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Was macht eine Weltraum-SF-Story aus? - Fachbegriffe und Oberflächlichkeiten

1Was macht eine Weltraum-SF-Story aus?
Fachbegriffe und Oberflächlichkeiten

Ich will nicht verallgemeinern, für eine ausführliche Monographie über dieses Thema, die durchaus reizvoll wäre, fehlt mir die Zeit. (Im Folgenden wird »Autor«, also die männliche Form als Oberbegriff verwendet). Es gibt verschiedene Spielarten der SF, von der Hard-SF nach Clarke bzw. der in sich logisch naturwissenschaftlichen SF nach Campbellscher und Heinleinscher Art (auch Asimov sei erwähnt) bis zur SF-Fantasy eines Vance mit seinen bunten Erzählungen oder den Welten-Romanen diverser Autoren  wie Darkover, Pern oder Arrakis.

Hinzu kommt natürlich noch die inner-space-Schiene, die einst mit Robert Silverberg begann: „Es stirbt in mir“. Hier werden die Innenwelten der Protagonisten über ihre Gefühlsdarstellungen präsentiert. Ebenso seien die Dystopien der Art „Brave new world“ oder „1984“ erwähnt, die es auch  in allerlei Formen und Formaten  gibt.
Gibt es also echte und unechte SF? Wohl eher nicht … und sehen wir einmal vom genial-verrückten Wissenschaftler mit seinen irren Gadgets bei Hugo Gernsbacks Amazing Stories ab, dann spielt die Raumfahrt in der frühen SF eine große Rolle. Das findet sich bereits bei Edmond Hamilton und seinen frühen Space-Sagas, nicht nur um Captain Future oder in den frühen 50ern des zwanzigsten Jahrhunderts bei Aldiss oder Silverberg. Es gibt also natürlich im Gegensatz dazu sicher auch Spielarten der Science Fiction, die ohne diesen Begriff auskommen.

Sollte sich aber ein Autor - auch bei Perry Rhodan, um wieder auf den aktuellen Bezug zu kommen - damit befassen, dann kommt man als seriös wirkender Schreiber einfach nicht darum herum, sich mit ein paar Grundbegriffen zu beschäftigen, die zur Raumfahrt-SF dazugehören. Der SF-Autor muss dazu nicht Astrophysik studieren … als aufgeschlossener Mensch kann er ja wichtige Begriffe, die er für seinen Beruf benötigt, recherchieren, ordnen, speichern und aufbereiten.

Der Autor ist ja ein Profi, der seine Fachbegriffe kennt. Da er SF schreibt, die im Weltall spielt, kann er nicht umhin, auch einige Fachtermini dazu zu lernen, die aus dem Gebiet der Astrophysik stammen. Das ist gar nicht schwer: früher gab es dazu jede Menge bunte Sachbücher über Planeten, Kometenwolken, T-Tauri-Sterne oder einfach Raumfahrt, heute hilft das Internetz überall und schnell bei jeglicher Recherche.

Unser Autor kann  also, wenn er denn Szenen im Weltall beschreibt, mit Raumschiffen, mit Meteoren, Kometenwolken, Planeten, Sternen oder interstellaren  Staub-und Gaswolken, gut gerüstet daherkommen, um seinen selbst gewählten Beruf auch voll professionell auszuüben und den Lesern ein überzeugendes Szenario zu präsentieren, das durch das angelesene Fachwissen abgerundet ist. So können auch keine Fehler auftreten, etwa in der Kosmo-Navigation, die eben nur Kegelschnitte und ihre höheren, nichtlinearen Applikationen (etwa bei der Beschreibung eines Mehrfachsternsystems) als Bahnen im Weltraum zulässt.

