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Cons, Zauberspiegel und Ehrenzauberer

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, der Zauberspiegel wird dreißig und wir kennen uns etwas mehr als ein halbes Jahr länger. Da möchte ich deine Bemerkungen lesen. Der Tee ist serviert ...

Cons, Zauberspiegel und Ehrenzauberer

Ups ... dreißig Jahre ... ist das wirklich schon so lange her? Kenne ich Hermann tatsächlich schon dreißig Jahre?

Sicher etwas länger. Denn als ich ihn damals beim Marlos-Con in Frankfurt kennen lernte, war ein Fan-Magazin namens Zauberspiegel vielleicht in Planung - aber noch nicht realisiert. 


Ich weiß nicht mal, ob der Club ›Söhne der Zauberer‹ - wie er hieß, wenn ich mich recht erinnere - damals schon existierte. [Tat er nicht. Damals waren wir noch die ›Aktionsgruppe 2000‹ des ›Dan Shocker’s Fantastik Club.]

Eben jener Marlos-Con, von dem ich auch schon besonders in einer Teestunde erzählt habe, war der erste, zu dem mich Werner mitnahm. Hauptsächlich deswegen, damit ich auf diese Art meinen ›Agenten‹ kennen lernte, dem es gelungen war, mein ›Erstlings-Werk‹ innerhalb der Serie ›Professor Zamorra‹ unterzubringen. Und was eignete sich besser dazu, als eben ein Marlos-Con, wo in damaliger Zeit Dan Shocker auf jeden Fall dabei war? Zumal Frankfurt für Jürgen eben in einigermaßen erreichbarer Nähe war.

Ich gebe zu, dass meine persönliche Eitelkeit bei diesem Con einen echten Knacks bekam. Immerhin hatte ich ja einen Roman veröffentlicht und kam mir doch ziemlich wichtig vor. Hier war das jedoch nicht von Bedeutung. War Werner noch etwas bekannt - ich selbst war ein absolut unbekannter ›Nobody‹.

Denn es ging um Larry Brent und Macabros, die geistigen Welten, die Jürgen ›Dan Shocker‹ Grasmück erschaffen hatte. Selbst Werner als etablierter Autor, der inzwischen unbestreitbar die Zamorra-Serie führte, auch wenn immer noch mal Fremd-Autoren den einen oder anderen Roman schrieben, bekam hier nicht die Beachtung wie auf den ›richtigen‹ Horror-Cons. Dort wurde zwar vornehmlich Jason Dark von der Fan-Gemeinde so hofiert wurde wie Jürgen bei einem Marlos-Treffen, aber es kristallisierte sich schon damals eine kleine Gruppe aus der immer größer werdenden Horror-Fan-Gemeinde raus, die den ›Professor Zamorra‹ regelmäßig lasen und im Fandom bald einen ›harten Kern‹ bildete.

Jedenfalls wurde Werners Zusatz zur Vorstellung meiner Person »... er hat den ›Krakengötzen‹ geschrieben ...« eher gelangweilt zur Kenntnis genommen. Bis auf eine einzige Ausnehme. Einer der Anwesenden hatte den Roman nicht nur gelesen, sondern brachte neben einem gewissen Lob auch etwas fundierte Kritik mit herein. Natürlich konnte ich zu dieser Kritik etwas mehr sagen, zumal ich ja ungefähr 20 Seiten neu schreiben musste – von denen vielleicht sogar die Hälfte vom prüfenden Anwalt beanstandet wurden. Später hat dann dieser, mein erster ›literarischer‹ Kritiker, eben jene mit in Kopie zurück geschickten beanstandeten Seiten als besonderes Präsent bekommen.

Den Kritiker zu nennen heißt hier wohl Eulen nach Athen tragen. Die Gestalt erinnerte damals schon an einen Bären und man musste ziemlich nah ran gehen und hinter dem wild wuchernden Vollbart zu erkennen, dass der ›Nordland-Bär‹ eigentlich recht jung war [Stimmt noch nicht mal 18 war ich, aber der Bart macht älter]. Jedenfalls im Verhältnis zu mir, der ich die magische Zahl ›30‹ lange überschritten hatte. Das Jahr, in dem die ›Jugend‹ dann endgültig vorbei ist ... für mich was dieser 30ste Geburtstag wirklich grausam. Aber das ist eine andere Geschichte.

