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Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Das Haus der bösen Puppen

Dirk und die VampireDer Vampir-Horror-Roman
Das Haus der bösen Puppen

Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.

Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?


Das Haus der bösen PuppenDas Haus der bösen Puppen
von Hugh Walker (
Hubert Straßl)
Vampir Horror-Roman Nr. 14
März 1972 / DM 1,-

Pabel Verlag
Charlie Tepesch bekommt einen Anruf von einem Unbekannten. Die Mann am Telefon gibt sich als sein alter Freund  Eddie Gilbert aus, mit dem er eine tolle Zeit in Frankfurt hatte. Das Dumme an der Sache ist nur, er kann sich an  keinen Eddie erinnern. Eigentlich kann er sich an gar nichts erinnern was länger als 6 Monate zurückliegt, denn er scheint  in bestimmten Abständen immer wieder sein Gedächtnis zu verlieren...

Aus Dokumenten weiß er zwar, dass er in Österreich geboren wurde und das seine Eltern irgendwann aus Ungarn einwanderten, aber danach kam nur noch eine große Leere. Diese Leere versucht seine Freundin Helen nun zu füllen. Sie hatte Charlie zwar auch erst vor etwa einem Jahr kennengelernt, wusste aber zumindest mehr über ihn als er selber. Nun war dieser Eddie am Telefon und meldete sich für den Abend zu einem Besuch an. Vielleicht kann er ja das Rätsel um seine Person ja etwas lüften und ein Puzzle Teil hinzufügen.

Pünktlich  klingelt es an der Tür und ein schlanker Durchschnittstyp betritt die Wohnung. Dieser aufdringliche Kerl mit Knabberzeug und Bier unterm Arm soll ein alter Kumpel sein? Charlie kommen Zweifel, denn eigentlich kann er sich nicht vorstellen so „Jemanden“ gekannt zu haben und testet seinen Gast. Er gibt vor ihn nicht zu kennen und Charlie würde er auch nicht heißen. Diese List zeigt Wirkung. Schließlich outet sich der Gast als Reporter, trägt aber seltsamerweise eine Waffe. Seit Jahren steht die Polizei vor einem Rätsel. Immer wieder werden in bestimmten Abständen und in verschiedenen Städten bei Vollmond, extrem verstümmelte Leichen gefunden. Die Vermutungen und Spuren deuten auf ein Tier hin, aber die Regelmäßigkeiten und die wechselnden Fundorte passen eher zu einem Serienkiller. Dann legt Gilbert ein Foto auf den Tisch, das Tepesch vor einem Verlagsgebäude in Frankfurt zeigt bei dem er als Fotograf gearbeitet hat. Gilbert schätzte damals seine Arbeiten und war verwundert, dass er plötzlich verschwunden ist.  Zur gleichen Zeit gab es keine weiteren Toten mehr in Frankfurt. Dann tauchten einige Artikel in diversen Blättern über den  Mann „ohne Erinnerung“ auf... Möchte dieser Schnüffler etwa andeuten, dass er etwas mit den Morden zu tun hat? Nach dem Besuch beobachtet er den angeblichen Reporter dabei, wie er mit einem kleinen Mädchen das Haus verlässt. Hatte das Kind  die ganze Zeit im Hausflur gewartet? Ein Anruf bei dem besagten Verlag ergibt, dass er wirklich vor drei Jahren dort tätig war und plötzlich verschwunden ist.

Ein paar Tage später ist Charlie Tepesch, auf dem Weg von einer Party nach Hause, in einen Unfall verwickelt. Eine Mutter mit ihrem Kind läuft ihm einfach vor das Auto. Ihr scheint bis auf einen Schock nichts passiert zu sein, aber das Kind wurde von den Rädern erfasst. Geschockt entdeckt er, dass es sich bei dem Kind um eine Puppe handelt. Komisch, das Spielzeug hatte sich eben noch wie ein richtiger Mensch  bewegt. Nachdem er die Frau in ein  Krankenhaus gebracht hat, nimmt er die Puppe mit nach Hause. Vielleicht kann er sie ja wieder zusammenbasteln  und der Frau wiedergeben. In der Nacht wird Tepesch von Geräuschen geweckt die aus dem Sessel kommen indem er das Spielzeug abgelegt hat. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtet er wie sich die Puppe selbst repariert um anschließend aufzustehen. Als das Ding schließlich auf ihn zukommt, kann er keinen Finger rühren. Dann grüßt sie noch einmal höflich und verschwindet durchs Fenster. Bald ist Vollmond!

