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The Sacred Band (Leseprobe)

LeseprobeThe Sacred Band
(Leseprobe aus dem TEMPUS Roman)

Zur orginal-Version in englischer Sprache1. Betrug an den Moiren
„Wer bist du?“, fragt der Wachposten in einem gedämpften Ton; im Weiß seiner Augen und Zähne bricht sich eine Welle Sternenlicht, als sie den dünnen Nasenschutz seines Helms hinab schwappt. In dieser tief blauen Nacht tut sich nichts, hört man nichts als das Knistern von Fackeln im Lager hinter ihm. „Warum seid ihr hier?

„Critias. Belange der Heiligen Schar“, antwortet Crit, wachsam nach einem Lichtschimmer hinter dem Thebanerposten suchend, nach einem kurzen Aufblitzen vielleicht, oder einem noch tieferen Schatten, der ihm Schwert und Schild dieses Mannes Partners zeigen würde. Wie auch immer: hier vor ihm steht eines Paares linker Teil, der Führer des Paares, für einen Moment alleingelassen, verdutzt darüber schleicht er nach rechts, fühlt sich verwundbar auf seiner offenen Seite.

The Sacred Band „Wessen Heilige Schar? All die Unsrigen sind hier beisammen.“ Wieder das Weiß in seinen Augen: dieser Posten sucht nach seinem Partner, irgendwo in der Dunkelheit.

„Unserer. Der Heiligen Schar der Stiefsöhne.“ Crits Stimme festigt sich in seinem Hals. Hinter sich kann Critias seine Schwadron hören (das Scheppern eines Harnisches über unruhigem Schnauben und Huftritt: sein eigener eidgebundener Partner; zehn Paar Stiefsöhne-Kavallerie; ein stolz die Narben vieler Schlachten aufweisender Streitwagen aus fernem Land) - sie allesamt Fremde hier, in dieser Region namens Chaironeia.

„Was wollt ihr?“, verlangt der Wachposten; sich vorsehend der Gefahr um ihn herum. Heute Nacht ist dieser Wache Heilige Schar von Theben 300 Mann stark. Morgen werden sie vernichtet sein. Eines Tages wird man 254 ihrer Skelette ausgraben, unter der Statue eines Löwen. Und ebendort wird auch der Staub dieses Wachpostens sein.

Eines fernen Tages.

Crit wünscht er wüsste nicht darum. Aber sein Kommandant hat es ihm so erzählt.

„Was wollt ihr?“, wiederholt der Wachposten, zu herausfordernd, zu misstrauisch: ungeduldig; zur Eskalation bereit, die Rechte am Heft und die andere Hand seinem Partner signalisierend, nahbei verborgen in der Dunkelheit.

Tu es nicht, Junge. Ziehe jetzt jenes Schwert an deiner linken Hüfte und alles würde sich ändern – zum Schlechteren, für dich und all deine Brüder. Crit spannt seine Finger, aber behält beide Arme entspannt an seinen Seiten: Seine Schwadron hinter ihm ist mehr als genug Warnung.

„Unser Trupp – unsere Heilige Schar – mag hier an eurer Seite kämpfen“, antwortet Crit ruhig. „Tausende warten jenseits des Tals, mit der Absicht euch ein Ende zu bereiten. Ihr könntet Hilfe gebrauchen.“ Am Morgen werden Makedonische Truppen eure Frontlinie durchbrechen. Im Angesicht ihrer Phalanx aus Langspeeren werden eure Hilfstruppen desertieren, eure Schar hier alleine zum Sterben zurück lassen. Aber das darf ich dir nicht sagen. „Mein Kommandant, Tempus – der Geheimnisvolle, Günstling des Sturmgottes – möchte mit deinem sprechen.“

Derart hat Crit gerade einen Gott in die Unterhaltung eingebracht. Und gut hat er daran getan. Für die Thebaner liegt in dieser Vorwarnung die Gelegenheit sich vorzubereiten, zumal der Sturmgott wahrhaftig hier ist – immer dort ist, wo Tempus weilt.

Einmischung durch Enlil, Sturmgott der Armeen. Zu wenig und zu spät jedoch für diese verlorenen Kämpfer. Göttliche Intervention? Ein bisschen Erbarmen von oben? Vielleicht. Aber bloß für ein paar. Nicht für alle. Nicht mal für viele. Dieser Entsatz ist mehr Laune: der finstere Humor seines Kommandanten, eines Mannes, den jener Gott unsterblich gemacht hat, eines Mannes, der ein weiteres Mal Crits Seele erretten wird, zusammen mit den Seelen aller anderen.