Also, von Dan Shocker samt Frau Karin und Dan Shockers ›General-Sekretär Uwe Schnabel einmal abgesehen, blieb mir eigentlich von‹ diesem Con nur dieses bärtige Monstrum in Erinnerung. Zumal ich mir zwar den Namen Horst Hermann von Allwörden erst mal nicht merken konnte - aber der Name ›Hexen Hermann‹ fraß sich in den Gehirnwindungen fest. Und zwar als jemand, der sich nicht nur im Grusel-Genre der Hefte auskannte, sondern der auch fundiertes Wissen über die Dinge besaß, die eben mit Magie, Zauberkunst und Hexenwesen zusammen hingen.

Ich weiß jetzt nicht mehr, ob ich zu Hermann oder überhaupt zum Fandom im Folgejahr direkten Kontakt hatte [Hattest du. Das ist zum Beispiel geschehen: Morgenstund hat Gold im Mund]. Doch der nächste Marlos-Con sollte genau da statt finden, wo eben jener Hexen-Hermann wohnte. Das bedeutete natürlich für Werner und mich eine "Nordland-Expedition", denn das sogenannte ›Land Kehdingen‹ auf der südlichen Seite der Elbe zwischen Stade und der Balje war uns beiden recht unbekannt. Das war das Gebiet der wilden Friesen und für uns Binnenländer schon recht nahe am Polarkreis.

Es war die Zeit noch bevor Werner und ich in den engeren Freundeskreis von Karin und Jürgen Grasmück aufgenommen wurden. Und so war diese Marlos-Expedition für Werner und mich schon eine Art ›Pflicht-Termin‹, um mit ›dem Chef mal wieder ein paar Takte zu murmeln‹.

Hinzu kam noch, dass Werner und mir außer den Fahrtkosten und diversen Getränkespesen im Con-Lokal keine Hotel-Kosten entstehen würden. Denn - wir waren im Anwesen einer altadeligen Familie des Landstrichs von Kehdingen zu Gast geladen.

Genauer gesagt, im Hause derer ›von Allwörden‹.

Das Haus zu finden war allerdings erst mal ein Problem, weil man durch den Ort Drochtersen fast völlig durchfahren musste. Ich habe später auf einer Fahrt alleine mal eine wahre Odyssee gemacht und bin zwei Stunden durch die Lande südlich der Elbe gekreuzt, bis ich dieses Haus dann mehr durch Zufall wieder gefunden habe. Denn als Werner damals fuhr, habe ich nicht so recht auf den Kurs geachtet. Allerdings wusste ich nach dieser Irrfahrt Bescheid und musste auf den vielen Fahrten, die ich im Verlauf der nächsten Jahre nach Drochtersen gemacht habe, das Haus nicht mehr suchen.

Aber Werner und ich sind beim ersten Mal, wenn ich mich recht erinnere, auch erst ein oder zwei Mal an dem Haus vorbei gefahren und wären plötzlich schon im nächsten Ort. Also - Kommando zum Beidrehen und neu anfahren. Wir hatten dann das Glück, dass der Hausherr (wenn man von Hermanns Mutter absieht, die ja die eigentliche Herrin des Hauses war) zufällig im Garten rum lief und wir das Haus dadurch identifizieren konnten.

Damals wie heute ist Hermann ja nicht zu übersehen. Und wenn wir beide zusammen sind, dann kann man getrost Shakespeares »Julius Cäsar« zitieren:
»Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein - mit kahlen Häupten und die nachts gut schlafen ...«
Ja, zu dem Leibesumfang ist leider auch das Problem gekommen, das wir zwar rings ums Haupt eine Mähne wie ein Rock-Star der 70er haben können - nur auf dem Oberdeck ist langsam ein Kahlschlag wie in brasilianischen Regelwald. Auf meinen Reisen wurde ich deshalb mehr oder weniger gezwungen, den Hut nicht mehr zur Zierde, sondern zum Nutzen aufzusetzen. Und Hermann kennt man ja ohnehin mit ›Prinz-Heinrich-Mütze‹ oder ›Elb-Segler‹. Inzwischen haben wir auch wieder eine frühere Gemeinsamkeit, weil ich wieder einen Vollbart habe, der nur so gefasst ist, dass meine notwendige Atem-Maske abschließt. Ach ja, und wenn graue Haare das Zeichen der Weisheit sind, dann können wir beide in der Stoa der Agora von Athen die Eulen tragen.

