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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Schattenreiter - Gespenster-Krimi Nr. 408 von Henry Wolf

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Schattenreiter«
Gespenster-Krimi Nr. 408 von Henry Wolf

Das fünfte Kapitel meiner kleinen Ausflüge in den Gespenster-Krimi sollte sich jetzt endlich mal einen Subserie widmen, zumindest einer, die die Serie vielleicht ein wenig mitgeprägt hat. Warum sich also nicht bei „Henry Wolf“ bedienen, einem irgendwie niedlichen Pseudonym, dass in diesem Fall von Wolfgang Hohlbein benutzt wurde.
 


Mitdiesem Roman präsentierte Hohlbein nicht nur den ersten Roman seiner Subserie „Raven“, sondern auch seinen allerersten Gespenster-Krimi überhaupt.

„Raven“ sollte eine von drei Subserien sein, die Hohlbein für den Gespenster-Krimi veröffentlichte, neben der Fortführung der eingestellten Serie „Damona King“ und dem „Hexer“, der ja den GK schließlich 1985 direkt als eigenständige Serie beerbte. „Raven“ selbst sollte erst später (2003) zu eigenen (Mini-)Serienehren kommen, nachdem die Romane aus dem GK – es sollten schlussendlich elf Stück werden – auch in der Anthologieserie „Dämonen-Land“ bereits wiederveröffentlich waren. So hatte „Raven“ am Ende drei Inkarnationen und fand als Mini-Serie dann auch einen Abschluss.

Mit „Raven“ startete die zweite Phase des Gespenster-Krimi in Sachen Sub-Serien, denn bis dahin war der Wiedererkennungseffekt hauptsächlich von John Sinclair, Tony Ballard und Frank Connors bestimmt worden – ein Trend, der sich in den letzten vier Jahren der Serie deutlich ändern sollte.

Es sollten mehr und mehr Subserien werden, bis der Gespenster-Krimi fast ohne Einzelromane auskam – und Henry Wolf aka Hohlbein hatte nicht geringen Anteil daran.

Wahren Heftromanfans erzähle ich damit ja nichts Neues, denn die Karriere Hohlbeins ist weithin bekannt: nach einigen sehr produktiven und sehr erfolgreichen Jahren – vor allem in Sachen erzählerischer Qualität – in diversen Gruselromanserien, stieg er genau rechtzeitig aus und wurde freier Fantasy-Buchautor, allein oder in Kooperation mit seiner Frau oder anderen Autoren, schrieb für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und erwies sich auch als sehr geschickt, seine Jugendsünden aus dem Heftroman später noch einmal wieder zu veröffentlichen. Manchmal gern auch mehrfach, denn inzwischen ist es recht komplex geworden, nachzuvollziehen, wie oft der „Hexer“ jetzt schon auf den Markt gekommen ist. Allein, eine richtige Fortsetzung hat er nie wieder hinbekommen.

„Raven“ dagegen ist noch aus seiner absoluten Erntefrische, einer Zeit, als er noch nicht allzu viele Romane auf dem Counter hatte, sich bei Zamorra erprobte (vier Romane), dort aber kein Standbein fand. „Raven“ kam noch vor dem Einstieg bei „Damona King“ heraus und war möglicherweise gar nicht als längerfristige Serie angedacht (es sollte auch ein halbes Jahr bis zu einem zweiten Roman dauern). Zumindest lässt kaum etwas an dem Roman den Schluss zu, dass es eine Fortsetzung geben würde. Und genau das wollte ich dann auch ein wenig erstöbern: spätere Überarbeitungen sind eine Sache, aber wie präsentierte sich denn hier das Debüt denn nun wirklich?

War das Talent, der Stil, der Ausdruck – war das alles schon präsent?

Oder brauchte auch ein Wolfgang Hohlbein noch Reifezeit, ehe er sich von den üblichen Fallstricken des Heftromans langsam wegemanzipierte?

Ich bestätige mal mit einem doppelten Ja, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und die seriellen Bezüge fehlen meiner Ansicht nach in Ravens Debüt noch total, genauso wie die wiederkehrenden Lieblingsmotive aus dem Bereich Lovecrafts und der „Großen Alten“ hier noch relativ klein ausfallen, sozusagen verschwindend gering. Auch wirkt der Stil nicht ganz so angestaubt wie so mancher Einzelroman, aber kommen wir erstmal...

