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Zwischen Degeringen und Stuttgart - »Die Chronik der Familie Nägele«

Die Chronik der Familie NägeleZwischen Degeringen und Stuttgart
»Die Chronik der Familie Nägele«

Über sechs Jahrzehnte hinweg entfaltet diese in schwäbischer Mundart gedrehte Miniserie das Schicksal eines Schneidermeisters, der eine florierende Textilfabrik aufbaut. Immer wieder steht dem Erfolg des Unternehmens die Weltpolitik im Wege.

Die Willy-Reichert-Serie aus dem Jahr 1968 ist nun wieder auf DVD bei „Pidax Serien-Klassiker“ erschienen.

Die Chronik der Familie NägeleDank Pidax hat man derzeit wieder die Gelegenheit, das Talent und die Wandlungsfähigkeit des schwäbischen Volksschauspielers Willy Reichert (1896-1973) für sich zu entdecken. Parallel zur DVD-Wiederveröffentlichung der zehnteiligen Serie „Schwäbische Geschichten“, die erstmals in den Jahren 1963 bis 1966 ausgestrahlt worden waren, hat man nun auch „Chronik der Familie Nägele“ wieder zugänglich gemacht, die im Jahr 2006 beim DVD-Label inakustik erstmals in digitaler Form veröffentlicht worden war. Zwischen den Serien gibt es etliche Überschneidungen. Die offensichtlichsten sind natürlich die Besetzung der Hauptrolle mit Willy Reichert und die Tatsache, dass der Österreicher Fritz Eckhardt (1907-1995) für die Idee der einzelnen Folgen verantwortlich zeichnete. Aber auch in den Nebenrollen tauchen in beiden Serien immer wieder dieselben DarstellerInnen auf, was angesichts des eher überschaubaren Pools an schwäbischen Schauspielern auch nicht weiter verwundert. Hier wie da gibt es ein Wiedersehen mit Ilse Künkele (1925-1992), Werner Veidt (1903-1992) oder Oscar Müller (1921-2003). Und keineswegs fehlen darf natürlich Oscar Heiler (1906-1995), der einst bei Willy Reichert Schauspielunterricht erhalten hatte und schon seit den 1920er Jahren gemeinsam mit ihm auf der Bühne und vor Fernsehkameras gestanden hatte. Legendär ist beider Verkörperung der Ur-Schwaben „Häberle und Pfleiderer“, deren Sketche über Jahrzehnte hinweg das Bild der Deutschen von den Württembergern prägte.

Die Chronik der Familie NägeleAnno 1900 ist der Schneidermeister Hans Nägele (Willy Reichert) gezwungen, mit seiner Familie aus dem beschaulichen Degeringen nach Stuttgart zu ziehen. Dort erweitert er rasch seinen Betrieb und wird zu einem der angesehensten Unternehmer der Stadt. Seine Textilfabrik boomt, im Jahr 1914 wird Nägele sogar zum königlichen Hoflieferanten ernannt. Gleichwohl versetzen Kriege, Inflation und Weltwirtschaftskrise der Erfolgsgeschichte der Familie Nägele immer wieder einen Dämpfer. Im Jahr 1923 taucht mit Karl Schüntler (ebenfalls Willy Reichert) ein unehelicher Sohn Hans Nägeles auf, der fortan die Firma bis in den Zweiten Weltkrieg hinein weiterführt. Faktotum des Unternehmens ist der reichlich naive, dafür aber umso umtriebigere Adolf Neschtle (Oscar Heiler) sowie dessen gleichnamiger Sohn (ebenfalls Oscar Heiler), die die Nägeles oftmals zur Verzweiflung treiben, aber durchaus auch als Retter in der Not fungieren. Nach 1945 hat man nicht nur mit der Währungsreform und dem Wiederaufbau der zerbombten Fabrikhallen zu tun, sondern muss die Firma nach dem Tod Karls auch in die Hände von Wilhelm Nägele (nochmal Willy Reichert) übergeben, dem Bruder des Firmengründers Hans, der bislang in Degeringen als Gartenzwerghersteller gewirkt hatte. Die Chronik endet im Jahr 1960, als es abermals zu größeren personellen Umwälzungen in der Traditionsfirma kommt.

Die Chronik der Familie NägeleAuf den Ausgaben der Zeitung „Schwäbische Chronik“, mit der Willy Reichert jede der acht rund einstündigen Folgen eröffnet, lautet eine Schlagzeile „Weltpolitik klein geschrieben“. Damit haben die Macher mit viel Selbstironie zusammengefasst, was „Die Chronik der Familie Nägele“ ausmacht. Über sechs Jahrzehnte hinweg liefern die Episoden Einblicke in die Erlebnisse einer schwäbischen Industriellenfamilie, die mit den unterschiedlichsten Problemen konfrontiert wird, welche aber trotz ihrer weltumspannenden Ausrichtungen in den Geschichten stets nur am Rande vorkommen. Trotzdem sind die Erlebnisse stets mit einer ordentlichen Portion subtiler Ironie gewürzt, mit der sich jeder Zuschauer identifizieren können müsste. Oscar Heiler bildet stets den wirkungsvollen Gegenpol zu Willy Reicherts Figuren. Letzterer brilliert insbesondere in der Folge „Anno 1923“, in der er in eine Doppelrolle schlüpft, die mittels Split-Screen-Verfahren dann auch parallel im Bild zu sehen ist. Eine amüsante Familienserie voller ernster Zwischentöne, die nach wie vor gut zu unterhalten versteht. Die DVD-Wiederveröffentlichung dürfte technisch identisch sein mit der Erstauflage aus dem Jahr 2006 und präsentiert die acht Folgen auf drei Scheiben in akzeptabler Bildqualität (schwarz-weißes Vollbildformat 1,33:1) mit gelegentlichen Magnetbandartefakten. Der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist gut zu verstehen, als Extra gibt es noch den siebenminütigen Zusammenschnitt „Sprüchesammlung“ mit den besten Bonmots aus der Serie.

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