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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 13. Der große Diktator

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar13. Der große Diktator

Der Cornelier hatte die Stadtgrenze noch nicht überschritten, da ging auch schon das große Metzeln los.

Den Anfang machten Tausende von Gefangene – darunter auch ganze Einheiten, die sich nach der Zusicherung von Gnade ergeben hatten.

Er ließ sie in Antemnae im Norden Roms hinrichten, wohin die Feinde zurückgedrängt worden waren.


Lucius Cornelius Sulla Die Senatoren, die er am 3. November auf dem Marsfeld empfing, soll er mit ruhigen Worten beschwichtigt haben, daß in seinem Auftrag lediglich „einige wenige Aufrührer“ umbrächte, bevor er dann in seiner Ansprache fortfuhr. Wenn „mehrere tausend Menschen“, die mit Speeren erlegt wurden, als „einige wenige Aufrührer“ galten, so war dies kein gutes Omen für die Zukunft. Auf jeden Fall hatten die Schreie der Sterbenden ihre einschüchternde Wirkung auf den Magistrat, und eventuell war es genau das gewesen, was Sulla beabsichtigt hatte. Der Beschluß, ihn zum Staatsfeind zu erklären, wurde aufgehoben. Damit durfte er – wie Marius vor ihm – wieder ganz legal die Metropole betreten. Offenbar legte auch er in diesem Punkt sehr viel Wert darauf, das geltende Gesetz zu beachten, während er ansonsten morden und rauben ließ, als stünde er über der Rechtsprechung.

Umgekehrt jedoch ließ er die Cinnaner nicht pauschal für vogelfrei erklären. Dies war freilich kein Akt der Gnade, sorgte er sich doch darum, daß dann sämtliche Verurteilten feststanden, und er niemanden mehr hinzufügen könnte, an den er jetzt noch nicht dachte.

Aber auch nach außen hatte dieses Massaker eine Symbolwirkung, denn keiner der gefangenen Samniten wurde verschont. Der Cornelier selbst soll gesagt haben, daß Rom keine Ruhe finden würde, solange auch nur ein Samnit am Leben bliebe (und wieder gibt es eine Parallele zu dem anderen Diktator, dem nur ein einziger Hoden nachgesagt wird).

Hatten Cinna und die Anhänger des Marius schon ein blutiges Regiment geführt, so übertraf Sulla sie an Grausamkeit bei weitem. In den ersten Tagen konnte man Cicero zufolge „ungestraft Menschen töten“, und so manch ein argloser Bürger, der einem anderen im Wege stand, wurde zum Cinnaner ernannt, und damit Freiwild. Schließlich gar wurden Sullaner ermordet, und die eigenen Leute flehten den Cornelier an, er möge für Recht und Ordnung sorgen. Aber immer noch wollte er sich nicht darauf festlegen lassen, wen er am Leben lassen wollte. So rangen ihm die Senatoren lediglich das Versprechen ab, eine „Positivliste“ zu erstellen, auf der verzeichnet war, wer mit Gewißheit nichts zu befürchten hätte.

Schließlich wurden daraus dann doch noch die proscriptiones, eine Art Steckbrief, auf der achtzig Personen aufgelistet waren, die man töten durfte, und dafür auch noch ein Kopfgeld von zwei Talenten erhielt. Wer einen Verfolgten versteckte, würde dessen Schicksal teilen. Vermögen und Landbesitz der Geächteten wurden eingezogen und öffentlich versteigert. Ein zusätzliches Kriterium war, daß ihren Söhnen und Enkeln eine politische Laufbahn verboten wurde (und einige Tausend sollen zudem verbannt worden sein). Selbst die Trauer um die Getöteten wurde den Hinterbliebenen untersagt. Auch wurde den Sklaven der Gejagten die Freiheit gewährt: 10.000 Freigelassene sollen es am Schluß gewesen sein, und sie alle erhielten dem Wüterich zu Ehren den Namen Cornelius. Nach Appian geschah es unter anderem deswegen, damit der Diktator auch im einfachen Volk Parteigänger hätte.

