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Heyne Science Fiction Classics 26 - Hellmuth Lange

Heyne Science Fiction ClassicsDie Heyne Science Fiction Classics
Folge 26: Hellmuth Lange
Blumen wachsen im Himmel

Von den sechziger bis Anfang der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erschienen als Subreihe der Heyne Science-Fiction-Taschenbücher mehr als hundert Titel unter dem Logo „Heyne Science Fiction Classics“. Diese Romane und Kurzgeschichten werden in der vorliegenden Artikelreihe vorgestellt und daraufhin untersucht, ob die Bezeichnung als Klassiker gerechtfertigt ist.

Heyne Science Fiction ClassicsBereits in mehreren Folgen dieser Artikelserie wurden Romane von deutschen Autoren vorgestellt, welche sich mit den katastrophalen Folgen von Auseinandersetzungen mit atomaren Waffen beschäftigen. Auch der Autor des heute präsentierten Werkes schrieb unter dem Eindruck der Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki einen Roman, wählte aber einen anderen Ansatz als die anderen Autoren, weil er den Untergang eines weit entfernten Planeten schilderte. Hellmuth Lange (geb. 1903 in Thorn/Preußen, Todesdatum unbekannt) war ein deutscher Schriftsteller, Herausgeber und Verleger. Er ist mit dem bekannten Schauspieler gleichen Namens (Lederstrumpf etc.) natürlich nicht identisch! Lange studierte in Berlin Betriebswirtschaft und wurde anschließend hauptsächlich als Schmalfilm-Pionier bekannt. 1933 bis 1940 war er Chefredakteur der Fotozeitschrift Satrap. Nach Kriegsende gründete er in Braunschweig die Zeitschrift Schmalfilm und gab die Buchreihe Schmalfilm-Truhe heraus. Er war auch Herausgeber der Vierteljahresschrift für Theatererziehung. Sein Nachlass ist heute im Besitz der Deutschen Kinemathek in Berlin. Lange schrieb etliche Romane, darunter den Science-Fiction-Elemente enthaltende Die Stadt unterm Meeresgrund. Darüber hinaus verfasste er einige Komödien und Hörspiele. Er war auch Verfasser der zwölfteiligen Heftserie um Die schwarze Perle, die 1950/51 im Planet-Verlag in Braunschweig erschien. Im gleichen Verlag erschien übrigens in diesem Zeitraum auch eine Nachauflage der bekannten Serie Sun Koh, der Erbe von Atlantis von Paul Alfred Müller.

Heyne Science Fiction ClassicsLiterarisch anspruchsvoller ist ohne Zweifel der Roman Blumen wachsen im Himmel, welcher 1948 im von der britischen Militärregierung gegründeten Minerva-Verlag herauskam. Lange bekam in der chaotischen Nachkriegszeit für diesen Roman nicht einmal ein Honorar. Das Werk geriet mehr oder weniger in Vergessenheit, bis es für die Heyne Science Fiction Classics wiederentdeckt wurde. Eine weitere Auflage gab es dann 1984 in der beachtenswerten Ozeanischen Bibliothek des Ullstein-Verlags.

Er ist der letzte Mensch. Das Feuer hat sich weitergefressen. Bald wird es seine Höhle erreichen, seine letzte Zuflucht. Dann wird Ivor weiter fliehen, bis ans Ufer des Meeres, wo dann die Flammen kommen und ihn einschließen werden, bis er darin aufgeht, in der riesigen Fackel, zu der sich der Heimatplanet entwickelt. Wie konnte es nur soweit kommen? Er blickt zurück zu dem Zeitpunkt, als ihn seine Freundin Uhba einlud, mit ihm zum großen erloschenen Vulkanschlut in den Bergen zu gehen...