Ja, bei diesem Marlos-Con und auf diese Art lernten Hermann und ich uns dann erst mal richtig kennen. Er hatte seine Zimmer im Obergeschoss und es war urgemütlich. Geschlafen wurde auf Matratzen, von denen er eine ganze Reihe unter dem Dach eingelagert hatte. So konnte Hermann problemlos einen kleinen Con in seinem Haus abhalten, der die Reisekasse der Con-Mitglieder nicht durch Hotel- oder Gasthof-Kosten belastete. Und - eine sehr wichtige Sache - man brauchte nach dem ›Umtrunk‹ nicht erst den Weg nach Hause zu finden. Meistens legte man sich eben auf irgendeine Matratze, da wo gerade Platz war.

Ich räume ein, dass vielleicht nicht viele von der Schreibe-Szene das so akzeptiert hätten. Aber Werner war ja Student und kannte solche unkonventionellen Lagerstätten - bei mir im ›Turm des Schreckens‹ musste er ja mit der Couch vorlieb nehmen. Und ich als früherer Pfadfinder und späterer Panzergrenadier habe schon unter wesentlich unangenehmeren Umständen geschlafen - das Glanzstück war ein fahrender Marder-Panzer, wo ich im Sitzen, auf das Gewehr abgestützt gepennt habe, bis wir wieder in der Kaserne waren.

Dass es in Hermanns ›Wohn- Arbeits- und Schlafraum‹, diesem vom Speisesaal zum Trink- und Rauchsalon umgewandelten und dann einer Nutzung als Schafgemach genutzten Räumlichkeit zur Nachtzeit nach dem Kommando ›Pfeifen und Lunten aus - Ruhe im Schiff‹ akustisch zuging, als würde die Welt-Firma IKEA das Material von tausend Billy-Regalen aus den schwedischen Wäldern raus sägen, störte keinen. Wenn's zur Nachtruhe kam, hatte jeder seine paar Liter schäumendes Schlafmittel samt diversen Gläser ›Schottischen Lebenswassers‹ intus und nur, wenn einer mal aus Gründen diverser Entleerungen über die kreuz und quer liegenden Körper der Schlafenden stolperte, wurde die Ruhe etwas unterbrochen.

Ach, das waren schöne Zeiten damals. Dieses Fandom, wo alles so locker abging - das wird wohl nie wieder kommen. Oh, dass mir Zeus zurück gebe die vergangenen Jahre ... (Vergil - Äneis)!

Ich erinnere mich dann, dass Werner und ich uns erst am Morgen so richtig das ganze Anwesen angucken konnten - einschließlich der Hühner und Gänse. Womit der Begriff: »Hexen-Hermans Horror-Hühner« geboren war, aus dem Werner irgend wann mal eine Short-Story machte. Dafür gab es aber Eier von ›glücklichen Hühnern‹ - und die schmeckten auch wirklich wesentlich besser als das, was man sonst zu kaufen bekommt.

By the way - Hühner und Horror-Hühner. Wie ich heute angeben kann, einen Tiger zu besitzen - weil ich ihn eben bezahlt habe, auch wenn Sina in der Tiger-Gruppe meines Freundes Sascha Prehn heute mit dem Zirkus durch Holland tourt - so konnte ich auch mal als Haustier ein Huhn angeben. Das wohnte eben nur nicht bei mir, sondern eben bei Hermann. Wie ich daran gekommen bin? Ganz einfach. Hermann wollte mir mal was zum Geburtstag schenken und wusste nicht was. Aber eine seiner Hennen brütete gerade. Also sagte ich ihm: »Schenk mir ein Huhn!«

Ja, und so weit ich weiß, hat Henne Berta auch bis zum normalen Ableben auf dem Hof gelebt. Immer wenn ich nach Drochtersen kam, habe ich natürlich auch nach ›meinem Huhn‹ geguckt. Und wenn Hermann kam, brachte er Eier mit - die von Huhn Berta gelegt waren.

