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Valeria Messala Barbata: Sie nannten sie »Messalina« - Don‘t mess with Messalina!

Sie nannten sie »Messalina«Valeria Messala Barbata - Sie nannten sie »Messalina«
6. Don‘t mess with Messalina!

Frauen stand im alten Rom kein eigentlicher Vorname zu, so daß der Name des Familiengeschlechts in seiner weiblichen Form als solcher fungierte.

Eine Julia gehörte zum Beispiel dem Geschlecht der Julier an, eine Claudia dem der Claudier, eine Valeria dem der Valerier, und eine Messala den Messalern (eine Teilsippe der Valerier).

Eine Möglichkeit, der Dame etwas Individualität zu verleihen, war ein Beiname wie „die Ältere“, oder aber eine verniedlichende Verkleinerungsform. So heißt „Messalina“ nicht einfach „die zum Geschlecht der Messaler gehörende“, sondern: „Die Kleine aus dem Geschlecht der Messaler“. Daß in ihrem Fall nicht der Name der eigentlichen Familie, sondern der einer bestimmten Untersippe gewählt worden war, dürfte ebenfalls darauf zurückzuführen sein, daß man sie von anderen Verwandten gleichen Namens zu unterscheiden suchte.

6. Don‘t mess with Messalina!
Die Jahre 43 bis 47 sollten sich wie eine einzige Abfolge „von Ausschweifungen, Diebereien und eiskalt geplanten und ausgeführten Morden“ (Mazzei) lesen. Mit am Anfang stand eine Nichte des Claudius, die wie Senecas Freundin und Agrippinas Schwester auf den Namen „Julia Livilla“ hörte. Nach Cassius Dio sollen Neid und Eifersucht der Grund gewesen sein, während Mazzei aufgrund einer Passage bei Tacitus spekuliert, das Opfer könne eine Christin gewesen sein.

Unterdessen führte Mnester die Gattin des Kaisers nicht nur in immer größere Orgien hinein, er betrog sie auch zunehmend öfter, insbesondere mit Poppea Sabina. Dabei fühlte er sich so sicher, daß er es sogar wagte, sich in aller Öffentlichkeit über Claudius und dessen Gemahlin lustig zu machen. Zu der Zeit verbrachte er soviel Zeit mit seinen Gespielinnen, daß er das Theater vernachlässigte, und wenn dort ein Zuschauer verlangte, der Princeps solle dem Mimen mehr Zeit für Vorführungen lassen, wußte der nicht, was gemeint war. Bei einem seiner wenigen tatsächlichen Auftritte ließ sich Mnester dann vom Applaus zu einem Scherz verleiten, bei dem er im Beisein des kaiserlichen Paares beinahe allen Anwesenden von seinen „Pflichten“ im Palast erzählt hätte.

Beim Übergang zum Jahr 44 ist Messalina seiner überdrüssig, wie er wohl schon seit längerer Zeit ihrer. Dafür ist nun die Rede von ständig wechselnden Liebhabern und Geschlechtsakten mit unbekannten Partnern. Es ist diese Epoche, der die Kaiserin ihren Ruf als maßlose Nymphomanin ohne Selbstbeherrschung verdankt. Doch ihre ausschweifende Hemmungslosigkeit beschränkte sich nicht allein auf das Sexuelle; gleichzeitig ließ sie eigenmächtig enteignen, veruntreuen und auch morden. Es macht ganz den Einruck, als haben wir es hier mit einer Frau zu tun, die alles erreicht hat, und sich doch noch nicht befriedigt fühlt. Die mit spätpubertär übersteigendem Selbstverwirklichungsdrang ausprobiert, was sie ihrer Umgebung zumuten kann, und welche neue Erfahrung ihrem langweiligen Dasein vielleicht doch noch einen Kick verpassen kann.

