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Und jährlich grüßt das … Weihnachts(-TV-)programm

Zauberwind - Der Zwischenruf Und jährlich grüßt das …
… Weihnachts(-TV-)programm

Ich erwarte sie schon wieder, die Leserbriefe in Zeitungen, TV-Zeitschriften und auch im Internet. Sie werden wie immer einhellig sein und das Weihnachts-Fernsehprogramm beklagen. Einst in den Siebzigern, als es nur zwei (Voll-)Programme und das dritte waren, war Weihnachten immer die Zeit der Highlights in Sachen Spielfilm, Fernsehlegenden und TV-Klassiker. – Zumindest erinnern die Älteren unter uns das so …

 

Heute lästern wir (alten Säcke jenseits der vierzig) unseren Vorlieben gemä߅

  • … über Wiederholungen von Actionkrachern, Liebeskomödien und anderen ›Blockbustern‹
  • … neue Filme, die zu unterschiedlichen Sendezeiten an jedem Feiertag ausgestrahlt werden
  • … fehlende Klassiker zu den Hauptsendezeiten bzw. (neudeutsch) der ›Primetime‹
  • … liebgewonnene Filme in schwarz/weiß oder älterer Jahrgänge, die weit nach Mitternacht gezeigt werden

… und noch viele andere Dinge mehr.

Andere Zuschauergruppen mögen das anders sehen … Aber auch die werden Gründe finden, sich zu ärgern.

Damals in den goldenen Sechzigern und Siebzigern gab es zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten die ›Highlights des Jahres‹. Den ganzen Tag über jagte ein ›Hochlicht‹ das andere. Ohne das vertiefen zu wollen, sage ich mal: Ganz so schön war es dann doch nicht. Auch in den ›goldenen Zeiten‹ vor 40, 50 Jahren gab es hier und da immer mal wieder Leerlauf. Und am Heiligen Abend sollte man Teil einer Familie gewesen sein und Geschenke bekommen haben, denn das Programm zwischen 19:00 Uhr und 23:00 Uhr war eine Katastrophe. Da musste man sich die Zeit mit Spielen oder familiären Aktivitäten vertreiben. Wer da einsam war und das Fest allein verbringen musste, dem blieben Kälberstrick, Revolver, Schlaftabletten oder Alkohol. Denn das TV-Programm bot nur schwere Kost (wie auch am Karfreitag).

Ich halte die Aufregung um das Fernsehprogramm für deutlich übertrieben. Ich liebe zwar Filmklassiker und auch ich vermisse gewisse Filme. An »Quo Vadis« kann ich mich nicht satt sehen. Ich liebe es, wenn Burt Lancaster als Pirat durch die Wanten turnt oder John Wayne zum Eisen greift, Humphrey Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray für Ordnung auf einer Insel sorgen (verstärkt durch die Schlange Adolphe, die das Böse in Gestalt von Basil Rathbone ausradiert) und der Engel Clarence seine Flügel bekommt.

Diese Filme kommen (wenn überhaupt) zu unchristlichen Zeiten. Aber die Aufregung darum ist doch wohl eher für die Katz, denn die Quoten (und die sind das zusammen mit den so genannten ›Marktanteilen‹) sind die Messwerte, die zählen und über Wohl und Wehe von TV-Sendungen bestimmen. Wenn die nicht mehr stimmen und Sendungen abgesetzt oder spät in der Nacht ausgestrahlt werden, dann gehört der Fan dieser Sendung zu einer Minderheit. Und die dazugehörigen Programme werden dann nicht mehr zu den Hauptsendezeiten ausgestrahlt.

Nur ein Beispiel greife ich mal heraus (und das hat auch absichtlich nichts mit Weihnachten zu tun): »Lost« – in  den USA erfolgreich – floppte in Deutschland so spektakulär, dass PRO 7 die Serie zu Kabel1 abschob und selbst bei denen reichten die Quoten nicht. Die Serie verschwand ins Mitternachtsnirwana (wurde aber immerhin zu Ende gezeigt).

So ergeht es eben auch den Weihnachtsfilmen. Und dennoch: Ich schaue mir um 20:15 Uhr am Heiligabend (so wir denn ›Fernseh kucken‹ wollen) nicht die gebotene Kost der Sender an. Ich werde verfolgen was in Bedford Falls vorgeht und wie Clarence seine Flügel bekommt und beim »Auld Lang Syne« werde mir wieder ein paar Tränen in die Augen steigen. Hinterher werde ich mir dann das Trio Bogart, Ustinov und Ray geben, die am Ende ihren Heiligenschein kriegen und dann – wenn ich Lust habe – noch »Casablanca« nachschieben. Zusätzlicher Vorteil: Ich muss mich nicht mit deutschen Synchro ärgern, sondern kann mir das fröhlich alles auf Englisch geben – »Here's looking at you, kid.«

Denn seien wir mal ehrlich: warum soll ich mich – außer aus akademischen oder ›smalltalktechnischen‹ Gründen – aufregen? Warum soll ich mir ein Magengeschwür holen? Ich finde schon ›meine‹ Sendungen (»Früher war mehr Lametta«) und wenn ich nicht lese oder doch am Zauberspiegel schreibe, brauche ich das Angebot der TV-Sender (egal ob öffentlich-rechtlich oder privat) trotzdem nicht, denn im Gegensatz zu der Zeit vor 40 oder 50 Jahren gibt es doch Alternativen. Früher musste man (wenn man sehen wollte) auf das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender zurückgreifen. Heute kann ich den ganzen Schrott von dreißig und mehr Sendern komplett ignorieren. Wenn dann noch mal spät etwas kommt, was ich mir nicht anschauen kann, dann zeichne ich es auf.

Also: Es gibt kein wirkliches Problem, außer, dass der eigene Geschmack nicht dem der Majorität entspricht. So what!?

Kaum einen der Filme, die im deutschen Fernsehen zu den Klassikern zählen, kann ich nicht auf DVD bekommen. Also warum die Aufregung um des Kaisers Bart? Ich ›mache‹ mir mein Weihnachtsprogramm selber und schenke mir das alljährliche Gemaule.

Da rede ich doch lieber über Fußball, das Wetter oder die immer grässlicher werdenden Charts …

Kommentare  

#61 Jonas Hoffmann 2011-12-17 01:51
zitiere localhorst:
@Jonas

Ich seh Kerstins Beiträge als Web-Novela, und fühl mich ganz gut unterhalten. ;-)

Für mich ist das schlicht ständiges fremdschämen. Sorry Kerstin.
#62 Harantor 2011-12-17 01:55
@McEl: Ich glaube, Kerstin ist da kräftig und willensstark genug, als dass ich hier moderierend eingreifen oder Du Dich fremdschämen müsstest. Das hält sie aus.
#63 A.F.Morland 2011-12-17 10:19
Tolles Geschenk - sich das alljährliche Gemaule zu schenken.

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