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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Nathaniel Pitt Langford?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Nathaniel Pitt Langford?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 18. Oktober 1911 starb in Minnesota ein Mann, dessen abenteuerliches Leben während der Pionierzeit im amerikanischen Westen seither kaum noch Beachtung gefunden hat.

Sein Name war Nathaniel Pitt Langford, und wenn sein Name denn überhaupt Erwähnung findet, dann als 1. Direktor des Yellowstone Nationalparks. Aber das war nur eine Episode in seinem Leben.

Man tut Langford nicht Unrecht, wenn man ihn als „Abenteurer“ bezeichnet. Allerdings war er zugleich ein kühl rechnender Geschäftsmann, der bereit war, hohe Risiken einzugehen und seine Interessen dann ebenso gnadenlos wie konsequent verfolgte.

Am 9. August 1832 in New York geboren, lernte er das Bankgeschäft von der Pike auf und zog 1854 nach St. Paul (Minnesota). Hier arbeitete er zunächst in einer Investmentfirma. Dann wurde er 1855 leitender Kassierer der Bank „Marshall & Company“. 1858 erhielt er diese Position bei der Staatsbank von Minnesota. Hier kam er in Kontakt mit James L. Fisk, der sich bei Ausbruch des Bürgerkrieges 1861 zur Minnesota-Infanterie meldete. Ein Jahr später wurde Fisk nach Washington gerufen, zum Captain und Quartiermeister der Freiwilligen befördert und schließlich zum „Superintendenten der Westwanderung“ ernannt. Seine Aufgabe war es, einen Wagenweg durch das Dakota-Territorium bis nach Oregon anzulegen. Diese Ernennung war zweifelsohne politisch motiviert. Es gab einflußreiche und finanzstarke Bürger in Minnesota, die die Besiedelung des Westens vorantreiben wollten – zumal die vorgesehene Route an den Goldfeldern Montanas vorbeiführen sollte. Auf den Verlauf des Bürgerkrieges hatte dieser Auftrag keinerlei Einfluß, obwohl in der Regierung in Washington natürlich die Hoffnung herrschte, aus den westlichen Gebieten Vorteile zu ziehen – wie aus den Goldvorkommen in Kalifornien.

Fisk galt als undiszipliniert und leichtsinnig. Vermutlich war das der Grund, weshalb die Geldgeber einen Mann wie Langford mitschicken wollten. Langford wurde als Leutnant eingemustert und fungierte als zweiter Stellvertreter Fisks und als Geldverwalter.

Am 16. Juni 1862 brach die Fisk-Expedition auf. Sie bestand aus 117 Männern und 13 Frauen. Die Kolonne umfaßte 53 Wagen. Dazu gehörten auch 168 Ochsen und 17 Kühe. Am 9. August 1862 traf die Expedition in Fort Union (heute North Dakota) ein, dem großen Pelzhandelsposten, und folgte dann dem Missouri bis nach Fort Benton, der ersten Siedlung Montanas und bedeutendem Flußhafen. Von hier aus führte ein Netzwerk von Wagentrails sowohl nach Kanada, als auch in die Goldfelder und weiter in den Nordwesten. Der Treck traf hier am 5. September ein.

Von hier aus ging es für viele Teilnehmer der Expedition weiter in die Goldfelder am Grasshopper Creek. Hier entwickelte sich aus einer chaotischen, primitiven und wilden Zeltsiedlung die kleine Stadt Bannack, die zur ersten Hauptstadt des entstehenden Montana-Territoriums wurde.