Ivo will nicht recht mitkommen, lässt sich aber doch überreden. Auch Ghel, der Priester, geht mit. Sie alle gehören zu den letzten Menschen. Vor etwa dreihundert Jahren ist die Sonne erloschen. Die Temperatur sank drastisch, Tiere und Pflanzen konnten sich zwar über einen begrenzten Zeitraum anpassen, starben aber letzten Endes doch aus. Nur die Menschen überlebten, denn es gelang ihnen, einerseits künstliche Nahrung herzustellen und andererseits aus einem elastischen Material Anzüge herzustellen, welche gegen die Kälte isolieren. Nur können die Menschen diese Anzüge nicht mehr ablegen. Dreihundertdreiundfünfzig Menschen leben in diesen Anzügen, ohne die Möglichkeit, einander zu berühren, andere Menschen ganz zu sehen, ohne sich fortzupflanzen. Sie sind die allerletzte Generation. Beim Kopfteil des Anzugs ist vorne eine winzige Öffnung, durch die man Nahrung hineinschieben kann. Ausscheidungen sind durch die künstliche Nahrung nicht mehr notwendig. Nur bei den Augen ist der Anzug transparent, so dass es schwierig ist, die anderen Menschen zu erkennen. Mot, der Assistent des Ingenieurs, geht mit den anderen.

Mot führte uns in eine Reihe Höhlen, an denen wir den Abstieg unserer Eltern und Großeltern zu immer tiefer liegenden Quellen der Wärme verfolgen konnten. Wir sahen mehrere kleine Zellen, in denen die Familien gehaust hatten.

Obwohl viele Jahre vergangen waren, seit die letzen Bewohner diese Höhlen verlassen hatten, konnte man bei manchen doch denken, daß ihre Insassen nur auf einen Sprung zum Nachbarn gegangen waren, so sehr atmeten sie noch den Geist ihrer Bewohner, und so wenig hatten die vergangenen Jahre an ihnen ändern können.

Wir sahen ein Zimmer, in dem die Kinder einer Familie gewohnt hatten. Eine ungelenke Hand hatte die mathematischen Formeln kleiner Rechenspiele an die Wand gemalt, und auch dies war ein unbewußtes Eingeständnis der furchtbaren Lage, in der sich die Menschheit damals schon befand. Frühere Geschlechter hatten die Wände und Bänke, die Höhlen und Tafeln mit Tierbildern und kleinen Blumenskizzen geschmückt. Die Kinder, die hier gehaust hatten, kannten schon längst keine Blumen und keine Tiere mehr. Sie bezogen ihren Drang nach Schönheit und Rhythmus und Gefüge aus den kubischen Gebilden unseres mathematischen Schulunterrichts. In einer anderen Zelle hatte ein Kind diesen Gedanken, vielleicht ebenfalls unbewußt, trefflich in Wort gefaßt, >Blumen wachsen im Himmel< hatte es mit ungelenken Buchstaben an die Wand geschrieben.

(Zitiert aus: Hellmuth Lange: Blumen wachsen im Himmel. München 1976, Heyne SF3485, S. 34)

Am nächsten Tag kommt Mot zu Ivo und sagt ihm, dass sie fertig seien. Tom, dem Ingenieur, und ihm ist es gelungen, die Wärme zurückzubringen. Sie haben entdeckt, wie sie hier die gleichen Elemente, welche in der Sonne verbrannt wurden, hier auf der Erde dazu bringen, zu zerfallen und dabei Wärme abzugeben. Somit werden für die Menschen wieder günstige Lebensverhältnisse geschaffen. Es gibt viele Einwände gegen das Projekt, darunter auch den, dass sich die Welt auflösen wird, wenn das künstliche Feuer nicht gestoppt werden kann. Doch Tom lacht die Skeptiker aus. Es werden viele Jahrhunderte vergehen, bis sich das Feuer ein großes Stück weitergefressen hat, sagt er. Viele Tausende von Jahren werden die Menschen leben können. Angesichts ihres erbärmlichen Lebens stimmen die Menschen zu und das Unternehmen wird gewagt.