Zwei Tage nach dem Anschlag der ersten Aufstellung hing daneben eine weitere, auf der 220 Namen aufgeführt waren. Dazu gesellte sich am Folgetag noch eine Dritte von gleicher Länge.

Offiziell diente diese Maßnahme dazu, die Mitbürger zu schützen, die eben nicht in den Proskriptions- Listen standen. Trotzdem wurden sie länger und länger, und so mancher Name war aus reiner Willkür darauf notiert worden. Ja, Mörder setzten die Namen ihrer Opfer noch nachträglich darauf, um ihre Schandtat zu legitimieren, und dafür auch noch finanziell entlohnt zu werden. Von einem Quintus Aurelius beispielsweise ist bekannt, daß er erschlagen wurde, um an seinen Landsitz zu kommen. Die Zustände wurden dermaßen chaotisch, daß man Sulla die Leichen der Erschlagenen teilweise aus den oberen Stockwerken der Häuser vor die Füße warf, nur um den Beweis zu liefern, daß man die Belohnung „verdient“ hatte. Auch ließ er sich die abgeschlagenen Häupter frei Haus liefern, um sie anschließend öffentlich zur Schau zu stellen – Der Rest der Leiche landete im Tiber.

Aber der Cornelier hatte noch nicht genug, und erklärte in einer öffentlichen Rede, es gäbe solange keine Obergrenze, solange ihm noch Verräter einfielen, die er bislang vergessen hatte. Erst nach einer Weile gab er ein Datum bekannt: den 1. Juni 81 v. Chr.. Das aber sollte nicht der Zeitpunkt sein, an dem das Meucheln ein Ende finden würde, sondern gerade mal der, an dem keine weiteren Namen mehr ergänzt werden würden.

Schlußendlich waren auf den Zetteln nicht weniger als 4.700 Leute verzeichnet worden, darunter vierzig Senatoren und 1.600 Ritter. Bei Appian sind es sogar neunzig Senatoren, fünfzehn Konsulare und (mit Einschluß der Verbannten) 2.600 Ritter. Für Sulla sollen es nur Tropfen auf dem heißen Stein gewesen sein im Vergleich zu über 100.000 Kriegsgefallenen.

Unheimlichen Dusel hatte dabei ein Neffe von Marius‘ Witwe und Schwiegersohn von Cinna: Gaius Iulius Cäsar. Sulla forderte ihn auf, sich scheiden zu lassen, aber er verweigerte den Gehorsam. Prompt verlor er sein Amt als Jupiterpriester, die Mitgift seiner Frau und das väterliche Erbe. Trotzdem hatte er immer noch genügend finanzielle Mittel, um ein auf ihn angesetztes Mordkommando zu bestechen. Er mußte sich jedoch verstecken, und schließlich aus Rom flüchten. Seine Rettung war es vermutlich, daß sich neben zwei einflußreichen Sullanern auch die Vestalinnen für ihn einsetzten. Der Cornelier soll bei dieser Gelegenheit geargwöhnt haben, daß in Gaius Iulius noch „mehr als nur ein Marius“ stecken würde, aber letztendlich ließ er sich beschwatzen, daß Cäsar nur ein kleiner Fisch sei, den man wieder laufen lassen konnte, weil er für die römische Republik keine Gefahr darstellte.

Wie glücklich sein Entkommen war, zeigt das Schicksal eines anderen Verwandten des älteren Marius, nämlich das seines Adoptivneffen Marcus Marius Gratidianus. Der war Praetor und hatte sich eigentlich nichts zu Schulden kommen lassen, doch wurde ihm die Schuld am Suizid von Sullas einstigem Vorgesetzten Quintus Lutatius Catulus angedichtet. Er wurde gefesselt, durch die Gassen geprügelt, gefoltert und schließlich am Grabmal des Selbstmörders umgebracht. Catilina schnitt ihm das Haupt ab und brachte es dem Cornelier – Christ vermutet, aus Dankbarkeit, weil der Diktator dessen Brudermord nachträglich legalisiert hatte.