Langford dachte nicht daran, nach Gold zu graben. Er gründete mit einigen Geschäftspartnern eine Frachtfirma, investierte in den Bau einer Getreidemühle und in andere Unternehmungen. Die Versorgung der Region, deren Bevölkerungszahl rapide wuchs, war ein sicheres Geschäft. Und Langford erkannte die verheißungsvollen politischen Chancen, die sich in einem Gebiet boten, in dem die Verwaltungsstrukturen erst noch aufgebaut werden mußten. Früh war absehbar, daß das Gebiet, das damals noch zum Idaho-Territorium gehörte, ein eigener Staat werden würde. Als das Montana-Territorium entstand, gehörte Langford sofort zum Führungszirkel um den vom Präsidenten ernannten Gouverneur. 1864 wurde er zum Steuereinnehmer ernannt. (Nach heutigen Maßstäben der erste Schatzminister der Regierung.) Ihm und den meisten anderen Geschäftsleuten der Goldregion bereitete das Straßenräuberunwesen Kopfzerbrechen; denn solange es nicht gelang, Montana zu befrieden, war an eine Erhebung zum Bundesstaat nicht zu denken.

Als sich 1863 in Virginia City eine Bürgerwehr bildete, die „Vigilanten“, gehörte Langford zu den Initiatoren und treibenden Kräften. Innerhalb von wenigen Wochen gelang es den Vigilanten, die „Innocents“ – wie sich die Banditen selbst nannten – zu eliminieren, nachdem der Führer der Straßenräuber, der amtierende Sheriff Plummer, selbst hingerichtet worden war. Die meisten Mitglieder dieser fast mafiahaft organisierten Bande verließen fluchtartig die Region.

Im Gegensatz zu den meisten Angehörigen der Vigilanten, die ihre Mitgliedschaft lieber geheim halten wollten, gehörte Langford zu jenen, die offen darüber sprachen. 1890 veröffentlichte er ein Buch über diese Zeit unter dem Titel „Vigilante Days and Ways“.

Es steht heute außer Frage, daß die Vigilanten eine gewisse Rechtssicherheit in Montana schufen. Zugleich nutzten sie aber auch die Chance, private und politische Rechnungen zu begleichen. Im amerikanischen Osten tobte der Bürgerkrieg. In den Goldsucherlagern gab es zahlreiche Anhänger der Konföderierten. Es war vermutlich kein Zufall, daß auch einige von ihnen der Säuberungsaktion der Vigilanten zum Opfer fielen.

Männer wie Langford wußten auch, daß es nicht reichte, Straßenräuber aufzuhängen, um eine Region zu zivilisieren. Zeitungen waren wichtig, Schulen waren wichtig. Die erste Zeitung Montanas stand auf Seiten der Vigilanten, und als die Hauptstadt des Territoriums endgültig nach Helena verlegt wurde, gehörte Langford zu den Mitbegründern der „Historischen Gesellschaft“ Montanas, die die Richtung der Geschichtsschreibung des Territoriums festlegte. Es war auch kein Zufall, daß dann die Führer der Vigilanten alle durchweg hohe Positionen im Staat Montana einnahmen.

Langford gehörte 1870 zu den Organisatoren der Forschungsexpedition, die das Yellowstone-Gebiet zur Erhebung zum ersten Nationalpark der Welt vorbereitete. Von 1872 bis 1877 amtierte Langford als erster Direktor des Yellowstone Parks. Er tat dies ohne Bezahlung, weil es zu jener Zeit noch gar keine richtige Vorstellung davon gab, was ein Nationalpark eigentlich sein sollte. Aus diesem Grund, und auch weil in diesen Jahren die US-Armee die eigentliche Oberaufsicht über den Park ausübte, war Langford nur zweimal während seiner Amtszeit im Park anwesend und kümmerte sich ansonsten um seine Geschäfte. Das führte letztlich zu seiner Entlassung.

Bis 1884 war Langford auch noch Revisor der amerikanischen Nationalbank für die Pacific-Staaten. Dann verließ er Montana und kehrte nach Minnesota zurück. Sehr vermögend, ließ er sich wieder in St. Paul nieder und begann Bücher über die Geschichte der amerikanischen Westbesiedelung zu schreiben. Nicht nur über die Vigilanten und den Goldrausch, sondern auch über die Yellowstone-Expedition.

Er wurde zu einem der Direktoren der „Historischen Gesellschaft von Minnesota“ gewählt und starb am 18. Oktober 1911 im Ramsey County.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2018Die aktuelle Ausgabe

 

 

 

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