolle spielte für mich Fritz Nachazel, ein uriger Typ. Mit ihm fuhr ich 1959 mit dem Roller zum Con nach Unterwössen. Er war verheiratet, seine Wohnung war voller Aquarien, war aktives Mitglied in einem Trachtenverein und erzählte ziemlich ungeniert über die Länge seines Gliedes.
Die fünf erwähnten Männer waren alle jenseits der 20, aber durchaus bemüht um uns Neue und echte SF-Fans.
Für mich waren allerdings die jüngern, die ich beim ersten Treffen und den folgenden, kennenlernte wichtiger.
Axel Melhardt, Harald Kressler, Adi Fritsch und Helmuth Strahner, und nicht zu vergessen die niedliche Sigrid Schuhböck.
Hier fand ich endlich Gleichgesinnte, und konnte mit ihnen über die von mir so geliebte Science Ficiton diskutieren. Die meisten hatte so wie ich erstmals Kurzgeschichten durch das Utopia Magazin entdeckt, aber da schieden sich die Geister, die meisten fanden die Romane besser, ich war eher ein Story-Fan.
1957 kamen Edi Lukschandl und Jonny Winter, mit beiden freundete ich mich rasch an. Die Klubabende wurden bald immer wichtiger für uns alle. Edi spielte Tarock, das tat ich auch und Jonny, bei Axel weiß ich es nicht mehr. Wir spielten 20er-Rufen. Das ist die einfachste Variante, doch Edi spielte die höhere Variante: Königsrufen. Und die brachte er uns bei. Da gab es legendäre Kartenpartien im Wochenendhaus von Axels Mutter in Höflein, da nahm auch Hubert Straßl teil.
Ich glaube, daß uns Fritz Nachazel Billard beibrachte.
Axel Melhardt kam dann ein Jahr in ein Schweizer Internat. Es war eine merkwürdige Zeit in der SF-Gruppe Wien, die Klublokale wurden häufig gewechselt, es gab endlose Streitereien, neue Fans kamen dazu, andere setzten sich ab.
Bei den Klubabenden gab es weiter erbitterte Diskussionen, Fans lasen ihre Stories vor. Jonny Winter übersetzte einige Sheckley-Stories und arbeitete sie zu Hörspielen um, die bei den Fans gut ankamen.
Meine Mutter blieb weiterhin rechtsseitig gelähmt, konnte sich aber in der Wohnung mit einem Stock bewegen. 1958 - als ich 16 war - kaufte ich mir den ersten Fernseher – für meine Mutter versteht sich, hockte aber dann selbst wie in Idiot davor, obzwar es damals nur ein Programm gab, doch das gab sich nach ein paar Monaten.
Ich hatte meine Lehre abgeschlossen und war nun Zolldeklarant und verdiente recht gut. In der Spedition hatte ich mir einen Freundeskreis aufgebaut, mein bester Freund war Fritz Bauer, der war ein großer Fußball-Fan (Anhänger von Sportklub Wien), wir fuhren einmal sogar zu einem Match nach Linz. Durch ihn lernte ich aber auch Eishockey kennen und Boxen in der Stadthalle.
Er machte dann den Führerschein. Kaufte sich einen alten Fiat, und zwei Wochen später, Spätherbst 1958 machten wir uns nach Italien auf, mit dabei waren noch zwei Freunde. Es ging nach Venedig und Triest. Wir fuhren die Küstenstraße entlang und es schüttete, als wolle die Welt untergehen. Diesen Blindflug hatten wir gut überstanden, da kam am Wechsel die nächste Katastrophe, ein halber Meter Neuschnee.
Aber unser Hauptinteresse galt den Mädchen, die aber damals meist recht prüde waren. Lernten wir neue kennen, dann war unsere Taktik höchst einfach, sie mußte uns ihre Freundinnen vorstellen, die wir zum Heurigen einluden.
 1959 fand der SFCD-Con in Unterwössen in Bayern statt. Fritz Nachazel, der nun das Oberhaupt der Wiener Gruppe war, hatte dazu eine wie er glaubte, geniale Idee, wir sollten ein Zehn-Mann-Zelt mieten und alle Wiener-Teilnehmer sollten weiße Hemden mit aufgenähter österr. Flagge oder Wiener Stadtwappen tragen.
Es wurde eine Alptraumfahrt. Nachazels Roller war nicht das moderste Modell, alle paar Kilometer hieß es Kerzen putzen. Irgendwie schafften wir es doch.
Auch Edi Lukschandl und Helmuth Strahner hatten es mit einem Moped geschafft. Axel Melhardt, Harald Kressler und Jonny Wnter waren aus der Steiermark gekommen.
Das Aufstellen des Zeltes war auch nicht ohne, das Wetter scheußlich.
Unser weißbehemdeter Auftritt löste eher Befremden als Begeisterung aus.
Neben einigen Berühmtheiten wie Clark Darlton, lernten wir jede Menge von interessanten Fans kennen.
Hubert Straßl (Hugh Walker) war auch dort gewesen.
Jonny und ich verfolgten die Geschehnisse in der SF-Gruppe kritisch und produzierten ein Phonzine, in Anlehnung an Qualtinger/Bronner. Das Echo darauf war zwiespältig, eine weitere Nummer gaben wir noch heraus. Leider gibt es die Aufnahmen nicht mehr, Jonny löschte sie mal irrtümlich.
Wir schrieben für MRU den Prof. Ambröselmeier.