SchattenreiterZum Inhalt:
Die Schwager und Freunde Paul und Jeffrey Pendrose haben ein enormes Problem: sie werden von einer unheimlichen Macht bedroht, die ihnen mit einer dreitägigen Frist droht, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Paul ist in heilloser Panik und verschanzt sich hinter starken Sicherheitstüren und Wachleuten; der geschäftlich erfolgreiche Paul lässt sich in seiner Nervosität durch die Straßen treiben und begegnet dort dem titelgebenden „Schattenreiter“, einer für andere Menschen unsichtbaren, berittenen Dämonengestalt im nahöstlichen Stil. Selbiger verlangt seine ausgemachten Opfer, für deren Lieferung Jeffrey noch drei Tage Zeit hat. Dieser zeigt jedoch keine große Begeisterung für das Opfern von Unschuldigen.

Derweil bekommt Paul Pendrose in seinem superabgesicherten Penthouse Besuch von dem Privatdetektiv Raven (kein Vorname), den er zu seinem Leibwächter für drei Tage auserkoren hat. Dazu müsste Raven allerdings an das Übernatürliche glauben, was diesem ziemlich schwer fällt, allerdings winkt Paul auch mit einem dicken Scheck und einer erhellenden Vorgeschichte, die zwei Jahre zurück liegt.

Damals waren beide quer durch Europa bis in den Nahen Osten getrampt und gelangten bis nach Chad-el-Arab an der Grenze zwischen Iran und Irak. Als sie dort in der Nacht in einer Höhle übernachten, besucht sie ein seltsamer alter Mann, der sie mit Versprechungen von Schätzen tiefer in die Höhle lockt. Prompt verirren sie sich in dem Labyrinth aus Gängen, bis sie von einem Dämon aufgegriffen werden, der mit ihnen einen Pakt schließt: jede Vollmondnacht ein Opfer mit einem rituellen Dolch und Glück und Erfolg werden auf Seiten der Schwager sein.
Den letzten Teil des Deals hatten die beiden ausgenutzt, den ersten haben sie allerdings nie erfüllt, wofür sie jetzt in London die Rechnung kriegen.

Raven nimmt den Auftrag an, muss aber noch seine Ausrüstung holen und verspricht, in zwei Stunden zurück zu sein (jaja...). In der Zwischenzeit erscheint jedoch im Gebäude der Schattenreiter, meuchelt die Wachleute, zerstört die Elektronik und knöpft sich Paul vor. Den hält er für den schwächeren Charakter, spricht ihm jegliche Bösartigkeit ab und bringt ihn mangels guter Opferaussichten um.

Derweil hat Jeffrey in einer Bar nach langem Herumirren die nette, aber ziemlich normale Carol kennen gelernt und ist mit ihr erst durch die Häuser gezogen, um sie dann sogar mit zu sich nach Hause zu nehmen. Er rührt sie aber nicht an, was das Mädchen schwer beeindruckt, die ihn trotz seines Reichtums schon irgendwie lieb gewonnen hat. Dass er sie wohl opfern muss, nimmt ihn dafür ziemlich mit.

Als der noch zweifelnde Raven nach den abgemachten zwei Stunden wieder bei Pauls Penthouse ankommt, findet er nicht nur Chaos und Zerstörung, sondern auch die Polizei vor, namentlich einen Inspektor Card, der Ravens Geschichte genauso unglaubwürdig findet wie die seltsamen Zerstörungen und die vielen Leichen. Auf dem Boden finden sich jedoch Abdrücke von Pferdehufen und in der Wohnung zweierlei Blut – Paul war es gelungen, den Reiter leicht zu verletzen.

Während Raven sich zweifelnd über Magie und Übernatürliches schlau macht und einiges über den „Alten vom Berge“ erliest, der wohl der bösartige Verursacher des Geschehens sein könnte, bekommt Jeffrey nacheinander erst Besuch vom Schattenreiter – der natürlich ausgerechnet Carol als Opfer verlangt und dann von Raven, dessen Nachfragen er ziemlich erregt von sich weist. Card ist über seine Beteiligung nicht eben begeistert, doch hat Ravens Aktionismus zur Folge, dass nun auch er auf der Liste des Reiters steht und von diesem verfolgt wird.

Während Card zunehmend misstrauischer gegenüber Pendrose wird, weil dieser ihn wie Raven abkanzeln will, hat Raven eine unschöne Begegnung mit dem Dämon, der ihn fast das Leben kostet...

Und ein paar Eindrücke ...
Rückblickend ist es nicht eben viel, dass in Hohlbeins GK-Debüt vor dem Leser ausgebreitet wird, ich trete das mit meiner Inhaltsangabe schon ein wenig breit. Die Grundstory ist weder etwas Besonderes, noch ist sie ungemein ausgefeilt, sie gleicht eigentlich so mancher typischen Detektiv- und Geisterjägerstory, komplett mit zweifelndem Detektivhelden (komplett mit Sekretärin/Partnerin  Janice), dem halb überzeugten, halb quer schießenden Polizisten und der dämonischen Gegenseite, die davon abgehalten werden muss, ein unschuldiges Opfer zu töten.