Als am Morgen das Telefon läutet wird er das zweite Mal wach. Das Krankenhaus ist dran und vermeldet, dass Fr. Gilbert jetzt abgeholt werden kann. Frau Gilbert? Das kann kein Zufall sein und es stellt sich heraus, dass sie wirklich die Frau seines Besuchers ist und der Unfall auch keiner war. Gestern Morgen, nach dem Aufwachen, entdeckte sie ein kleines Mädchen auf ihrem Fenstersims und ließ es schnell herein. Das Mädchen „entpuppte“ sich als solche, biss ihr ins Bein und machte sie willenlos. Irgendwann hat das unheimliche Ding versucht, sie vor ein Auto zu zerren - zwecks Entsorgung. Der Rest ist ihm bekannt, bis auf die Tatsache, dass Eddie Gilbert an dem Abend seines Besuchs bei ihm verschwunden ist und nun in einem Kaufhaus als Schaufensterpuppe wieder auftauchte. Zudem sei er Detektiv und nicht Reporter. Carlotta Gilbert bittet  nun um Hilfe und er willigt ein und verspricht ihr, ihrem Mann einen Besuch abzustatten.

Da steht er nun in all seiner Pracht zwischen den anderen Ankleidepuppen und macht eine traurige Miene. Bei näherer Betrachtung kann man sogar Hautporen erkennen und zudem rinnt aus Eddies Augen eine Träne. Im Laden stellt er den Dekorateur zur Rede. Der Mann erklärt ihm, dass es sich hier um das ganz neue Modell der Firma El-EVA handelt.

Wieder in seiner Wohnung bekommt er unerwarteten Besuch. Eine dieser Puppen zieht sich an seinem Fensterbrett hoch. Er lässt sie neugierig herein. Nach einem kurzen Kampf hatte er jetzt die Gelegenheit zur näheren Untersuchung. Ganz eindeutig Plastik, aber irgendwie doch erschreckend lebendig, obwohl die Zähne im Innern hohl sind und Nadeln verbergen. So injizierten sie ihren Opfern die betäubenden Drogen. Er lockert ihre Fesseln und geht dann aus der Wohnung um sich auf die Lauer zu legen. In Kürze hat sie sich befreit und mit einem weiteren kleinen „Jungen“ machte sie sich auf einen unbestimmten Heimweg. Tepesch folgt und  nach einiger Zeit  sind es 5 Kinderpuppen. Sie bemerken ihren Verfolger und drehen den Spieß nun um. Ihm bleibt nur noch die Flucht in ein Lokal. Seltsamerweise erhält er hier einen Anruf. Carlotta ist dran, sie ist ihm gefolgt und hat beobachtet wie er  Schutz in der Bar suchte. Dann spürt er einen kurzen Schmerz in seiner Wade und alles ist plötzlich so friedlich und voller Liebe... Und der Mond scheint hell!

Seine neuen Freunde führen ihn zu einem Haus außerhalb der Stadt, wo er von einer alten Frau herzlich empfangen wird. Sie nennt ihn Karlie und hofft, dass er sich bald wieder erinnern wird, aber an was? Im Haus kann er sich zwar frei bewegen, gelangt aber nie an einen Ausgang. In einem Schrank entdeckt er lebendiges Spielzeug, dass sich freut ihn wieder zu sehen und in einem anderen Raum steht eine Kiste mit der Aufschrift EL-EVA. Darin liegt die richtige Schaufensterpuppe die man gegen Ed Gilbert  ausgetauscht hat. Sein Rausch lässt langsam nach und man bringt ihn zur Hausherrin, die in einer Art Hexenküche auf ihn wartet. Er wird misstrauisch und bekommt noch eine Dröhnung. In dem Raum liegen mit Nadeln aufgespießte Wachspuppen auf einem Tisch und die Alte erklärt ihm, dass die Püppchen verzauberte  Abbilder von realen Menschen seien, die sie beeinflusst. Der Ed Gilbert Puppe zieht sie die Nadel heraus und weit entfernt, in einem Kaufhaus, hat eine vermeintliche Schaufensterpuppe einen schrecklichen Unfall. Gilbert ist tot. Dem Püppchen mit einem Stück von Carlottas Kleid, sticht sie eine Nadel ins Bein und wenig später tauchen die „Kinder“ mit Gilberts Witwe auf. Tepesch kann nun wieder klar denken, schnappt sich eine der Monster-Puppen als Geisel und flüchtet mit Carlotta. Vorher hat er noch alle Wachspuppen in den Kamin geworfen der den Raum wärmt. Die Hexe lässt es gewähren, denn er würde eh bald wiederkommen.

