Dr. House M.D.: Aus der Zeit gefallen?
»Dr. House M.D.«
Aus der Zeit gefallen?
Aaron Spelling ist halt kein Joss Whedon.
Ich könnte noch andere Serien aufzählen, die aus der Zeit gefallen sind und heute nur noch nostalgisch betrachtet werden können. „Ally McBeal“ und auch „Edel und Starck“. „Herkules“ und „Xena“ – wobei „die Kriegerprinzessin heute eventuell noch besser gealtert ist. Aber wer interessiert sich schon noch für die zahlreichen in Neuseeland produzierten Fantasy-Serien der 90ger? Die unsägliche „Conan“-Serie mit Ralph Möller gehört zu Recht in den Mülleimer der Geschichte.
Auch Arzt-Serien sind ein Spiegel der Zeit. Dr. Brinkmann aus der „Schwarzwaldklinik“ oder „Trapper John, M.D.“ kann man sich heute ohne ein Schmunzeln nicht mehr ansehen. „Chicago Hope“ dagegen hat die Zeit etwas besser überdauert, weil es hier um moralische Fragen geht. Ob man „Emergency Room“ noch mal hervorkramt – sehenswert wäre vielleicht der junge John Clooney. Mag man auch nicht alle genannten Serien kennen, so merkt man doch die Verschiebung des Arzt-Bildes. Dr. Brinkmann als väterlicher Ratgeber für alle Lebenslagen hätte in der Hektik und Panik von E.R. keinen Platz. Aber das hindert das Zweite ja nicht mit „In aller Freundschaft“ eine hübsche Serie zu produzieren, in der das Bild des Arztes als Freund und Berater bestens passt. Ärztinnen sind natürlich heutzutage auch am Ruder.
„Dr. House M.D“ platzte Anfang der 2000er bei RTL in die Wohnzimmer der Deutschen. Was durchaus wörtlich genommen werden kann. Der ungehobelte, sarkastische, hinkende Doktor – glänzend von Hugh Laurie, der in den UK schon eine lange und erfolgreiche Karriere hinter sich hatte – hält sich nicht mit Höflichkeiten auf. Als Chef ist er gelegentlich ein Arschloch. Kurzum: Dr. House ist duchaus ein Egoist. Wäre das alles, würden wir einen Anti-Helden vor uns haben, den wir aus tiefstem Grunde unseres Herzens verachten würden. Das würde aber nicht erklären, warum Dr. House ein gigantische Erfolg wurde. 8 Staffeln, die bis zu 26 Folgen beinhalteten sprechen eine deutliche Sprache. Die Fernsehsehenden liebten House.
Denn hinter dem unwirschem Sarkasmus tritt eine Person hervor, die durchaus an ihren Patient*innen interessiert ist. House kann zuhören. Er kann sogar lernen. Er ist nicht unfehlbar wie Dr. Brinkmann. Hinter der Fassade ist ein zutiefst humanistisch gesinnter Mensch. Auch, wenn House das nicht zugeben möchte. Sein Verhalten ist ein Schutzpanzer gegen die Verletzungen, die Menschen ihm zufügen könnten. Das erkennt man als Zuschauender recht schnell. Und da die anderen Ärzt*innen im Team – allen voran seine Vorgesetzte – zwar nicht unbedingt tiefe Charakterisierungen erfahren, aber interessant genug sind, deswegen ist ein Folge von Dr. House zutiefst entspannend. Und altmodisch.
Horizontales Erzählen ist dieser Serie durchaus fremd. Ja, zugegeben, über die Staffel hinweg gibt es einige Dinge, die immer wieder auftauchen, aber „House M.D“ hat allenfalls einen losen roten Faden. Praktisch kann man sich aus jeder Staffel eine Folge schnappen und es ist egal, ob es Folge 4 oder Folge 22 ist. Zu Beginn gibts einen kleinen Vorspann, der den Hauptfall einführt und dann setzt das bekannte Drei-Akte-Schema ein, nachdem jeder Hollywood-Film auch noch heute funktioniert. Man kann die Uhr danach stellen, wann das Team meint, die Ursache gefunden zu haben, wann die Krise auftaucht und wann die endgültige Lösung gefunden werden wird. Altmodisch? Und wie. Funktioniert es? Und ob. Deswegen ist diese Formel immer noch bestimmend für Hollywood-Filme. Fünf Akte müssten es laut Aristoteles sein, aber Hollywood schrumpfte das dann auf drei Akte zusammen.
Hat „House M.D“. nun den Test der Zeit bestanden? Natürlich fliegt ein Lächeln über das Gesicht, wenn House mit einem Apple-Shuffle das Haus verlässt. Oder wenn sonst kleine Details daran erinnern, dass die Serie in den 2000ern spielt. Insgesamt gesehen aber ist die Serie auch heute noch ein Vergnügen. Das liegt natürlich an Hugh Laurie selbst. Das liegt an den Fällen, die allesamt irgendwie außergewöhnlich sind. Natürlich. Es liegt irgendwie auch an dieser altmodischen Dramaturgie. Man kann ein Folge „House M.D.“ am Ende eines Arbeitstages einschieben und kann sich entspannen. Mehr hat diese Serie wohl auch nie gewollt. Auch schön.