Sullas Haß machte noch nicht einmal vor den Toten halt: Nicht nur, daß er den Hingerichteten durch das Verweigern einer ordentlichen Bestattung das Leben im Jenseits verwehrte, er ließ sogar seinen alten Kontrahenten Marius ausbuddeln und in den Fluß Anio werfen. Auch ließ er die Andenken an die militärischen Erfolge seines einstigen Rivalen niederreißen, obwohl er selbst maßgeblich Anteil an den Siegen gehabt hatte. Nichts Positives sollte mehr erinnern an den Bezwinger der Numider, Kimbern und Teutonen!

Aber der Terror beschränkte sich nicht allein auf die Hauptstadt: In ganz Italien fielen Angeprangerte und ihre Besitzungen der Säuberungswelle zum Opfer, daß am Schluß genügend Grundstücke für 120.000 Kleinbauern frei geworden waren – bevorzugt in Regionen, die bald ein Jahrzehnt nach Ende des Bundesgenossenkrieges immer noch nicht als vollständig gesichert galten (Samnium, Etrurien, Kampanien und Umbrien).

Praeneste leistete immer noch Widerstand, aber als man den Einwohnern die aufgespießten Häupter mehrerer hochrangiger Cinnaner zeigte (darunter das von Marcus Iunius Brutus Damasippus), öffneten sie dem Gegner schon bald die Tore. Marius jun. entkam seinen Häschern wohl durch Suizid, aber die anderen, die auf den Proskriptions- Listen standen, wurden hingerichtet. Den übrigen Römern in der Stadt gewährte man freien Abzug. Den samnitischen Bürgern jedoch gewährte man keine Gnade: Sämtliche Männer wurden getötet, und die Frauen und Kinder verjagt. Sulla mußte wirklich sauer sein auf die Stadt, daß sie ihm so lange getrotzt hatte!

Das Beispiel wirkte abschreckend: Im gleichfalls noch renitenten Norba wählte man den Massenselbstmord, und zündet dazu noch den gesamten Ort an. Das Grauen, das in Rom begonnen hatte, breitete sich über ganz Italien aus.

Durch die Grundstücke und Vermögen, die Sulla einzog, wurden er und seine engsten Gehilfen reich. Crassus und Catulus waren genauso darunter, wie auch Lucullus und Pompeius. Aber auch eine Reihe von Personen gehörten dazu, die später von dem zum Senator aufgestiegenen Ritter Marcus Tullius Cicero angeklagt werden sollten, Sergius Catilina mit eingeschlossen.

Nachdem Sullas Blutdurst endlich gestillt war, machte er sich daran, kleine Geschenke zu verteilen an diejenigen, die ihm treu zur Seite gestanden hatten. So ließ er die oben erwähnten 120.000 Ländereien an seine Veteranen verteilen.

Unterdessen gab es ein rein formelles Problem: Die Republik hatte keine Konsuln mehr. Marius jun. hatte es in Praeneste erwischt, und Carbo war nach Sizilien geflüchtet. Damit gab es auch niemanden, der die Wahlen für das Jahr 81 ausrufen konnte. Und sich selbst zum Konsul ausrufen zu lassen, um dies in die Wege zu leiten, kam für Sulla nicht in Frage, denn das Jahr 82 war bald vorüber, und das Gesetz verbat ihm, den Posten in zwei aufeinander folgenden Jahren einzunehmen – Hätte er es doch getan, hätte er sich in eine Reihe mit den verhaßten Marius und Cinna gestellt. So verbog er einige Traditionen, um sich schließlich zum Dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae ernennen zu lassen. Das Amt stammte aus grauer Vorzeit und hatte die Funktion, in Notzeiten einen einzelnen Menschen dazu zu ermächtigen, notwendige Gesetze zu geben und den Staat zu retten. Seit 120 Jahren war es nicht mehr vergeben worden. Es hatte den Vorteil, daß es über dem Magistrat stand, und man sich erst nach dem Ausscheiden für die eigenen Taten rechtfertigen mußte. Auch hatte man das militärische Oberkommando sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Stadtgrenzen Roms. Man wurde damit praktisch zum unumschränkten Herrscher, vom König unterschieden nur dadurch, daß er durch ein Plebiszit benannt werden mußte, seine Dienstzeit begrenzt war, und kein Recht auf Erbfolge bestand. Aber im Gegensatz zur klassischen Auffassung, in der die Diktatur zeitlich eng begrenzt oder auf eine spezielle Aufgabe beschränkt war, trat der Cornelier diesen Posten an mit vielfältigen Befugnissen und einer vom eigenen Gutdünken bestimmten Dauer.

