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Der Liberace von Sandusky - »Swan Song«

Swan SongDer Liberace von Sandusky
»Swan Song«

Udo Kier ist einer der wenigen Deutschen, der seit Jahren in internationalen Filmen zu sehen ist und auf der ganzen Welt bekannt sein dürfte. In erster Linie spielt er aber Schurken und unangenehme Typen, die nach wenigen Leinwandminuten das Zeitliche segnen. Nun ist Kier in „Swan Song“ in einer gänzlich anderen Rolle zu sehen, die er zu seiner formidablen One-Man-Show macht. Der Film aus dem Jahr 2021 ist nun erstmals auf DVD erschienen.

Swan SongUdo Kier, der 1944 in Köln-Lindenthal geboren wurde, begann seine beeindruckende Karriere bereits vor knapp 60 Jahren, als er für einen britisch-französischen Kurzfilm von Michel Sarne, „Road to Saint Tropez“, erstmals vor einer Kamera stand – und dann gleich neben renommierten Stars wie Gabriella Licudi und Fenella Fielding! Einer seiner ersten Langfilme war das kontroverse Billigprodukt „Hexen bis aufs Blut gequält“ des ehemaligen deutschen Heimatfilmstars Adrian Hoven, das aber längst Kultstatus genießt. Kier öffnete sein Auftritt als Graf in diesem Hexen-Horrorfilm aber zweifelsohne die Türen nach Hollywood, wo er mit seinen Rollen in den von Andy Warhol produzierten und von Paul Morrissey inszenierten „Frankenstein“- und „Dracula“-Varianten dann rasch internationale Bekanntheit erlangte. Rollen im Dario-Argento-Klassiker „Suspiria – In den Krallen des Bösen“ oder unter dem legendären Rainer Werner Fassbinder („Bolwieser“, „Die dritte Generation“, „Berlin Alexanderplatz“) trugen ebenfalls dazu bei. Bis heute hat der exaltierte Mime für mehr als 270 Rollen im Scheinwerferlicht gestanden.

Swan SongPatrick Pitsenbargers (Udo Kier) große Zeit liegt hinter ihm. Der ehemalige Starfriseur fristet seinen Lebensabend in einem Altersheim und verbringt seine Zeit mit Serviettenfalten oder dem heimlichen Zigarette-Rauchen auf dem Flur. In seiner Blütezeit zählte die reichste Frau in Sandusky, Ohio, Rita Parker Sloan (Linda Evans), zu den Stammkundinnen von „Mr. Pat“. Nun ist die Matriarchin gestorben und hat in ihrem letzten Willen verfügt, dass Pitsenbarger ihr ein letztes Mal die Haare machen soll, damit sie auf ihrem Begräbnis tadellos aussieht. Aber Pitsenbarger zögert, denn seine Stammkundin wurde ihm einst untreu, als seine Assistentin Dee Dee Dale (Jennifer Coolidge) direkt auf der anderen Straßenseite ihren eigenen Laden eröffnete und weigerte sich auch, auf der Beerdigung von Pats langjährigem Lebenspartner David (Eric Eisenbrey) zu erscheinen, der an AIDS verstarb. Schließlich gibt sich der schwule Ex-Friseur doch einen Ruck und macht sich in Jogginghose und mit einem letzten kleinen Scheck von der Sozialhilfe vom Altersheim zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt von Sandusky, um der verstorbenen Rita ihren letzten Wunsch doch noch zu erfüllen.

Swan SongTodd Stephens („Another Gay Movie“) hat in „Swan Song“ einem authentischen Urgestein aus seiner Heimatstadt Sandusky ein wundervolles Denkmal gesetzt. Udo Kier verkörpert diesen schillernden Exzentriker mit einer feinfühligen Melancholie, die insbesondere in den ersten, ruhigen Szenen des Films voll zum Tragen kommt. Wenn sich dieser einstige Fashion-Star wenig glamourös in Billig-Klamotten auf große Reise begibt, hat das etwas sehr Verletzliches und Schönes. Kier gelingt es formidabel, auch die leisen und zärtlichen Momente seiner Figur wunderbar einzufangen, darf aber natürlich auch die exaltierten Augenblicke voll auskosten. Das starke Porträt eines Außenseiters, der sich in der Provinz über die konservativen Lebenseinstellungen seiner Mitbürger konsequent hinweggesetzt hatte. Die DVD-Erstveröffentlichung des Films bietet eine gute Bild- (Widescreen-Format 1,78:1) und Tonqualität (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 5.1, optional mit deutschen Untertiteln). Die Extras umfassen einen Audiokommentar von Stephens, Kier und den Produzenten Eric Eisenbrey und Tim Kaltenecker, das Featurette „Der echte Pat Pitsenbarger“ (7 Minuten), ein Casting-Featurette (5 Minuten), ein Online-Gespräch zwischen Stephens und Kier (21 Minuten), Udo Kiers Dankesrede für die Iris-Preisverleihung (1 Minute) sowie den englischen und deutschen Trailer zum Film.

Kommentare  

#1 Cartwing 2023-06-16 21:11
Hätte diesen sehr interessanten Artikel beinahe übersehen.
Endlich kann Kier mal zeigen, was er kann...

Den Film werde ich mir auf jeden Fall anschauen...

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