Natürlich wird diese reale Grundlage von der Phantasie des Autors überlagert. Schließlich ist ja Science-Fiction das Thema. Also können selbstverständlich heutige Naturgesetze ausgehebelt oder umgangen werden. Deshalb schreibt unser Autor ja logisch fundierte Phantastik. SF eben. Der Überbau muss ja ebenso stimmen wie das fachliche Fundament, die grundlegende Basis der Einrahmung. Nur dann stimmt das Gesamtambiente. Dazu kann man, wenn der Autor weiß, was er wann schreibt, vorab recherchieren oder natürlich auch in dem Moment, in dem die grundlegende Beschreibung auftritt. Das wann ist also egal. Aber das muss ist eine Voraussetzung, damit der Leser nicht über die fehlenden Sachbezüge meckert. Ein kritischer, mitdenkender Leser erkennt sonst allzu rasch die Lücken in der Story, die nicht gut genug mit Hintergrundmaterial gefüllt sind. Dünne Stories aber überzeugen  nicht.

Der Autor möchte ja Science-Fiction schreiben, keine Fantasy, jedenfalls im Perry Rhodan … heißt es doch: „die größte Science-Fiction-Serie der Welt!“ Das setzt ja fordernde Maßstäbe an unseren Autor.

Da der Autor also seinen Beruf versteht, oft sogar als Berufung, will er dem Leser natürlich das Beste vorsetzen, was er mit einer Paperheftchenschreibe erreichen kann. Also wird nicht geschludert. Sollte er einige Passagen schreiben, die im Weltall spielen oder in der Hochatmosphäre eines Planeten, so wird er seine Fachbegriffe dazu erkunden und diese, natürlich in wohldosierter Form, verwenden. Damit hat er das Ambiente der Fiction mit etwas grundlegender Science abgerundet und den Leser auch mit einigen Daten, nicht nur mit Handlung überzeugt, ein profundes, wohlgelungenes Werk abzuliefern. (Hier fällt mir auf Anhieb Mark Brandis alias Nikolay von Michalewski  ein, dessen Raumfahrtbegriffe immer überzeugend ausfielen, jedenfalls schien mir das beim Lesen so zu sein. Die Schwächen dieser Reihe liegen dahingegen an anderer Stelle, was ich jetzt hier, da nicht zum Thema gehörend, nicht diskutiere).

Der Perry Rhodan hat ja nun viele erfundene Begriffe aus der in der inneren Logik der Serie extrapolierten Physik wie etwa Hyperräume und raumzeitlich höherdimensionale Effekte. Das macht eben den Reiz des „was-wäre-wenn“ aus, den das  spekulative Element der Fiction liefert. Natürlich war Perry Rhodan nie ganz Hard-SF im Sinne von Clarke und Campbell, doch war mit Klaus Mahn alias Kurt Mahr doch bereits in der Frühzeit der Serie ein Physiker beteiligt, der mit dafür sorgte, dass der Science-Anteil der Reihe halbwegs überzeugend für den Leser herüberkam. Das hatte Basis, Grundlagen, überzeugte.

Selbstverständlich hält sich auch der Autor von heute an diese allgemeinen Grundlagen, denn auch er möchte seine Leser mit dem überzeugen, was er schreibt. Solange also keine Hypertechnik vorkommt, werden die Beschleunigungen, Trägheitsbewegungen und kurvigen Bahnen von Raumschiffen mit der Newtonschen Physik beschrieben. Dadurch rundet der Autor das Ambiente seiner Weltraum-Erzählung gezielt ab und überzeugt so den Leser, dass er weiß, wovon er schreibt. Das ist schließlich das Minimum, was der zahlende Kunde vom Perry-Autor erwarten kann. Der Autor hat sich also eine einfache, aus wenigen Vokabeln bestehende, grundlegende Basis an astrophysikalischen Begriffen angelesen, bevor er beim Perry einsteigt. Hans Kneifel hatte immer eine Enzyklopädie in Reichweite … heute tut es natürlich auch die Recherche im Internetz, um die spannende Handlung mit überzeugenden Grundbegriffen zu untermauern. Der Autor ist ja Profi und schreibt nicht einfach drauflos. Er will den kritischen Lesern das Beste liefern, was er sich abringen kann.

