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Der neue Frankenstein! - »Schlomos« fünfzehnte Kolumne

Ren Dhark & das Weltall Der neue Frankenstein!
»Schlomos« fünfzehnte Kolumne

Achtung! Diese Kolumne enthält Spoiler zu Unitall Band 31: Das Elektrische Zeitalter von Nina Morawietz

Vor 200 Jahren, im Jahr ohne Sommer, 1816 schrieb Mary Shelley den Frankenstein, und jetzt, im Sommer mit den chaotischen Wetter 2016, kam von Nina Morawietz das Elektrische Zeitalter.


Rückkehr zum Ort der MachtDas kann es von der philosophischen Aussage her locker mit den meisten Lems aufnehmen, dazu sprachlich erste Sahne, und … weiß gar nicht, was ich sagen soll. Hab das Buch jetzt drei mal gelesen, war jedes mal noch begeisterter als davor und stelle fest: Das ist – was Romane angeht – mein neues Lieblingsbuch.
   
Sollte vielleicht dazu sagen, dass natürlich der Bronstein-Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik, 18. Auflage, immer noch mein absolutes Lieblingsbuch ist. Aber er hat jetzt ernsthafte Konkurrenz bekommen... (Hätte nie gedacht, dass ein Roman da so nahe ran kommen könnte. Hm. Faszinierend!)

Ja, wie ging es mir mit dem Buch? Also, ich wollte mir einen neuen Kaffee holen, fand oben im Posteingang ein typisch Ren Dhark förmiges Päckchen, riss es natürlich sofort auf und hatte WiW 62 und Unitall 31 in der Hand. WOW! Endlich. ENDLICH! YEAH! (um nicht schon wieder Yeeha! zu schreien) Bin sofort wieder runter ins Labor gerannt – ohne Kaffee, versteht sich, der hatte plötzlich keine Bedeutung mehr – und hab angefangen zu lesen. Wollte nebenbei meine Kommentare mitschreiben, aber als plötzlich das Buch zu Ende war, ich einfach nur strahlend mit einem echten WOW-Gefühl da saß, musste ich feststellen, dass auf dem Monitor links vor mir ein leeres OpenOffice Dokument vor sich hin dämmerte. Au. War einfach entschieden zu spannend, um “nebenbei” irgend etwas zu machen. Hm. Außerdem war`s bereits 0400, und ich war trotz monstermäßig heller Begeisterung irgendwie bleiern müde.

Also bin ich in die Falle geplumpst – keine Ahnung, wie ich da hin gekommen bin – und hab am nächsten Vormittag beim Frühstück allen – egal, ob sie es hören wollten oder nicht – erzählt, dass ich den neuen Frankenstein gelesen hab. Dann bin ich wieder runter ins Labor getigert, hab alles hochgefahren und als ersten eine Ausgabe von Mary Shelley`s Frankenstein bestellt. Wollte den natürlich auch mal wieder lesen. Bisher, oder vielmehr damals, vor 40 Jahren (können auch ein paar mehr gewesen sein) hatte ich den Frankenstein aus dem Bücherbus ausgeliehen. Wegen wenig Kohle und später nicht mehr daran gedacht, ein Exemplar zu kaufen. Wobei das gar nicht ganz stimmt. Ich hatte Anfang der 90er eine CD gekauft, “Desktop Bookshop” mit so etwa 2000 freien Büchern. Unter anderem mit der Originalversion vom Frankenstein von 1818. Die CD war damals sauteuer. 40 Deutschmark. Und 2 Wochen später hatte ein alter Freund von mir, der einen Buchladen betrieb, den Compbook Laden, einen Restposten eben dieser CD beschafft, und sie für – bin mir nicht mehr ganz sicher - 5 Mark verscherbelt. Hm. Blöd gelaufen. (Und das war damals noch echtes Geld, nicht so eine Phantasiewährung, wie wir sie momentan aufgedrückt bekommen haben)