Die Flucht gelingt und sie schlüpfen bei Helen unter. Carlotta scheint immer noch geschockt zu sein, sie redet von Hexen und Übernatürlichen Dingen so, als wenn sie real wären. Sie wiederholt ständig, das sie Karlies Opfer werden sollte. Helen kann daran nicht glauben und muss schließlich noch eine Freundin besuchen. Als sie ihre Wohnung verlassen hat, liegen sich Charlie und Carlotta in den Armen und lieben sich wild. Er scheint nicht mehr ganz Herr seiner Sinne zu sein und verpasst ihr ein paar derbe Blessuren. Auch wird er immer unruhiger und denkt des öfteren an rotes Fleisch in das er seine Zähne gräbt. Etwas passiert mit ihm. Es ist Vollmond!

Irgendwann fällt ihm ein, dass er Helen von ihrer Freundin abholen wollte. Schließlich schleicht  der Vollmondmörder noch durch die Straßen...

Mit einer grauenvollen Nachricht weckt ihn Carlotta am Morgen. Helen ist das siebte Opfer der Bestie geworden.

Dann kommen die Albträume, die ihn in der Nacht zum schreien bringen und am Tag verfolgen. Die Puppen sind auch immer in seiner Nähe und er ist davon überzeugt, dass sie etwas mit den Morden zu tun haben. Der einzige Lichtblick ist Carlotta, die nicht von seiner Seite weicht und sich immer noch, schwer verliebt, als sein Opfer sieht. Ein sehr detaillierter Tagtraum über Helens bestialische Ermordung macht ihn stutzig. Woher weiß er die Einzelheiten und warum haben ihn die Puppen in seinem Traum anschließend zur alten Hexe gebracht und sich liebevoll um ihn gekümmert?

Dann kommt die Erinnerung wie ein Dampfhammer über ihn. Er ist der Vollmond-Mörder!

Mit Carlotta fährt er zu dem Haus der Puppen, denn er hat jetzt erkannt, dass die alte Frau seine Mutter ist. Sie erklärt den beiden, dass sie jahrelang versucht hat ihren Sohn zu schützen, der wegen seiner allzu menschlichen, vom Vater vererbten, Gewissensbisse und Moralvorstellungen nicht mit seinem schrecklichen Tun klar gekommen ist und eine Gefahr für sich selber darstellte. Sie hat ihm durch Hypnose die Erinnerungen nach den Vollmondnächten genommen. Zuerst hielt dieser Schutz zwei Jahre, schließlich nur noch sechs Monate. Ab jetzt soll sich aber alles ändern, denn Carlotta schwört bei ihm zu bleiben und in den Nächten des Vollmondes, wo er mit den Puppen auf Menschenjagd geht, bei „Mutter“ zu übernachten...

Dirk und sein SenfMein Senf
Gäbe es einen Aufkleber oder Button zu diesem Roman, würde „Ein Herz für Werwölfe“ draufstehen! Auf welcher Seite der Autor stand war nicht schwer zu erraten. Hubert Straßl/Hugh Walker hatte etwas übrig für Außenseiter und  Minderheiten aus dem Reich der Nachtschattengewächse. Bei ihm konnten die Unholde  immer noch eine menschlich Seite zeigen und waren eigentlich Gefangene ihrer eigenen, schrecklichen Handlungen. Die Vampire brauchten Blut und der Werwolf halt ein wenig festere Nahrung.War es Herr Bernhardt (zuständiger Redakteur) der einmal meinte, dass bei Walker die Monster zu gut wegkommen? Wenn, dann  hatte er recht, aber das war ja das ungewöhnliche an seinen Geschichten. Das „gewöhnliche“ Monster der Woche gab es bei ihm nicht unbedingt, obwohl ich jetzt nicht alle Romane sofort wieder auf dem Schirm habe. Dafür setzte er mehr auf das Mitgefühl der Leser und aufgezeigt, dass jedes Wesen zwei Seiten hat. Bei mir hat es jedenfalls geklappt, obwohl ich lieber selber kein Opfer solcher Unmenschen werden möchte. Wenn man sich vorstellt, dass ein zigfacher Massenmörder mit Gedächtnislücken durch unsere Straßen zieht und dann noch liebe und verständnisvolle Menschen trifft, die ihn schützen und ein Heim geben, könnte man schnell ein negatives Urteil über diese Leute fällen.