Das aber jetzt keiner auf den Gedanken kommt, zu erklären, Hermann und ich hätten was mit dem früheren Nazi-Verbrecher Heinrich Himmler was gemeinsam - denn immerhin war Himmler einige Jahre - Hühner-Züchter. Wer das behauptet, bekommt trotz all meiner Friedfertigkeit einen körperlichen Verweis in Form einer Beule.

Seit diesem Marlos-Con war Hermann eben für mich ein feststehender Begriff und auch vom Aussehen her jemand, den ich trotz meines mehr als schlechten Personengedächtnisses nicht mehr vergessen würde. Werner und ich waren auch noch öfter in Drochtersen - und später war ich ohne Werner noch viel mehr dort. Wobei auch Hermann, wenn auch nicht so oft wie seinerzeit Werner, aber doch öfter den Weg nach Ahnatal und später nach Kassel fand. Zumal seine damalige Freundin und meine Ex-Frau in dieser Zeit gut befreundet waren. Aber das ist hier zum Jubiläum nicht von Belang, zumal ich in vergangenen Teestunden da auch schon einiges drüber erzählt habe.

Hier geht es ja um den Zauberspiegel. Und ich gestehe, mich gar nicht mehr so recht an die Anfänge dieses Fanzines zu erinnern. Vielleicht auch deshalb, weil es eben kein speziell oder wenigstens überwiegend auf den ›Professor Zamorra‹ zugeschnittenes Magazin war. Denn solche Zines, die in jener Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen, hegten und pflegten Werner natürlich besonders. Aber ich bin sicher, dass zu diesem Thema im Verlauf der Jubiläums-Beiträge noch mehr geschrieben wird, wo all diese Sachen exakt drin stehen. Auch über die späteren Extra-Zines Zauberwald, Zaubergalerie und was es da sonst noch gab - da werde ich sicher anhand dieser Artikel meine Erinnerungen auffrischen können.

Hermann fand für die Art Fanzines, die im damaligen Horror-Fandom die absolute Mehrheit hatten, den Begriff ›Jubel-Perser‹. Ein Wort aus der Zeit der 68er Bewegung, dass er heute noch gern benutzt. Aber es sei gestanden, dass Werner und ich natürlich lieber überschwängliches Lob hörten oder in einem Fanzine lasen als eine Kritik. Ich kenne auch niemanden, der den Verriss eines Romans einer Lobhudelei vorzieht.

Dennoch - Kritik ist nicht gleich Kritik zu sehen.

Bei Hermann, und auch bei seinem Freund und ›Großwesir‹ Norbert Aichele (der ein spezieller Experte für Filme ist) war der Begriff ›Kritik‹ etwas anders als in den Zines der anderen Clubs. Die beiden Rezensenten konnten in hohen Tönen loben, wenn sie etwas gut fanden, aber auch beißenden Spott ausgießen, denn sie etwas als völlig daneben gegangen betrachteten. Also eine Kritik, mit der nicht jeder so einfach zurecht kam.

Unter Kritik verstand das Fandom allgemein - und wie ich in diversen Fan-Seiten feststellen muss, verstehen es einige Fan-Gemeinden heute noch so - dass alles, was nicht der Lobpreisung ihres gefeierten Autoren entsprach, eine Art ›Gotteslästerung‹ war und ist. Von daher waren Hermann und Norbert als das Urgestein und das Fundament des Zauberspiegel so was wie die ›Ketzer‹ des Fandoms.

Allerdings - ihre Kritik war grundsätzlich fair - und immer fundiert. Dass es gleichzeitig ein gewisses Bildungs-Niveau voraus setzte (was damals  eben weder bei Fans noch teilweise bei Autoren vorhanden war) und die Kritik teilweise bissige Satire oder mit knochentrockenem britischem Humor unterlegt war, machte Hermann und den Zauberspiegel in gewissen Kreisen nicht gerade beliebt. 

Dennoch musste jeder der Zauberspiegel-Gegner zugeben, dass jede Kritik von dort, und das kann ich drei Mal unterstreichen, dahingehend fundiert war, dass die jeweiligen Rezensenten ›Fachleute‹ waren. Teils, weil sie viel gelesen hatten (Hermann) oder eben alle Arten von Filmen bis hinunter zu den Billig-Produktionen der Vorkriegs-Ära und den Anfängen der Cineastik (Norbert Aichele) gesehen hatten.

