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HORROR EXPERT 11 – Mörder mit langen Haaren

Horror ExpertMörder mit langen Haaren

Erber und Luther – zwei Namen, die aus der Geschichte der phantastischen Literatur in Deutschland nicht wegzudenken sind und noch heute Anlass zur Kontroverse bieten. Die Reihe »Horror expert« war Vorreiter auf dem Taschenbuchmarkt und machte den interessierten Leser mit einem Genre bekannt, das hierzulande erst in den Anfängen steckte.

Das lohnt einen näheren Blick auf eine ziemlich in Vergessenheit geratene Reihe.

Mörder mit langen HaarenMörder mit langen Haaren
von Harald Howart
Horror expert Nr. 11
Originalausgabe
1972
Luther Verlag
Was passiert?
Deutschland. Kleinunternehmer Pfab wird nach Ladenschluss überfallen. Der Mörder konfrontiert ihn mit seiner Untreue, bevor er ihn erschießt. Kurz darauf wird der Junggeselle und Frauenheld Seifert von einer Frau per Telefon zu einem Rendezvous gelockt und läuft einem Mörderpärchen in die Falle. Sie beschuldigen ihn, eine junge Frau geschwängert und sie dann im Stich gelassen zu haben. Sie hat sich aufgehängt. Also wird jetzt auch Seifert aufgehängt.

Kommissar Breithaupt übernimmt die Fälle. Schnell stellt er die Theorie auf, es hier mit einem Pärchen zu tun zu haben, das wahllos Rache an Männern übt, die Frauen schlecht behandelt haben.

In der Zwischenzeit wird der Industrielle Nötling vor Gericht wegen Mordes an seiner Verlobten freigesprochen. Er soll sie vom Balkon gestoßen haben, aber die Beweise reichen nicht. Bei der Party, auf der er seinen Freispruch feiert, erhält er einen Erpresseranruf. Angeblich hat ein Spanner sein letztes Gespräch auf dem Balkon per Tonband mitgeschnitten und will jetzt seinen Anteil.

Breithaupts Vorgesetzte halten den Fall Nölting wie geschaffen für seine Theorie vom Rächerpärchen. Unauffällig beschattet die Polizei den Mann, aber der kann sich absetzen.

Denn Nölting glaubt mittlerweise die Identität des Erpressers zu kennen. Ein Ingenieur, der über ihm in dem Hochhaus wohnte. Mit Gewalt will er sich das Tonband holen – und läuft in eine Falle des Mörderpärchens. Es gab nie ein Tonband, alles war nur ein Trick, um Nölting anzulocken. Die beiden stürzen Nölting einen Steinbruch runter.

Kommissar Breithaupt lernt beim Grübeln in einem Cafe eine nette Frau mittleren Alters kennen. Der einzige Lichtblick, denn sein Fall, der mittlerweile großes Aufsehen erregt, kommt nicht weiter. Breithaupt ist fasziniert von Rita, verschweigt ihr aber, dass er Polizist ist und stellt sich nur als "Beamter" vor, um sie nicht zu verschrecken.

Der Verdacht fällt auf einen ehemaligen Anwalt namens Andersen, der sich für Selbstjustiz stark gemacht hat. Es gibt einen Teilfingerabdruck. Aber Andersen ist seit ein paar Wochen tot. Doch ist er es wirklich? Breithaupts Ermittlungen ergeben, dass Andersen in einer Arztpraxis einen Totenschein gestohlen und so seinen Tod vorgetäuscht hat.

In der Zwischenzeit ist Andersen – der nun auch im Text mit seinem Namen bezeichnet wird - unter Süchtigen auf der Suche nach dem nächsten Opfer. Der Dealer Rico gerät ins Visier des Pärchens.

Kommissar Breithaupt trifft sich wieder mit seinem neuen Schwarm Rita. Beim Abendessen kommt das Gespräch auf den Mordfall, der die Zeitungen beschäftigt und alle Männer unruhig macht. Rita lässt durchblicken, dass sie durchaus Verständnis für die Täter hat. Sie erzählt, dass sie ein Mädchen kennt, das von einem Rico süchtig gemacht wurde. Und keiner kann etwas dagegen tun. Bevor Breithaupt ihr diesmal sagen kann, dass er Polizeibeamter ist, werden sie unterbrochen und er vergisst es.