Sein Helfershelfer Lucius Valerius Flaccus (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Mitkonsul Cinnas, der von Flavius Fimbria geköpft wurde), der ihn als kurzfristiger interrex überhaupt erst in diese Position manövriert hatte, wurde zum Stellvertreter (magister equitum) gekürt.

In seiner neuen Stellung kümmerte sich Sulla alsdann um die Neuordnung der Republik. Oberstes Ziel war es dabei, die Gefahr weiterer Bürgerkriege für die Zukunft abzuwenden. Mit welcher Selbstverliebtheit er zu Werke ging, läßt sich auch einer Passage Appians entnehmen, daß er schon am ersten Tag seiner Diktatur verkündet haben soll, er wolle das römische Volk zum Besseren wandeln, wenn es ihn lasse. Damit meinte er als Optimat selbstredend keine sozialen Reformen, sondern – im Gegenteil – eine Rückkehr zu den Verhältnissen einer idealisierten Vergangenheit. Sein Ziel war die Restitution einer der vom römischen Adel dominierten Senatsherrschaft, wie sie vor den Reformen der Gracchen gewesen war. Dabei ging er aber nicht von Fall zu Fall vor, was eine Fülle von Einzelentscheidungen ohne innere Kohärenz zur Folge gehabt hätte. Stattdessen strukturierte er das System als Ganzes neu, wenn auch im Sinne eines reaktionären Geistes.

Zu seinen ersten Maßnahmen gehörte die lex Cornelia (später: lex Cornelia de proscriptione), welche aus den proscriptiones ein gültiges Gesetz machten. Ihr zufolge war jeder des Todes, der gegen ihn gekämpft hatte, diese Kämpfer mit Geld oder Unterschlupf unterstützt hatte, oder auch einfach nur mit ihnen befreundet war oder in engerem Kontakt gestanden hatte.

Die lex Cornelia de maiestate dagegen übertrug die Würde des römischen Volkes und seiner Tribune auf den Senat und seine Funktionsträger. Damit kam eine Respektlosigkeit gegenüber dem Senat einer Beleidigung der gesamten Bürgerschaft gleich. Also fand sich selbst ein Volkstribun, der Kritik übte, auf einmal auf sehr dünnem Eis wieder.

Überhaupt war ihm das Amt des Volkstribuns ein besonderer Dorn im Auge, war es doch eine Institution zum Schutze der Plebejer. Abschaffen konnte er es nicht, denn dann mußte er einem Gesetz des Jahres 449 v. Chr. zufolge selbst mit der Hinrichtung rechnen. Aber er konnte es beschneiden, und so kürzte er der dem Amt entscheidende Rechte. Zwar durfte der Volkstribun nun immer noch sein veto einlegen, aber eigene Gesetzesanträge durfte er ohne Zustimmung des Senats nicht mehr einbringen. Außerdem war ihm eine weitere politische Laufbahn ab jetzt untersagt.

Daneben war dem Cornelier auch das Amt des Censors nicht so recht geheuer. Der nämlich hatte die Befugnis, Mitbürgern wegen sittlicher Verfehlungen eine politische Karriere zu untersagen, oder aber Mitglieder des Senats abzusetzen. Damit konnte er auch einem Diktator gefährlich werden, der bekanntermaßen den Umgang mit Künstlern und Prostituierten pflegte. Dementsprechend wurde für die Zeit von 86 bis 70 v. Chr. kein einziger Censor ernannt; Sulla selbst übernahm diesen Posten in Personalunion.

Auch die Ritter als Nicht- Aristokraten hatten es ihm angetan. So verbannte er sie aus den Strafgerichten, die er nunmehr allein mit Senatoren besetzen ließ (Auch die Anzahl der Gerichte erhöhte er auf acht). Ihre schiere Menge dagegen verringerte er mit einem unerwarteten Schachzug: Der lex Cornelia de magistratibus!