Zu gut Deutsch - Hermann schrieb nicht nur einfach: »Der Roman war Scheiße«, sondern erklärte auch detailliert - auch im Vergleich mit anderen Texten des Genres - warum er es ›Scheiße fand‹. Das genau war es, was dann den Erfolg des Zauberspiegel ausmachte und dafür sorgte, dass er viel, viel länger überlebte als diverse John-Sinclair- und sonstige Horror-Fanzines von Clubs, deren Name heute der Wind der Fandoms - Geschichte bereits verweht hat.

Natürlich hat sich Hermann zwar mit seiner Kritik auf der Szene diverse Feinde geschaffen. Aber seine Achtung konnte auch ein Jason Dark ihm nicht versagen, dessen John Sinclair er doch einige Male so richtig ›auseinander genommen‹ hat. Sei es auf Cons oder bei Treffen der Buchmesse oder auf Cons - zwischen Hexen-Hermann und Jason Dark war immer ein Verhältnis wie zwischen Hannibal und Scipio Africanus. Sie standen zwar in feindlichen Lagern, hatten aber Achtung vor einander.

Dan Shocker hörte immer ganz genau hin, wenn Hermann etwas zu seinen Romanen oder Ideen sagte. Schon deshalb, weil Jürgen wusste, dass Hermann eben jede Menge Horror und Fantasy gelesen hatte und er eben genau wusste, was er zu beanstanden hatte - oder zu loben. Denn bei Hermann bedeutete (und bedeutet) eine ›Kritik‹ nicht unbedingt einen ›Verriss‹ - genau so wie er auch immer erwähnt, dass dies eben seine persönliche Ansicht sei und nicht unbedingt die Meinung der überwiegenden Leserschaft widerspiegeln müsse.

Werner wie auch meinereiner sahen seinerzeit Hermanns Bemerkungen zum »Professor Zamorra« immer als sehr hilfreich an. Zumal es damals noch keine Leserkontakt-Seite gab, aus der man auch die Meinungen außerhalb des organisierten Fandoms erkennen konnte. Dass Werner dann in späteren Jahren eine andere Meinung zu Hermanns Bewertung über die in den einzelnen Abschnitten jeweils laufende Handlung der Zamorra-Serie hatte, ist eine andere Angelegenheit.

Allerdings kann ich hier Hermanns Urteil nur bestätigen. Immerhin haben wir beide, wie wir später gemeinsam feststellten, den gleichen ›WKG‹-Zamorra-Roman in die Ecke geschleudert, weil er einen der ersten Tiefpunkte der Serie darstellt. Wer nicht lange in den Teestunden nachlesen will, welcher Roman das war - es war Zamorra - Band 357 »Wenn Sparks Dämonen jagt«.

Dass Hermann meine Ideen lobte, als ich ihm aus der Improvisation heraus anlässlich eines Fisch-Essens in Stade nach Erscheinen des genannten 500. Bandes mal eine Konzeption der Zamorra-Serie von Band 500 bis Band 800 sagte, hat mich innerlich wachsen lassen. Das war die Zeit, als Werner anfing, die Art Romane zu schreiben, mit denen er völlig neue Wege einschlug und meine vorgeschlagene Konzeption kam, als Hermann eben fragte, was man machen könnte, um die Serie wieder so zu machen, ›wie sie mal war‹. Ein Lob von Hermann ohne ›Wenn und Aber‹, das hatte und hat Seltenheitswert.

Allerdings war dieses Konzept eben eine Erfindung des Augenblicks, wurde nicht niedergeschrieben und hat auch nichts mit den ›Wächtern des Lichts" zu tun - diese Idee kam viele Jahre später. Aber eins weiß ich genau - es war eine Parallel-Welt dabei, in der sich alles verkehrt. Eben sie gleiche "Spiegelwelt" die Werner dann tatsächlich hatte. Allerdings hat er, wie er mir sagte, zusammen mit Claudia Kern entwickelt. Die Erinnerung an das Konzept des Stader Fisch - Essens kam mir erst, als ich diese Romane der Spiegelwelt dann zu lesen bekam.