Das Mörderpärchen plant sein nächstes Verbrechen. An Rico. Aber Rita – natürlich ist sie die Komplizin - will aussteigen. Sie lässt sich aber überreden, Rico noch zur Strecke zu bringen. Sie verschaffen sich bei ihm Eintritt, zwingen ihn, ein Geständnis zu schreiben und ertränken ihn in der Wanne. Dummerweise taucht die süchtige Gisa auf, die Rita erst auf den Dealer gebracht hat. Gisa ist auf Entzug und bekommt wenig von ihrer Umwelt mit. Rita schafft sie in die Klinik.

Als Ricos Leiche entdeckt wird, stutzt der Kommissar. Den Namen hat doch seine neue Bekannte erwähnt. Am Nachmittag treffen sie sich wieder in dem Cafe. Breithaupt spricht Rita
auf Rico an. Rita ist fassungslos, dass ihr neuer Bekannter Polizist ist. Da Breithaupt glaubt, dass sie sich hintergangen fühlt und er die junge Romanze nicht kaputtmachen will, spricht er Rico nicht mehr an und gesteht ihr stattdessen seine Gefühle. Sie verabreden sich erneut.

Andersen gerät in eine Polizeikontrolle und verliert die Nerven. Er wird erschossen. Durch diverse Hinweise – unter anderem wird Gisa gefunden - erfährt der Kommissar, dass seine Rita die Komplizin ist. Er trifft sich mit ihr. Als sie ihn sieht, ist ihr klar, dass er Bescheid weiß. Sie erklärt ihm seine Motive, dann führt er sie ab.

Tod durch RattenWorum geht es?
Wieder ist Harald Howart alias Gerhard Eckert (HORROR EXPERT – 6 Tod durch Ratten) am Start und liefert einen Roman für die Reihe Horror expert, der den Gruselfreund ratlos zurücklässt. Denn ist ein lupenreiner, ziemlich behäbiger deutscher Krimi. Es wird ungeklärt bleiben, was die Redaktion veranlasste, auf den Roman zurückzugreifen, der in dieser oder jeder anderen Reihe mit Horroromanen aber auch nicht das Geringste zu suchen hatte. Terminnot ist der plausibelste Grund, der da einfällt. Da Howart/Eckert ja zur gleichen Zeit fleißig Romane für den "Top Krimi" verfasste, lag vermutlich ein Manuskript vor, das man nehmen konnte, um eine unvermutet entstandene Lücke zu stopfen.

Andererseits scheint die Redaktionsmaschine um den Jahreswechsel 1972 etwas ins Stottern zu geraten sein. Ein Blick in die hauseigene Werbung zeigt, dass die Dinge nicht rund liefen. In Band 10 fehlte bereits die Vorschau für 11; dafür gab es einen Bestellschein, wo "Mörder mit langen Haaren" schon verzeichnet stand. Darüber hinaus trug Band 9 auf dem Bestellschein noch den Titel "Schwarze Messe" statt "Braut des Teufels", ein Fehler, der eine Weile mitgeschleppt wurde.

Die Vorschau wurde erst wieder in Band 15 eingeführt. 4 Monate (!) ohne jede Werbung für den Folgeband erscheint etwas lang. Da dürfte sich der Käufer doch gefragt haben, ob es die Reihe überhaupt noch gibt oder nicht. Offenbar sah man im Hause Luther die Dinge aber nicht so eng. Gerade den Howart aber dann noch einmal ein Jahr später als Erber Grusel-Krimi 11 nachzudrucken, zeugt von einer gewissen Gleichgültigkeit. Immerhin hat die Neuausgabe einen gewissen Mehrwert. Da der Band zu kurz war, gab es als Zugabe noch eine Geschichte von Algernon Blackwood.