So veranstaltete sie weiter fröhliche Zusammenkünfte, Festmähler und Orgien, und wo Mnester sich rar machte, füllten andere Liebhaber die Lücke (Wer diesen Satz als Wortspiel verstehen möchte, darf es tun; er war jedoch nicht als solches beabsichtigt). Edelprostituierte und vornehme Damen aus dem Adel fanden sich hier gleichermaßen ein, und wer nicht selbst fremdging, der erfreute sich am Anblick seines oder seiner Angetrauten in den Armen und Beinen von jemand anderem. Das Ganze konnte neben dem hedonistischen auch einen religiösen Aspekt haben, war dies doch die Epoche, in der sich östliche, teils sehr sinnliche Mysterienkulte mit den althergebrachten römischen Riten mischten. Und Messalina war mittendrin. Ein besonders gern kolportiertes Histörchen stammt von Plinius, dem Älteren. Ihm zufolge strebte sie einen Siegerkranz an für die meisten vollzogenen Geschlechtsakte in Folge, und forderte dazu eine der bekanntesten Huren Roms zum Wettstreit heraus. Wie auch immer dieser doppelte Gangbang ausgesehen haben mochte, die Professionelle gab nach 25 Freiern auf, während es der Kaiserin gelungen sein soll, insgesamt einen Tag und eine Nacht mit wechselnden Partnern durchzuvögeln.

Entsprechend willkürlich soll ihre Auswahl bei den Gespielen inzwischen geworden sein. Tacitus nennt schließlich gar keine Personennamen mehr, sondern gleich ganze Geschlechter: „Titier, Vetier und Plautier“. Plautius Lateranus gehörte zu den Letztgenannten und stand in dem Ruf, schlechte Gesellschaft in düsteren Kneipen zu lieben. Vetius Valens dagegen war der Leibarzt der Kaiserin, der den Akt mit ihr vielleicht auch vollzog, um gesellschaftlich aufzusteigen. Aulus Vitellius war der Sohn des Schuh- Fetischisten Lucius Vitellius, und würde später einmal für kurze Zeit selbst Kaiser von Rom werden. Aber wer auch gerade Messalinas Liebhaber war, sie ließ jeden schon nach kürzester Zeit wieder fallen. Mazzei vermutet, daß sich das Herz der inzwischen Zwanzigjährigen verhärtet habe, und sie verzweifelt versuchte, die Leere im Innern mit sexuellen Eskapaden und den dunklen Geschäften der Freigelassenen vergessen zu machen. Und binnen Kurzem stand auch Narcissus‘ Kollege Polybios auf der Liste ihrer Bettgefährten.

Natürlich gab es da immer noch Claudius, aber den konnte sie bei ihren zunehmend exquisiteren Ausschweifungen nun wirklich nicht gebrauchen! Also instruierte sie einige ihrer Dienerinnen, ihn abzufangen und zu verführen, sollte er Anstalten machen, seine Frau aufzusuchen, um eheliche Pflichten zu erfüllen. Aber er wußte sich auch so zu trösten, ließ er sich nach Tacitus doch nicht nur von einer, sondern gleich von zwei Prostituierten begleiten, „Cleopatra“ und „Calpurnia“ mit Namen. Und dann war da noch Agrippina: Ihr Treiben hätte Messalina Kopfzerbrechen bereiten sollen, doch sie war ja anderweitig beschäftigt…

Vermutlich im Folgejahr verbreitete sich das „Märchen“ (laut Sueton), auf Agrippinas damals achtjährigen Sohn Nero wäre ein Anschlag verübt worden, aber die Götter hätten eine Schlange entsandt, die unter dem Kissen hervorgekrochen wäre, und den Meuchelmörder in die Flucht geschlagen hätte. Die Botschaft war natürlich, daß der Junge unter dem Schutz und dem Segen der höheren Mächte stand, und mit dem ihm eigenen Hang zur Protzerei trug er seitdem ein Armband aus Gold und Schlangenleder, um jeden am diese Legende zu erinnern (Es wäre ein Schutzamulett, gefertigt aus dem Häutungshemd, welches das Tier in seinem Bett hinterlassen hätte, und es würde ihn vor künftigen Anschlägen behüten).

