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Happy Birthday House of Cards oder die Revolution unserer TV-Gewohnheiten

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... oder die Revolution unserer TV-Gewohnheiten

»House of Cards« hat eine sehr interessante Geschichte. Die in diesem Artikel nicht unbedingt erzählt werden wird, weil ich bisher noch nicht gekommen bin das dritte Buch der Trilogie zu lesen - abgesehen davon, dass ich zwar die BBC-Version auch hier habe, aber irgendwie auch nicht über Teil 1 hinausgekommen bin. Vielleicht liegt das daran, dass der Autor einfach beim Finale von Teil 1 schummelt und Teil 2 so fortsetzt, als hätte es ein bestimmtes Ereignis nicht gegeben.

Was beim Netflix-Original "House of Cards" mit Kevin Spacey nun nicht so vorkommt. Was generell nun nicht mehr vorkommt: Dass wir als Zuschauer unbedingt einem geplanten, vom Sender vorgegebenen Programm beim Fernsehen folgen.

Dabei ist es durchaus amüsant festzustellen, dass Netflix ja ursprünglich als reiner DVD-Verleih in den Staaten gestartet ist. Nicht als stationäre Ladenkette wie Blockbuster sondern schon in der "Du zahlst Monat für Monat eine Gebühr, dafür stellst du dir eine Wunschliste zusammen, wir senden dir dann DVDs per Post zu und du darfst die DVD so lange behalten wie du willst, bis du irgendwann man eine zurücksendest." Ein Modell, das sich heute überlebt hat, weil das Internet - in der Regel und wenn man nicht in gewissen Regionen Deutschlands zu Hause ist - das ruckelfreie Streamen von Bildinhalten ermöglichte. Und damit wandelte sich auch Netflix: Ein Portal, dass gegen eine monatliche Gebühr freien Zugang auf alles im Programm bietet. Amazon hat einen ähnlichen Ansatz, allerdings mischt Amazon noch Filme, die man leihen oder kaufen kann zwischen die Filme, die frei verfügbar sind.

Dass mit "House of Cards" Netflix die eigenen Algotrithmen auswertete, die feststellten, was die Nutzer am liebsten sahen und auf dieser Datenbasis eine eigene Serie entwickelte - das war revolutionär. Und während man zu Beginn noch skeptisch war, ob das ganze ein Erfolg werden konnte, so startete Netflix ohne es zu ahnen eine Revolution unserer Sehgewohnheiten. Wer heute gute Serien sehen möchte, der schaut sich eher auf Netflix als auf Amazon um. Obwohl Amazon auch versucht, einen eigenen Serienhit zu landen - irgendwie gelingt es dem Dienst nicht so ganz. Mit "The Handmaids Tail" hat kürzlich der Anbieter HULU - eine Art Mediathek für US-Serien-Inhalte, auch gegen Gebühr verfügbar - bei den Emmys abgeräumt. Dass "House of Cards" vom Erzählprinzip nichts Neues brachte, das hat HBO durchaus vorher schon bewiesen. Aber HBO ist noch im eher bekannten TV-Kosmos verankert. Schließlich ist HBO ein Pay-TV-Kanal, der Frequenzen im Funkspektrum belegt, damit Bilder auf das Fernsehgerät kommen. Sicherlich hat sich das auch mit der Technik gewandelt, aber HBO ist mehr am traditionellen Konsum dran als Netflix.

Mit "House of Cards" hat Netflix das Zeitalter des Binge-TVs eingeläutet. Zwar bricht Netflix auch hin und wieder damit, wenn Serien in Koproduktion mit anderen Firmen erstellt werden - und man dann doch wie bei "Riverdale" oder "Star Trek Destiny" in den wöchentlichen Rhythmus verfallen muss wegen der Lizenzen - aber dass eine komplette Serie mit allen 13 Folgen auf einmal online gestellt wird ... das gab es in der Form noch nicht. Sicher, bei einer späteren Auswertung von Serien auf DVD hatte man alle Folgen beisammen und konnte sich die Serie dann so ansehen. Bislang waren Serien im TV - ebenso wie Reihen - ein wöchentliches Ritual. Eines, auf das man sich vorbereitete, Vorfreude entwickelte, nach dem Ausstrahlen der Folgen mit den anderen Fans folgte eine Diskussion darüber, was wohl dies oder jenes bedeuten konnte. Zudem waren wir es auch gewohnt, dass Serien über lange Zeit 24 oder 26 Folgen pro Staffeln hatte. Die Verkürzung auf 13 oder weniger Folgen - die britischen Serien bieten traditionellerweise ja immer nur um die 8 bis 10 - erfolgt zwar schon vor "House of Cards", aber mit der Serie wurde uns das nochmal bewußt.

Nun ist die Vorfreude etwas, was uns beim programmierten linearen Fernsehangebot durchaus erhalten bleibt. Ebenso wie das Diskutieren darüber, was denn jetzt dieser Handlungsstrang geboten hat oder was der neue Charakter denn jetzt für einer ist. Diese Freude am Spekulieren fehlt natürlich, wenn eine Staffel komplett online ist. Ebenso kann man zwar über die Serie reden, aber da das Gegenüber eventuell erst bei Folge 2 ist während man selbst schon Folge 10 gesehen hat kann man sich nicht generell mehr gemeinsam darüber austauschen. Das ist so gesehen schon schade, denn der Spaß und Freude während der Serie gemeinsam zu rätseln und sich seine Meinung zu bilden, dieser Spaß entfällt wenn alle 13 Folgen auf einmal online sind.

Andererseits: Bei Serien, die eine größere Erzählung besitzen, ist das Bereitstellen von allen Folgen durchaus auch ein Vorteil, weil man dadurch die vielen Ebenen besser verfolgen kann bzw. den roten Faden besser im Blick behält. Weswegen RTL2 bei "Game of Thrones" ja auch immer drei Folgen nacheinander gesendet hat und weswegen ARTE das bei Serien an Donnerstagen auch ab und an tut - bei RTL2 hat zu Beginn ja auch mit den "Walking Dead" hervorragend funktioniert, aber dann scheinen die Zuschauer sich doch wieder an die eher traditionelle Art und Weise gebunden gefühlt zu haben. (Nachteil bei ARTE: Wenn man nicht aufpasst, hat man, zack, eine ganze Serie verpasst, weil die nur aus 6 Folgen besteht und nach zwei Wochen durch ist. Warum Wiederholungen bei ARTE nicht stattfinden ist die gute Frage für einen anderen Zeitpunkt.) Sogenannte Serienmarathons sind im normalen Fernsehen ja wirklich selten geworden. - Außer, irgendwelche Serien werden im Nachtprogramm wiederholt, wo dann gerne mal zwei, drei Folgen verhackstückt werden. "Farscape"-Fans in Deutschland kennen das...

"House of Cards" hat jedenfalls das Modell des Fernsehen auf den Kopf gestellt. Einerseits, weil es die erste Serienproduktion war, die von einem Nicht-Fernseh-Medium erstellt wurde - andererseits, weil es den Vorzug und die Bequemlichkeit des Streamens von Original-Inhalten für die Allgemeinheit erschloss. Und insgesamt ist die Entwicklung noch nicht zu Ende: Disney hat angekündigt, einen eigenen Streaming-Dienst zur Verfügung zu stellen - die Pilotfolge des "Ducktales"-Reboot lief zwar im TV, wurde aber auch bei YouTube ausgestrahlt und könnte durchaus Anreiz sein, ein Abo für den Dienst abzuschließen, wenn Disney da auch noch neue andere Inhalte produziert. Andererseits scheint die Deutsche Telekom momentan auch interessiert zu sein, neue Stoffe für ihr Modell zu finden. Inwieweit jetzt "Babylon Berlin" - als teuerste deutsche Serienproduktion gehypt, momentan bei SKY zu sehen, vermutlich aber auch demnächst bei der ARD, die hat das ganze neben Anderen mitfinanziert - sich als Startmodell für die Telekom erweisen wird, das muss man sehen.

Spannend wird es jedenfalls, wenn die Virtuelle Realität oder die Augmentierte Realität dazukommt. Noch ist nicht ganz absehbar, ob sich die ganzen Brillen für Konsolen und PCs durchsetzen - es gibt zwar einige interessante Spiele und Anwendungen dazu, iOS 11 hat ja für Tablets und Smartphones AR schon eingebaut. Allerdings ist für den Normalanwender noch nichts einsehbar, was für einen Zusatznutzen neben der neuen 3D-Sichtwelt diese klobigen Ausrüstungsgegenstände haben sollen. (Da sich 3D-Fernseher nicht im Wohnzimmer etabliert haben: Skeptizismus ist angebracht.) Aber vielleicht werden sich mit neuen Serienformaten, die etwas interaktiver sind, die eine neue Erlebniswelt mit sich bringen und die auch VR geschickt dazu nutzen, um andere Sichtweisen darzubringen - warum hat noch keiner "Rashomon" für VR umgesetzt? Das wäre ideal dafür - vielleicht wird das Fernsehen sich dann tatsächlich anschicken die dritte Dimension zu erobern. Vermutlich wird es nicht wie  in "Wild Palms" werden, andererseits möchte ich Schauspieler auch nicht als anfassbare Hologramme direkt im Wohnzimmer neben mir sitzen haben... 

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