Über die Qualität des Krimis kann man geteilter Meinung sein. Wie die anderen Eckert-Romane ist das sauber konstruiert. Es erinnert an einen durchschnittlichen Fernsehkrimi im Stil von "Der Alte". Tatsächlich könnte man den Plot mühelos auch noch im Jahr 2017 übernehmen. Der Zufall, dass unser Kommissar ausgerechnet mit der Mörderin in Kontakt kommt und sich in sie verliebt, erscheint zwar arg unglaubwürdig. Andererseits war Eckert sichtlich ein konservativer Autor. Die Vorstellung fällt leicht, dass Rita in jedem Kinokrimi der Epoche eine Femme fatale gewesen wäre, die sich an den Kommissar heranmacht, um ihn zu verführen und auszuhorchen. Nicht bei Eckert. Hier ist es ein tragischer Zufall, der zu einem ziemlich rührseligen Ende führt. Besonders überzeugend ist das aber alles nicht.

Eher ins Zeitbild passt, dass der böse Dealer natürlich ein Ausländer ist. Rico, der Spaghettifresser, wie ihn ein Nachbar so schön beschreibt. Obwohl selbst das ein realistisches Portrait des bundesrepublikanischen Alltags ist. Damals waren eben die ungeliebten italienischen Gastarbeiter die Buhmänner. Die hingerichteten Männer kommen aus allen Schichten und bedienen letztlich alle Klischees. Der Ladenbesitzer mit den sieben Kindern will seine Frau wegen einer Jüngeren verlassen, der junge Casanova ist ein verantwortungsloser Arsch, und der reiche Unternehmer kommt mit einem Mord davon. Irgendwie darf da der dealende Ausländer nicht fehlen.

Umgekehrt dürfte vieles davon zur Veröffentlichungszeit schon ein alter Hut gewesen sein, wo wir wieder bei der konservativen Haltung des Autors sind. Wenn die verlassene Ehefrau mit den sieben Kindern ihren Mann wegen Ehebruchs verklagen will, entspricht das zwar durchaus der damaligen Rechtsprechung, aber dass das schwangere Mädchen den Strick nimmt, weil ihr Freund sie nicht heiraten will, erscheint dann doch sehr 50er Jahre. Dergleichen begegnet einem hier häufig. Es fällt daher schwer, die Motivation des moralischen Rächerpärchens gerade bei den ersten Opfern mit ihren banalen Beziehungsünden ernst zu nehmen. Andererseits waren die Köpfe der Leser 1972 nicht mit der endlosen Flut verrückter Serienkiller zugekleistert, deren noch abstrusere Motive mit genauso endloser Küchenpsychologie in drei Sätzen "erklärt" werden, dass sie mittlerweile völlig austauschbar und langweilig sind. Verglichen damit hatte solch rüdes Sozialverhalten damals vielleicht mehr Gewicht; da weiß Eckerts unaufgeregte Psychologisierung fast schon wieder zu gefallen.

Wie immer bei Eckert gibt es keine Sexszenen, es bleibt beim keuschen Kuss zwischen dem Kommissar und Rita. Die Mordszenen sind ebenfalls nicht besonders ausgeschmückt, allerdings ist Ricos Hinrichtung schon recht intensiv dargestellt. Auch wenn einem der Roman nicht gefällt, muss man dem Autor zugestehen, dass er stets eine sorgfältige realistische Charakterisierung und Darstellung auf die Seite bekam.

Letztlich ist das aber alles irrelevant. Die Geschichte hat in einer Horrorreihe nichts zu suchen. Punkt. Viele Käufer dürften sich nach der Lektüre überlegt haben, ob der Band 12 noch einmal den vergleichsweise hohen Preis von 3,80 DM – da kosteten alle anderen Kiosktaschenbücher bei geringerem Umfang noch 2,80 DM - wert sein würde. Spoileralarm: Nicht unbedingt.

Das Titelbild:
Das wieder gelungene Bild von Herbert Papala ist hier das Einzige, das dem Grusel-Genre treu blieb. Erneut ist es ein eher surreales Motiv, das sogar an den Titel denken lässt. Die sorgfältige Titelbildgestaltung von Papala verleiht der Reihe eine Identität, die sie inhaltlich wirklich nicht geboten hat..

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Kommentare  

#1 Toni 2018-01-15 19:19
Wer weiß, wo die Redaktion von Luther den Grusel gesehen hat. Vielleicht lag es an den Namen. Rita, Rico, Breithaupt. Ich weiß jetzt, warum deutsche Gruselautoren eher die englischen Namen bevorzugten :-)

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