FrankensteinAls ich ein paar Tage später Mary Shelley`s Frankenstein angelesen hab, kamen wieder alte Erinnerungen hoch. Bevor ich den Frankenstein zum ersten mal gelesen hatte, kannte ich natürlich den Film von 1931, und war erst einmal verblüfft, dass der Roman eine ganz andere Struktur hat. Im Grunde genommen ist die Geschichte eine Geschichte in der Geschichte. Und darauf fahr ich total ab. Mit eben genau diesem Roman als Auslöser! Deshalb begeistern mich die eingestreuten Geschichten in den RD Romanen so tierisch! Frühkindheitliche – äh, jugendliche Prägung also.

Dann hab ich wieder das Elektrische Zeitalter gelesen, und ich muss sagen, Nina`s Roman hat mit deutlich besser gefallen. Das hat eine Reihe von Gründen: Zum einen schreibt Nina im Stil des 21. Jahrhunderts, Mary Shelley in dem des beginnenden 19. Jahrhunderts. Dennoch haben beide eins gemeinsam: Die ruhige, unaufgeregte Art, wie sie erzählen. Dazu die präzise Beobachtung des Verhaltens der Protagonisten, die genaue und sofort Vertrautheit auslösende Beschreibung der Umgebung. Irgendwie müssen die beiden so etwas wie “Geistesschwestern” sein. Gut, vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber die sind sich derart ähnlich in ihren Interessen und Ideen...

Zum anderen sind es die Monster. Mary Shelley`s Monster war ein vom damaligen Wissenstand weiter gesponnenes Konstrukt, das vor 200 Jahren durchaus im Rahmen des Vorstellbaren lag. M.S. kannte natürlich Luigi Galvani`s Experimente mit den Froschschenkeln und der daraus abgeleiteten Erkenntnis der Bedeutung von Elektrizität für Lebewesen. Vom heutigen Standpunkt gesehen wirkt das auf eine wild-romantische Art naiv. Nina`s Monster – und ich schreibe hier NICHT, worum es sich dabei handelt – ist dagegen erheblich realer, in unserer Welt sogar allgegenwärtig. Dass dieses Monster unsere Technische Zivilisation auslöschen könnte, liegt durchaus im Bereich des möglichen.

Das Elektrische ZeitalterSo, dann mal zum Roman selbst: Es gibt eine Rahmenhandlung, in die eingebettet die eigentliche Geschichte liegt. Genau das formale Konzept, auf das ich so abfahre! Die Hookers untersuchen einen Planeten, der Bordcomputer entdeckt eine wüstenartige Fläche, von der er annimmt, dass dort vor mehreren zehntausend Jahren einmal eine Stadt gestanden hat. Die Hookers untersuchen die Stelle, finden winzige, uralte Glaspartikel und schließlich einen kleinen Dodekaeder aus Unital. Der könnte Jahrmillionen überdauern, ohne auch nur angekratzt zu werden. Mich hat er sofort an einen der römischen Dodekaeder erinnert, nur eben ohne den “Füßchen” an den Ecken und den Bohrungen an den Seiten, von denen man immer noch nicht weiß, wozu sie gut waren. (Ich halte sie nach wie vor für Teestofen. Kerze rein, Teekanne drauf. Fertig.)

Den beiden gelingt es nach einigem Herumprobieren den Dodekaeder zu öffnen, und darin finden sie: Ein Worgunsches Mobilgerät! Auf gut Neudeutsch: Ein Smartphone. Und jetzt kommt meine heimliche Lieblingsszene: Bei den Worgun sind die Dateiformate über hunderttausende von Jahren hinweg kompatibel! YEAH! DAS löst echte Begeisterung aus! Der Bordcomputer kann die Daten lesen und spielt sie vor. Es ist die Geschichte unseres Helden, der vor 120.000 Jahren gelebt hat.

