Spindler, Erica: Stoßgebet
Verzweifelt und von Trauer überwältigt, versucht M.C. vergeblich zu verstehen, wie ihre Familie ins Visier eines gnadenlosen Killers kommen konnte.
Oder sollte letzten Endes etwas ganz anderes hinter den Morden stecken?
Getrieben von dem festen Willen, den Verbrecher für
seine Taten bezahlen zu lassen, macht M.C. gemeinsam mit ihrer
Partnerin Jagd auf den Mörder ihres Verlobten und ihres Cousins.
Diese bleiben nicht die einzigen Opfer. Erste Erkenntnisse bringen
die beiden Ermittlerinnen auf die Spur einer Bande jugendlicher
Cyberkrimineller und führen sie auf die Fährte eines
berüchtigten Auftragskillers, der mit eiskalter Präzision ein
unbekanntes Ziel verfolgt ...
Warum »Breakneck«, der neuste Roman der amerikanischen Krimiautorin Erica Spindler in der deutschen Übersetzung den Titel »Stoßgebet« erhalten hat, wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Weder geht der Titel mit dem der amerikanischen Originalversion in irgendeiner Art und Weise konform, noch hat er inhaltlich etwas mit dem Werk zu tun.
Diese Kleinigkeit sollte Fans spannender Kriminallektüre allerdings nicht davon anhalten, einen Blick in Spindlers jüngstes Machwerk zu werfen. »Stoßgebet« ist ein formidabler, spannender Krimi, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Eines vorweg: Ein wirkliches Meisterwerk ist »Stoßgebet« nicht. Dafür trägt die Autorin in Sachen Handlung ein wenig zu dick auf. Persönliche Betroffenheit der Ermittler ist zwar schön und gut. In »Stoßgebet« nimmt dieses Stilmittel allerdings geradezu kuriose Ausmaße an. Dass Detective Riggio nach Seite 100 überhaupt noch im Stande ist, ohne fortwährende Weinkrämpfe und Tobsuchtsanfälle zu arbeiten, mutet bei all dem, was Spindler ihr in Sachen schmerzhafte Verluste alles aufbürdet, mehr als nur ein wenig erstaunlich an.
Weiterhin mangelt es dem Roman an erzählerischer Tiefe. Die Handlung ist etwas zu stark auf die Aufklärung des Falls konzentriert und wirkt einfach zu nüchtern, als dass sie den Leser dazu bewegen könnte, wirkliches Entsetzen oder Mitleid mit M.C. zu empfinden.
Diese Schwächen ändern aber nichts an der simplen Tatsache, dass »Stoßgebet« ein sehr unterhaltsamer und bis zum Ende hin spannender Krimi ist.
Spindler mag es ein wenig übertreiben, was die persönliche Involviertheit ihrer Heldinnen angeht. Davon abgesehen hat sie jedoch einen mitreißenden Plot konstruiert. Die Geschichte schreitet ohne Längen vorwärts und ist gespickt mit interessanten, bisweilen recht überraschenden Wendungen. Zum Vorantreiben der Handlung setzt die Autorin dabei vor allem auf die Ermittlungsarbeit der Polizei aus Rockford. Statt wilder Action oder einer schier unglaublichen Aneinanderreihungen von Zufällen, durch die andere Krimiautoren ihren Storys oftmals neue Impulse geben, sind es Erkenntnisse aus Verhören, Zeugenbefragungen und forensischen Untersuchungen, die die Protagonisten Schritt für Schritt der Aufklärung der Mordserie näherbringen. Die polizeilichen Untersuchungen sind dabei kurzweilig in Szene gesetzt und immer wieder geschickt mit der (trotz aller Betroffenheit etwas zu oberflächlich geratenen) persönlichen Geschichte des Ermittlerduos verknüpft. Wer Freude an Fernsehserien wie »CSI« (dem Original) oder »The Closer« hat, der wird auch »Stoßgebet« einiges abgewinnen können.
Einen leichten Dämpfer erleidet die Handlung allenfalls gegen Ende hin, da die Auflösung des Falles ein wenig bemüht wirkt. Dem positiven Gesamteindruck kann dies aber glücklicherweise nicht besonders schaden.
Als sehr angenehm erweist sich der Stil der Autorin, der durch den Fokus auf Dialogszenen geprägt ist. Längere beschreibende Passagen finden sich nicht im Buch, vieles, insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung der Schauplätze, bleibt der Vorstellungskraft des Lesers überlassen. Durch diesen knappen, auf Gesprächssituationen setzenden Stil gelingt es Spindler, ihrer Geschichte ein solches Tempo zu verpassen, dass »Stoßgebet« rasanter wirkt als so mancher Actionthriller.
Alles in allem ist »Stoßgebet« ein gelungener Kriminalroman (als Thriller, wie es auf dem Cover zu lesen ist, würde ich den Roman nicht gerade umschreiben, dafür steht die Polizeiarbeit zu sehr im Vordergrund), der handwerklich wie auch inhaltlich größtenteils zu überzeugen weiß. Wer Erica Spindlers Roman zur Hand nimmt, der darf sich auf einige spannende Stunden mit einem vielfältigen Figurenensemble sowie einer fesselnden Story freuen. Krimifans, die gerne Romane lesen, in denen polizeiliche Ermittlungsarbeit mehr ist als bloß schmückendes Beiwerk, sollten sich das Buch nicht entgehen lassen.