Straßl hatte aber 65 Seiten Zeit den Leser skeptisch zu machen und ihn auf die Seite des vermeintlich Bösen zu ziehen oder zumindest Zweifel aufkommen zu lassen. Das schien damals sein Markenzeichen  zu sein. Seine Romane konnten einem schon einen gewissen Hauch von Schauer über den Rücken jagen, was nicht viele Autoren des Horrorheft- Genres bei mir geschafft haben. Klar benutzte Straßl auch die gängigen Gruselfiguren (Werwolf, Hexe und Vampir), aber er interpretierte sie, zumindest was deren Charakter anbelangte, doch völlig anders. Mit seinem intelligenten, dichten, aber (fast) nie langweiligen Schreibstil  hätte er vermutlich einige Bücher füllen können, aber er schrieb lieber kürzere Sachen und fand bei Pabel dankbare Abnehmer sowie Leser. Auch beim „Dämonenland“ von Bastei, wo man seine alten, zeitlosen Klassiker nochmals aufwärmte wurde er gefeiert und das war eine Heftroman Generation später, wenn man so will. Er hatte großen  Anteil am (Anfangs)-Erfolg der Vampir Horror-Reihe und brauchte sich hinter den Übersetzungen nicht zu verstecken. Das sich Luif und Straßl ab Band 11 bis 20 (7 Romane) den Ball praktisch hin und her spielten, brachte die Reihe noch ein Stück weiter voran. Man merkte, dass der Groschenroman in Sachen Grusel 1973  noch nicht allzu alt war und dementsprechend wenig Vorbilder hatte. Hubert Straßl war so ein Vorreiter und er hatte einen sehr eigenen Stil.

Hört sich ein wenig nach einem Nachruf  an, aber dazu kann ich nur sagen HUGH WALKER LEBT.

Als Helden sehe ich Tepesch jetzt nicht gerade, zumal er mit den Morden  sichtlich überfordert war und die Anya (ungar. Mutter) immer wieder seine Erinnerungen löschen musste. Sozusagen ein Werwolf-Weichei oder Mutterwölfchen. Die Puppen waren dagegen richtige Schweizer Taschenmesser mit Injektionsnadeln, eingebautem Kompass und nichts für kleine Mädchen. Beim Haus der bösen Puppen ging es nicht ausschließlich um den Werlumpi, sondern auch, wie der Titel verrät, um jede Menge böses Spielzeug. Laufpuppen in original Kindergröße waren in den 70ern groß in Mode. Meine Schwester hatte auch so ein Ding, aber die lag immer auf der Nase und hat sich oft die Batterien in der Luft leergelaufen und mit dem Kopf auf dem Boden wild hin und her gewackelt. Das hatte auch etwas Unheimliches. Die Puppen von Walker hatten keine Batterien, sondern wurden von den Hexenkräften der Alten angetrieben und gelenkt. Sie sollten die Opfer ihres Sohnes in die Enge treiben und gleichzeitig ein Glasauge auf ihn werfen. Auch die Sache mit der Gilbert-Schaufensterpuppe löste bei mir dieses wohlig schaurige Gefühl aus, das ich manchmal noch habe wenn ich alte Schwaz/Weiß Filme anschaue, wo mit viel Psyche und aus heutiger Sicht altbackenen Tricks gearbeitet wurde. Tepeschs Umherirren in dem alten Haus erinnerte mich ein wenig an Alice im Wunderland, als er auf das sprechende Spielzeug traf. Er durfte als kleiner Wolf also spielen.

Klar, irgendwann und zwar ziemlich früh, kam ich dahinter, wer der vermeintliche Werwolf ist, aber die Seiten bis die Sache aufgeklärt wurde, waren doch recht spannen und teilweise auch sehr kenntnisreich geschrieben, zumindest kam es mir so vor. Hier war der viel zitierte Weg das eigentliche Ziel. Die letzten Seiten ergaben dadurch zwar keinen Aha Effekt, dafür wurde man mit einer fast schon idyllischen Sicht auf das Zusammenleben mit Werwölfen belohnt. Übrigens wuchs unserem Prota(anti)gonisten gar kein Fell oder Krallen, sondern die Verwandlung beeinflusste eher sein Verhalten. Einzige Merkmale seiner dämonischen Zugehörigkeit waren buschige Augenbrauen und stark behaarte Handrücken, sowie ein nicht vorhandenes Spiegelbild. Irgendwo in einem Satiremagazin stand mal  EIGENTOR FÜR THEO WAIGEL – JETZT KOMMT DIE AUGENBRAUEN STEUER! Da wären die Werwölfe die Leidtragenden gewesen.

