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Drums, Wallenstein und Westernshows

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, heute erzählt Rolf von der kurzen Karriere von WKG als Drummer der Country Band »Pony Express«, die hellebischen »Truck Stop«  Der Tee ist serviert ...

Drums, Wallenstein und Westernshows

Wie ich schon immer mal in die Teestunden-Erzählungen einfließen ließ, waren Hans Klipp und ich mit Gitarre und Banjo immer gern gesehene Gäste auf jeder Party. Nicht nur, weil man uns persönlich mochte, sondern auch, weil wir eben auf Wunsch die Instrumente mitbrachten und auch gnadenlos jedes Stück spielten, was irgendeiner der Anwesenden hören wollte – wenn wir es nur kannten.

 

Egal, ob wir auf dem Campingplatz von Wallenstein oder bei Festen des Sportvereins die Instrumente umgeschnallt haben, wir waren mit unseren paar Griffen immer der Mittelpunkt. In der Gaststätte am Schwimmbad in Wallenstein haben wir an einem Regentag mal morgens gegen zehn Uhr angefangen zu spielen und abends um 20 Uhr aufgehört. Der Wirt hatte Waldmeisterbowle, die keiner so recht trinken wollte, die aber vorzüglich schmeckte und die uns der Wirt reichlich gab, damit wir ja nicht aufhörten, weil der Laden brechend voll war. Anschließend waren Hans und ich das auch und der Kübel mit der Waldmeisterbowle war leer.

Ich kenne Gitarristen, die haben für mich das Können und das Feeling eines Eric Clapton oder Marc Knopfler. Die gehen aber auf keine Bühne, weil ja vielleicht einer im Publikum es vielleicht besser könnte. Hans und ich hatten diese Probleme nie. Selbst bei großen Veranstaltungen des Vereins, wo im Hintergrund Tanzkapellen von Rang und Namen standen, die den Abend gestalteten, sind wir auf die Bühne gegangen und haben mit einer Handvoll Griffen – ja, viel mehr waren es wirklich nicht, die wir benutzten –, den Saal so hochgebracht, dass dann hinter uns die Band mit einsetzte. Ach, es tut so richtig gut, eine Begleitband im Hintergrund zu haben, die den vollen Sound liefert.

Werner Kurt Giesa war ja immer dabei und hätte da natürlich gern mitgemacht. Nur – welches Instrument? Es musste unabhängig von Strom sein, wenn wir in irgendwelchen Gärten spielten – und man musste es eben können, ohne viel zu üben.

Ohne viel zu üben – jeder, der versucht, ein anderes Instrument zu spielen als ›Radio‹ weiß, dass das nicht geht. Ideal für Werner wäre ein Teekisten-Bass gewesen, wie man ihn in den Skiffle-Zeiten benutzte. Eine Teekiste aus Holz, darauf ein Besenstiel und daran ein Seil, das je nachdem, wie man das Seil durch Greifen an den Besenstiel verkürzt, höhere oder tiefere Basstöne erzeugt. Mit etwas musikalischem Gehör und Gefühl kommt da schon ein richtiger Bass zusammen.

Aber Teekisten gab es nicht und es war auch bei anderen Experimenten mit einer Gitarre festzustellen, dass Werner dafür weder Gehör noch Gefühl und schon gar keine Lust zum Üben hatte.

Also, wie jeder, der nichts wird, Wirt wird – so wird (wenn man den Sprüchen innerhalb einer Band glauben darf) ein unmusikalischer Mensch entweder Bassist (denen kannst du vier Finger abhacken, die brauchen nur einen), oder, wenn sie völlig unmusikalisch sind, dann gibst du ihnen zwei Urwaldknüppel in die Hand und lässt sie irgendwo drauf rumdreschen.

Um es kurz zu sagen, das einzige Instrument, das Werner zusagte, war die ›indianische Kriegstrommel‹ - das Schlagzeug. Kein Problem, immerhin war ich ja Drummer in einer Band, hatte die Schießbude in Ahnatal griffbereit, und da Werner ja, wie oft genug berichtet, damals fast jedes Wochenende da war, konnte ich ihm etwas beibringen.

