Vom »in die Welt geworfen sein...« - Perry als Kierkegaardsche Figur
Vom »in die Welt geworfen sein...«
Perry als Kierkegaardsche Figur
Der frühe Perry war nicht so: er war eine Führungsperson, geeignet zur Identifikation (für den zugegebenermaßen eher 16-jährigen Leser). Er hatte Pläne für die Menschheit, er entwickelte Strategien und versuchte, diese durchzusetzen. Dabei traf er natürlich auf immer größere Mächte, die ihn zunehmend unter Druck setzten. So entstand der Eindruck, er würde nur noch auf äußere Gefahren re-agieren, anstatt sie handlungsahnend vorauszusehen (Mutanten aber auch Lebenserfahrung gab es genug...) und mutig Strategien zu entwickeln, diese Gefahren überlegt abzuwehren. Statt dessen entstand zunehmend der Eindruck, er wäre (siehe ganz oben...) den äußeren Zwängen unterworfen und könne nicht mehr frei agieren. Dieses Bild begann bereits mit dem Konzilszyklus, als die Laren ihm den ersten Hetran der Milchstraße andienten. Es ist also wohl auf dem Mist von Voltz gewachsen, die frühe, extrovertierte Hoppla-jetzt-komm-ich-Manier von Scheer wurde abgelöst durch die inneren Daeinsängste von Voltz.
Zwar wurde die Menschheit immer mehr in kosmisches Geschehen verwickelt, konfrontiert mit (sehr) hohen Mächten und vielen jahrmillionealten Entwicklungen, zu denen sie höchstens marginal einen abschließenden I-Punkt beitragen konnte. Zunehmend geriet Perry also in äußere Zwänge, in denen er nicht mehr frei agieren konnte, keine wirkliche eigene Entscheidungsgewalt mehr besaß, sondern auf die Umstände reagieren musste.Jedenfalls durchzieht dieses Konzept ganze Zyklen. In Einzelbänden, insbesondere Startheften eines neuen Zyklus kann diese Zwangshandlung allerdings auch wieder aufgehoben sein zugunsten eines neuen, kühnen, eigenen Unternehmens...wie etwa einst der Polyporthof in 2500. Das kündigte ja zunächst Aufbruchstimmung an...vorübergehend...doch bald war man auch hier den Zwängen wieder unterworfen, die nicht wirklich eigene Entscheidungsfreiheiten förderten.
Wie angenehm ist dagegen doch Band 100 zu lesen, als die FANTASY frisch und fröhlich munter drauflos jagt in die Tiefen der Galaxis hinein, ohne nach dem Woher und Wohin zu fragen...Terraner, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich nicht herumschubsen lassen durch höhere Mächte (die es bei K.H. Scheer, von ES abgesehen, wahrscheinlich auch nicht in derartigem Ausmaß gegeben hätte wie unter Voltz, der die Menschheit ja gerne klein hatte, weil er das für SF hielt.). Zunehmend ist Perry auch später der Getriebene, der auf Außenhandlungen reagieren muss: nicht der kühl handelnde Stratege, der er in den frühen Bandzyklen war. Er handelt taktisch, auf die jeweilige Handlung bezogen, aber Strategie für größere Entwicklungen, die auch längerzeitig sein können, liegt ihm fern, wird von den Autoren nicht mehr beschrieben...kein „Tausend-Jahres-Plan“ mehr...
...immerhin hat MMT im jüngsten Band als einer der Autoren selbst einmal auf dieses Manko hingewiesen, das ja offensichtlich bisher keinem der Expokrateure oder Autoren aufgefallen war...bitte verwandelt Perry wieder in die Führungsgestalt, die er einmal war...SF muss nicht nur aus sich selbst ununterbrochen anzweifelnden Leuten bestehen, die innere Monologe führen...das erhöht nicht die Qualität. Immerhin ist der aktuelle Kurzzyklus doch global positiv zu sehen. Zwar wird auch hier keine Strategie entworfen, doch sind die taktischen Zugänge immerhin klar und eindeutig:Ziel ist, eine Materiesenke, auch im Katoraum, zu verhindern.
Aber die frische Unbekümmertheit der frühen Serie, die nicht nach Folgen fragt (Man bittet lieber um Verzeihung als um Erlaubnis, wie ein Sprichwort sagt...) ist mit der heutigen, alles durchdringenden Larmoyanz der späten Bundesrepublik wohl nicht mehr wiederzuholen.