Hubert Strassl aka Hugh WalkerTepesch hatte große Zweifel an der Existenz des Übernatürlichen und von eingebildeten Vampiren und Wölfen wimmelt es ja in der Kriminalgeschichte. Einige Beispiele wie der Massenmörder Hamann wurden von Straßl auch als Vergleich herangezogen. Die vom Autor gewählte Ich-Form ließ jede Menge Platz für Selbstgespräche und Einblicke in das Seelenleben des Unholds, der ja die ganze Zeit davon ausging, dass er zu den Unbeteiligten gehörte und wohl der Einzige war, der nicht wusste wer der Werwolf ist. Überzeugter von der Existenz der Nacht- und  Hexenwesen war Carlotta, die ihre Thesen auch vehement kundtat. Sogar über God himself machte sie sich Gedanken, wie z.B. auf Seite 57:

Wir sprachen über Gott, dessen Existenz Carlotta ebenso leidenschaftlich bejahte wie die Magie.
„Er ist die Krone des Übernatürlichen, das perfekte Geschöpf menschlicher Phantasie: ewig, allmächtig, allgegenwärtig, allwissend.“
„Du stellst ihn auf eine Stufe mit den Dämonen?“ fragte ich. „Mit Hexen und Vampiren und Scharlatanen, die mit Hilfe ihrer übernatürlichen Kräfte morden?“
„O ja! Denn er hat auch noch ein paar andere Eigenschaften, die seinen Wert erheblich mindern: er ist unnahbar, teilnahmslos und unerreichbar.“

Und das zu „Jesus lebt“ Zeiten. In anderen Grusel-Romanen/Serien schmiss man auch mit Kreuzen, Flüchen und christlichen Symbolen nur so um sich, da kann sich die Werwolf-Aktivistin Carlotta ja wohl auch mal eine Meinung erlauben. Kritischer betrachtet könnte man jetzt sagen, dass Straßl des öfteren mit seinen Erklärungen den Bogen überspannte,  ich sehe das als frühe Aufklärungsphase. Er stellte den Lesern halt seine Sicht auf die  Dinge zum Thema Schattenwelt vor. Man könnte es auch Längen nennen, doch bei ihm akzeptiere ich das, weil an anderen Stellen die Story gut erzählt ist.

Was gab es sonst noch?
Eigentlich kann man beim betrachten des Titelbilds denken, es geht hier vorrangig um die Puppen und natürlich hatten sie einen sehr großen Anteil am Geschehen, waren aber eigentlich nur ein Teil der Werwolf Story. Der Mann-Wolf in der Ecke ist in voller Montur dargestellt, obwohl es ihn so in der Handlung nicht gab. Vielleicht hat ihn Thole deshalb so transparent gemalt. Der Wolf hat meiner Meinung nach auch eine Prise Gorilla im Blut.

Welche Mutti oder Omi hat nicht irgendwann mal solche Puppen gesammelt und auf dem Sofa platziert, schön in rosa Kleidchen und fein geklöppelter Spitze. Meine Schwiegermutter  hatte so einen Sammelwahn, dass der Besuch teilweise auf dem Boden sitzen musste.Trotzdem gibt das Bild dem Roman den passenden Rahmen. Die Innenzeichnungen von Berthold zeigten eine demolierte Puppe und den (verwandelten) Werwolf beim nächtlichen Vollmond-Angriff. Auch er wusste anscheinend nichts von der Nicht-Verwandlung.

Zum Schluss „noch ein Gedicht“...  scheint mir irgendwie passend.

Die Moral von der Geschicht
Mädchen weich vom Wege nicht.
Bleib allein und halt nicht an,
traue keinem fremden Mann.
Geh nicht bis zum bitteren Ende,
gib dich nicht in fremde Hände.
Deine Schönheit zieht sie an,
und ein Wolf ist jeder Mann.
Merk dir eines, in der Nacht
ist schon mancher Wolf erwacht.
Weine um sie keine Träne!
Wölfe haben scharfe Zähne.

Angela Carter
(Roman: Blaubarts Zimmer
Film: Zeit der Wölfe)

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Kommentare  

#1 Peter Emmerich 2016-01-25 14:09
Wieder eine sehr schöne und ausführliche Besprechung - vielen Dank!
Den Roman haben wir - nebst zugehörigem Exposé und weiterem Bonusmateria - in unserem Taschenbuch Vollmondbestien nachgedruckt. Näheres hierzu auf unserer Webseite www.emmerich-books-media.de/htm/52_de.html.

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