Des Geheimnisvollen höllischer Streitwagen beginnt vorwärts zu rollen: langsam, langsam, die Pferde schnauben; ohne unmittelbare Bedrohung rücken sie Seite an Seite in einem wackelnden Trott vor; in ihrem Rücken ein aufkommender feuchter Wind, der Crits Mantel um seine Waden flattern lässt. Tempus hat lange genug gewartet und möchte, jetzt, seine Gengewart verdeutlichen.

„Hier bin ich, Crit“, sagt der Geheimnisvolle, mit einem Seufzer in der sanftesten seiner Stimmen, ein Tonfall, den er sich nur für Pferde oder wahrhaft Verdammte vorbehält.

Jetzt schält sich der Partner des Wachpostens aus den Schatten zu dessen Rechten, sie sprechen so leise miteinander, dass Crit, im stärker werdenden Wind, über das Rasseln des Streitwagens, die Worte nicht versteht. Der zweite Wachposten läuft los, mit knarzendem Leder, schnalzenden Sandalen, scheppernder Rüstung. Über ihnen beginnt der blauschwarze Himmel die milchig glänzende Straße von Sternen zu verlieren: Wolken, die aufquellen, um eine feuchtere Dunkelheit zu bringen.

Was tun wir eigentlich hier? Versuchen wir die Todgeweihten zu retten?

Das nähere von Tempus‘ Streitwagenrössern sabbert auf Crits rechte Schulter. Crits Partner, Straton, ergreift die Zügel des Gespanns von der anderen Seite. Eines der pechschwarzen Pferde schreit eine Herausforderung, hebt aber nicht seinen Kopf.

Critias weiß, was diese Thebaner sehen (diese bald schon Toten), während ihrer letzten Wache vor ihrem letzten Sonnenaufgang – er stellt sich vor, wie es auf sie wirken muss, wenn sie den Streitwagen betrachten: einen Streitwagen und seltsame schwarze Pferde wie sie noch nie gleiche gesehen haben, außer auf Darstellungen an verfallenen Tempelmauern; die unbändige Kraft seines Kommandanten an den Zügeln, mit dessem Partner rechter Hand daneben, in jenem Gefährt, das vom Herren der Träume und Schatten geschmiedet worden ist. In einer Heiligen Schar ist der Streitwagenlenker immer Befehlsführer: die Thebaner wissen nun, wer wer ist. Goldene Beschläge glänzen an den Rädern, auf Reliefen mit Darstellungen uralter Dämonen, die den traumgeformten Streitwagen verzieren, welcher den Geheimnisvollen trägt – auch genannt Tempus der Zwielichtige, Tempus der Schwarze, Tempus der Schlaflose – Herr über ihrer aller Schicksale, mit heldenhaftem Erscheinen und einem Blick, der einen Mann aus der Hölle zurück holen kann. Für ein letztes Mal.

Tempus hat Katzenpfote an seiner Seite, eigentlich Nikodemus geheißen, der nun schon wie oft für den Geheimnisvollen in diese Hölle und zurück gekommen ist? Niko ist die drahtige, ausgeglichene Kraft, die Tempus‘ rechter Partner ist. Auch ist er selbst ebenfalls ein Avatar des Sturmgottes Enlil, wenn auch widerwillig.

Diese beiden wollen 46 Kämpfer der Heiligen Schar von Theben retten, 23 Paare, deren Skelette nicht von späteren Menschen unter einer Löwenstatue gefunden und von deren Poeten besungen werden sollen. Warum? Um für eine Mission genügend Männer zu haben. Und Critias, oberster Offizier der Heiligen Schar der Stiefsöhne, hat zugestimmt gehabt – damals. Als ein Eingreifen noch nicht so frevelhaft gewirkt hat; Kämpferpaare von einem fernen Ort und einer fernen Zeit zu erretten, wo sie dem Tode geweiht sind, Schulter an Schulter, ehrenhaft, genau wie es ihr Schar-Eid verlangt.

Wenn der Ausgang schon feststeht, wozu dann überhaupt kämpfen?

Vielleicht wären diese (einmal als verschollen geltenden) 23 Thebanischen Paare auseinandergestoben und weggelaufen, hätten neue Leben begonnen, hätten Kinder gehabt ... Vielleicht würden sie das ja noch tun, können sie das noch tun. Aber Crit glaubt nicht daran.

Der Partner des Wachpostens kehrt zurück mit einem größeren, älteren Mann auf einem keuchenden Streitross und einem kleineren Mann, der nebenher läuft: mehr verdammte Liebhaber des Gottes – der Göttin – oder gar einander Liebhaber.