All die Säuberungsaktionen der letzten Jahre hatten den ursprünglich 300 Köpfe starken Senat auf 100 bis 150 Mitglieder zusammengeschrumpft. Der Cornelier nutzte die Gelegenheit, die Reihen mit eigenen Parteigängern wieder aufzufüllen, darunter auch „Emporkömmlinge“ aus dem Militär. Aber damit nicht genug: Durch die lex Cornelia de magistratibus bestimmte er, die Anzahl der Senatoren auf 600 zu verdoppeln, und auch die Zahl der Quästuren (bei Verringerung des Mindestalters) und Pontifikate zu erhöhen. Ebenso wurde die Anzahl der Praetoren auf acht erhöht. Für die neu entstandenen Posten standen jedoch nicht genügend Söhne aus den Adelsgeschlechtern zur Verfügung, die nicht in die Verbannung hatten gehen müssen. Also besetzte er die Positionen mit Rittern. Das war nun zwar ganz im Sinne von Marcus Livius Drusus, aber dadurch wurde dieser durch die Proskriptionen ohnehin schon zusammengeschmolzene Stand noch weiter zahlenmäßig eingedampft. Denn wer Senator war, sah die Welt nun auch mit den Augen eines Senators, und nicht mehr denen eines Ritters.

Auch die Ämterlaufbahn selbst nahm er sich vor. Mit Bezug auf die lex Villia annalis von 180 v. Chr. legte er ein Mindestalter für die einzelnen Positionen fest, und bestimmte, das bis zum erneuten Bekleiden einer Stellung – insbesondere beim Volkstribunat und beim Konsulat – ein Jahrzehnt zu verstreichen hatte.

Durch die lex Cornelia de provinciis ordinandis veränderte sich zudem der Status des Senators: Er war nicht mehr der Abgesandte seines Wahlkreises, sondern umgekehrt der Statthalter des Diktators dort. Als Folge verwischte sich im Verlauf der nächsten Jahrzehnte auch die quasi- föderale Struktur einzelner italischer Völker hin zu einem zentralisierten Italien.

Desweiteren setzte der Cornelier eine Entmilitarisierung der ganzen Halbinsel durch, wobei er die Landesgrenzen bis zum kleinen Fluß Rubikon (Rubico) ausdehnte, und Gallia citerior als neue Provinz einrichtete. Ab jetzt war es ein Verbrechen, den Rubikon mit einem Heer zu überqueren.

Auch die Befugnisse der Magistrate ordnete der Diktator neu. Konsuln und Praetoren etwa hatten nurmehr in Rom selbst Amtsrecht, aber keinerlei militärische Befehlsgewalt mehr. Nach Ende der Amtszeit wurden sämtliche zehn Magistrate in die Provinzen entsandt, wo sie als Prokonsuln oder Propraetoren dann auch wieder Truppen kommandieren durften. Ihnen war es allerdings bei Todesstrafe untersagt, eigenmächtig Kriege zu beginnen, befreundete Staaten zu besetzen, sonstwie Truppen ohne offiziellen Auftrag über die Grenze zu schicken, oder auch nur länger im Amt zu bleiben als zulässig. Selbst niederlegen durften sie ihr Amt nicht ohne eine geordnete Übergabe an einen vom Senat bestimmten Nachfolger.

Erstaunlicherweise waren Sullas Maßnahmen jedoch nicht so einseitig im Sinne der Optimaten, wie eigentlich zu befürchten gewesen wäre. Zwar schaffte er die Getreidespenden ab, doch behielt er die Verteilung der Bundesgenossen auf alle 35 tribus bei. Auch ließ er die Strafrichter vom Volk wählen. Und die Sumptus- Gesetze schließlich schränkten den Pomp und Prunk bei den Feierlichkeiten der Vermögenden ein.

