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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: »Die unheimliche Wandlung des Mr. Melway« Silber Grusel-Krimi Nr. 344 von James Gulliver

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die unheimliche Wandlung des Mr. Melway«
Silber Grusel-Krimi Nr. 344 von James Gulliver

Bevor ich für mich selbst „Occu“ getestet hatte, war ich zunächst auf die Idee verfallen, doch meiner alten Liebe für die reichhaltigen Anthologieserien mal wieder zu frönen.  Während ich beim „Geister-Krimi“ manchmal gar nicht sicher war, ob ich das alles ernst nehmen sollte, war ich Hardcorefan bei den Todeszuckungen des Gespenster-Krimi gewesen.


Mit „Vampir“ hatte ich es aus nicht näher definierten Gründen gar nicht erst versucht (drei Testobjekte sind inzwischen bereits bereit gelegt), aber wenn ich denn mal den Standardserien von Bastei untreu wurde, dann griff ich zu „Larry Brent“ oder eben dem SGK, der auch immer mit den deftigsten Titelbildern punkten konnte (Ja, das zog noch richtig, als ich fünfzehn war!)
Hier jetzt also drei Beispiele der Zauberkreis-Anthologie, die ich halbblind thematisch gewählt habe – und die mich leicht ernüchtert zurück ließen. Ein zufälliger Griff daneben oder schwankt die Qualität so dramatisch, wenn zwanzig Autoren gleichzeitig um eine Veröffentlichung kämpfen...?

Meine erste Wahl fiel auf ein klassisches Horror-Thema, welches auch heute in meinem DVD-Schränkchen durchaus noch Punkte bei mir machen kann: Puppen!

Böse Clowns aus der Kinderkiste in „Poltergeist“, besessene Bauchrednerpuppen in „Magic“, zungenentreißende Todesfeen in „Dead Silence“ - der Schauer will irgendwie nicht weggehen, dabei ist man doch schon ach so abgeklärt.

Ein kurzer Blick auf die ersten Seiten deutete schon an: in James Gullivers Roman gehts um Bauchredner und Puppen, die den Spieß mal auf das Übelste umdrehen. Das sollte mir genügen.

Dachte ich...


Die unheimliche Wandlung des Mr. MelwayZum Inhalt:
Ray Melwray schläft nur schlecht. Seit einem Monat hat er, der gefeierte Bauchredner, seiner Profession abgeschworen und sich auf das Altenteil zurückgezogen. Doch in seinem geräumigen Ruhesitz in Cornwall durchlebt er schlimme Nächte. Er träumt, dass seine Puppen ihn vor Gericht stellen.

Schon ziemlich angegriffen, hat er eines Abends eine unheimliche Begegnung mit einem Fremden, der ominöse Andeutungen macht und sich als lebensgroße Nachbildung einer seiner Puppen entpuppt. (ahem...) Kurz darauf wird er im Traum selbst zur Puppe erklärt, was andeutet, dass selbige seine Position in der wirklichen Welt einnehmen will.

Von da an hat Melway nur noch kurze Phasen des Bewußtseins, in denen ihm zu Gehör kommt, was er denn nun wieder alles gemacht hat, an das er sich nicht erinnern kann. Dummerweise ist auch sein Puls und sein Herzschlag futsch.

In so einer Phase wendet er sich (zufällig?) an den Parapsychologen Alvin Ganzer, der schon so einige Erfahrungen mit dem Übernatürlichen gemacht hat. Dem erzählt er den ganzen Sermon und bittet ihn um Hilfe, um dann wieder zu verschwinden, was Ganzer samt Assistentin Ellen Brown natürlich neugierig macht.

Kurz darauf erscheint ein angeblicher Zwillingsbruder Melways und versucht, die Angaben des Bauchredners als Hirngespinste zu entkräftigen, wird aber wiederum von Ganzer als „Puppe“ enttarnt.