Schon damals bezeichnete ich den Zauberspiegel gern als den ›Spiegel‹ des Horror-und Phantastik-Fandoms. Natürlich entstand er sicher auch deshalb, weil Hermann eine passende Verpackung für sein Fantasy-Epos »Die Legende des Manon-Reiters« haben wollte. Aber der Zauberspiegel hob sich von Anfang an schon dadurch aus der großen Masse der Fanzines hervor, weil er nicht im Spiritus-Umdruck hergestellt war, sondern in Fotokopien. Und weil her auf halbe Din-A-4 - Größe gefalzt und geheftet - eben die (etwa) ›Heft-Größe‹ hatte.

Und - der Zauberspiegel erschien nicht in kurzen Abständen, war dafür aber weitaus umfangreicher als jedes andere Fan-Magazin jener Zeit - ›Marlos‹, das Zine von Dan-Shockers Fantastic-Club oder FOLLOW vom ›Ersten Deutschen Fantasy-Club‹ mal ausgeklammert.

Und so wurde ich dann von Hermann irgendwann mal gebeten, ihm für den Zauberspiegel eine Story zu schreiben, bei der ich nicht unbedingt eine bestimmte Länge einhalten musste und wo ich machen konnte, was ich wollte. Ich weiß nur nicht mehr, ob sie im ersten oder zweiten Zauberspiegel vorhanden war.

Übrigens - manchmal würde bei Hermanns ›Bitten‹ auch der Begriff ›Nötigung‹ passen - aber er hat da seinen ganz speziellen Charme, faule Leute wie mich zur Arbeit zu bewegen. Die ›Teestunde‹ ist dafür ein wahres Parade-Beispiel. Ich hätte zwar eine Woche Zeit, aber das ›Tee-Kochen‹ wird dann immer von einem auf den andren Tag verschoben. Meistens ›knallt mittwochs die Peitsche‹ in Form einer kurzen E-mail - das ist meist so gegen 19 Uhr, dann setze ich mich erst recht schuldbewusst dran und lege los - aber wichtig ist, ihr habt das Ergebnis pünktlich um Mitternacht - zur Geisterstunde ... und ich arbeite nun mal am Besten unter Stress und unter Druck.

Allerdings - die Story, die Hermann damals wollte, sollte zwar von der Thematik her frei gewählt sein und auch keine Zensur durchlaufen - aber sie musste Exklusiv für den Zauberspiegel sein. Denn die meisten Autoren - und ich ab einer bestimmten Zeit auch - gaben eine Story immer gern mal an zwei oder drei Zines. Aber hier hatte Hermann in gewisser Weise sogar das ›Recht‹, etwas Exklusives zu fordern.

Wie das??? Exklusiv??? Wie kann man so was von einem Heft-Autoren verlangen, der für den ›normalen Horror-Fan‹ irgendwo zwischen Walhalla, dem Literaten-Himmel und dem Olymp auf dem Pegasus reitet.

Nun, wenn man ›Ehrenzauberer‹ ist, hat man so seine Verpflichtungen. Und - ich war nun mal Ehrenzauberer.

Ich erwähnte, glaube ich, oben schon, dass sich die Gruppe aus Norddeutschland - konzentriert auf die Landschaft Kehdingen und angrenzende Gemarkungen - den Namen ›Söhne der Zauberer‹ gegeben hatte. Und als solchen verliehen sie einmal im Jahr den Titel eines ›Ehren-Zauberers‹, wobei ich nicht sicher bin, ob es nicht sogar bei der einmaligen Verleihung dieses Titels blieb. [Es ist bei dem einen geblieben, siehe hier]

Diese tatsächlich unverdiente Ehre ward mir zuteil wegen des Zamorra-Romans »Rückkehr des Pharao«, den Hermann heute noch als meinen ›spannendsten‹ bezeichnet. Und für mich war es die allererste Ehrung, die ich von einer Gruppe aus dem Fandom bekam. Ganz klar, dass ich nicht nur geehrt war, sondern mich auch innerlich bestätigt fühle, mit dem, was ich beim Zamorra machte, trotz aller Meckereien des Redakteurs mit ›Zeit-Reisen‹ auf dem richtigen Wege zu sein.

