Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.
Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?
von Eark Warren (Walter Appel)
Vampir Horror-Roman Nr. 84
September 1974 / DM 1,20
Pabel Verlag
Der in einem kleinen Taunus-Städtchen ansässige Millionär Sebastian Braun, hat sich mal wieder etwas für seine Antiquitätensammlung schicken lassen. Diesmal ist es eine große Kiste mit einer Mumie aus Mexiko. Der Lademeister der Speditionsfirma vermutet, dass dieses seltene Artefakt mindestens eine Millionen gekostet hat. Der Fahrer ist neugierig und öffnet unterwegs den provisorischen Sarg und erschrickt bei dem Anblick zu Tode. Sein Herz setzt einfach aus. Nachdem die Fracht, übrigens ein Geschenk von seinem Freund Professor Ramirez, der die archäologischen Abteilung der Universität von Mexiko City leitet und sich für Brauns großzügige Spenden somit bedankt, angekommen ist, reiht Braun sie in seine Sammlung ein. Er hat extra dafür einen passenden Sarkophag gekauft. Seine Freundin Gerda Link ist wenig erbaut über die Mumie. Sie meint, dass dieses Ding eine böse Aura hat. CUITLAHUAC wird trotzdem das Prachtstück von Brauns Sammlung.
Im Hotel „Zum Hessischen Hof“ platzt dem Besitzer, August Trent, gerade der Kragen. Ein Gast aus Mexiko und sein mehr als leblos wirkender Diener, nerven mit einem seltsam disharmonischen Flötenspiel. Als Trent dem neuen Gast die Hausregeln erklärt, es ist gerade Mittagszeit, zeigt dieser wenig Verständnis, verspricht aber dennoch widerwillig Besserung. Das kann ja heiter werden.
Robert Romen, Leader einer angesagten Beat-Band, besucht seinen ehemaligen Gönner und gelegentlichen Berater Sebastian Braun und wird Zeuge eines merkwürdigen Vorfalls. Ein Mexikaner namens Julio Calaveras wird vorstellig und möchte die Mumie kaufen. Er droht dem Millionär, der er sich leider nicht Willens zeigt, mit schrecklichen Prophezeiungen. Als er „gegangen wurde“, hören sie von draußen eine unheimliche Flötenmelodie. Gerda schwört, dass sich die Mumie kurz aufgesetzt hat und nach ihnen greifen wollte. Als die Musik stoppte war der Spuk vorbei.
Nach einem gemütlichen Zusammensein mit Robert Romen und seiner Freundin Uschi Trent, kuscheln Braun und Gerda noch auf der Hollywoodschaukel. Als es gerade spannend wird, erklingt wieder die Flötenmelodie des Mexikanischen Spinners. Seelenruhig marschiert er wie ein Ein-Mann-Spielmannszug Brauns Auffahrt hinauf. Der Millionär verfällt in eine seltsame Starre, aus der ihn Gerda wieder befreit. Der Mexikaner scheint mit seinem Spiel fertig zu sein und geht, aber oben in dem Raum mit Brauns Sammlung ist der Teufel los. Dieser holt eine Pistole und schießt ein paarmal ins Halbdunkel. Als er Licht macht, liegt die Mumie mit einer Kugel in der Brust in ihrem Sarg. Scheinbar hat die Musik sie geweckt und wild gemacht – der Raum ist komplett verwüstet.
Uschi Trent, die Tochter des Hotelbesitzers, bittet ihren Freund Robert, sich im Zimmer des Mexikaners umzusehen. Als sie selber, zufällig, die Gelegenheit hatte (vom Zimmermädchen herbeigerufen), sah sie den Diener von Calaveras wie tot auf dem Boden liegen. Allerdings war er eine halbe Stunde später wieder auf den Beinen. Der Musiker tut ihr den Gefallen, schnappt sich einen Zweitschlüssel für das Zimmer, und findet Antonio im gleichen Zustand. Zufällig ist Dr. Tropenhauer, ein Gast des Hauses, anwesend und bescheinigt das Ableben des Dieners. Schließlich findet sich Calaveras wieder im Hotel ein und regt sich maßlos auf. Er verbarrikadiert sich in seinen Zimmer und spielt seine unheimliche Melodie. Als die Polizei eintrifft, steht sein Diener wieder hinter ihm und alle anderen schauen blöd aus der Wäsche. Polizeiobermeister Klapka versteht die Welt nicht mehr, denn kurz vorher war der Millionär Braun in seinem Revier und meldete einen Einbruch. Eine Mexikanische Mumie soll randaliert haben. Dass alles irgendwie zusammenhängt, ahnt der Polizist nicht.
