Amazing Pulps – Pulp Treasures 14 - Gordon MacGreagh: The Hand von Saint Ury (Weird Tales 1951)
Pulp Treasures 14
Gordon MacGreagh
The Hand von Saint Ury (Weird Tales 1951)
Viele gute Abenteuer-Schriftsteller im Amerika der großen Pulp-Ära 1910-55 hatten hin und wieder die Neigung, Horror-Stories zu verfassen. Nur leider stieß das bei ihren Herausgebern auf keine Gegenliebe. Besonders berüchtigt für seinen Groll gegen alles Übernatürliche und Fantastische war der Chefredakteur der berühmten Zeitschrift „Adventure“ Arthur Sullivant Hoffman. Seine fast schon idiosynkratische Abneigung gegen Gruselthemen und Frauen in Spannungsgeschichten macht die Lektüre der Zeitschrift denn heute auch zuweilen etwas trocken und spröde, es sei denn, man ist Karl-May-gestählt. Die Imitatoren von „Adventure“ wie „Action Stories“, „The Popular Magazine“ oder „Top-Notch“ waren mutigen (oder zu rettenden) Frauen gegenüber liberaler eingestellt, doch auch auf ihren Seiten sind unheimliche oder fantastische Geschichten extrem selten.
Diese Misere verleitete einige große Spannungs-Autoren wie Anthony Rud, Henry Bedford Jones und Gordon MacGreagh dazu, mit den wenigen Phantastic-Magazinen zu flirten, die auf dem Markt zu finden waren. Heute, wo diese Magazine zu saftigen Preisen bei ebay gehandelt wurden, könnte der Eindruck enstehen, Phantastik sei äußerst populär gewesen. Doch erreichten Phantastic-Magazine immer nur ein schräges Fanpublikum, und im Pulp-Sektor machten sie einen verschwindend kleines Segment aus (vermutlich nur in Promille, nicht in Prozent ausdrückbar). Das erfolgreichste Magazin, Fantastic Adventures (1939-1953), konnte nur überleben, weil es auch Science fiction brachte und in „Amazing Stories“ als „Schwesternzeitschrift“ massiv beworben wurde.
Weird Tales (1923-54) dümpelte immer am Abgrund dahin, andere hatten nicht mal so viel Glück und überlebten nur wenige Jahre, wie Campbell's legendäres "Unknown"-Magazin (1939-43).
Wenn also ein arrivierter Abenteuer-Autor dort etwas ablieferte, erwartete er weder Ruhm noch viel Geld. Und doch tauchen oben erwähnte Namen immer wieder in diesen Magazinen auf.
Gordon MacGreagh (1889-53), bekannt geworden durch seine fünzehnteilige Kingi-Bwana-Serie in Adventure (1930-40), http://freeread.com.au/@RGLibrary/GordonMacCreagh/KingiBwana/KingiBwana.html wandte sich nur selten dem Horror zu. Und wenn, dann waren seine Stories meist recht krude, ohne Schliff und nicht grade Meisterwerke der Gattung, mit Ausnahme vielleicht der sehr atmosphärischen „The Case of the Sinister Shape“ (Strange Tales, März 1932). Doch MacGreagh brachte etwas anderes in die Geistergeschichte ein – einen Sinn für straffes, kapriolenschlagendes Erzählen von Katz-und-Maus-Jagden. Deswegen mag „The Hand of St. Ury“ nicht gerade ein Juwel unter den Horrorgeschichten der 50er Jahre sein, aber eine der amüsantesten finsteren Verfolgungsgeschichten, die ich kenne. Das typische Liebespaar eines B-Movies stellt sich den Schrecken des sie verfolgenden Monsters und beginnt irgendwann den Spieß umzudrehen – und verfolgt den Verfolger...
Das Schöne an diesem Garn ist, dass MacGreagh die Geschichte mit gehörigem Augenzwinkern erzählt. Nicht nur werden alte Klischees wie englische Spukschlösser und finstere Haushälterinnen auf die Schippe genommen, auch die Sensationspresse bekommt ihr Teil ab, und es findet sich hier außerdem eine der köstlichsten Parodien auf Bram Stokers Dr. Van Helsing, die ich kenne. Außerdem ist die Geschichte mit so vielen schwachsinnigen esoterischen Erklärungsversuchen durchsetzt, dass ich vermute: auch hier wagt MacGreagh einen Seitenhieb auf zahlreiche schreibende Zeitgenossen, die ihre unwahrscheinlichen Stories mit hanebüchenen Theorien zu retten versuchen.
Eigentlich ein typisches Werk für das gut zahlende „Fantastic-Adventures“-Magazin, das dem leichtfüßigeren Stil und einer abenteuerlichen Handlung immer besonders aufgeschlossen war – schwer zu sagen, warum MacGreagh sie nicht dort veröffentlichte, sondern in der knausrigen und Weird Tales („Diese verdammten Ein Cent pro Wort!“ fluchte damals Robert Bloch). Vielleicht wurde sie dort als zu lang abgelehnt.
Eine andere Erklärung ist, dass Weird Tales 1951 längst eine Legende war, trotz geringer Umsätze - inzwischen waren alte Stamm-Autoren wie Lovecraft, Howard und C.A. Smith wohlbekannt, und viele Schriftsteller buhlten – trotz Hungerlohn – um gnädige Aufnahme in die heiligen Hallen. Ikonen wie Robert Bloch, H. Russel Wakefield, Carl Jacobi, Margaret St. Clair, M.W. Wellmann, Arthur J. Burks und viele andere schrieben in den 50ern für Weird Tales und hatten anderswo lukrativere Redaktionen.
Ich habe die längere Geschichte in Mußestunden aus reinem „Spaß an der Freude“ übersetzt, und da ich es zunächst nur für mich tat, ohne an eine Veröffentlichung zu denken, habe ich hier mehr in den Text eingegriffen als sonst – ich habe versucht, englische Wortspiele durch eigene zu ersetzen, an eins, zwei Stellen Sätze eingefügt, um Logik-Löcher zu kitten und einige unverständliche Anspielungen durch heute gängigere ersetzt. Es ist also mehr eine Nachdichtung als eine wortgetreue Übersetzung geworden. Da es sich nicht um ein hochkarätiges Meisterwerk handelt und das Werk auch bei uns in Deutschland in der Public Domain ist ("Pulp-fiction"/"Tarzan"-BGH-Urteil IZR 49/13, 2014; fußend auf Welturheberrechtsabkommen Art. IV), kann ich trotzdem ruhig schlafen.
Wegen der Länge (ca. 50 Buchseiten) habe ich die Erzählung viergeteilt.