Freakazoid: Der Nerd und der Cyberspace
Freakazoid:
Der Nerd und der Cyberspace
Die Idee, dass das ganze Wissen der Menschen auf irgendwelchen Datenkristallen gespeichert ist, hat allerdings auch manche SF-Autoren zu mehr oder wenigen spannenden Geschichten inspiriert.
Im September 1995 nun betritt ein Superheld die Bühne, dessen Zeichentrickserie zum Universum von Stephen Spielberg gehört. Wer jetzt an "Animaniacs", "Pinky und der Brain" oder auch "Tiny Toons" denkt: Richtig. Spielberg hat einige Zeichentrickserien mitproduziert, die mehr oder weniger Klassiker geworden sind. "Pinky und Brain und Elmira" gehört nicht dazu. Und auch "Freakazoid" läuft etwas unter dem Radar, was vielleicht daran liegt, dass die Serie einen sehr eigenen Humor hat. Die Prämisse von "Freakazoid": Dexter Douglas wird durch einen Chip-Fehler in den Cyberspace gesogen und zu Freakazoid verwandelt. Mit "Freak In" oder "Freak Out" kann er sich später dann verwandeln.
Man sollte annehmen, dass Freakazoid als Held nun alles Wissen der Welt in sich vereinen würde. Klug, weise und überaus ehrenhaft. Allerdings: Freakazoid ist alles andere als das. Er ist kindisch, leicht ablenkbar, was genau seine Superkräfte nun wirklich ausmacht ist auch nicht so genau definiert. Fliegen kann er jedenfalls nicht. Er tut nur so als ob - und rennt mit ausgestreckten Händen durch die Gegend. Wie gesagt, der Humor der Serie ist schon sehr eigen. Zudem: Sie bricht regelmäßig die vierte Wand und die Charaktere sind sich dessen sehr wohl bewußt. Teilweise wird die Geschichte durch Zwischensequenzen unterbrochen, es wird vorgegriffen und mal eben die Hintergrundgeschichte des Schurken eingefädelt. Zudem ist der Erzähler ab und an mehr in das Geschehen integriert als normal.
Trotz der Tatsache dass Freakazoid seine Kräfte durch das Internet bekommen hat, spielt der Cyberspace an sich kaum eine Rolle. In einer Folge heilt Dexter zwar einen Werwolf durch den Cyberspace - das ist jetzt tatsächlich so merkwürdig, wie sich das liest - und einer seiner Erzfeinde bemächtigt sich des Geheimnisses und verwandelt sich ebenfalls in eine Art Freakazoid. Zudem gibt's die übliche "Ein Spiel wird im Internet real"-Folge, aber mehr oder weniger spielt das Internet an sich keine Rolle.
Allerdings: Die Kultur des Fandoms nimmt "Freakazoid" dann doch gerne auf die Schippe. Sei es mit dem penetrant-dozierenden Fanboy, der in einer Folge Freakazoid auf die Nerven geht. Der typische Fan, der in Anbetung eines Idols verharrt, obskure Fakten rezitieren kann, der natürlich auch alles besser weiß - in der Figur des Fanboys bekommt er sein Fett ab. Ebenso bekommt man einen Einblick in die Zeit, als Nerds eben nicht cool waren - und Geeks als Begriff noch gar nicht erfunden. In einer Folge werden alle Nerds der Welt von einem Superschurken gestohlen, der deren Wissen in seinem Kopf speichern möchte. Die Serie scheut sich also nicht davor, sich auch über ihre eigene Prämisse lustig zu machen. Das Ende der Folge resultiert allerdings darin, dass Freakazoid darauf hinweist, dass Nerds nun nicht gerade die Stecher bei den Mädchen seien. Auch Dexter selbst zeichnet sich nicht gerade durch einen muskulösen Körper aus. Und dass er permanent durch seinen älteren Bruder getriezt wird und auch in der Schule kaum irgendwie Beachtung erfährt, das entspricht durchaus den Klischees der 90ger.
In "Freak A Panel" ist Freakazoid dann eher unfreiwillig Gast eines WBKID-Panels. Nur, dass die Fragen, die an ihn gerichtet werden sich allesamt auf Superman beziehen. Wozu Freakazoid nun nichts sagen kann, es ist ja schließlich nicht seine Serie. (Allerdings lief Superman durchaus ja auf dem selben Sender.) Ebenfalls nimmt diese Folge das übliche Convention-Geschehen auf die Schippe: Freakazoid jagt seinen Erzfeind Caveman. Dass Leute sich als Caveman verkleiden könnten, kommt ihm dabei gar nicht in den Sinn - was zur Zerstörung von etlichen Kostümen führt. Und Caveman selbst begegnet einem Klingonen-Fan, die Reaktion ist ein Entsetzensschrei: "Oh nein, ein Englisch-Klingonisch-Wörterbuch!" Es folgt ein panisches Davonlaufen... Dass sich hinter dem Klingonen dann Freakazoid verbirgt: Mit eine der Pointen in dieser Folge.
Sicherlich ist "Freakazoid" nicht stellvertretend für das Bild des Nerds und die Rolle des Internets in den 90gern zu nehmen. Allerdings sind die Klischees, die die Serie verwendet, auch bis heute nicht vollständig aus der Welt: Brille, schmächtig und nur vor dem Computer herumsitzend - hartnäckig hat sich das Bild in unsere Gehirne gebrannt. Und wenn wir ehrlich sind: "The Big Bang Theory" hat nichts Wesentliches geändert. Die Akzeptanz des Nerds und des Geeks in der Gesellschaft ist zwar vorangeschritten, vor allem da die Politik immer wieder darauf dringt, dass man doch bitte schon in der Grundschule anfangen sollte mit dem Programmieren. Nintendos Labo sind neuerdings ein weiterer Vorstoß in diese Richtung. Freakazoid macht uns allerdings bewußt, dass wir lange Zeit in der Gesellschaft eine noch stärkere Ablehnung hatten - und da die Serie das auch gekonnt auf die Schippe nimmt, verdient sie definitiv mehr Anerkennung. Abgesehen davon, dass die Serie durchaus einen sehr erwachsenen, gagreichen und wunderbar idiotischen Humor hat und damit fast bei Monthy Python liegen könnte. Nun, fast.