Wo es ein Opfer gab, mußte es natürlich auch einen Täter geben, und der Volksmund wußte nur zu schnell, Messalina die Schuld dafür zu geben. Ihr Ansehen hatte also arg gelitten, und da ihr Gatte nichts tat, um sie im Zaum zu halten, war es auch um sein Renommee nicht mehr allzu gut bestellt. Cassius Dio zufolge „mißfiel es allen zutiefst, daß er der Sklave einer Frau war“, der gegenüber er fide Sueton „nicht die Rolle des Princeps, sondern die des Dieners spielte, ohne etwas zu merken und ohne etwas zu sehen.“

Aber nicht Messalina allein kannte keine Grenzen mehr, auch Narcissus stieg sein Erfolg zu Kopf. Als Claudius im Senat einen „Galesus“ verhörte, der an der Verschwörung des Scribonianus verwickelt gewesen war, trat der Freigelassene vor, baute sich vor dem Kaiser auf und fragte den Angeklagten: „Sag mal, was hättest du getan, wenn es Scribonianus gelungen wäre, an die Macht zu kommen?“ Zur Antwort erhielt er: „Vor allem hätte ich mich davor gehütet, meinem Herrn den Rücken zuzuwenden; ich hätte stillgeschwiegen und wäre hinter ihm stehengeblieben, um auf seinen Rücken zu sehen.“

Dem Prätorianerpräfekten Justus Catonius mißfiel Narcissus‘ respektlose Eigenmacht derart, daß er beschloß, den Kaiser zu unterrichten von den Umtrieben der Freigelassenen, sowie von den Orgien seiner Frau, die dermaßen lautstark wären, daß ganz Rom von ihnen zu berichten wüßte. Doch wie mächtig die Beschuldigten inzwischen geworden waren, zeigt sich daran, daß nicht sie am Galgen endeten, sondern eben Prätorianerpräfekt Justus Catonius. Don‘t mess with Messalina!

Nichtsdestotrotz hatte Narcissus‘ Respektlosigkeit im Senat zur Folge, daß sich Claudius mehr und mehr auf einen der anderen Freigelassenen verließ, nämlich Polybios. Auf den Polybios, der schon Messalinas Bett kennengelernt hatte…

Als es um die Jahre 45 und 46 ein weiteres Komplott gegen Claudius gab, soll Messalina wieder ihre Macht ausgespielt haben. Zum einen wurde Agrippinas Schwager und Julia Livillas Witwer Vinicius vergiftet, wieder einmal angeblich, weil er die Avancen der Kaiserin zurückgewiesen haben soll. Zum anderen soll sie die Hinrichtung eines „Sabinus“ verhindert haben, „weil er einer ihrer Geliebten gewesen war“ (fide Cassius Dio). Ein Gaius Nymphidius Sabinus, der in der Zeit um Neros Tod eine Rolle spielen sollte, hatte zu den Gästen ihrer Empfänge im Palast gehört; vielleicht ist er gemeint gewesen.

Aber auch mit Claudius ging eine Veränderung vor. Zwar gab er sich weiterhin als nahbarer und menschlicher Herrscher, doch sorgten seine Freigelassenen dafür, daß er mehr und mehr wie ein Gott angesehen wurde, so wie es schon bei Caligula der Fall gewesen war. Für die Freigelassenen brachte es eine Erhöhung ihres eigenen Status mit sich, dienten sie damit doch einem Gott. Und Messalina, sie war dessen Gemahlin… Was aber geschieht psychisch mit einer Ein- oder Zweiundzwanzigjährigen, der alle erzählen, sie sei göttlich?

Auf jeden Fall gelten Götter als unnahbar.

Dies war die Zeit, in der sie begann, sich nächtens wie eine Prostituierte zurechtzumachen (inklusive des Nippelschminkens), und mit einer blonden Perücke und dunklen Gewändern getarnt durch die Vergnügungsviertel Roms zu spuken, begleitet nur von einer vertrauten Sklavin. Unter dem Namen Licisca wurde sie schließlich in einem Bordell eingestellt (Lycisca bedeutet in etwa soviel wie: „die Wölfische“, kann aber auch „die Nuttige“ meinen). Doch wie viele Freier sie auch immer über sich hinüber steigen ließ, bei Anbruch des nächsten Morgens war sie Juvenal zufolge stets „müde, aber nicht befriedigt“.

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