„Schattenreiter“ wirkt mehr wie eine Fingerübung für kommende größere Taten und ist den Standards noch sehr verhaftet, leidet vor allem aber darunter, dass die Katze schon relativ früh aus dem Sack gelassen wird. Schon im ersten Viertel kommen die Beteiligten und die komplette Backstory auf den Tisch, das potentielle Opfer wird präsentiert und der Gegner reitet mehrfach durchs Bild.

Für die restlichen drei Viertel ändert sich daran dann nichts mehr. Raven wird überzeugt, der Inspektor wird irgendwann überzeugt und Hohlbein hat den Großteil dieses Romans damit zu tun, den guten Jeffrey als Verbindungsglied als „gut“ erscheinen zu lassen und vom Meucheln abzuhalten (Paul verabschiedet sich schon auf Seite 19).

Das führt zu diversen erzählerischen Wiederholungen der trauten Zweisamkeit von Jeffrey und Carol und der Aufarbeitung der Aktionen des Reiters, die man aber zuvor schon in epischer Breite erzählt bekommen hat und nun noch mal nachermittelt werden müssen.

Die Figuren so langsam vom Übernatürlichen zu überzeugen, ist natürlich geeignet für weitere Raven-Einsätze, dem hier vorliegenden Roman hilft das leider nicht sonderlich auf die Sprünge.

Auch den Figuren nützt das nur teilweise. Weil so viel Platz für Jeffrey und sein Dilemma verbraten wird, das jedoch fast den ganzen Roman erwartungsgemäß auf der Stelle tritt (dafür hat man den Beteiligten zuviel Zeit eingeräumt), ist Raven selbst keine besonders charismatische Figur geworden. Zwar kommt der typische Privatdetektiv ganz gut rüber, aber so feingliedrig Hohlbein das alles aufbaut, so abstrus wird es mit zunehmender Seitenzahl. So wird Raven an der Dreiviertelmarke so deftig auseinander genommen, dass ihm der Arzt im Krankenhaus einen mehrwöchigen Aufenthalt prophezeit, just nachdem der Held das Duell mit dem Dämonenreiter auf eher unwahrscheinliche Art und Weise überlebt hat. Auch seine unvergleichliche Rekonvaleszenz im Anschluss ist wenig überzeugend, im Rahmen einer Rettungsaktion mit Sims-Balanceakt, die grundlagenlos übermenschlich erscheint. Und die finale Rettung verkommt dann wieder platzbedingt simpel und so überstürzt, dass für einen runden Abschluss oder ein fortführendes Auslaufen der Story keine Zeile mehr übrig ist.

Nicht viel besser ergeht es dem finsteren Dämonenreiter, der sich mit zunehmender Story immer untreuer wird: erst sollen es zu jedem Vollmond Opfer sein, dann sitzt er die Nichterfüllung zwei Jahre aus, dann verlangt er auf die Schnelle drei Opfer, dann killt er Paul aus einer Laune heraus doch, dann soll es ein Opfer sein und dann unbedingt Carol. Bescheidenes Kerlchen!

Auch anerkannte Autoren brauchen also beim Gewichten und Konstruieren erst eine Menge Erfahrung, das kann man als Fazit nehmen, dafür stimmt der Roman positiv wenn es um Schreibstil und Lesefluss geht. Hinkt es inhaltlich beim endlosen Durchkonjugieren einer schon am Anfang feststehenden Personenkonstellation, hat Hohlbein unbestreitbare Vorteile bei Wortwahl und Formulierungen – hier deutet sich schon an, dass der Mann später zu größerem berufen sein sollte – alles was fehlte, war ein besserer Plot. So wirkt „Schattenreiter“ dann auch nie konventionell runter gestoppelt, sondern eher wie ein mühsam im Zaum gehaltenes Erzählpotential, das Lust auf mehr machen sollte.

Später gab es dann noch softe Überarbeitungsversuche, um es serieller zu gestalten (wobei in der Mini-Serie auf den Covern sich ungeschickterweise beim Herrn der Ringe bedient wurde, was genauso unpassend ist wie die Skelettreiter im GK), aber die Urform ist mir in jedem Fall lieber als das aufpolierte Recyclingprodukt.

Mit solchen Subserien war also noch etwas zu holen – weswegen ich den nächsten Versuch auch mit einer anderen, ganz interessanten Subserie machen will, die sich später an ganz anderer Stelle und in ganz anderer Serie wieder fand. Davon dann bald mehr...

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