Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit dem »Black History Month«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Black History Month«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der Februar ist seit 1976 in den USA der „BLACK HISTORY MONTH“ – der Monat der Geschichte der schwarzen Amerikaner. Dieser Monat soll die historische Rolle unterstreichen, die die Afro-Amerikaner beim Aufbau der USA gespielt haben.

Diese Tatsache ist in Europa fast unbekannt, und selbst in den USA wissen viele nicht, worauf diese Würdigung zurückgeht.

Als Initiator des „Black History Month” gilt der „Vater der afro-amerikanischen Geschichtsschreibung“, Dr. Carter G. Woodson.

Seine Eltern waren ehemalige Sklaven. Geboren am 19. Dezember 1875 in New Canton (Virginia), entwickelte er schon als Kind einen unstillbaren Hunger nach Bildung. Seine Eltern waren noch Analphabeten. Sie hatten nicht genug Geld, ihm regelmäßigen Schulbesuch zu ermöglichen. Carter Woodson arbeitete von Kindesbeinen an zunächst auf der elterlichen Farm, dann in Kohlenminen, um nebenbei die Grundschule besuchen zu können. Er bildete sich aus eigener Kraft weiter. Erst 1895, im Alter von 20 Jahren, war er imstande, sich an der schwarzen Oberschule „Douglas High School“ anzumelden. Zwei Jahre später erhielt er sein Diplom als Lehrer. Im Jahr 1900 schaffte er es, auf dem „Berea College“ in Kentucky angenommen zu werden – einer der ersten allgemeinen Bildungsanstalten für Schwarze und Weiße, Männer und Frauen –, wo er 1903 seinen Bachelor in Literatur erhielt. Danach arbeitete er mehrere Jahre als Schulrat auf den Philippinen.

An der University of Chicago schrieb er seine Master-Arbeit, und 1912 erlangte er seinen Doktorgrad in Geschichte an der Elite-Universität Harvard – er war erst der zweite Afro-Amerikaner, der diese Auszeichnung erhielt. Es folgte eine Anstellung als Professor an der Howard University, wo er zum Dekan des Colleges für Kunst und Wissenschaft aufstieg.

Seine Weltsicht war – und das demonstrierte er mit seinem eigenen Lebensweg: „Die Geschichte zeigt, daß es eigentlich egal ist, wer die Macht hat oder welche revolutionären Kräfte die Regierung übernehmen. Jene Menschen, die nicht gelernt haben, für sich selbst zu sorgen und die ausschließlich abhängig von anderen sind, werden am Ende nicht mehr Rechte und Privilegien besitzen als am Anfang.“

Ihm ging es darum, die über Jahrhunderte in Sklaverei gehaltenen Afro-Amerikaner zur Eigenverantwortung und zum Stolz auf ihre eigene Leistung zu erziehen. Sie zu motivieren, aus der geistigen Unterdrückung auszubrechen. Denn: „Kein Mensch weiß, wozu er fähig ist, bis er es versucht hat.

Seit Beginn seiner historischen Studien kämpfte Woodson dafür, daß die Rolle der Afro-Amerikaner in der amerikanischen Geschichte ihren angemessenen Platz finden sollte. 1915 gründete er die „Association for the Study of Negro Life and History”, und 1916 begann er mit der Herausgabe des wissenschaftlichen Magazins „Journal of Negro History“. Diese Zeitschrift, die nicht einmal während der großen Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren in ihrem Erscheinen unterbrochen wurde, gibt es noch heute unter dem Namen „JOURNAL OF AFRICAN AMERICAN HISTORY“.

1920 war er an der Gründung des Verlags „Associated Publishers“ beteiligt, des noch heute bestehenden ältesten afro-amerikanischen Verlags in den USA. Bis dahin hatte sich das Verlagsgewerbe allenfalls marginal um schwarze Leser gekümmert.

Zu Woodsons bahnbrechenden Publikationen gehörten die Bücher „The Education of the Negro Prior to 1861“, „A Century of Negro Migration” und das Standard-Werk „The Negro in Our History”. Ein besonders bemerkenswertes Buch von ihm erschien 1924 und befaßte sich mit schwarzen Sklavenbesitzern in den USA vor 1830 – ein Thema, das nie vorher in wissenschaftlichen Schriften aufgegriffen worden war.

Woodson war überzeugt, daß Bildung und wachsender sozialer und beruflicher Kontakt zwischen Schwarz und Weiß zum gesellschaftlichen Frieden und der Reduzierung von Rassismus beitragen würde.

Sein Credo war immer: „Afro-amerikanische Geschichte ist in erster Linie amerikanische Geschichte; denn Afro-Amerikaner haben ebenfalls zur Größe dieser Nation beigetragen.“ Er fügte hinzu: „Einem Studenten beizubringen, daß sein schwarzes Gesicht ein Fluch und das sein Kampf um bessere Lebensbedingungen völlig hoffnungslos ist, ist die schlimmste Form der Lynchjustiz.“

Im Jahr 1926 plädierte Woodson erfolgreich für die Einführung einer „Negro History Week“. Er wählte dafür die 2. Woche im Februar wegen der Geburtstage von Abraham Lincoln (12. Februar), dem Verkünder der Proklamation der Gleichberechtigung, und Frederick Douglas (14. Februar), dem bedeutendsten Bürgerrechtskämpfer im 19. Jahrhundert.

Seit den 1920er Jahren bis zu seinem Tod war Woodson die Führungsgestalt der afro-amerikanischen Intellektuellen. Seine Stimme hatte in der Öffentlichkeit Gewicht. Seine Arbeit veränderte die Geschichtsbücher, in denen die schwarze Bevölkerung zuvor weitgehend ignoriert worden war.

Er wollte sein Lebenswerk mit einer 6-bändigen „Encyclopedia Africana“ krönen – aber er starb vor der Vollendung, völlig überraschend, am 3. April 1950 an einem Herzinfarkt.

Er hatte sich sein Leben lang an die Regel der berühmten Sklavin Harriett Tubman, die sich und andere befreit hatte, gehalten: Nie aufgeben!

„Wenn Du die Hunde hörst – lauf weiter. Wenn Du die Fackeln im Wald siehst – lauf weiter. Wenn sie nach Dir rufen – lauf weiter. Halte niemals an. Wenn Du die Freiheit schmecken willst – lauf immer weiter.“

1976 wurde die von ihm geschaffene Gedenkwoche unter Präsident Gerald Ford zum „Black History Month“ ausgeweitet und der Februar damit zum nationalen Gedenkmonat in den USA.

Es gibt heute ca. 46 Millionen Afro-Amerikaner, wobei diese Bezeichnung üblicherweise nur für jene angewendet werden sollte, die die direkten Nachkommen der früheren Sklaven sind.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles