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2017: Das Jahr der Schatzkisten

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne2017:
Das Jahr der Schatzkisten

In früheren Zeiten war es so: Man bezahlte den Preis für ein Computerspiel, installierte es, spielte es und hatte gegebenenfalls noch später die Möglichkeit Zusatzmaterial zu kaufen. Man bezahlte also einmal und hatte dann den Spielspaß komplett für sich alleine zu Hause. Selbst als allmählich sich das Spielen über LAN-Verbindungen etablierte und dann über das Internet brauchte man in der Regel nur das Grundspiel, für das man einmal einen Preis bezahlte.

Das hat sich geändert. Spätestens seit diesem Jahr. Lootboxen sind die neue Währung, Computerspiele sind auf einmal ein Service, der sich stets verändern wird und soll. Das heißt für den Spieler, dass das klassische Spielerlebnis so in der Form nicht mehr unbedingt gegeben ist. Doch rollen wir das Ganze von hinten auf: Lootboxen - was sind diese Schatzkisten eigentlich? Das Format der Lootboxen ist nun nicht gerade eines, dass im Jahr 2017 plötzlich auftaucht. Lootboxen gibt es schon länger und sie folgen den Mikrotransaktionen auf den Fuss. Bekanntermaßen erfinden Spiele gerne eine eigene Währung: Goldtaler, Silbermünzen, Diamenten... Wenn man in der Spielwelt Dinge kaufen möchte, dann setzt man diese Währung ein. Der Kniff bei Mikrotransaktionen: Wenn man reales Geld - also Euro oder Dollar - in diese andere Währung umtauscht, bekommt man als Spieler einige Vorteile, die andere Spieler nicht bekommen. Generell kennt man das von Spielen wie "Candy Crush" oder "FarmVille".

Mikrotransaktionen haben sich dann allmählich auch auf die größeren Spieletitel ausgeweitet. Verständlich, denn anstatt dass der Verlag nur einmal einen Geldbetrag einnimmt, sind Mikrotransaktionen eine fast ständige Einnahmequelle. Und so kann man echtes Geld für bestimmte Dinge wie andersfarbige Rüstungen, bessere Waffen, schnellere X-Wing-Fighter ausgeben. Natürlich betonen die Spiel-Verlage auch immer, man könne ohne diese Mikrotransaktionen das Spiel genießen - man braucht dann halt nur eine längere Zeitspanne, um das Ziel zu erreichen. Man kann, muss also nicht. Obwohl - der mehr oder wenige subtile Druck, doch Geld auszugeben wird dann doch ab und an so drängend, dass man durchaus diese "Freiwilligkeit" in Frage stellen kann. Vor allem, wenn man dann doch schneller vorankommt und keine 40 Stunden Ressourcen im Spiel scheffeln muss, um endlich einen der begehrten Hauptcharaktere zu ergattern. Ja, ich sehe dich an, "Star Wars Battlefield II"...

Lootboxen sind nun eine Weiterentwicklung dieses Konzeptes. Sie sind eine Art von Glücksspiel. Lootboxen beinhalten diverse Dinge, die für den Spieler entweder einen Vorteil bieten - also wie erwähnt, bessere Waffen, Charaktere, die man sonst sich mühsam erarbeiten muss - oder die kosmetische Dinge wie Farbsets für Rüstungen beinhalten. Bei kosmetischen Dingen, die nicht unbedingt für das Spiel selbst ausschlaggebend sind, ob das Einhorn nun rosa oder schwarz oder weiß ist - für das Erledigen des Endbosses ist das nicht wichtig. Wenn das Einhorn aber eine Rüstung erhält, mit der man den Endboss schneller erledigen kann, dann ist das durchaus spielentscheidend. Das Besondere dabei: Man weiß nie, was in welchen Lootboxen enthalten ist. Im Grund also spielt man eine Art von Roulette: Man gibt richtiges Geld aus, das in die andere Spielwährung konvertiert wird und erwirbt damit dann Lootboxen, in denen man Dinge erhält oder auch nicht. Beim Roulette kann man wenigstens Farben oder Zahlen aussuchen...

In einer Solokampagne haben Lootboxen eigentlich nichts zu suchen - und eigentlich hat dieser Mechanismus, wenn er Spielern Vorteile verschafft, die andere nicht haben, generell nichts in Spielen zu suchen. Wenn es nur um kosmetische Details geht, könnte man Lootboxen vielleicht noch rechtfertigen. Aber in einem Massive-Multiplayer-Online-Game wie "World of Warcraft" oder "Destiny" geben Lootkisten und Mikrotransaktionen anderen Spielern Vorteile, mit denen das eigentlich Spielvergnügen an sich verdorben wird. Wer nicht genügend Geld hat oder nicht genügend Zeit kommt im eigentlichen Spiel nicht mehr voran. Da Lootboxen selbst in Solokampagnen vorhanden sind, stellt sich die Frage, ob die Verlage in dem Fall nicht ein wenig zu weit gehen. Sicherlich sind Lootboxen eine weitere Einnahmequelle. Und es ist nicht so, dass die Spielercommunity an sich nun unbedingt gegen diesen neuen Trend aufbegehrt - außer, die Verlage gehen eine Spur zu weit wie unlängst bei "Star Wars Battlefield II". Auch, wenn die Verlage angeben, sie wollen nur das optimale Spielerlebnis schaffen: Diese Art von Ausreden rechtfertigen nicht die Gier, die hinter diesem System steckt. 2017 haben Lootboxen eine Reihe von Spielen erobert, die bisher bestens ohne diese ausgekommen sind. Wie die weitere Enwicklung aussehen wird, bleibt abzuwarten. Solange aber nicht generell ein großer Aufschrei aus der Community erfolgt, solange wird das System sicherlich vorhanden sein. Und sich vielleicht auch so etablieren, dass man bei Spielen demnächst nur noch dann weiterkommt, wenn man reales Geld in Spiele steckt, die man eigentlich schon längst gekauft hat. Denn das ist der eigentliche Knackpunkt gegenüber den Free-To-Play-Formaten.

Kommentare  

#1 Kaffee-Charly 2017-11-19 22:01
Ein Hauptgrund, warum ich das Interesse an Computerspielen verloren habe.
Für Leute, die nur gelegentlich spielen wollen (und können), ist das nichts mehr.

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