Drachenzähmen leicht gemacht

Drachenzähmen leicht gemachtDrachenzähmen leicht gemacht

Der neueste Streich der DreamWork-Studios ist in jeder Hinsicht eine Überraschung. Es sind schließlich die Macher von SHREK. Das könnte hoffnungsvoll stimmen. In Rückblick auf SHREK 3 allerdings könnte man genauso gut Schlimmes befürchten. Doch wer sich auf Vergleiche einlässt oder werbegläubig auf diesen Film anspricht, wird nach dem Genuss bestimmt ins Grübeln kommen.

DRACHENZÄHMEN ist weder Zitatenschatz noch innovatives Spektakel. Es ist ein sehr geradliniger Film, der mit all seinen Versatzstücken kaum Neues bietet. Aber er ist auch endlich wieder einmal ein Film, der sich auf voll und ganz auf sein elementarstes Publikum zu konzentrieren versteht: die Kinder.


Hiccup Horrendous Haddock III, in Deutsch einfach nur Hicks genannt, ist der schmächtige Sohn des Wikinger-Oberhauptes Haudrauf der Stoische. Hicks lebt in Berk, einem Dorf, das uralt ist, nur die Häuser sind neu. Drachen sind die Ungeziefer-Plage von Berk, und ständige Attacken des feuerspeienden Ungeziefers sorgen für ständigen Hausbau. Der Tradition bewusst, wünscht sich Hicks nichts lieber, als endlich der Bestimmung seines Volkes nachkommen zu können: Drachen töten.

Während fast alle Drachenarten bekannt und beschrieben sind, stolpert Hicks ausgerechnet über einen Nachtschatten. Es ist der vermeintlich gefährlichste aller Drachen, den noch niemand gesehen hat und über den nichts bekannt ist. Und Hicks muss lernen, dass trotz aller Erlebnisse, Aufzeichnungen, und Mythen niemand über Drachen im Allgemeinen wirklich etwas weiß.

Hicks entwickelt zu dem Nachtschatten, den er Ohnezahn nennt, eine folgenschwere Beziehung. Denn ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der schmächtige Wikingersohn feststellt, keine Drachen jagen oder töten zu können, wird er mit den anderen Kindern des Dorfes in die Drachenschule geschickt, um seiner vormals lang ersehnten Bestimmung nachgehen zu können.

Ein bisschen WICKIE und etwas mehr LILO UND STITCH, gemischt zu einem sehr sympathischen Film, der die Geschichte über das Potenzial popkultureller Anspielungen stellt. Dass die Geschichte selbst nicht sonderlich originell erscheint, macht schon ein grober Abriss der Handlung deutlich. Dies ist aber auch gerechtfertigt, neigt man im aktuellen Kino doch dazu, bis zur Lähmung, beide Altersgruppen von Besuchern über die Maßen befriedigen zu wollen.

Wenngleich DRACHENZÄHMEN ganz bewusst alle Möglichkeiten von übertriebenen Schenkelklopfern zu vermeiden versteht, bereitet er durchgängiges Vergnügen, das auch Erwachsene erfreuen kann, wenn sie sich fallen lassen können. Es ist eben eine moralische Geschichte, wie man sie bereits aus unzähligen Filmen kennt. Toleranz, soziale Verantwortung und Vertrauen sind weit von originellen Filmthemen entfernt. Aber für die, die diesen Prämissen nichts mehr abgewinnen können, ist DRACHENZÄHMEN auch nicht gemacht.

Der launige Ton des Films versteht es sehr gut, den Zeigefinger zur moralischen Mahnung nie wirklich zu erheben. Zu keinem Zeitpunkt tritt der Film auf der Stelle. Stattdessen schafft er es, kontinuierlich die Handlungsebenen aufeinander aufzubauen. Hicks’ Dilemma besteht in der Einsicht, sich der Verantwortung der Tradition stellen zu müssen, weil die Dorfgemeinschaft dank ihrer immer funktioniert hat. Aber gleichzeitig ist er mit einem Drachen befreundet und weiß um das falsche Bild, das seit Generationen weitergegeben wird. Das treibt unweigerlich und erwartungsgemäß die charakterliche Entwicklung aller Figuren voran.

