Kannibalen, Giesa-Comic und ›Gautschen‹
Kannibalen, Giesa-Comic und ›Gautschen‹
Und dann auch, weil der Kelter-Verlag eine neue Ren-Dhark Auflage brachte, auch ein Ren Dhark-Magazin.
Nun, direkt will ich auf Form und Inhalt unserer Zines nicht eingehen. Denn ich will hier ja eigentlich über den Schriftsteller Werner Kurt Giesa berichten, der einen sehr bewegten Teil meines Lebensweges mit gegangen ist. Schlussendlich ist nur das für die ›Heftroman-Forschung‹ späterer Jahre interessant.
Aber weil Werner ja fest in unsere Fanzine-Projekte mit eingebunden war, muss ich also doch einige Episoden erzählen. Zumal inzwischen seit der Zeit, als Antares und die anderen Zines erschienen sind, so annähernd 40 Jahre vergangen sind und man auch über Dinge reden kann, die bis jetzt nur ›Eingeweihte‹ hinter vorgehaltener Hand gehört haben.
Auch das war es, was das ›Fandom‹ und die damalige Begeisterung für diese Art Beschäftigung mit der Literaturgattung ausmachte.
Die zweite Antares-Ausgabe erschien noch im Spiritus-Umdruck. Die dritte jedoch bereits im Offset-Druck. Und das war etwas, was kaum ein anderes Zine bieten konnte. Was in jenen Tagen nicht Spiritus- oder Wachsmatrizen-Druck war, das war Fotokopie, wie später der Zauberspiegel. Doch an den Zauberspiegel war damals noch kein Gedanke und sicher hat Hermann in dieser Zeit mehr Fußball gespielt und die verschossenen Bälle aus dem Fleth geholt als sich mit Romanen wie »Silber-Grusel-Krimi«, »Gespenster-Krimi« oder »Professor Zamorra« zu beschäftigen.
Antares 2 brachte neben zwei Folge-Stories von mir und Hans nicht nur ein Titelbild, sondern auch verschiedene Innen-Illus des absoluten Zeichen-Stars der damaligen Szene. Beim Anblick der hübschen nackten Mädchen auf den vorgefertigten Matritzen bekam ›der Chef‹ dann doch erst mal Bedenken, dass ein nach Anerkennung strebendes SF & F-Zine vielleicht als ›Porno-Gazette‹ diffamiert werden könnte. Also gab es einen Anruf nach Lippstadt, wo sich der Meister dann auf die Freiheit der Kunst und die Gemälde der Vergangenheit berief. Michelangelo Buonarotti und andere Künstler der Renaissance oder des Barock hätten den Menschen schließlich auch in seiner natürlichen Schönheit - eben nackt - gemalt.
»Ihr könnt auf der Matrize dem Girl ja einen Ring drauf malen!« schlug der Maestro launig vor. »Dann kann keiner mehr sagen, sie wäre nackt gewesen.« Was mich an eine lange verflossene Freundin erinnerte, die grundsätzlich immer einen Strumpf anbehielt und so heilige Eide schwören konnte, dass sie bei Besuchen in meiner Wohnung nie nackt gewesen sei.
Das Girl auf dem Bild blieb ohne Ring, weil Hans und ich der Meinung waren, dass das ein ›Attentat auf ein Kunstwerk‹ sei und Antares 2 bekam jetzt mit den Giesa-Bildern beste Rezensionen. Aber wir wollten ja mehr machen, als andre Fanzines.
Ich glaube, Hans Klipp war es, der auf den Einfall kam, jeweils ein ganzes Fanzine einem einzigen Autoren zu widmen. Konnten sie sonst immer nur Kurzgeschichten bringen, so bestand hier die Möglichkeit, sich mal auf die ungefähre Länge eines Heftromans richtig produzieren zu können.
Gesagt - getan. Und die Antares 3 - Ausgabe ging an niemand geringeren als unseren Star-Zeichner W. K. Giesa. Und diesmal, wie bereits erwähnt, im Offset-Druck, wozu ich nachher noch einiges sagen muss.
Nach einer gewissen Zeit kamen auch andere Zeichner dazu, die uns ihre Werke anboten. Hans Wegner hat drei Titelbilder für Antares gebracht, darunter auch das für die berüchtigte Nummer 7, von der es kaum Exemplare gibt. Denn die Flammen haben den größten Teil diese Antares-Augabe gefressen.
Als Hans und ich das fertig gedruckte ›Werk‹ in den Händen hielten, bekamen wir doch so unsere Bedenken, ob wir diese ›Blutmatsch-Stories‹, die man auch ohne ein sensibles Gemüt zu haben als Pervers bezeichnen kann, überhaupt an die Öffentlichkeit kommen lassen konnte.