Calaveras ermahnt Braun noch einmal, die Mumie endlich rauszurücken. Aber dieser lehnt vehement ab. Er holt sich lieber Verstärkung in Form von drei Hunden, bewaffnet sich und bekommt zudem noch Unterstützung von Robert Romen und Uschi Trent. Am späten Abend ist es dann soweit. Die vier Freunde vernehmen zunächst das Bellen der Hunde, welches schließlich in klägliches Gewinsel übergeht. Dann ertönt die Flöte mit der Melodie des Grauens und schließlich schreitet die Mumie die Treppe hinab. Die Waffen sind nutzlos und nach einem kurzen Kampf tötet Cuitlahuac den Millionär Sebastian Braun. Hätte er doch bloß nachgegeben.
Kommissar Walter vom Morddezernat übernimmt die Ermittlungen und steht vor einem Rätsel. Jeder ist verdächtig, sogar die Freunde des Toten. Gerda Link ist Brauns Haupterbin und bekommt somit auch die Sammlung des Millionärs. Ein paar Tage später wird sie von Calaveras kontaktiert. Sie trifft sich mit ihm im „Hessischen Hof“. Robert Romen ist auch zugegen. Schließlich kommt es, nachdem Gerda dem Verkauf nicht zustimmt, zu einer Schlägerei. Calaveras Diener zeigt dabei sein wahres Gesicht und tötet mit unbändiger Kraft fast den Musiker. Der Mexikaner zieht von dannen, stößt dabei aber noch ein paar wüste Drohungen aus: Gerda soll nicht den gleichen Fehler begehen wie Sebastian Braun.
Romen macht Gerda Link den Vorschlag, ihm die Mumie zu überschreiben, damit sie diese Sorge endlich los ist. Sie willigt ein, aber dann wird es unheimlich: Irgendjemand schiebt ihr einen Zettel mit der Handschrift Sebastian Brauns unter ihrer Zimmertür durch. Der tote Millionär möchte sich mit ihr in der Pappelallee treffen, da sie in Gefahr sei. Am anderen Morgen findet man sie mit ebendiesen Zettel in der Hand unter den Pappeln.
Robert Romen quartiert sich in der Villa von Braun ein und bekommt Unterstützung von einem Kripobeamten namens Harry Drewitz. Die jungen Männer freunden sich schnell an. Kurz darauf bekommt Romen einen Anruf von Calaveras. Er lässt ihn abblitzen. Am Abend kommt dann der erwartete Angriff, doch die Mumie, durch das Flötenspiel geweckt, ist immer Keller eingeschlossen und kann nicht hinaus. Die Attacke wird abgewehrt.
Romen trifft einige Vorbereitungen. Er studiert die Melodie des Todes auf einer kleinen Flöte ein und probiert sein Können an einer Katze. Uschi Trent wird von Calaveras geschnappt und als Druckmittel benutzt. Romen muss den Kripobeamten Drewitz ausschalten. Als der Mexikaner mit seiner Schar toter Begleiter erscheint, er hat Sebastian Braun und Gerda Link ebenfalls wiederbelebt, kommt es zum Showdown. Calaveras erweckt die Mumie und hetzt sie auf Romen, der wiederum seine Version der Melodie auf seiner kleinen Flöte spielt. Cuitlahuac ist irritiert und mächtig sauer auf Calaveras, der sich erdreistet hat, seine Totenruhe mehrmals zu stören, und tötet den größenwahnsinnigen Magier mit seinem Obsidianschwert. Danach befiehlt er, die Villa in Brand zu stecken um somit alles Unheilige zu vernichten und Ruhe zu finden. Gesagt, getan - der Spuk ist vorbei.