Ich weiß nicht mehr auf was für einem Con das war - es gab eine regelrechte Zeremonie und dann bekam ich eine Urkundenrolle von fast 1,5 Metern Länge, die ich auch jahrelang aufgehoben habe, bis meine Ex-Frau dann meinte, diese ›alten Sachen‹ wären eben vorbei und der Platz in den Schränken könne anders genutzt werden. Damals sind sehr viele meiner ›Reliquien-Stücke‹ aus den ›goldenen Jahren‹ unwiderruflich in den Müll gewandert.

Ja, und wenn man ›Ehren-Zauberer‹ ist, dann hat man auch so seine Verpflichtungen. In diesem Fall eine Story, die sich bewusst nicht an irgendwelche Heft-Serien anlehnen sollte und auch nicht Dinge, die im normalen Heft vorgekaut wurden, wiederkäuen sollte.

Ich beschloss, einfach mal eine ›Gespenster-Geschichte‹ im Stil des früheren ›Schauer-Romans‹ der alten Meister zu schreiben und mich an die Ur-Ängste meiner Kinderzeit vor der Welt des Unheimlichen zu erinnern. Das ging aus dieser Geschichte dann hervor - und diese Geschichten, die ich in der Story andeutete, erzählte mein Großvater tatsächlich.

Ich hatte als Kind wirklich hündische Angst vor Geistern, Gespenstern und Friedhöfen und bin selbst in den ersten Dracula-Film mit Christopher Lee mit diesen Ängsten gegangen - wobei mich der ›Vampir‹ dann aber nicht so schrecken konnte wie eben eine ›Geister-Erscheinung‹. Erst eine Nacht auf einem Friedhof in einer Leichenhalle, von der ich in einer Teestunde schon mal berichtet habe, und späteren Sarg-Transporten zur Nachtzeit als Hilfsarbeiter eines Bestatters bauten diese Ängste bei mir ab.

Für diese Geschichte habe ich sie wieder herauf beschworen - und weil ich eben ganz deutliche Hinweise auf meinen Großvater Karl Michael, für mich immer ›Opa Kalle‹, gegeben hatte, habe ich ihm diese Story in Kopie samt den Kopien von zwei ›Zamorra‹-Manuskripten dann auch zugeschickt.

Dass er die Sachen erst ein halbes Jahr später bekommen hat lag daran, dass die Texte vermutlich diverse Leser hatten, die sie interessierter begutachtet haben als es die Anwälte des Bastei-Verlages in Angst vor der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften je tun könnten. Denn sie gehörten immerhin der Staats-Sicherheit der damaligen DDR an - denn meine Familie kommt vom Vater her aus Hettstedt im Mansfelder Gebirgskreis und meine Ahnen hier waren alle tüchtige Bergleute, auf die ich stolz bin. Die andere Sippe von Mutter her waren übrigens Bauern aus Hohengandern im Eichsfeld - damals auch in der DDR - wenn auch ›letztes Dorf vor Grenze‹.

Jedenfalls hat Opa Kalle die Geschichte gelesen und sich sehr darüber gefreut, dass ich ihm so die Ehre gegeben habe - und all diese Dinge nicht vergessen habe. Warum auch? Es sei hier mal gesagt, ohne dass ich das weiter ausführen will. Opa Kalle hat mich in meiner ›wahren Persönlichkeit‹ mehr geprägt als mein Elternhaus. Aber das sind andere Sachen, die nicht hierher gehören.

Ja, und zum Jubiläum des Zauberspiegel habe ich eben diese Story ›Geister-Stunde‹ wieder ausgegraben. Und bin der Meinung, sie nach fast 30 Jahren einer neuen Leser-Generation wieder vorlegen zu können, bevor alle meine Sachen ›klanglos zum Orcus hinab‹ gehen. An einigen Stellen ist stilistisch etwas die Feile drüber geglitten. Aber an der Substanz wurde nichts verändert.

Und wenn ihr das lest und es euch vielleicht gefällt, dann wird vielleicht in seiner Dimension mein Opa Kalle vor sich hin schmunzeln - weil ich ohne seine Erzählungen wahrscheinlich niemals gewusst hätte, was Angst vor dem Unheimlichen ist - und so auch niemals auf diese Art Grusel-Geschichten hätte schreiben können.

In diesem Sinne - eine gruselige Lesestunde mit der »Geisterstunde« ...

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