Zauberspiegel: Wann hast du Ernst Vlcek kennengelernt und was kannst du über seine Jugend erzählen?
Kurt Luif: Es war 1960. Der SFCD veranstaltete seinen jährlichen Con diesmal in Wien. Da tauchte auch ein unscheinbares 19jähriges Bürschlein auf, schmächtig und voller Pickel im Gesicht. Er kannte keinen der Anwesenden und niemand kannte ihn. Er war zu dieser Zeit beim österreichischen Bundesheer und hatte in TRANSGALAXIS vom Con gelesen und beschlossen daran teilzunehmen. Das Bürschlein war Ernst Vlcek.
Zu meiner größten Schande muß ich gestehen, daß mir Ernst Vlcek damals überhaupt nicht aufgefallen war. Er hielt sich still im Hintergrund – das tat er meistens (außer er hat eine Glas zu viel getrunken).
Der erste Fan, den er dort traf, war Jonny Winter, der am Info-Stand saß und ihm die ersten Informationen über die Wiener Gruppe gab.
Einige Wochen verstrichen, und plötzlich tauchte Ernst Vlcek überraschend bei einem der wöchentlichen Treffen der Wiener Fans auf. Er saß bescheiden da und rauchte seine Dreier (die billigste österr. Zigarettenmarke, die entsetzlich stinkt) und trank Bier und hörte aufmerksam zu. Langsam taute er auf und verblüffte mit recht akzeptablen Zeichnungen und Stories, die später in verschiedenen Amateurpublikatonen erschienen. Später arbeitete er hauptsächlich an unserem Fanzine namens Pioneer mit, das dank seiner Mitarbeit zu einer Publikation wurde, der nichts Amateurhaftes anhaftete.
Ich weiß über die Jugend von Ernst Vlcek nur sehr wenig. Ernst Vlcek wurde am 9.01. 1941 in Wien geboren, hatte einen Bruder und stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs im 10. Bezirk auf.
Ernst Vlcek kam mit 14 Jahren zur SF. Seine Lieblingsschriftsteller waren Ray Bradbury und A.E. van Vogt. Er las aber auch mit großer Lust die Stories von Ernest Hemingway. Bald nachdem ich ihn kennengelernt hatte erzählte ich ihm von Ed McBain, der unser beider Liebling wurde, die Romane um das 87. Revier lasen wir immer wieder.
Mit Jonny Winter fuhr ich 1960 nach Neapel (da war auch Adi Fritsch dabei), 1961 nach Paris.