Da Hans und ich üblicherweise ohne Verstärkeranlage spielten (meine Anlage habe ich erst später bekommen, als ich bei der Band lange raus war und mit den Keyboards auf ›Alleinunterhalter‹ umstieg), verbot es sich von selbst, Werner die ›Urwaldknüppel‹, in Fachkreisen auch Drum-Sticks genannt, in die Hand zu geben. Die machten viel zu viel Krach, wenn man es nicht gewöhnt ist, ganz dezent auf Fellen und Becken zu arbeiten. Ein Anfänger aber schafft das nicht, und W. K. Giesa war zwar ein begnadeter Schriftsteller, aber das Talent zum richtigen Drummer hatte er nicht. Das hat man – oder man hat es nicht.

Was Werner jedoch hatte, war ein gewisses Taktgefühl. So wie man eben bei der Musik auf dem Biertisch den Takt mitklopft. Also machte ich es mit ihm wie in meiner Anfangszeit. Ich verzichtete auf den ganzen Schlagzeugaufbau, gab Werner die Snare-Drum (die kleine Rührtrommel) zusammen mit der ›Hi-Hat‹ (das ist das Ding mit den zwei Becken übereinander) und dazu ein Becken. Und statt Stöcke bekam Werner sogenannte Jazz-Besen.

Mit diesen ›Besen‹ aus Stahl kann man auf den Trommeln rühren oder trommeln – und hielt somit in der Jazz-Zeit vor den Verstärkern und Lautsprechern in einer kleinen Combo das Schlagzeug leise. Werner hat es zwar nie geschafft, mit den Besen den ›Wisch-Effekt‹ auf der Snare-Drum zu erzeugen oder einen Besen-Wirbel auf den Becken zu machen, aber mit einiger Übung hielt er doch recht passabel die Grundschläge für die Art von Musik, die Hans und ich so machten. Also recht einfache Beats. Und auch, wenn er da richtig reingedroschen hat, unsere Instrumente waren immer noch zu hören.

Ja, und so hatte der »Pony-Express« plötzlich mit Werner Kurt Giesa einen Schlagzeuger und es gibt sogar einige Bilder von uns von einem Auftritt in Wallenstein. Durch das Keyboard konnten Hans und ich das Programm erweitern, weil ich die Griffe, die mir auf den Saiten absolut nicht gelingen wollten, auf den Tasten problemlos drauf hatte.

Nun will man ja, wenn man etwas Außergewöhnliches macht, dies auch den Leuten zeigen. So ging das auch Werner – und versprach dem Jugendzentrum Lippstadt eine Country- und Western-Show mit Band und Artistik im Western-Stil.

Die Band – das war klar. Die konnte mit einigen geborgten Verstärkern anrollen und war dort laut genug. Aber Artistik – das war etwas zu viel versprochen.

Oder?

Werner und ich hatten uns damals dem Western-Club in Kassel angeschlossen – wo natürlich die Besitzer des Western-Shops mit den Ton angaben – und wir hatten dort gelernt, mit dem ›Trick-Lasso‹ umzugehen. So mit dem Lasso Kreise zu schwingen, das sah schon mal gut aus. Aber was dann noch machen? Denn Messer werfen ... das ist erstens nicht so schnell zu lernen und zweitens braucht man bestimmte Messer dazu und drittens ... wer wagt es, sich hinzustellen und sich von Messern einrahmen zu lassen?

Aber irgendwann hatte mir Werner mal eine sogenannte ›indische Tiger-Peitsche‹ geschenkt – so als ›Sklaven-Peitsche‹, die man bei Fantasy-Festen locker am Gürtel hatte. Ich hatte in Ahnatal im Garten damit etwas geübt und konnte auch einigermaßen was treffen. Meist mit weniger Können als mit mehr Glück.

Werner erklärte die Peitsche, die von der Wirkung her jeden Tiger zum Kichern gebracht hätte, kurzerhand zur ›Bull-Peitsche‹ und meinte, damit eine Zeitung zu zerschlagen müsste doch gehen. Nun ja, es gibt nichts, was ein deutscher Soldat nicht kann – und wir haben das am Wochenende davor mit der Samstags-Ausgabe der Zeitung probiert.

