Büchner, Barbara: Das Haus am Waldrand
Die Bewohner des Städtchens verhalten sich Leonie gegenüber reichlich seltsam. Die erste Person, die sie trifft, rät ihr gar, den Ort umgehend zu verlassen. Darüber hinaus hat ihr Großvater kaum Zeit für sie, und aus einem ihr unbekannten Grund leidet sie verstärkt unter Alpträumen, die irgendwie mit ihrer Vergangenheit zusammenhängen.
Irgendetwas, das wird Leonie schon bald klar, stimmt mit ihrer Geburtsstadt ganz und gar nicht. Allen voran die verfallene Villa am Stadtrand scheint düstere Geheimnisse zu bergen. Fest entschlossen, Licht ins Dunkel zu bringen, begibt sich Leonie auf eine Spur, die sie tief in die finstere Vergangenheit des Ortes führt ...
Mit »Das Haus am Waldrand« legt die österreichische Autorin Barbara Büchner, dem ein oder anderen auch bekannt für ihre Fantasyromane im Piper-Verlag (u.a. »Die Drachen«), die sie unter dem Pseudonym Julia Conrad verfasst hat, einen soliden, kurzweiligen Mysterythriller vor. In recht düsteren Bildern schildert die Autorin die Geschichte einer Tat aus ferner Vergangenheit, die ihre Schatten bis in die Gegenwart wirft.
»Das Haus am Waldrand« erinnert an eine Mischung aus den in Crailsfelden spielenden Romanen von Wolfgang Hohlbein (ein fiktiver Ort, der u.a. in »Katzenwinter«, »Magog« und »Nemesis« auftaucht) und den »Mystery«- bzw. »Mystery-Thriller«-Taschenheften aus dem Cora-Verlag. Letztgenannten ähnelt das Buch aufgrund der Beschreibung der Protagonisten jugendliche Hauptfiguren mit nicht ganz unkomplizierter Vorgeschichte, die in eine für sie neue, ungewohnte und reichlich unheimliche Situation geworfen werden und dem Aufbau der Story (hübsches Mädchen kommt an einen für sie fremden Ort, wo sie sich mit eigenwilligen Einheimischen herumschlagen muss; dabei findet sie neue Freunde, neue Liebe und stößt auf ein dunkles Geheimnis, dem sie auf den Grund gehen möchte). Stimmung und Atmosphäre hingegen ein düster-bedrohliches Szenario, das beim Leser das Gefühl erweckt, in jedem Schatten verbergen sich finstere Dämonen könnten glatt aus einem Hohlbein-Roman stammen.
Büchner versteht es, die beiden doch recht unterschiedlichen Stile zu einer stimmigen Einheit zusammenzuführen und daraus ein anständiges Maß an Spannung zu erzielen. Wie die Autoren der »Mystery«-Romane erzählt sie eine Geschichte, die den Leser dank der nach und nach erfolgenden Auflösung eines mysteriösen Rätsels an die Seiten fesselt, und wie Hohlbein verleiht sie ihrem Roman eine bedrückend-bedrohliche Stimmung, die der Leserschaft einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt.
Demgegenüber mangelt es dem Roman leider an erzählerischer Tiefe. Die knapp 150 Seiten, die das Buch umfasst, sind einfach zu wenig, um das der Story innewohnende Potenzial voll auszuschöpfen. Gerade das unterschwellige Gefühl der Bedrohung kommt zu kurz, ganz einfach deshalb, weil der Entfaltung der beklemmenden Stimmung nicht genügend Raum gelassen wird.
Ein weiteres Manko des Romans ist das Fehlen größerer Spannungsmomente. Zwar hält Büchner über das gesamte Buch hinweg ein konstantes Spannungsniveau. Mit Ausnahme des dramatischen Finales fehlt es ihrer Erzählung aber vollkommen an packenden (Zwischen-)Höhepunkten. Ein wenig unkonventioneller, weniger linear, hätte der Spannungsaufbau durchaus erfolgen können.
Alles in allem ist Büchner mit »Das Haus am Waldrand« ein gut zu lesender, recht spannender Mysterythriller gelungen. Wer sich hin und wieder in diesem Genre bewegt, der wird zwar wenig Neues geboten bekommen. Will man sich aber einfach mal wieder schaurig-schön unterhalten und sich eine mysteriöse, gut geschriebene Geschichte zu Gemüte führen, dann trifft man in jedem Fall die richtige Wahl, wenn man das Buch zur Hand nimmt. Lesern der genannten Werke von Hohlbein sowie der »Mystery«- bzw. »Mystery-Thriller«-Taschenhefte kann ich das Buch vorbehaltlos empfehlen.