Crit hebt seinen rechten Arm auf Schulterhöhe, ergreift die Trense des linken Streitwagenrosses. Dieses Signal bloß bedarf es, um alle Berittenen der Heiligen Schar der Stiefbrüder aus der Dunkelheit hinter ihm näher rücken zu lassen. Gute Sache das, wo der Wind an Stärke zunimmt und der Sturmgott der Himmel selbst sich zu melden gedenkt. Crit fühlt sich besser, mit den Pferden der Stiefsöhne um ihn herum, wenngleich sein Partner Straton eines reitet, das von einer Hexe wiedererweckt worden ist. Anbetrachts der vielen bald-schon-Geister vor ihm, besorgt ihn das eine Geisterross der Stiefsöhne heute Nacht weniger als sonst.

Der Thebanische Kommandant (oder der Mnn, den sie als Unterhändler gesandt haben) reitet näher, ein stämmiges kleines Streitross zwischen seinen Knien. Sie müssen um ihr Schicksal wissen, diese Heilige Schar der Liebhaber. Sie haben viel gewonnen, haben zehn zu eins triumphiert, erzählen manche; drei zu eins allemal: sie haben Theben stark gemacht, zu einer Großmacht. Aber diese kommende Schlacht wird ihre letzte sein. Jeder Späher hätte sagen können, was sie am nächsten Morgen erwartete: eine Überzahl. Man muss nichtmal so weit zählen können, wenn man einer Tausendschaft Feinden gegenüber steht, bloß ein Tal weit weg, und Verstärkung noch dahinter. Wahrhaft eine Überzahl.

Mit einer Stimme, die klang wie Kies, der einen Hang hinab rutscht, sagt Tempus zu dem todgeweihten Mann: „Du sprichst für sie, für alle von euch?“

„Das tue ich. Theagenes.“ Kein Titel, kein Rang; keine Notwendigkeit mehr für derartiges.

Der Kammhelm dieses Thebaners wirkt wild, mit mandelförmigen Sichtlöchern, Lippen und Kinn zeigen sich ansatzweise durch einen schmalen vertikalen Schlitz. Theagenes Mantel wirde vom Wind über die Kruppe seines Pferdes geweht. Man kann seinem Gesicht nicht ablesen, was er von dem höllischen Streitwagen hält, aber die kauernde Haltung, in welcher er vorgebeugt auf seinem Pferd sitzt, während er seinem Partner bedeutet zurück zu bleiben, sagt Crit, dass ihre Nachricht angekommen ist.

„Du verlangtest nach mir?“, fragt der Thebaner den Geheimnisvollen.

„Das tat ich. Das tue ich noch. Tempus.“ Die Stimme Crits Kommandanten dringt knurrend aus dessen Kehle, der tödlichen Situation Rechnung tragend. Aber nicht einlenkend. Der Geheimnisvolle versucht etwas zu retten, wo kaum etwas zu retten ist. „Unser Sturmgott Enlil meint, ihr könntet etwas Hilfe benötigen. Und eure Göttin Harmonia stimmt ihm da zu.“

Das lässt den behelmten Theagenes so nahe heran reiten, dass Critias die tiefen und vorsichtigen Atemzüge jenes anderen Mannes erkennen kann, jenes Anführers jener anderen Heiligen Schaar der bald schon Toten. „Wenn euch die Götter sandten, um in dieser Schlacht zu streiten, dann sind die Götter Narren“, sagt Theagenes, in kaum mehr als gehauchten Worten, um seine Mannen hinter ihm nicht zu entmutigen. „Und was ist der Preis für diese Hilfe? Es gibt immer einen Preis zu zahlen.“

„Der Preis?“ Der Geheimnisvolle antwortet noch leiser: „Du wirst morgen alle deine Paare verlieren. Jeden Mann.“ Er lässt die Zügel knallen. Die Streitwagenrösser, mit Crit und Strat im Schlepptau, bewegen sich näher an den Thebaner heran: einen Schritt, zwei; und Halt.

„Warum seid ihr dann hier? Wir brauchen keine Hilfe beim Zählen unserer Toten. Bist du gekommen, mir das zu sagen, Tempus, Geheimnisvoller – wer immer du bist? Was macht das für einen Sinn?“

„Der Sinn ist Leben. Lass mich 23 eurer Paare, die morgen auf dem Schlachtfeld sterben würden, verschonen, und meine Heilige Schar wird hier bleiben und an eurer Seite kämpfen, bis zum bitteren Ende. Auch ich selbst. Und welchen Preis auch immer es dafür zu zahlen geben mag – du und die deinen werden ihn nicht begleichen müssen.“ Tempus‘ Kopf neigte sich fast nicht wahrnehmbar zu seinem Partner: Nikodemos, der neben ihm im Wagen stand, bereit wie ein Falke oder ein Jagdhund. „Ich habe elf meiner Paare hier ... und diesen Streitwagen. Ich verspreche, das wird ausreichen für das, was euch morgen erwartet. Wir werden euch auch die letzte Ehre erweisen, wie es eurem Ritus entspricht. Und es soll welche geben, die überleben, um Zeugnis von der Schlacht ablegen zu können. Ich werde dafür 23 deiner Paare mit mir fort führen.“

„Fortführen wohin? Sicher nicht ins Elysion, wie du aussiehst. Zu Hades gar? Dorthin kommen sie schon ganz allein, will es mir scheinen, auf direktem Wege.“

„Nicht in Sicherheit. Das weißt du genau. Aber hin zu einer Chance, dass sie weiterleben können. Um an anderen Tagen in andere Schlachten zu ziehen. Um ihr Wirken fortzuführen.“

Im Hintergrund, inmitten der Heiligen Schar der Stiefsöhne, drängt einer ihre Jünglinge sein Pferd zum falschest möglichen Zeitpunkt durch die Reihe wartender Kavalleristen, bringt andere Reiter dazu ihre Stellung zu wechseln und lässt manches Ross sich empörend erheben. Nikodemus an Tempus‘ Seite wendet sich im Streitwagen um und macht eine knappe, scharfe Handbewegung: Seid still! Jemand dort hinten gebietet dem drängenden jungen Stiefsohn schließlich Einhalt, bevor er auf eine Nähe heran kommt, wo Jungen nichts verloren haben. Crit hört einen dumpfen Schlag. Dann kehrt wieder Ruhe ein: Disziplin gewinnt wieder die Oberhand.

„Um ihr Wirken fortzuführen?“ Theagenes wiederholt den Satz ungläubig, bereit zu sterben, unfähig zu hoffen.

Bevor Tempus erwidern kann, ergreift der Sturmgott das Wort und Blitze erhellen den Himmel. Donner bricht über ihnen los, Wolken verhängen die Straße in den Himmel, welche das Sternenlicht gerade noch sanft beschrieben hat. Fast übergangslos folgt Donnerschlag auf blendend-weißen Blitz. Pferde schreien und wiehern.

Der helle Lichtschein der Blitze enthüllt Männer und Pferde, die langsam aber nicht schleichend von den Zelten des Lagers der anderen Heiligen Schar anrücken, die Hufe ihrer Rösser mit Leder umwickelt. Diese Taktik kann Critias nicht aus dem Konzept bringen. Er hätte das selbe veranlasst. Überleben hat nun mal seine eigene Etiquette.

Und was sehen die Thebanischen Hopliten im andauernden Zerreisen des Himmels, dieser hell-weißen Glorie Enlils Blitzen? Die Zukunft, aber nicht die ihre: Kavalleristen in Paaren; gepanzerter Tod formiert im Glied; grimmige Männer auf hohen Pferden mit Waffen aus Blitzlicht, maßgeschneidert für ihre Aufgabe; Männer, die nach Kämpfen lechzen, so die Götter es wollen – die Heilige Schar der Stiefsöhne, hervor kommend aus Schatten und Finsternis.

Es kann also doch noch anders kommen. Crit pfeift seine Einheit zur Bereitschaft, bezweifelt aber die Notwendigkeit dessen: Jeder erkennt die lauernde Gefahr, niemand unterschätzt sie. Pferde scheuen im grellen Licht. Noch nie waren so viele von ihnen vor so wenigem so erschrocken. Doch dann übernimmt wieder die Dunkelheit der Nacht die Vorherrschaft über ihren Köpfen. Die Spannung zwischen Tempus und Theagenes ist so hoch, dass es regelrecht befreiend und erlösend wäre, jetzt gegen die andere Heilige Schar zu kämpfen, satt morgen an ihrer Seite, verdammmt bis auf den letzten Mann wie sie auch sein mag.