Ich gebe zu, mit einer Bullpeitsche hätte ich Werner beim ›Üben‹ für die nächsten drei bis vier Wochen von der Schreibmaschine ferngehalten. Das dünne Leder der indischen Peitsche tat zwar auch etwas weh, wenn er es ›auf die Pfoten‹ bekam, aber das war zu überleben. Auch Bleistifte aus der Hand oder aus dem Mund schlagen ging gut. Also stand die zweite Nummer der ›Western–Artistik‹ - und mehr war eben nicht drin.

Für das Lippstädter Wochenende hatten wir den ganzen ›Heerbann‹ zusammengerufen, um dort mit einem größeren Rudel Hut tragender Kerle etwas Western-Atmosphäre nach Lippstadt zu bringen. Und wenn solche Sachen abliefen, dann war natürlich auch der heutige Herausgeber des Zauberspiegels nicht fern. 

Was Hermann bei der Anreise nicht wusste, war, dass er die Rolle als ›Freiwilliger‹ hatte und mit für die ›Peitschen-Show‹ als Partner in die Manege musste. Aber die sturmerprobten Männer von der Küste fürchten sich ja höchstens vor dem Klabautermann. Und die kurze Probe in Ahnatal mit der Peitsche klappte vorzüglich. Also dann auf nach Lippstadt – gelegentlich dann auch als ›Klipp-Stadt‹ bezeichnet – manchmal wurde auch ein ›Scham‹ davor gesetzt, was Werner dann nicht mehr so lustig fand.

Im Jugendzentrum waren die Jungs und Mädels mächtig skeptisch – zumal sie sehr schnell erkannten, dass die ›Crew‹, die von Werner als ›Profis‹ hochgejubelt wurde, in Wirklichkeit nicht mal Amateurstatus hatten, sondern einfach Leute waren, die eben ›just for fun‹ angereist waren, um ihren Spaß zu haben. So wurde denn auch die Musik der Band mit Höflichkeits-Applaus bedacht. Auch wenn sich Werner mit seinem besten Western-Outfit so fein gemacht hatte, dass selbst Buffalo-Bill Codys Erscheinung beim Einreiten in seine Western-Show zu Nichts verblasst wäre.

Die Sache mit dem Lasso brachte so lange Beifall, bis sich einer von den Jungens das Seil schnappte – und sich die Schlinge des Trick-Lassos auch bei ihm drehte. Hm, peinlich, peinlich ...

Und dann die Sache mit der Peitsche. Ich hatte Hermann vorher schon drauf hingewiesen, dass er bei einem eventuellen Treffer das Mienenspiel eines Indianers am Marterpfahl zeigen müsse – also sich den Schmerz nicht anmerken lassen. Wenn ich mich recht erinnere, klappte das, was wir geübt hatten, auch ganz vorzüglich. Nur hatte wieder einer dieser Lippstädter Schlauberger aufgepasst.

„Der zerreißt ja die Zeitung, bevor die Peitsche trifft!“, rief er in den Beifall. Und – so unrecht hatte er damit auch gar nicht. Auch diesen kleinen Taschenspielertrick hatte ich mit Hermann geübt. Denn wenn die Stückchen immer kleiner werden, dann wird die Gefahr größer, dass es was auf die Finger gibt.

Bevor Gelästere und Gelache losgehen konnte, hatte ich mir den Jungen gegriffen. Hermann hatte als Raucher, was er heute noch ist, selbstverständlich eine Streichholzschachtel. Die hatte ich ihm während der Show schon einmal aus der Hand geschlagen. Allerdings weiß ich nicht genau, ob ich getroffen hatte, oder ob Hermann sie schon den Bruchteil einer Sekunde vorher fallen ließ. [Du hast getroffen. Anmerk. hhva]

Nun bekam der Junge diese Streichholzschachtel in die Hand und musste sie am ausgestreckten Arm halten, während ich Maß nahm. Und ich war sicher – diesmal musste ich treffen. Und zwar die Schachtel und nicht die sie haltenden Finger. Und auch nicht die Luft, denn der Junge würde anschließend seinen Triumph haben.

Also, das Ziel kurz anvisiert, dann sauste die Peitsche herab – und traf genau – die Schachtel. Die flog in hohem Bogen durch den Raum, und der verdutzte Jüngling erzählte dann allen, die es wissen wollten, dass da wirklich kein Mogel dabei gewesen wäre.

Ja, das war also W. K. Giesas Wild-West-Show in Lippstadt, die schlussendlich zwar gut gelaufen war, uns aber auch Grenzen aufgezeigt hatte. So was haben wir nie wieder organisiert.