Am nächsten Morgen ist das Kind dann schon in den Brunnen gefallen, denn der Doppelgänger hat offenbar seinen ersten Mord begangen und nicht eben darauf geachtet, seine Spuren zu verwischen.

Das Opfer war eine Bekannte Melways.

Es folgt der unvermeidliche Auftritt der Polizeibeamten, in Gestalt von Inspektor Westbury und Sergeant Hardie, die natürlich allen Grund haben, den Bauchredner festzunehmen, was sie nach einigem umständlichen Hin- und Her auch tun. Ganzer und Brown hören sich daraufhin bezüglich Melway um und kommen mit seiner Halbschwester Dorothea in Kontakt, die auch nur weiter Beunruhigendes (oder Unverständliches) über Puppen zu berichten weiß.

Derweil stellt der Melway-Doppelgänger immer mal wieder unvermittelt finstere Dinge an. Eine gewisse Mary Smith, eine „puppenhafte“ Blondine, berichtet vom seltsamen Auftreten Melways und soll wohl beim Leser für Unsicherheit sorgen, verschwindet dann aber wieder aus der Handlung und wird irgendwann ermordet. Ganzer und Brown besuchen Melways Haus und finden dort Unmengen von Puppen, die auch teilweise gegen sie aktiv werden, doch das Zauberschlangenarmband von Ellen Brown geht dagegen vor. Derweil gönnt sich Westbury eine längere Verfolgungsjagd mit dem Doppelgänger und...

...ach Leute, ich mag eigentlich nicht mehr!

Diesen Roman zusammen zu fassen ist eine verdammte Sisyphus-Arbeit und daher wende ich mich lieber den Eindrücken zu...

Eindrücke:
Irgendwann im Laufe der Handlung verliert Ellen Brown mal die Geduld und herrscht einen Hotelangestellten an, er möge sich bitte nicht so umständlich ausdrücken.

Das, liebe Leser, gilt leider für praktisch den gesamten vorliegenden Roman Gullivers, den fünften Band einer (im SGK) dreizehnteiligen Unterserie rund um Alvin Ganzer und seine Assistentin Ellen Brown.

Ich weiß nicht, wie die anderen Romane ausgefallen sind, meine mich aber zu erinnern, dass ich zumindest einen vor einem Vierteljahrhundert mal gar nicht schlecht fand.
Dieser hier bleibt leider weitestgehend unter seinen Möglichkeiten!

Spannung will über die gesamten 60 Seiten überhaupt keine aufkommen, was hauptsächlich an der umständlichen Schreibweise, dem gestelzten Auftreten der Figuren, der Unfähigkeit derselben sich zu erklären und dem sprunghaften Plot ohne Ziel und erkennbaren Sinn liegt.
Die Doppelgängerpuppe scheint stets und ständig als solche erkennbar, reitet Melway jedoch immer weiter in die Misere rein, bis dieser aus der Handlung einfach mal verschwindet.
Stattdessen fokussiert Gulliver auf die agierenden Polizeibeamten, die er wohl aus alten Edgar-Wallace-Filmen abgepaust hat. Inspektor Westbury pflegt nämlich mit den Beweisen aus nicht näher definierten Gründen nie zufrieden zu sein und schickt im Falle einer ungeklärten Aussage immer auf Ganzer zu verweisen, dem er eigentlich nichts glaubt. Sergeant Hardie derweil darf vollends depperte Lösungsvorschläge machen, wenn sich die Beamten untereinander nicht gerade halbgare Witze erzählen, die wohl die Restseiten füllen sollen.

Schlimm wird es aber erst so richtig mit Ganzer und seiner Assistentin.
Der Parapsychologe weiß zwar so einiges über Puppen und ihr Rolle in der klassischen Mythologie zu berichten, ist aber gänzlich ineffektiv, wenn es um die aktuelle Handlung geht. Da er keine Waffen besitzt, fällt die Gegenwehr vollends seiner Assistentin zu, die ein magisches Schlangenarmband besitzt, das sich in die Zauberschlange Zaida verwandeln kann. Das wird dann zur inflationär eingesetzten Allzweckwaffe, wann immer eine der Puppen ihr bewehrtes Händchen gegen die Geisterjäger erhebt.
Ganzer selbst glänzt offenbar nur durch Anwesenheit oder will allein durch diese das Übernatürliche provozieren, was aber eine ganze Weile leider nicht funktioniert.