Zauberspiegel: Pioneer so hieß dort eurer SF-Fanzine, daß einen legendären Ruf hat. Berichte doch mal darüber.
Kurt Luif: PIONEER wurde 1960 geboren, die ersten Nummern waren keine Großtat, die Qualität doch recht mäßig, Axel Melhardt bemühte sich zwar sehr, er und Harald Kressler (ein wirklich talentierte Schreiber, der nach einigen Veröffenlichungen bei einem Autounfall starb) prägten die ersten Nummern.
Bald danach stießen Krauß und Mommers dazu. 1961 fingen einige der Linzer SF-Fans im Wien zu studieren an, die eine echte Bereicherung waren.
Das Niveau von PIONEER änderte sich schlagartig, als Mommers, Vlcek, und Straßl dazu stießen. Die drei waren ehrgeizig und begabt und das machte sich bemerkbar.
Aber alles wäre nicht möglich gewesen, hätte es nicht Axel Melhardt gegeben, durch ihn wurde PIONEER zum führenden Fanzine ab 1962. Axel Melhardt kam am 14.05.1943 im 19. Bezirk im Rudolfiner-Spital zur Welt, seine Mutter und sein Vater waren beide Schauspieler. In dem gleichen Spital war ich ein Jahr zuvor zur Welt gekommen!
Er hielt die so unterschiedlichen Fans zusammen und nicht zu vergessen darf seine geduldige Mutter werden, bei der sich die hungrigen Fans teilweise unverschämt die Bäuche vollschlugen. In der Wohnung in der Hintzerstraße trafen wir uns immer wieder. Ohne Axel hätten wir uns alle nicht zu dem entwickelt, was wir dann wurden.
Neben der SF hatte er noch ein zweites Hobby: JAZZ. Er versuchte einige SF-Fans für diese Musik zu begeistern, was bei einigen gelang, bei mir aber nicht. Axel machte dann später seine Liebe zum Jazz, zu seinem Beruf. 1972 gründete er das in der Zwischenzeit weltberühmte JAZZLAND, dort spielten alle Größen der Zunft. Das Lokal existiert noch immer und ein Besuch lohnt sich für alle. Besuchen solltet ihr es auf jeden Fall im Internet, ihr werdet es nicht bereuen...

Zauberspiegel: Wer hat noch bei PIONEER geschrieben und was hast du veröffentlicht?
Kurt Luif: Hubert Straßl gab sein Debüt in PIONEER 11: Meine zwei Plasmaten. In PIONEER 12/13, der ersten Nummer im Digest-Format, gab es einen Index. Als ich ihn mir dieser Tage ansah, merkte ich zu meiner größten Verblüffung, daß in Nr. 1 von mir eine Story war: Der Angriff.
Meine Mitarbeit bei PIONEER war eher bescheiden, nur vier weitere Stories von mir erschienen: Wirtshaus, 5xLuif und Blumen in den Augen, Treffen der Talente. Das Wirtshaus kam bei den Fans gar nicht gut an, war so eine dämliche Horror-Story, daher wurde Blumen in den Augen unter Konrad Schwagerka veröffenlicht.

Zauberspiegel: Du hast mal in einem Porträt über dich geschrieben, das du dreimal fast geheiratet hattest. Wer waren die Damen und warum klappte es nicht?
Kurt Luif: Das habe ich sicherlich nicht so gemeint, denn an Heirat habe ich überhaupt nie gedacht. 1961 nach dem Paris-Besuch, brachte eine unserer Freundinnen Sigtrud zum Heurigen mit. Sie war ein Sophia-Loren-Typ, den es aus der tiefsten Steiermark nach Wien verschlagen hatte. Wir hatten uns daran gewöhnt, daß Fritz der Hahn im Korb war, diesmal hatte er Pech, sie stand mehr auf mich. Ich war 19, sah aber älter aus, sie war 25, sah aber jünger aus.
Ich brachte sie dann im Klub mit, wo sie für einiges Aufsehen sorgte. Wie ich viel später erfuhr, waren zumindest zwei meiner SF-Freunde hinter ihr her. Sie ließ beide abblitzen. Jonny Winter hatte etwa zur gleichen Zeit Martha kennengelernt, die er später auch heiratete. Aber die Ehe hielt nicht lange… Axel hatte seine Sonja, ich er glaube war der erste von uns Teenies aus dem Klub, der eine ständige Freundin hatte.
Sigtrud wohnte im 16. Bezirk. Sie arbeitete im 3. Bezirk auf der Landstraßer Hauptstraße in einem Wollgeschäft.
 Für mich war sie ja nicht die große Liebe, ein Fickhäschen nicht mehr, ich traf sie weiterhin, daß sie eine Wohnung hatte war toll, ich nahm sie aber zu den Klub-Abenden am Samstag nicht mit, da sie mit SF nichts am Hut hatte.
Wir blieben dann doch fast vier Jahre zusammen. Sigtrud verlor dann die Wohnung, und wohnte auf Untermiete.
So mußten wir in Stunden-Hotels ausweichen. Das Problem hatte auch Ernst Vlcek und Regina, die waren damals noch nicht verheiratet. Wir gingen zu viert essen und dann in die Goldene Spinne, jedes Paar auf ein Zimmer. Und in der Spinne wurde EVs erster Sohn gezeugt!
1964 war ich beim Heer in Mistelbach, dann später in einer Kaserne im 16. auf der Schmelz. Einmal hatte ich Wache, da kamen Sigtrud, und ihre Freundinnen Ingrid und eine, deren Name mir nicht mehr einfällt, und lachten sich schief über mich. Ich fand es nicht lustig und drohte sie zu erschießen, ich hatte ja ein volles Magazin, aber sie verzogen sich dann. In Uniform mit Stahlhelm sah ich wie ein Volltrottel aus!
Mitte des Jahres war klar, dass Sigtrud zurück in die Steiermark wollte. Bei einem der Klubabende tauchte Sigrid mit einem Freund auf. Sie hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Sie kam mir noch hübscher vor. Sie war kurze Zeit mal Axels Freundin gewesen, ich hatte mich nie sonderlich für sie interessiert.
Wir fuhren in den Prater, AM und Sonja und einige andere Fans. Und irgendwann landete ich in der Nacht in Sigrids Wohnung, die zwei Minuten von der von Axel war.
Das war ein paar Wochen recht anstrengend für mich, da ich es abwechselnd mit Sigtrud und Sigrid trieb.