Aber Werner hatte jetzt als Schlagzeuger Blut geleckt und wollte mehr. Ein richtiges ›Drum-Kit‹ mit Bass-Drum (Fußtrommel), Toms und Becken. Nicht gerade meine Stage-Garnitur mit den zwei Bass-Drums, aber eben das, was man als Drummer so auf die Bühne stellt. W. K. fühlte sich ganz in die Rolle eines erfolgreichen Country-Drummers hinein. Und als wir dann bei einem Konzert von Truck-Stop Cisco Berndt kurz kennenlernten, erzählte Werner natürlich brühwarm von der erfolgreichen Band »Pony Express«, wo er eben Schlagzeuger war. Cisco kannte sicher solche Erzählungen schon und meinte dann eben nur, dass es wichtig sei, dass eben deutsche Country-Musik gemacht würde.

Von diesem Treffen existiert sogar ein Foto. Cisco trug damals einen weißen Anzug aus Leder, den er direkt aus den USA importiert hatte. ›Der Mann mit dem weißesten Anzug‹ wurde er vorgestellt. Und deshalb muss ich noch mal vorgreifen, denn der ›weißeste Anzug‹ ließ Werner nicht ruhen. Allerdings – was so was in Leder kostete, hat auch einen Werner Kurt Giesa nachdenklich gemacht, als man es ihm dann im Western-Shop sagte.

Aber – wo es kein richtiges Leder sein kann, da gibt es ja Kunstleder. Und inzwischen war ich mit meiner späteren Ehefrau zusammen, die Werner einen solchen Anzug aus Kunstleder einschließlich Fransen auf der Nähmaschine zusammenschneidern konnte. Und nicht nur konnte, sondern auch getan hat. Werner hat den Anzug auch auf diversen Cons getragen.

Ich war selbst nicht bei diesem Truck-Stop-Konzert mit dabei, als wieder ›der Mann mit dem weißesten Anzug‹ angesagt wurde – und sich dann im Publikum noch eine Gestalt erhob – mit blütenweißem Anzug mit Fransen. Und das Kunstleder war noch ›persil-weißer‹ als das Leder, das Cisco schon zwei Jahre auf Tournee getragen hatte. An dieser Art von Gags hatte Werner damals seine helle Freude.

Ja, aber das Schlagzeug. Später hat er wenig davon erzählt und wollte davon nichts mehr wissen.

Warum eigentlich?

Ganz einfach. Mit den Jazz-Besen als Untermalung konnte sich Werner dem Takt, den ich auf dem Keyboard mit der linken Hand vorgegeben habe und den Hans auf der Gitarre voll und ohne besondere Akzente zu setzen durchschlug, anpassen. Das hörte auf, als die Fußtrommel dazu kam, weil die Kombination zwischen Händen und Füßen wirklich geübt werden muss. Bei allem Talent – das muss man erst mal im Gefühl haben.

Werner hatte das nicht. In Ahnatal, wo ich ihm einmal die ›Schießbude‹ aufbaute, war schon zu erkennen, dass Werner das, wenn überhaupt, dann nur mit viel Übung in den Griff bekommen würde. Und weil ich in Ahnatal im reinen Wohngebiet hauste, war hier ein Üben nicht möglich.

Werner erklärte, er habe im Jugendzentrum von Lippstadt den Drummer einer Punk-Band, der ihm alles beibringen würde. Nun ja, der erste Auftritt Werner Kurt Giesas mit vollem Schlagzeug sollte sicherheitshalber ›auf eigenem Platz‹ geschehen – also in Wallenstein. Wenn ich mich recht erinnere, war sogar Hermann angereist. [Jepp, es war Pfingsten und ich war dabei. Anmerk. hhva]

Ich hatte die Nacht vorher einen Auftritt mit der eigenen Band und konnte nicht mal antesten, was er an der ›Schießbude‹ so drauf hatte. Werner war mit der anderen Truppe bereits mit den Zelten in Wallenstein, und wir wollten am nächsten Morgen ab 10 Uhr zur Eröffnung des Biergartens spielen. Ich hatte einiges an Verstärkeranlage dabei, weil Werner sich extra neue, eigene Drum-Sticks gekauft hatte und damit zu rechnen war, dass sein Schlagzeug keine dezente Hintergrundbegleitung bleiben würde.