Und hier kommt die eigentliche Geschichte, unter anderem die vom Elektrischen Zeitalter. Und – WOW – die ist sowas von stark, dass ich fast platze, weil ich nichts verraten will. Aber ich finde, das MUSS man einfach selbst gelesen haben, jeder Spoiler wär ein Spannungskiller. Deshalb steht hier auch der kurze Nachtrag anstelle von 5½ Seiten Beschreibung. Die hab ich nachträglich wieder raus genommen und in einem “Reste”-File zwischengelagert. Aber würde ich das spoilern, würd ich sicher vielen den Spaß am Roman verderben. Was ich natürlich nicht will. Obwohl ich wirklich fast platze...

Doch, ich halt`s sonst wirklich nicht aus, ein paar Kleinigkeiten muss ich einfach erwähnen: Der Bunker der Hacker ist wirklich eins zu eins der ehemalige Hochbunker, in dem die Münchner Volkssternwarte untergebracht ist. Selbst die Einrichtung erinnert daran. MegaWOW! Und als etwas später bestimmte Leute Probleme mit ihren technischen Implantaten bekamen, fiel mir ein Statement meiner Schwester ein, nachdem ein Blitz oberhalb meines Labors eingeschlagen hatte und die ½ Technik abgeraucht war: “Mach dich doch nicht so abhängig von deinen Computern...”

Brutaler Schnitt: Der Roman endet wieder mit den Hookers, die jetzt die Geschichte unseres (unfreiwilligen) Helden erfahren haben. Bis auf dessen Ende. Weshalb Jane Hooker protestiert: “Was? Aber das ist doch kein vernünftiges Ende! Wie geht es mit Kaslut weiter? ”

Und DAS halte ich für eins der genialsten Enden, die ich seit langem gelesen hab. MegahyperWOW!

Nina MorawietzSo, und nächstes Wochenende werde ich den Roman noch einmal lesen. Ist denn Nummer 4. Aber irgendwie kann ich einfach nicht genug davon bekommen...

Ich schreib aus zwei Gründen diesmal so wenig: Ich will nicht viel vom Roman verraten, weil der so derart extrem stark ist, dass ich niemand den Spaß schmälern will, die Geschichte selbst zu entdecken. Klingt vielleicht untypisch für mich, aber mir würde eine “Schlomonische Kolumne” vorkommen, als hätte ich eine megalechts Torte bekommen und ganz alleine aufgefressen, ohne irgend jemand etwas davon abzugeben. Also, sucht euch irgendwo eine ruhige Ecke, wo euch niemand stört, und lest! Lasst euch dabei Zeit, denn es rentiert sich wirklich, darüber nachzudenken.

Der zweite Grund ist: Mir brennt schon wieder mal die Zeit unter den Nägeln. Ich spiel gerade mit unser aller Lieblingsfunktion, der Zeta Funktion und hab eine Möglichkeit gefunden, Ramanujans Analytische Fortsetzung zu verallgemeinern. Drauf gekommen bin ich über die Cesaro Summe. Man kann so eine Art Hash-Funktion auf divergente (oder alternierende) Reihen anwenden, und plötzlich ergibt sogar der Wert von -1/12 für ζ (-1) einen Sinn.

In der üblichen Form von ζ (k) {mit k = -1 } = Σ 1/ n^k = 1+2+3+4+... = -1/12 ist das letzte Gleichheitszeichen bekanntlich totaler Nonsens, aber geschrieben als #ζ (-1) = -1/12 passt es. Das entscheidende ist der Hash Operator... (Der im eigentlichen Sinn gar keine Hash Funktion ist, da er auf unendlichen Reihen arbeitet, sondern ein eigenständiges Kalkül, etwa wie ein Differentialoperator. Hm.)

So. Nächstes mal kommt WiW 62, „Rückkehr zum Ort der Macht“ an die Reihe

Schalom,
Schlomo

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