Das Schlimmste aber ist, dass Gulliver es nicht fertig bringt, in diesem Roman dem Thema Puppenhorror auch nur einen Hauch des Unheimlichen abzugewinnen. Daß Puppen starre Augen haben, ist ja nun hinreichend bekannt, doch etwas mehr als die Beschreibung, dass die Puppen „kunstvoll gearbeitet“ und damit „Meisterwerke“ sind, fällt dem Autor nicht ein. Im letzten Drittel, in dem aktionsarm zwischen den Possen der Polizei und einem nächtlichen Aufenthalt im Melway-Haus hin- und hergesprungen wird, durchqueren unsere Helden zwar diverse Zimmer mit Puppenszenarien, aber leider lassen diese sich zu nichts hinreißen, was von Interesse wäre. Hier und da bewegt sich eins der Biester, aber etwas vergleichbar Beklemmendes wie den Traum, den Melway praktisch auf Seite 3 hat, kommt einfach nie.

Zum guten Schluss gibt sich dann noch der „Puppenkönig“ die Ehre, bzw. dessen Stimme, die dem ermittelnden Duo gar Schreckliches androht, dann aber nur irgendwelche absurden Fristen setzt, die Ganzer und Brown stundenlang still stehend ableisten, während sie ein „Vorgefühl des Grauens“ beschleicht, dass man nach der ganzen inaktiven Zeit vielleicht auch einfach mit Hunger hätte bezeichnen können. Dann setzt sich die Puppenarmee endlich mal in Bewegung und der eigentliche Drahtzieher – hat man den Roman gelesen, kann man sich nach einem Drittel den Rest eh denken – wird decouvriert, wobei Zauberschlange Zaida die meiste Arbeit erledigt.

Dürftig, dürftig, was unter dem Strich übrig bleibt und so ein Feuerwerk der verschenkten Chancen, wobei ich einfach nicht verstehen kann, warum man ein so reichhaltiges Thema mit so vielen Streckungen anreichern musste, in denen nichts oder eher alberne Dinge passieren, mit Atmosphäre hat das aber alles wenig zu tun.

Ich bin ja immer froh, wenn mal auf die handelsüblichen Silberkugeln verzichtet wird, aber wenn schon Geisterjäger am Start sind, dann dürfen die schon etwas mehr tun, als den Fall nur zu analysieren und die Arbeit einem „Allzweckdosenöffner“ (oder Schallschraubenzieher) zu überlassen.

Offenbar war der Großbereich Horror nicht das vertrauteste Terrain, denn mehr als eine Prämisse war wohl nicht zur Hand und mit der hat man sich auch noch verzettelt. So verzettelt, dass es am Ende eines nachgeschobenen Extrasatzes bedarf, um zu klären, wo sich Melway denn nun die zweite Romanhälfte vermutlich aufgehalten hat. Wie der Gute die Todesfälle den Behörden erklären soll, bleibt der Phantasie überlassen.

Fakt ist: das muss besser werden, also griff ich im Anschluss zu einem Roman, den ich vor Jahren schon einmal gelesen und damals genossen hatte. Ob er wohl immer noch die gleiche Wirkung haben würde...?

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2015-12-21 10:26
Dead Silence hat ja lausige Kritiken eingesteckt, trotzdem stecken in dem Film vermutlich mehr Ideen als in einem Jahr SGK. In den 80ern war aus dem Genre größtenteils die Luft raus. Teilweise mehr als 400 Romane im Jahr, wenn man die Serien mitzählt, die alle einer strengen inhaltlichen Kontrolle unterzogen waren, was die Möglichkeiten der Autoren zusätzlich einschränkte.

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