© 2019 by H. Döring

Kommentare  

#1 Larandil 2019-03-12 09:39
Kurt Mahr räumte allerdings auch ein, zeit seines Lebens nicht glücklich gewesen zu sein über Antigravschächte und Transmitter. Und ein Leserbrief, der darauf hin wies, dass der G-Punkt des Metagravantriebs in jedem durchflogenen Sonnensystem schwerste Verwüstungen hinterlassen müsste, ließ ihn vor Scham erröten.
Auf der anderen Seite stand dann Clark Darlton, der bei einem der Kämpfe um die Weltraumbahnhöfe gegen Ende des MdI-Zyklus Gucky eine angreifende Flotte mit einer Paralysator-Breitseite neutralisieren ließ und weiter schrieb, dass die Besatzungen erst "in ein paar Lichtjahren Entfernung" wieder zu sich kommen würden.
Hat Hans Kneifel seine Enzyklopädie nicht primär für Temporal- und Lokalkolorit in Atlans Zeitabenteuern genutzt? Der Masterplan der MdI in PR-TB 35, den Wasserstoffring um das galaktische Zentrum zu entzünden und mit dieser riesigen Stichflamme die Erde wegzufegen, wäre jedenfalls ohne Situationstransmitter ein echter LANGzeitplan.
#2 AARN MUNRO 2019-03-12 09:58
#1: Du hast sicher recht. Gerade Darlton ist ja für seine Schnitzer in der Serie bekannt. Das nahmen die Leser ihm aber kaum übel. In den ersten fünfzig Bänden galt er sogar bei einigen Lesern als der "Chefphysiker" der Reihe wegen seiner ständigen Eskapaden mit Zeitverschiebungen (Barkoniden etc.)
Kurt Mahr war da viel ernsthafter, er nahm die HIntergründe der Serie eben anders wahr als WE, der einfach nur SF schreiben wollte. Mit Transmittern und Antigrav konnte er (Mahr) sich nicht wirklich anfreunden, dabei sind Transmitter doch klar physikalisch erklärbar.
Kneifel hat vielfältig zitiert: oft eben auch astrophysikalische Zusammenhänge. Man merkt aber, dass es nicht erlerntes Wissen ist, sondern "künstlich eingesetzt". Das tut der Sache aber gar keinen Abbruch. Auffallend bei ihm war, dass jeder Stern eine "Sonne" war, aber das galt auch für WE und andere. Die nahmen die Begriffe manchmal nicht so genau, leider.

PS: Außerdem war bei Kneifel immer alles "rund", wenn er kreisförmig meinte (aber auch ein Kegel oder Zylinder sind "rund"). Wie Voltz auch sehr oft, verwechselte er gleichschenklige und gleichseitige Dreiecke.

Das muss Band 294 gewesen sein. WE hatte ja ohnehin eine oft zu lockere, humane Art drauf im MDI-Zyklus, die mich selbst sehr genervt hatte. Bitte nicht falsch verstehen, aber die MDI sind ja eigentlich Massenmörder, Kriegsverbrecher etc. nach unseren Gesichtspunkten. Gucky hingegen plaudert mit Proht Meyhet (Faktor III) so freundlich dahin wie bei einer Teestunde.

Was die Aufmerksamkeit einiger Leser für astronomische Zusammenhänge betrifft: Damals war die Zielgruppe etwa 14-16. heute 40 oder darüber. Da steigen dann auch die Anforderungen einiger Leser an die Serie über die eindeutige Anwendung von Begriffen. Ich gebe aber natürlich zu, dass der Großteil der passiven, schweigenden, nur lesenden Mehrheit die Eindeutigkeiten und Unterfütterungen wahrscheinlich gleichgültig sind ... die wollen nur unterhalten werden ...
#3 Larandil 2019-03-12 13:05
zitiere AARN MUNRO:

Was die Audmerksamkeit einiger Leser für astronomische Zusammenhänge betrifft: Damals war die Zielgruppe etwa 14-16. heute 40 oder darüber. Da steigen dann auch die Anforderungen einiger Leser an die Serie über die eindeutige Anwendung von Begriffen. Ich gebe aber natürlich zu, dass der Großteil der passive, schweigenden, nur lesenden Mehrheit die Eindeutigkeiten und Unterfütterungen wahrscheinlich gleichgültig sind ... die wollen nur unterhalten werden ...