In einer Art zweiter Erzählebene kommt es immer wieder zu Angriffs- und Flugsequenzen, die jedoch nicht die Handlung unterbrechen, sondern die Entwicklung der Figuren markieren. So, wie die einzelnen Stufen der Charakterentwicklung emotional aufeinander aufbauen, steigern sich demnach auch die Action-Szenen in ihrer optischen und technischen Ausführung. Diese beiden sich immer wieder ergänzenden Ebenen von Emotionalität und Action bringen einen stetig anschwellenden Fluss in den Film, der keinen Leerlauf gestattet, und führen schließlich zu einem erwartungsgemäßen, in dieser Form auch notwendigen Höhepunkt, der den Erwartungen des Publikums gerecht wird.

Chris Sanders und Dean DeBlois ist ein knallbunter Spaß gelungen, der sehr viel Charme besitzt, weil er sich nichts selbst allzu ernst nimmt, dennoch seinen Fokus niemals verliert. Witz und Originalität werden weder breit getreten noch strapaziert, sondern ordnen sich der Dramaturgie unter. Durch Sanders Arbeit an Disneys LILO UND STITCH fließen sehr viele optische Attribute des sehr bekannten Außerirdischen Stitch in den Nachtschatten Ohnezahn. Die anderen Drachenarten gestaltete Designer Nicolas Marlet nach den eigenen Kreationen des Konzeptes von KUNG FU PANDA. Ein netter Kniff, der bei seinem jungen Zielpublikum sofort Assoziationen weckt, sofern sie mit diesen anderen Filmen bereits bekannt sind.

Die Bildgestaltung lässt bei DRACHENZÄHMEN nichts zu wünschen übrig. In Auflösung, dem Licht- und Schattenspiel sowie der Farbdramaturgie wird der positive Einfluss von Kameramann Roger Deakins spürbar, der die künstlerischen Abteilungen offensichtlich mehr als nur beratend unterstützte. John Powells gewaltige Musikuntermalung hätte allerdings etwas weniger aufdringlich sein können. Es wirkt teilweise, als würde Powell den stimmungsvollen Bildern ihre Wirkung absprechen, und er müsste alleinig durch die Musik Atmosphäre erzeugen. Der stark schottische Akzent der erwachsenen Wikinger ist in der deutschen Synchronisation einem Hauch von Norddeutsch gewichen, der im ersten Moment überrascht, letztlich aber doch sehr passend erscheint.

Nur, dass DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT in 3-D konzipiert wurde, lässt dann doch einen Wermutstropfen übrig. Denn mit der Technik schienen sich die Gestalter nicht richtig angefreundet zu haben. Auch wenn sie, trotz reichlich Gelegenheit, darauf verzichten, ständig etwas in die imaginäre Kamera zu werfen. In den meisten Szenen verpassen sie die Gelegenheit, die Räumlichkeit wirken zu lassen. Und in einigen Einstellungen ist überhaupt keine Tiefe vorhanden, vor allem dann, wenn mit Unschärfen gespielt wird, wo sich der Effekt noch verstärken würde.

Aber was lamentiert der Erwachsene, der begrüßte, dass dem jungen Publikum endlich wieder einmal ein Film zuteil wird, den sie nicht durch für sie fragwürdige und nicht nachvollziehbare Anspielungen mit anderen teilen müssen. Hier bleibt es einfach ein sehr geradliniges Spektakel, das einfach Spaß macht und mit grandiosen Bildern sowie einfallsreichen Szenen unterhält.

How To Train Your Dragon (Drachenzähmen leicht gemacht)

Sprecher: Jay Baruchel / Daniel Axt - Gerrard Butler / Dominic Raacke - Craig Ferguson / Thomas Nero Wolff - America Ferrera / Emilia Schüle - Jonah Hill / Tim Sander - Christopher Mintz-Plasse / Hannes Maurer - T.J. Miller / Nico Sablik - Kristen Wiig / Britta Steffenhagen

Regie: Chris Sanders, Dean DeBlois - Drehbuch: Will Davies, Chris Sanders, Dean DeBlois nach Cressida Cowells Kinderbüchern - Produktionsdesign: Kathy Altieri - beratende Bildgestaltung: Roger Deakins - Bildschnitt: Darren Holmes, Maryann Brandon - Musik: John Powell

USA / 2010 – circa 98 Minuten


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