Ansonsten jedoch gab er sich aller unbeherrschter Selbstgerechtigkeit zum Trotz maßvoll, was das Ausnutzen seiner Machtfülle anbelangte. Soweit bekannt, bestimmte er nicht einfach per Dekret, daß ein neues Gesetz nun Gültigkeit besitzen sollte, sondern ließ es über die Konsultation des Senats und die Abstimmung der Volksversammlung legitimieren. Auf diese Weise hielt er zumindest die Fassade der republikanischen Ordnung und Eintracht (concordia) der Regierungsorgane aufrecht, machte sie aber auch zu Mittätern.

Daß er damit durchkam, beweist nur, wie groß die Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen inzwischen geworden war. Die Republik war nacheinander von den Reformansätzen der Gracchen, den Feldzügen gegen Numidien, der Bedrohung durch Kimbern und Teutonen, die Straßenschlachten unter Saturninus, die Hexenjagd nach Drusus‘ Tod, der Bundesgenossenkrieg, der Abfall Griechenlands bei der Expansion von Pontos, die gegenseitigen Massaker der Anhänger von Marius und Sulla erschüttert worden – Im Grunde genommen hatte sie seit Jahrzehnten schon nicht mehr zur Ruhe gefunden. Über 150.000 Römer sollen in dem Jahrzehnt zwischen 91 und 82 v. Chr. das Leben gelassen haben. Daß man sich da gerne einem „starken Mann“ anvertraute, der versprach, für Recht und Ordnung zu sorgen, ist menschlich nur zu verständlich… selbst wenn dieser „starke Mann“ an einigen dieser Wirren einen entscheidenden Anteil gehabt hatte.

Auf jeden Fall wahrte dieser „starke Mann“ die Form und ließ für das Jahr 81 v. Chr. zwei neue Konsuln wählen (seinen Offizier und Verwandten Dolabella und den Plebejer Tullius Decula). Doch wo beide zusammen über 24 Liktoren zu ihrem Schutz verfügten, da beanspruchte er die gleiche Anzahl für sich allein. Symbolisch war er also soviel wert wie zwei Konsuln… oder aber wie einer der Könige aus Roms Frühzeit.

Das Jahr 80 dann bestritt er sogar selbst als Konsul, Seite an Seite mit seinem Komplizen Metellus Pius (womit er – nicht zum ersten Male – eines seiner eigenen Gesetze brach).

Aber Symbole waren viel wert zu dieser Zeit! Also ließ er sich zu guter Letzt auch für seinen siegreichen Feldzug gegen Mithridates mit einem Triumphzug belohnen, was Cinna ihm versagt hatte. Gleich am Folgetag ließ er sich dann auch noch für das Heimholen der römischen Tempelschätze feiern, die unter Marcus Iunius Brutus Damasippus nach Praeneste verschleppt worden waren. Natürlich verkündete auch die von Bocchus geschenkte Statuengruppe, aber ebenso ein neu errichtetes Reiterstandbild den Ruhm des Diktators (obwohl Diktatoren das Reiten eigentlich verboten war, stand es doch für die alten Könige). Und schließlich verlieh er sich nun auch hochoffiziell den bislang eher privat gebrauchten Beinamen Felix („der Glückliche“), bzw. in der griechischen Reichshälfte den Titel Epaphroditos („der unter dem Schutz der Liebesgöttin Stehende“). Damit tat er aller Welt kund, daß er sich unter dem Schutz der Götter (und speziell dem der Felicitas) wähnte. Ja, er begründete sogar Gedenkspiele (ludi victoriae Sullanae vom 26. Oktober bis zum 1. November) zum Gedenken an diesen Beistand. Natürlich verfolgte er damit die Absicht, über seinen Tod hinaus als „Halbgott und Kämpfer gegen das Böse“ (Zitat Fündling) gefeiert zu werden.

Alles in allem wurden viele Bräuche und Gesetze, die bisher nur mündlich überliefert wurden, unter seiner Ägide in eine schriftliche Form gebracht. Auch das war ein Bruch mit der Tradition der Optimaten, da es nun nicht mehr um „Geheimwissen“ ging: Jeder, der lesen konnte, konnte sich nun auf das fixierte Recht berufen. Damit hatte er dem Rom der Ahnen, das er wieder herstellen wollte, mit den besten Absichten den Dolch für den Todesstoß bereit gelegt.

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