Ja, und dann hat Werner einen Fehler gemacht. Er lief den ganzen Tag zuvor in seinem feinsten Western-Outfit herum, trug seine Drum-Sticks spazieren und erzählte jedem, der es hören wollte oder nicht hören wollte, dass er der Drummer der Band sei, die morgen vor der Schwimmbad-Gaststätte spielen würde. Natürlich zog er auf diese Art Publikum an – aber eben ein Publikum, das ihn nicht kannte und wegen seiner optischen Erscheinung und seinen Erzählungen die Erwartungshaltung an die Musik sehr hoch schraubte.

Die Katastrophe kam am nächsten Tag.

Halb übernächtigt war ich direkt von der Bühne nach Wallenstein gefahren und hatte zwei oder drei Stunden im Auto gepennt, damit ich die Anlage einigermaßen pünktlich aufstellen konnte. Hans hatte zwar den Hut auf, aber er hat sich nie so besonders ›western-mäßig‹ gekleidet. Ich hatte wohl das übliche Hemd an und den Hut auf, aber in dieser Zeit war die Sache bei mir schon wieder am Abklingen. Werner dagegen kam in einer Gala, die Roy Rodgers, dem singenden Cowboy, absolut die Show gestohlen hätte.

Üblicherweise fingen die mit dem Truck-Stop-Stück »Ich möcht so gern Dave Dudley hörn« an – das Vorspiel dazu hatte ich lange auf dem Keyboard geübt. Hinter mir stand das Banjo – das bei einigen Songs eben mit eingesetzt wurde, um etwas Vielfalt ins Programm zu bringen.

Die ersten Sekunden klappten perfekt. Nämlich genau so lange W. K. ›vorgab‹, das heißt mit den Sticks klickte – one – two – three – four. Ja, und dann glaubten Hans und ich, dass der Vesuv ausbrach.

Werner drosch auf meine armen, unschuldigen Trommeln ein, als seien sie seine persönlichen Feinde oder als ob er vom Geist des Keith Moon besessen wäre, der bei »The Who« manches Schlagzeug zertrümmert und klein geschrotet hat. Dabei legte er eine Geschwindigkeit vor wie ein D-Zug, der eine Verspätung einholen muss.

Wohl oder übel versuchten Hans und ich uns diesem raschen Beat anzupassen. Und durch die Lautstärke, die Werners Trommeln machten, hörte ich kaum die Gitarre von Hans – und er hörte mein Keyboard überhaupt nicht. Ich weiß nicht mehr, welche beiden Stücke wir danach noch versuchten, während das Volk um uns rum langsam zu lachen begann. Sie hatten noch die Sprüche im Kopf, die Werner am Vortag zum Besten gegeben hatte – und hörten nun das Ergebnis.

Mitten im dritten Stück passierte es. Ich habe Hans Klipp nur einmal ernsthaft böse gesehen – und das war in diesem Moment, als er Werner vom Schlagzeug jagte. »Aus - Schluss! Hau ab!« oder so was brüllte er. Werner schlich sich davon wie ein geprügelter Hund und verließ erst am Abend wieder das Zelt – ohne Glitzer und Glamour an der Western-Kleidung. Und nur Crom mag wissen, ob er die Trommelstöcke zu Feuerholz zerschrotet hat. Hier hat Werner dann gelernt, dass der Schuster bei seinem Leisten und der Schneider bei seinem Faden bleiben sollte.

Hans und ich haben dann, wie früher, alleine weitergemacht. Ich stellte mir die Bass -Drum und die Hi-Hat so auf, dass ich sie mit den Tasten noch bedienen konnte und wir so etwas Beat hatten. Das ging dann ganz gut – aber es war auch so ziemlich der letzte Auftritt des »Pony-Express«. Ich war schon verheiratet und in das Leben von Werner und auch Hans waren Frauen getreten, die dann den Vorsatz ›Ehe‹ bekamen. Und so sind all diese Sachen Geschichte einer schönen und wilden Zeit.

Ich denke, beim nächsten Mal werde ich noch etwas über Werner und den Kasseler Western-Club erzählen – und auch einiges über den Raben berichten, der einige der Jahre mein Leben teilte, in denen W. K. Giesa fast an jedem Wochenende bei mir war.