Der Fall wird schnell zu den Akten gelegt. Kommissar Walter versucht, so weit es geht, die unheimlichen Vorgänge zu verdrängen.
Walter Appel hat es schon wieder getan. Erneut muss ein Superreicher dran glauben. Damals hießen sie noch Millionäre und wohnten ungeschützt in irgendwelchen Taunusstädtchen ohne Bodygard und 10 Meter Sicherheitsmauer (voll bewacht) drumherum. Sebastian Braun war obendrauf noch Antiquitätensammler ohne Rücksicht auf die kulturellen Schäden des ausgeplünderten Landes, diesmal Mexiko. So langsam muss es den Stammlesern des VHR doch auffallen, dass Earl Warren oft die gleiche Masche reitet. Zumindest die ersten drei, vier Seiten klingen immer recht ähnlich. Allerdings muss ich zugeben, dass jedes Mal etwas anderes hinten rauskommt. Aber der erhobene Zeigefinger ist immer dabei. Diesmal: Übertreibt es nicht mit eurer Gier und Sammelwut - und lasst die Toten ruhen, da wo man sie bestattet hat.
Wer wissen möchte was in den frühen 70ern bei jungen Leuten so abging, muss Romane von Walter Appel lesen. Da trifft der bekiffte Schlaghosenträger auf die sexuell aufgeklärte und selbstbestimmte Frau mit Hochschulabschluss. Dazu kommt noch der etwas anzügliche Macho-Humor dieser Zeit, ohne dass die holde Weiblichkeit sofort eine Anzeige startete. Bauarbeiter durften den Mädchen noch hinterher pfeifen und Männer steckten Ohrfeigen weg, ohne sofort zurückzuschlagen oder zusammenzubrechen. Man hatte beim lesen des Romans das Gefühl, dass sich Frau und Mann, trotz männlichen Chauvinismus-Gehabe und gelebter Emanzipation, nie näher wahren und auch nie mehr näher kommen werden. Ein wenig Ilja Richter-Humor (mittlerweile ein fester Begriff) gab es zwar auch wieder, aber er klang bei Appel doch ein wenig besser. Tralla la humpa pum ping...
Der eigentliche Protagonist und Final-Vollstrecker war übrigens Frontmann einer Beatband und spielte in der Grugahalle in Essen (my Hometown). Ja, bei uns ging damals echt die Post ab. Erst recht, als 1977 die lange Rockpalast Nacht startete. Leider war damit 1986 wieder Schluss und die Stahl und Kohle Stadt dümpelte wieder vor sich hin. Zumindest hatte der Held des Romans da schon seinen Auftritt gehabt. Robert Romen vertrat auch die These, dass Töne wirklich eine starke Auswirkung auf Gemütszustände der Menschen haben können. Mehr noch als Farben. Ein kluger Mann und zusätzlich konnte er noch Gitarre spielen. Als Beispiel nannte Walter Appel die Mundharmonika von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Ich verstehe was er meint, eine sehr einprägsame Melodie.
MORD AUS DEM JENSEITS war jetzt nicht unbedingt ein Roman zum fürchten und bis auf ein paar blutigere Szenen (Hand abschlagen, Schädel spalten) recht brav. Nachdem die Mumie ausgeliefert war, folgte praktisch ein Lacher dem nächsten Schenkelklopfer. Im Hotel zum „Hessischen Hof“ packte der Flöten-Indio (O-Ton) Calaveras Ian Anderson like sein Instrument aus, und ging den anderen Gästen damit gehörig auf die Nerven. Schließlich, irgendwann nach Mitternacht, waren alle wach und schrien durcheinander:
Ein weißhaariger Mann mit wirrem Haar und struppigem Schnurrbart trat hinzu. Sein stattlicher Bauchansatz beulte den Pyjama aus.
„Was ist denn los?“ fragte er. „Meine Frau ist zu Tode erschrocken. Du bist doch erschrocken, Liebes?“
„Ja, Herr Direktor.“ (Seite 28)
Mittlerweile war das ganze Hotel erwacht, von einem tauben Dreiundachtzigjährigen abgesehen, der weiter wie ein satter Säugling schlummerte. (Seite 27)
Dazu kamen noch so schräge Gestalten wie der Polizeiobermeister Klapka, dem dauernd die Hose rutschte, und sein dickbäuchiger Kollege Müller. Klapka steckte den Millionär auch gleich mal für eine Nacht in die Zelle, weil er vermutete, dass dieser ihn verulken wollte als er von der lebendigen Mumie erzählte. So etwas passiert halt, wenn man der Polizei versucht die Wahrheit zu sagen. Auch die Kriminalpolizei machte auf ungläubig, schickte später aber einen Spezialagenten zur Unterstützung, samt Flammenwerfer.
Am Ende der Geschichte kam dann das große Erwachen der Mumie, die angesäuert nur ihre Ruhe wollte und mächtig stinkig auf den Mexikaner mit der Flöte wahr. Mit einem Hieb der Obsidian-Klinge spaltete sie ihm kurz den Schädel und sorgte so für Ruhe. Ein passendes Finale mit Schlusspointe.
Wie gesagt, hatte der VHR Nr.84 nicht viel mit Grusel und noch weniger mit Horror zu tun, war aber dennoch eine runde Sache mit viel Humor und Lokalkolorit aus dem Hessischen. Vielleicht diente der Roman als Ausgleich zu seinem letzten Werk bei den Vampiren, denn bei der Vampir-Oma ging es doch recht heftig bzw. leicht sadistisch zu. Ich habe jedenfalls diesmal mehr als einmal schmunzeln müssen. Und das alles für nur 1,20 DM...
Wie immer ein tolles Titelbild vom Holländer Thole. Seiner stolzen Mumie nimmt man den Hohepriester wahrlich ab. Aber wer ist die Frau im roten Kleid? Die Ladys im Roman sind ja eher männerfreundlich mit Minirock und Hotpants durch die Gegend gelaufen
Bei VAMPIR INFORMIERT ist der Werwolf los. Nachdem in der letzten Nummer dieser seltsame Leserbrief eines gewissen G.G. veröffentlicht wurde, er konnte sich nach eigener Aussage in eine Wermaus verwandeln, lässt dieses Thema die Vampir Redaktion wohl nicht mehr los. Auf den knapp zwei Seiten gibt es Wissenswertes rund um den Lykanthropismus. Interessant dürfte vielleicht sein, dass es in manchen Ländern, aus Ermangelung an Wölfen, auch schon mal andere Tiere herhalten mussten. Als da wären: Wer-Schakale, Wer-Hyänen, Wer-Leoparden und Wer-Tiger. Dazu kommen noch Wer-Hunde, Bären, Katzen, Füchse und sogar Frösche. Werwölfe, die eines natürlichen Todes sterben, so sagte man früher, verwandeln sich in Vampire. Okay, das übersteigt dann doch meine Vorstellungskraft. Da glaube ich eher an die Geschichte des G.G. aus der letzten Nummer. Obendrauf gab es noch ein paar Leserzeichnungen zum Thema Mondanheuler.
Die Leseprobe zu Peter T. Lawrences „Von den Morlos gehetzt“ verspricht eine spannende Geschichte. Es geht unter die Erde...
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Kommentare
Es ist schon merkwürdig. die einzigen Horrorhefte, die am Schauplatz Deutschland damals irgendwie glaubwürdig waren, waren die von Strassl. Ansonsten wirkten sie nie besonders authentisch. Kam die Polizei ins Spiel, hatte man sofort Kommissar Keller oder Zollfahnder Kressin vor Augen, und da fuhr jede Authentizität sofort in die Grube.