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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 16. Sulla, der glückliche Kinderschreck

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar16. Sulla, der glückliche Kinderschreck

Um die Jahrtausendwende wurde das Hausfrauenprogramm vieler privater Fernsehsender dominiert von unsäglichen Talkshows. Sie waren ohne großen Aufwand zu produzieren, kosteten damit nur wenig, und mit möglichst spektakulären Themen und Akteuren konnte man die Einschaltquoten in die Höhe treiben. Die Choreographie war dabei stets dieselbe: Ein paar geladene Gäste spielten die Provokateure, während anderen Gästen und dem Studiopublikum die Rolle zukam, die allgemeingültigen Moralvorstellungen zu verteidigen.


Lucius Cornelius Sulla Dabei drängte sich immer wieder der Verdacht auf, daß sich hier die spießbürgerliche Scheinheiligkeit austobte, in der Leute hehre Dinge sagten, die sie jedoch bei Abwesenheit von Kameras gewiß nicht taten.

Etwas Ähnliches läßt sich bei Sullas Erbe erkennen: Sein Fehler war es gewesen, daß er die eine Seite (Popularen und der Senat an sich) gedemütigt, und die andere (Optimaten) ob seiner rabiaten Methoden beschämt hatte. Wer zu seinen Idealen stand, geriet nur zu leicht in Verdacht, auch zu seinen Greueltaten zu stehen. Also benutzten mehr als einmal Leute den Cornelier als Schreckgespenst dafür, was es zu verhüten gelte, um dann jedoch „zur Abwehr“ genau so zu handeln wie er. Gaius Iulius Caesar tat es, ebenso wie sein Erbe Augustus.

Der Erste war Konsul Aemilius Lepidus, der noch in Sullas Todesjahr mit aufständischen Etruskern und marianischen Forderungen gen Rom marschierte, um ein zweites Konsulat einzufordern. Die Sullaner konnten ihn noch schlagen und nach Sardinien vertreiben, wobei sich Gnaeus Pompeius wieder mal besonders hervortat.

Doch es war ein Sullaner, Konsul Aurelius Cotta, der im Jahr 75 v. Chr. die Ämtersperre für Volkstribune wieder aufhob, und die Ritter zurück in die Gerichte ließ. Pompeius selbst dann stellte während seines Konsulats (70 v. Chr.)  das Amt des Volkstribuns wieder so her, wie es vor Sullas Reformen gewesen war, und führte zusätzlich die Censoren wieder ein. Schlußendlich erhielten auch die Nachkommen Proskribierter aktives Wahl- und Aufenthaltsrecht in Rom zurück, auch wenn es noch bis nach 63 v. Chr. dauern sollte, bis man ihnen auch das passive Wahlrecht zugestand.

Indes rächte es sich immer mehr, daß der Cornelier den militärischen Oberbefehl vom Konsulat abgekoppelt hatte. Es sollten die großen Heerführer sein, die ohne zeitliche Begrenzung ihres Amtes die Zukunft, und schließlich auch das Ende der Republik bestimmen sollten. Gnaeus Pompeius war noch von Sulla selbst mit außerordentlichen Kompetenzen ausgestattet worden, und nicht gewillt, etwas davon abzugeben. Man ließ ihn 77 v. Chr. auf Hispania citerior los, doch konnten er und Metellus Pius erst dann nach wechselvollen Kämpfen triumphieren, als Sertorius im Jahre 72 von seinem Mitstreiter Peperna ermordet wurde. 67 v. Chr. schickte man ihn gegen die kilikischen Piraten, dann im Jahr darauf unter Entmachtung des Lucullus gegen Mithridates VI.. Noch im selben Jahr ordnete er Kleinasien neu (unter Mißachtung von allem, was Lucullus zuvor beschlossen hatte), und als er anno 62 heimkehrte, war er schon zu stark geworden, um noch kontrollierbar zu sein.

Weitere Beispiele für die nicht mehr automatisch abgesetzten Feldherren waren der Spartacus- Bezwinger Marcus Crassus, und der sich offen zur marianischen Tradition bekennende Caesar. Mit Pompeius schmiedeten sie ein inoffizielles Bündnis, das sogenannte „Triumvirat“. Crassus starb noch, bevor es 49 v. Chr. zum Machtkampf zwischen den anderen beiden kam. Von Caesar selbst stammen die Worte, daß ein Sieg von Dauer sein müsse, dies aber bislang niemandem gelungen sei „außer allein Lucius Sulla, dem ich nicht nacheifern werde. Unsere neue Methode zu siegen soll sein, daß wir uns durch Erbarmen und Großmut sichern.“ Gleichwohl spottete er: „Sulla war ein Analphabet, daß er die Diktatur niederlegte.“

So war es letztlich das Beispiel des Corneliers, welches das römische Kaisertum inspirierte. Im Grunde genommen war er der erste Cäsar, nur daß man das, was später die Cäsaren waren, zu seiner Zeit Dictator genannt hat (und er eben freiwillig zurücktrat). Noch Septimius Severus lobte Sullas Strenge als einzige mögliche Politik (und führte alsdann gleichfalls Säuberungen durch).

Bleibt noch zu erwähnen, daß das Amt des Volkstribun, das der Cornelier zu kastrieren gesucht hatte, in den Jahrzehnten nach seinem Tod eine Reihe wichtiger Persönlichkeiten hervorgebracht hat, die selbst einem Cäsar trotzten. Erst Augustus wußte der Institution ihre Macht zu nehmen, indem er sie einfach selbst bekleidete, und mit seiner Stellung als Princeps verschmolz.

Sullas Nachkommen lebten noch eine Weile, ohne für die Taten des Dictators zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wirklich Karriere machten aber nur noch die wenigsten von ihnen. Einem Verwandten des Corneliers (vermutlich einem Vetter), Publius Sulla mit Namen, gelang es tatsächlich, sich zum Konsul für das Jahr 65 v. Chr. wählen zu lassen – Er konnte das Amt allerdings nicht mehr antreten, weil man ihm Wahlbetrug nachweisen konnte. Er geriet später – wie ein Namensvetter von ihm und dessen Bruder Servius – in Verdacht, in die Catilinarische Verschwörung verwickelt zu sein, und obwohl ihn Cicero persönlich in Schutz nahm, schickte man ihn in die Verbannung.  Er kehrte jedoch noch einmal zurück, bereicherte sich an dem Besitz enteigneter Pompeianer und soll im Jahre 45 v. Chr. unerwartet verstorben sein, weil er „sich überfressen habe oder unter die Räuber gefallen sei“. Viel betrauert wurde er nicht.

Eine Enkelin Sullas jedoch, Pompeia mit Namen, sollte ausgerechnet jemanden heiraten, der unter ihrem Großvater beinahe den Tod gefunden hätte: Gaius Iulius Caesar. Die Ehe hielt, bis während des Festes der Bona Dea ein fremder Jüngling in Cäsars Haus aufgegriffen wurde. Da Letzterer jedoch gerade das religiöse Amt des Pontifex Maximus ausübte, hatte auch dessen Gemahlin über jeden Verdacht erhaben zu sein (Das Caesar selbst ein berüchtigter Schürzenjäger war, stand wohl nicht zur Debatte).

Ansonsten hielten sich Sullas Nachfahren noch über Jahrzehnte in einer respektablen, aber von der Macht distanzierten Stellung, bis einer von ihnen der Schwager des Kaisers Claudius wurde. Unter Nero aber wurde er auch schon wieder verbannt, und schließlich ermordet.

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