Bis in einer Woche also ...

Kommentare  

#1 Kerstin 2012-01-08 14:54
Wenn einem die Teekisten ausgegangen sind, tut es auch ein Speisfass, ebenfalls mit Seil und Stock. Das Fass ist ein gut vibrierender Klangkörper, gibt einen schönen, tiefen Bass ab. Wenn dann noch einer ein Waschbrett mit Metallfingerhüten bearbeitet, reichen ein oder zwei "echte" Instrumente für die Leadmelodie. Dieser Bass taugt sogar für Soli, die den Saal zum Kochen bringen. Habe ich schon erlebt.

Schade eigentlich, dass einem in der Schule die Musiklehrer gern die Neigung zum Musizieren so gründlich austreiben! Jeder Ton muss perfekt sein, klassisch sein, hohen Anforderungen, die ich nicht mal ansatzweise verstehe, entsprechen - nur Spaß machen muss es nicht. Das ist regelrecht verpönt unter den Pädagogen der klingenden Kunst. Das gleiche gilt auch für viele Chorleiter.
#2 Laurin 2012-01-12 02:22
Göttchen nein, das hätt ich ja zu gerne gesehen wie Werner die Trommeln verhaut...einfach köstlich. :lol:
#3 Harantor 2012-01-12 11:41
Ich habs erlebt und sollte sein Nachfolger werden. Da ich noch ein Stück unmusikalischer bin und Hans in seinem Zorn gesehen hatte zog ich es vor, mich nicht an die Trommel zu setzen. Aber der Moment hatte es in sich.
#4 Kerstin 2012-01-12 17:05
Ist doch gut, wenn man seine Grenzen kennt. Was Musik angeht, bin ich absolut talentunbelastet, aber das weiß ich und ich versuch gar nicht erst, andere Leute mit musikalischen Darbietungen zu quälen. Ich würde wohl nicht nur vertrieben, sondern auch verhauen, wenn ich das versuchen wollte.

In der Schule waren Musik und Sport meine absoluten Horrorfächer, was die Mehrheit der Klasse gar nicht begreifen konnte, die liebten sowohl den Drill in der Turnhalle als auch das Gejeuer im Musiksaal. Das wiederum kann ich bis heute nicht verstehen.
#5 Laurin 2012-01-12 18:43
Kerstin, kenn ich, beim Sport ging mir das nicht anders. Bei Musik war dann eher ich der absolute Horror für die Lehrerin, deshalb durfte ich nach zwei Anläufen (mit kräftiger Stimme, sehr laut und unbarmherzig schief) nicht mehr mitsingen. :lol: :lol: :lol:
#6 Kerstin 2012-01-13 18:08
Laurin: Nur singen? Eigentlich war das bei uns verboten, einen vorsingen zu lassen, aber zur Strafe für Unaufmerksamkeit oder sowas hat der Lehrer das manchmal trotzdem verlangt, wenn er genau wusste, dass derjenige sich vor der Klasse total blamieren würde mit seinem Gejaule. Die guten Sänger wurden nie dazu verdonnert.

Ich musste mich 5 Jahre lang mit einer Blockflöte abplagen, durfte aber zu Hause keinesfalls üben. Das musste ja schief gehen. Und dann die Harmonielehre: Es gibt in meinem Hirn absolut keine Zellen, die sowas erfassen, speichern und verarbeiten könnten. Da die Lehrer sich zu fein waren, mal richtige und falsche Tonkombinationen auf dem im Musikraum vorhandenen Klavier wenigstens hörbar zu machen, musste ich die ganzen Regeln für pure Wichtigtuerei der eingeweihten Musikusse halten.

Nachdem mich meine Nichte gestern Abend mit der Gedichtform Elfchen bekannt gemacht hat, habe ich gleich eine ganze Reihe produziert. Eins davon zum Thema Musik:

Schräg.
Die Musik.
Sie klingt falsch.
Ich habe kein Talent.
Hoffnungslos.

Das Dichten macht mir mehr Spaß und die ganze Sache ist für mich viel nachvollziehbarer und logischer als die Regeln der Harmonielehre. Über das Vorhandensein von Talent könnte man immer noch streiten, aber es macht wenigstens Spaß und belästigt keinen Nachbarn, der lieber seine Ruhe hätte.

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