Doch das ist nicht, was der Geheimnisvolle will, oder was der Sturmgott der Armeen will, oder was Nikos Maat, sein Geheimnis aus Ausgeglichenheit und Gerechtigkeit will. Oder wir wären nicht hier. Jetzt, in diesem Moment. Geht es hier wirklich bloß darum, eine neue Heilige Schwadron zusammenzustellen, um sie auf die Welt Zuflucht schicken zu können, eine Diebeswelt, wohin keiner der Stiefsohn-Veteranen freiwillig zurückkehren würde? Nach Zuflucht, wo die Götter selbst verkündet haben, dass die Schar genug getan hätte, und sie aus dem Dienst entlassen haben? Critias hasst Zuflucht mehr als jeden anderen Ort, an dem er je war. Aber sie hatten nun junge Krieger in ihren Reihen, die Erfahrung sammeln mussten: einige von ihnen auf Rache sinnend, andere selbst göttlicher Abstammung, wieder andere mit Verwandten in diesem Höllenloch Zuflucht. Zuflucht würde diese Jungen abhärten wie kein anderer Ort es vermag. Und außerdem hat Tempus selbst nie verkündet, dass sie fertig mit Zuflucht wären.

Nun wartet Tempus und beobachtet mit abgenommenem Helm, starrt Theagenes einfach bloß aus diesen langen schmalen Schlitzen von Augen an; er geht nicht ein auf Theagenes „Ihr Wirken fortzuführen?“. Nachfragende Worte eines Mannes, der im durchdringenden Blick Crits Kommandanten gefangen war.

Crit ist weder Hexer noch Priester, noch einem Gott geweiht oder, so hofft er, von einem Gott verdammt. Er ist nicht magisch begabt, bestenfalls stoisch im Antlitz Tempus‘ oder des Unbekannten, aber diese Mission lässt ihm die Zunge gefrieren und seinen Atem schneller gehen. Crit ist bloß ein normaler Soldat. Bei einem Würfelspiel mit den Göttern vermag er seine Chancen nicht zu bestimmen. Er klammert sich an Trense und Geschirr des Pferdes mit der einen Hand, umfasst den Griff seines Kurzschwertes mit der anderen und wartet ab, was die Thebanische Heilige Schar tun wird. Die Götter selbst müssen ihre Hand im Spiel haben, bis zum Ellenbogen tief, sonst kämen nicht Blitz und Donner das Thebanische Lager erhellen wie an einem Festtag, wo doch die Verdammten in diesen Zelten für die morgige Schlacht Schlaf und Stärkung suchen sollten. Statt durch die Nacht heran zu schleichen, gerüstet und bereit.

„Nicht in die Sicherheit“, sagt der Geheimnisvolle schließlich ein weiteres Mal. „Um an anderen Tagen andere Schlachten zu schlagen. Um fortzuführen.“

Dann seufzt dieser Theagenes: „Nicht in die Sicherheit. Für Harmonia. Wir verlangen nicht zu sehr das Leben, wir verlangen nicht zu sehr den Tod.“

Das Credo offenbar dieser seltsamen Heiligen Schar. Die nicht einem Schutzgott verschworen sind wie Enlil, sondern einer Göttin: Harmonia. Wohl Nikos Maat ähnlicher.

Und schließlich spricht Tempus, tief aus seinem Innersten: „Wie die Götter es bestimmen.“

Nun wiederholt Theagenes das Angebot des Geheimnisvollen: „Andere Schlachten zu schlagen. Ihr Wirken fortzuführen. Das kann ich akzeptieren, und gerne sogar“, stimmt der Mann ein, der weiß, dass das nächste Morgengrauen sein letztes sein wird.

Wäre Crit nicht so nervös, dass die Thebanischen Kämpfer jeden Moment ein Scharmützel beginnen könnten, würde er beinahe um sie weinen. Doch näher und näher rückt sie heran, diese andere Heilige Schar. Schlüpfen lautlos und scheinbar unbesorgt durch die Nacht, um seine Stiefsöhne zu umzingeln. Und sich dann als linker und rechter Flügel, sowie Vor- und Nachhut der Stiefsöhne aufzustellen, wölfisch verwegen.

Im letzten Moment hat der Geheimnisvolle gesprochen: „Einverstanden“, ist vom Streitwagen gestiegen, um Theagenes' Hand zu ergreifen. Klingen zucken aus den Scheiden, Speere werden aus Vorsicht ausgerichtet, Pfeile auf Sehnen gelegt, aber über ihnen rollt wieder Donner, wie als Applaus aus dem Himmel. „Crit“, spricht der Geheimnisvolle über seine Schulter. „Niko. Ihr wisst, was zu tun ist.“

Irgendwo in der Nacht heult ein einsamer Wolf. Und ihm wird geantwortet.

Übersetzung ins Deutsche von Wolfgang Trubshaw
© 2010, Paradise Publishing

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2011-06-29 10:02
Der Link zu Amazon geht nicht. :)
Ansonsten liest sich das ganze sehr interessant. Lob an den Übersetzer.

Harantor sagt: Jetzt funktioniert der Link

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