In diesem Sinne darf sich Perry weiter herumschubsen lassen...es sei denn, das wird in den nächsten Zyklen anders...
© 2017 by H. Döring
Kommentare
Und was das Reagieren des Helden auf äußere Zwänge angeht, das ist seit der Raumschlacht im Wega-Sektor in Heft 10 nicht anders. Dass die bösen Außerirdischen dabei immer mächtiger wurden, das ist das Gesetz der Endlosserie. Das hat schon Scheer so halten müssen, um was zu erzählen zu haben.
Was Scheer betrifft, sehe ich bei ihm keine mangelnde Toleranz gegenüber der darstellung von Voltz. Natürlich ist die Voltzsche Vorstellung von Kooperation im Kosmos etwas "linksliberaler" als die eher konservative scherr-meinung, der ein "Terra-über-alles"-Fan war. Daran krankte eben die frühe(re) SF oft, nicht nur in D-Land...dieses: "der Erdmann wirds schon richten...", ein etwas postkoloniales´Denken. Insofern war Voltz moderner organisiert, deshalb wurde ja letzlich das SI durch die LFT ersetzt, aber ob das der Serie immer gut getan hat...ist so die Frage...zweifellos wurde sie kosmischer...Interessant nur, dass gerade ein "militaristischer" Zyklus, nämlich der über die MDI, bei den Fans noch so beliebt ist trotz 1600 Bänden "postvoltz" . (Bei allen Schwächen des Zyklus').
Dann kam der Moment, als der Robotregent zu Gunsten Atlans zurücktrat und die Terraner nicht mehr unmittelbar vor dem Inferno standen. Die nächsten Gefahren bedrohten dann schon mehr die ganze Galaxis, und die Terraner bekamen es früh genug mit Unabhängigkeitsbestrebungen ihrer Kolonisten zu tun - Plophos machte nur den Anfang.
Ja, ein goldener Mittelweg - die Spontanität eines Scheers einerseits mit der großen Übersicht WiVo´s verbindend - wäre ein erfrischender Neuanfang für alles nach PR 3000.
Kosmische Zusammenhänge auszublenden ist unrealistisch, diese Zusammenhänge mit einer Bewegungsfreiheit des freien Willens als ultimativen Dritten Weg, der noch zu finden ist, zu kombinieren ist durchaus möglich.
Vielleicht gibt das Projekt SAN solch eine grundlegende Möglichkeit, damit wir Berichte über neue Explorationen lesen können, die nicht immer in das hier zu recht angeprangerte "Rumgeschubse" münden müssen.
Optimistisch gedacht ...
Früher war PR ein Macher, der sich zu behaupten wußte undin jeder noch so aussichtslosen Situation nicht scheute, die Initiative zu ergreifen.
Und wer ihm bzw. den Terranern dumm kam, der durfte damit rechnen, dass PR auch mal höchstpersönlich bei ihm anklopfte, gerne auch mal etwas lautstark und mit einer Begleitung, die die Party erst verließ, wenn man aus der Location einen Parkplatz gemacht hatte.
Bei S19 (eine Serie, die mir aus anderen Gründen aber doch gefiel) hingegen, wurde ein ohnehin permanent am Rande des Abgrunds vor sich hin wurstelnder Außenposten der Menschheit (plus ein Quoten-Alien in der zweiten Staffel) ein ums andermal von irgendwelchen nicht weiter erklärten höheren Mächten vor vollendete (und meist recht unschöne) Tatsachen gestellt, und El Chefe (der durchaus einige Parallelen zum frühen Perry aufwies) war den Rest der Folge über damit beschäftigt, seine Truppe irgendwie halbwegs unbeschadet aus der Bredouille zu bringen.
OK, es gab auch ein paar Folgen, in denen mehr oder weniger improvisiert die Initiative ergriffen würde, bis hin zu für die bösen Angreifer fatalen Konsequenzen (zb Voyagers Return), aber in der nächsten Folge stand man dann wieder genauso wie der Ochs vorm Berge als ob nix gewesen wäre, und wartete darauf, daß einem der nächste pöhse Purche auf die Finger klopfte .