Zauberspiegel: Wie entstand deine Zusammenarbeit mit Ernst Vlcek?
Kurt Luif: Ernst Vlcek und ich beschnüffelten uns und fanden Gefallen aneinander. Es war eine Zeit, in der immer neue Leute zur SFCD-Gruppe-Wien stießen, wie z. B. Hubert Straßl (Hugh Walker), der in Wien studierte, Helmuth W. Mommers, der eine Zeitlang mit Ernst Vlcek SF-Romane und Kurzgeschichten schrieb, A. D. Krauß, der mit Mommers einige ausgezeichnete SF- und Horror-Anthos herausgab, Peter Krassa („Als die gelben Götter kamen“), und viele andere. Ernstl verkaufte seine ersten Stories und Romane. Halbtags arbeitete er als Vertreter für eine Büromaschinen-Firma, die übrige Zeit schrieb er.
Mehr als ein Jahr lang arbeiteten wir gemeinsam in einem kleinen Zimmer – Schulter an Schulter. Er war von einer fast unglaublichen Besessenheit, er wollte schreiben – gut schreiben.

Zauberspiegel: Du hast du zusammen mit Vlcek und Mommers eine Literarische Agentur gegründet. Was waren eure Ziele?
Kurt Luif: Die Literarische Agentur wurde 1964 von Helmuth Mommers, Ernst Vlcek und mir gegründet. Wir nannten sie hochtrabend PANORAMA. Ernst interessierte sich nie dafür und hörte bald damit auf. Mommers verschwand grußlos in die Schweiz und seit 1966 führte ich sie allein, wir wollten mit Hilfe der Agentur möglichst viele Kontakte zu Verlagen schaffen. Aber mir wurde bald klar, dass die Verlagswelt nicht auf uns gewartet hatte.
Viel später verkaufte ich die ersten Stories und Romane von Hugh Walker. Von Ernst Vlcek verkaufte ich Romane an UTOPIA-Reihe und nach Japan. Eine Zeitlang hatte ich an die zehn deutsche Autoren und die Vertretung von amerikanischen, englischen und italienischen Agenturen, Verlagen und Autoren. Hauptsächlich vertrat ich SF-Autoren, wie z. B. Murray Leinster, Ursula K. Le Guin, Robert Bloch, Anne McCaffrey, James Gunn etc. Außerdem verkaufte ich später DOC SAVAGE an den PABEL-Verlag und PERRY RHODAN nach Japan.

Zauberspiegel: Du hast ja, auch kurzfristig in London in der Baring Road gelebt, wann war das und wie kam es dazu. Welche Art von Schule hast du in der Baring Road eigentlich besucht?
Kurt Luif: 1965. Da war ich auf einer Schule, an der vorher Mommers gewesen war. Da sollte man Englisch lernen, war aber eher dürftig. In der Baring Road habe ich gewohnt, zur Schule mußte mit dem Bus hinfahren. Da entdeckte ich eine Krimi-Serie (Hank Janson), schrieb an den Verlag und sicherte mir die Rechte und verkaufte sie an DESCH.
Die Mitternachtsbücher waren eine Taschenbuchreihe, die zwischen 1958 und 1974 im Kurt Desch Verlag, München Wien Basel veröffentlicht wurde.
Der erste Band war Nr 371: Hank JANSON „Die Hölle ist los“. Monatlich folgte ein weiterer, bis zum Ende der Serie 1974.
So gesehen, war mein Schulbesuch ein voller Erfolg!

Zauberspiegel: Du hast ja nicht nur einen SF-Roman für die Utopia-Reihe geschrieben? Die beiden SF-Romane aus dem Jahre 1967, die nicht veröffentlicht worden, werden wohl nicht mehr existieren, oder?
Kurt Luif: Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht im Keller, aber ich will es gar nicht wissen. Ernstl hatte vier Romane an Lore Straßl bei PABEL verkauft und sie nahm auch meinen Roman „Menschheit in Ketten“ an und ich sollte weiter so schreiben und das tat ich. Ich schickte ihr den zweiten und schrieb den dritten.
Ich hörte aber nichts von Lore Straßl, dann fuhren wir mit Follow zu ihr und Hugh Walker und da erfuhr ich die für uns alle niederschmetternden Nachrichten: Wolfgang Biehler hatte jetzt das Sagen, der brachte seine Autoren und den Chefredakteur unter. Lore durfte nichts mehr ankaufen, das bereits angekaufte Material durfte nach und nach erscheinen. Da war auch der vierte Roman von Ernstl dabei. Wenn es dich interessiert, dann kannst Du dir mal die Utopias ansehen. Die Reihe war nicht zu retten, sie wurde bald nach Biehlers Machtergreifung eingestellt.
Ich hatte meinen Job aufgegeben, da ich sicher mit Pabel als Abnehmer gerechnet hatte, das traf ja nicht nur mich, Ernstl genauso. Den traf es fast noch schlimmer, er war ja seit 1965 verheiratet…

Zauberspiegel: Ich erinnere mich, daß du in deinem Porträt in DK-Nr. 21 (Erstauflage) davon geschrieben hast, daß es dir und Ernst Vlcek auch mal schlecht ging.
Kurt Luif: Im Mai 1966 hatte mich selbständig gemacht. Ich hatte genug gespart, dass ich ein Jahr lang leben konnte, ohne irgendeine Zeile zu verkaufen. Das war weitblickend von mir gewesen. Ich weiß, es klingt kitschig, aber ich muß sagen: in dieser Zeit lernten wir uns richtig kennen, damals als die Wirtschaftskrise in der BRD waren, wo Serien eingestellt wurden oder nur mehr vierzehntäglich erschienen. Wir verkauften nichts.
Auch mit der Agentur war nichts los. Irgendwie bekam ich Kontakt zu Harry Warner, ein bekannter amerik. SF-Fan, der zwei der Mommer/Vlcek Stories und meine Blumen in den Augen ins Englische übersetzte. Der arbeitete 50:50. Ich schickte die Stories dann an eine Agentur in Chicago, die verkauften sie dann an Frederik Pohl, wo sie 1967 und 1968 im International SF Magazine 1 und 2 erschienen.
1967, da war Sigrid Schuhböck noch meine Freundin, kam Sebastian Martinez mit seiner schwedischen Frau aus Barcelona nach Wien. Woher er mich kannte, keine Ahnung mehr… Sigrid und ich gingen mit ihnen zum Heurigen, daran kann ich mich noch erinnern, denn die beiden konnten es nicht fassen, dass es dort kein Weißbrot gab, dieses dunkle Brot, was wir so lieben, das hatten sie im Krieg widerwillig gegessen… Irgendwie muss ich ihm da die Stories gegeben haben, ich bekam nach der Veröffentlichung je ein Belegexemplar. Ich verkaufte ihm auch die Mommer/Vlcek Stories. Ich weiß, dass ich ihm später einige Stories aus Astounding verkaufte, da hatte ich einige Zeit die Magazinrechte. Irgendwann riss dann der Kontakt ab, ich habe noch drei weitere Nummern seines Magazins.
Mein Erspartes schmolz dahin…Es geschah nicht einmal, dass wir leere Bierflaschen zum Kaufmann trugen, damit wir eine Wurstsemmel kaufen konnten. Kein Geld. Der qualmende kleine Kohlenofen, Zigarettengestank und das Klappern der Schreibmaschinen. Endlose Diskussionen über einer Tasse Kaffee. Das sind meine Erinnerungen an 1966 und das folgende Jahr.