Also: die Romane waren früher nicht besser geschrieben oder sorgfältiger recherchiert. Aber die Leser, die waren damals jünger, leichtgläubiger, weniger kritisch.
Wenn der Lolli heute nicht mehr so schmeckt wie damals, als man gerade auf die Pubertät zusteuerte und evtl. im Fernsehen noch davon berichtet wurde, wie Amerikaner auf einem rustikalen Buggy über den Mond heizten, liegt's nicht am Lolli, sondern am Schleckenden.
#4 Andreas Decker 2019-03-13 12:43
zitiere Larandil:


Also: die Romane waren früher nicht besser geschrieben oder sorgfältiger recherchiert.


Grundsätzlich hast du ja recht mit dem Lolli :-) , aber wenn es um Physik oder Wissenschaft ging , waren sie schon besser geschrieben. Es gibt so viele Beispiele. Zb diese unsinnige Darstellung von Dilatationsflug in dem unsäglichen Tiuphoren-Zyklus, oder jeder beliebige Raumkampf. Da wird wild um sich geballert, ohne auch nur einen Gedanken daran zu investieren, was - immer vorausgesetzt, man nähme die vorgegebenen Technikkonzepte ernst - eigentlich um einen herum passieren würde. Da könnten auch Drachen durchs All fliegen und Feuer spucken, wäre häufig genauso plausibel.
#5 AARN MUNRO 2019-03-14 11:57
Also: dem "Hypnostrahler" stehe ich da viel kritischer gegenüber als dem Antigravschacht.
#6 Larandil 2019-03-15 07:22
zitiere Andreas Decker:
... wenn es um Physik oder Wissenschaft ging , waren sie schon besser geschrieben. Es gibt so viele Beispiele. Zb diese unsinnige Darstellung von Dilatationsflug in dem unsäglichen Tiuphoren-Zyklus, oder jeder beliebige Raumkampf.

Als in PR 300 OLD MAN nach langem Dilatationsflug ein paar Jahrzehnte zu spät auftauchte, um sich im Krieg gegen die MdI nützlich zu machen, da hat - glaube ich - auch niemand Fragen gestellt. 's war halt so, wenn das da stand.
Wenn es um das Schlachten im Raum geht, hat die ungeliebte Hyperimpedanzerhöhung ja doch unter anderem zu einer erheblichen Reduzierung der Transformbombenkaliber geführt - und zu einer geringeren Reichweite.
#7 Andreas Decker 2019-03-15 16:52
zitiere Larandil:

Als in PR 300 OLD MAN nach langem Dilatationsflug ein paar Jahrzehnte zu spät auftauchte, um sich im Krieg gegen die MdI nützlich zu machen, da hat - glaube ich - auch niemand Fragen gestellt. 's war halt so, wenn das da stand.
Wenn es um das Schlachten im Raum geht, hat die ungeliebte Hyperimpedanzerhöhung ja doch unter anderem zu einer erheblichen Reduzierung der Transformbombenkaliber geführt - und zu einer geringeren Reichweite.


Darum geht es nicht. Der Flug wird zb beschrieben wie Wells Zeitmaschine im Film, die im Raumschiff können zusehen, wie sich "draußen" alles verändert. (2844). Halte ich für eine sehr gewagte Darstellung, die nicht unbedingt was mit Physik zu tun hat. Aber die RT ist in dem Roman sowieso ein echtes Wunderraumschiff. Sie ortet Kämpfe in der Nordwestseite der Milchstraße und in der Southside. Wir hatten ja kürzlich die Diskussion, wie man sich die Milchstraße so vorstellt. Tatsächlich wohl eher klein.

Es geht auch nicht um Reichweiten von Geschütz A. Es geht darum, wie wenig durchdacht die Darstellungen sind, wenn man sich mal die vorgegebenen technischen Daten ansieht, was A bei B bewirken sol oder im Umkreis anrichtet.

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