In diesem Augenblick schoß hinten an dem Berghang eine gewaltige Feuersäule empor. Niemand hatte gesehen, wie sich die Entzündung vollzogen hatte, denn alle Blicke hatten auf Mot geruht. Jetzt, als die Köpfe herumflogen, durch den grellen Lichtschein aus ihrer Versunkenheit gerissen, stand bereits ein hoher Rauchpilz in der Luft, der sich oben immer mehr verbreitete und in dessen Achsen eine Flammensäule flackerte, die immer mehr an Ausdehnung wuchs und bald so grell geworden war, daß sie das Dämmerlicht, das wir seit je in unserer Welt gewohnt waren, in einen hellen, grellen Schein verwandelte.

(Zitiert aus: Hellmuth Lange: Blumen wachsen im Himmel. München 1976, Heyne SF3485, S. 105)

Doch bald erfasst Unruhe die Überlebenden. Die Angst, dass das Feuer nicht unter Kontrolle gehalten werden kann, nimmt zu, manche sehen bereits das Ende der Welt kommen. Die Temperatur steigt, und es wird Zeit, sich aus den Schutzanzügen zu schälen. Mit Messer werden die Anzüge aufgeschlitzt, und heraus steigen bleiche, schutzlöse Körper. Niemand kennt den anderen. Die Menschen ertragen den Anblick nackter Gesichter und Körper nicht mehr. Chaos bricht aus, es kommt zu einem Gemetzel, in dem Tom, der Ingenieur, und sein Assistent ums Leben kommen. Niemand weiß mehr, wie das Feuer im Zaum gehalten werden kann. Der Brand frisst sich weiter und zerstört die Wohnungen der Menschen. Ivo flieht, er sucht Uhba, die unter glücklicheren Umständen seine Partnerin geworden wäre, die Mutter ihrer gemeinsamen Kinder, die jetzt nie geboren werden. Doch er findet nur noch ihren leblosen Körper. Einsam geht er, der letzte Mensch, dem Ende entgegen.

Heyne Science Fiction ClassicsDer Roman ist in Über- und Unterkapitel unterteilt, wobei in den Überkapiteln immer ein Abschnitt aus Ivos Flucht vor dem Feuer geschildert wird und dazwischen die Haupthandlung. Dieser Wechsel der zeitlichen Perspektive macht einen speziellen Reiz des Werkes aus. Besonders interessant sind die philosophischen Betrachtungen, die Schilderungen von Verzweiflung, Hass, Liebe, Gier und Größenwahn, die einen Gutteil des Romans einnehmen, ihm aber nicht die Spannung nehmen. Natürlich bewegt sich der Autor auf naturwissenschaftlich dünnem Eis, denn er deutet die Mittel nur an, mit denen es zur atomaren Reaktion kommt. Man könnte implizit eine Art kalter Kernfusion annehmen, wie sie immer wieder von manchen mehr oder weniger seriösen Wissenschaftlern erträumt wird. Bemerkenswert ist auch, dass dann quasi ein Atombrand geschildert wird. Dieser wurde bereits von Hans Dominik in seinem Roman Das Erbe der Uraniden verwendet und war später auch in der bekannten Perry Rhodan-Serie die Ursache für die Vernichtung etlicher Planeten. Für Technikenthusiasten ist Blumen wachsen im Himmel keine Offenbarung, das ist aber auch nicht notwendig. Jedenfalls ist er ein würdiges Mitglied der Titel in den Heyne Science Fiction Classics und ein Beweis dafür, dass deutsche Autoren bedeutende Beiträge zur Science Fiction abgeliefert haben.



Titelliste von Hellmuth Lange

Anmerkung:
Es werden die Ausgabe in den Heyne Science Fiction Classics sowie die Originalausgabe des Werks angeführt.


1976

3495 Blumen wachsen im Himmel
deutsche Erstausgabe: Berlin 1948, Minerva


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Tags: Science Fiction and Fantasy

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