Zauberspiegel: Wie ging es mit dir und Ernst Vlcek weiter?
Kurt Luif: Ich gab auf. Ich wollte nicht mehr schreiben. Ich nahm einen Posten an, doch Ernst Vlcek machte weiter. Er biß die Zähne zusammen und schrieb und schrieb. Er arbeitete unverdrosssen weiter. Und ihm gelang der Durchbruch. Er durfte bei Rhodan und Atlan mitschreiben. Langsam zeichnete sich der Erfolg ab. Die Aufträge häuften sich und er konnte mehr schreiben und mehr verkaufen.
Das war 1967, ich war ziemlich deprimiert, nichts war gut gelaufen. Ich suchte 1968 einen Posten, gab eine Anzeige im Kurier auf, ich wollte nicht nochmals als Zolldeklarant arbeiten. Ich bekam über 30 Angebote. Stellte mich ein paarmal vor, aber da war nichts dabei, was mich reizte. Dann kam ein Schreiben der Lederwarenfabrik ROGNER im 6. Bezirk. Die suchten einen, der ihren Export managen sollte. Außer dem Chef wäre ich der einzige Mann im Büro gewesen. Ich musste um 7 Uhr anfangen. Ich sagte dann zu.

Zauberspiegel: Wie hast du Biggy Winter kennengelernt?
Kurt Luif: Edi Lukschandl hatte am Sonntag einen Job, er sollte die KRONE erstmals ausführen, am nächsten Montag wollte ich meinen Job bei ROGNER antreten. Und am Samstag waren wir im Club, da war auch Biggy da, die gelegentlich bei den Treffen auftauchte, ich kannte sie schon länger, aber nur flüchtig. Ich wollte Edi am Sonntag später helfen… Biggy meinte, wir könnten sie auf der Rückfahrt in der Ratmannsdorfgasse besuchen.
Edi hatte sich das Ausführen und Aufstellen der Zeitungen einfacher vorgestellt, als es war, als ich zu ihm stieß, war er schon recht verzweifelt. Trotzdem fuhren wir zu Biggy, obzwar es schon fast 19 Uhr war, wir konnten nicht anrufen, da sie eine Geheimnummer hatte.
So betrat ich erstmals die Villa, die später als Zamis-Villa herhalten musste.   Edi fuhr zur KRONE, ich blieb. Die Familie Weiser hatte eine Haushälterin, sie hieß Ditta, die wollte ein paar Tage zur ihrer Familie ins Burgenland. Biggy sollte sie zum Bahnhof bringen. Wir lieferten sie ab und gingen dann in ein Cafe, da unterhielten wir uns drei Stunden lang, ich hatte mit ihr ja vorher nie richtig lange gesprochen. Und so funkte es zwischen uns…
Fast vier Jahre war sie meine Freundin, sie wollte heiraten, ich wand mich hin und her, wollte eigentlich nicht, da hatte ich bereits erkannt, dass ich für die Ehe nicht geschaffen war. Im Sommer war ich dann bei ihr in der Villa, da waren ihre Eltern immer drei Monate in Schweden. Da war ich immer froh, wenn ich ihr in die Fasangasse entkam.
Sie arbeitete in dem Weiser-Geschäft in der Reinprechtsdorferstr. Daher auch meine Wohnung in der Schönbrunner Str. Sie machte dann Schluss, es schmerzte, aber es war richtig.
Ihr verdanke ich viel, sie brachte mich zu den Rennen in die Freudenau, aber die stundenlangen Gespräche mit ihr waren für mich wichtig, ohne sie wäre der DäKi nie entstanden.
Sie heiratete meinen alten Freund Jonny Winter, die sind ein Traumpaar, für mich wäre das nichts… Wie du weißt, hat unsere Freundschaft bis heute gehalten…
Sie hat zwischen 1972 und 1974 sieben Romane für Vampir-Horror-Roman übersetzt. Später da war sie für Jeschke (Heyne-Verlag) tätig, mehr als 40 Übersetzungen machte sie für ihn.
 
Zauberspiegel: 1988 traf ich Kurt Luif in der "Zamis-Villa". In dieser Bildergalerie einige Fotos von Kurt Luif und der "Zamis-Villa". Dazu einige Fotos der Wiener SF-Gruppe.

Uwe und Kurt setzen ihr Gespräch am Sonntag, den 13. Februar hier fort

Kommentare  

#1 Sarkana 2011-04-30 00:23
Ist vielleicht noch rauszubekommen, welche Romane sie übersetzt hat?
#2 Schnabel 2011-04-30 00:59
Für Mai ist von mir eine komplette Vampir-Horror-Roman-Titelliste vorgesehen. Dort findest du die Angaben welche Vampir-Horror-Romane Biggy Winter übersetzt hat.
#3 Sarkana 2011-04-30 01:17
Ah toll. Solange kann ich mich gerade noch gedulden. ;-)

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