Geschrieben hat sie damals unter dem Pseudonym ›Henry M. Harpula‹ der Organist meiner Band, der im gleichen Hochhaus (Turm des Schreckens) wohnte und immer mal als der ›Haus-'Vampir‹ durch meine Teestunden-Erinnerungen geistert. Er war damals davon überzeugt, hier die absoluten ›Horror-Stories‹ geschrieben zu haben und wollte uns die Freundschaft kündigen, wenn wir sie nicht bringen.
Diese Art ›Horror‹ kam jedoch mindestens 20 Jahre zu früh. Genau wie die Rock-Band ›Black Skill‹, in der Hans Klipp die Bass-Gitarre (ein schöner alter Höfner-Beatles-Bass) und ich die Drums bearbeitete, bereits ›Punk‹ machten, bevor die »Sex-Pistols« diese Musik-Richtung kreiert hatten. Harrys Horror um Kannibalismus mit detaillierten Beschreibungen war damals nicht ›starker Tobak‹ sondern schon konzentrierte Salzsäure. Dass Hans und ich die Stories trotzdem produziert haben. lag auch daran, dass es eben was völlig Neues war. Und wir wollten ja immer was Neues bringen. Und auch mal sehen, wie weit man gehen kann.
Natürlich habe ich damals Harrys Stories alle noch mal abgeschrieben - und dabei redigiert - Verlagsleute würden sagen ›lesbar geschrieben‹, was hier aber nur vom Stil her seine Richtigkeit hatte. Denn Harry hatte strikt verboten, vom Inhalt etwas zu verändern und gewisse Stellen zu entschärfen. Was ich dann auch nicht gemacht habe.
Von den ca. 100 Ausgabe wagten es Hans und ich, vorsichtig wie wir nach weiteren Überlegungen wurden, ungefähr 15 Ausgaben an ›sichere Leute‹ zu schicken und die Reaktion abzuwarten. Und die kam postwendend von Kaffee-Charly, der und das Zine in der Mitte zerrissen mit einigen Bemerkungen zurück schickte, die - das war uns dann auch klar - genau den Kern trafen.
Ein Anruf von W. K.Giesa, der seine ›vorsichtigen Bedenken‹ äußerte und von Christian Worch, der uns als damaliger Anwalts-Gehilfe per Telefonat sofort rechtliche Konsequenzen erläuterte sorgte dafür, dass die restliche Auflage von Antares 7 verbrannt wurde (damals gab es noch keine Blaue Tonne) und es davon kaum Exemplare gibt.
Nur dadurch, dass Gustav Gaisbauer, vermutlich ohne den Inhalt gelesen zu haben, das Zine in sein Archiv steckte, habe ich es heute in Fotokopie. Gewiss, nach dem was heute auf dem ›Horror-Markt‹ gedruckt zu lesen ist, würde Harrys »Alltag einer Bestie« und die anderen Stories sicher auch anders bewertet. Aber - es gibt Dinge, die die Welt nicht braucht ... und diese Geschichten ›Henry M. Harpulas‹ gehören dazu.
Gut, dass es da noch keinen Sammlermarkt für Fanzines gibt. Wenn, dann hat Gustav vermutlich das einzige noch existierende Exemplar von Antares 7. Und die Abonnenten wurden per fotokopierten Brief in Kenntnis gesetzt, dass durch ›technische Probleme‹ die Antares-Ausgabe 7 nicht erscheinen konnte - jedoch die Ausgabe 8 vorgezogen würde. Damit fiel dann der Vorhang über dieses peinliche Kapitel. Aber heute kann man ja mal drüber reden.
Irgendwann, so in der Zeit von Antares 9, hatte Hans den Einfall, ein Zines mit ausschließlich lustigen Stories zu bringen. Schon ›Josuah‹, der Redaktion-Pleitegeier von Antares mit seinen Bemerkungen kam bei den Lesern gut an. Und weil das mit unserer ›Druckerei‹ so gut lief, warum nicht ein zweites Zine. Das würden wir auch noch durch kriegen.
Weil ›der Chef‹ und ich bei dem Gespräch über ein lustiges Zine gerade beim Bier saßen - in jener Zeit nichts Ungewöhnliches sondern ehr die Regel, hatten wir auch kein Problem einen Name zu finden.
Von ›Cervisia‹ erschienen aber nur zwei der drei Ausgaben - keine Lust jetzt den Ordner im Keller raus zu wühlen. Und auch von ›Point-Of‹- unsrem Ren-Dhark-Magazin, gab es nur wenig Ausgaben. Allerdings waren sie die Grundlage unserer späteren Freundschaft zu Kurt Brand. Doch das ist eine andere Geschichte - die heben wir uns auf.
Werner hatte für die neue Antares-Ausgabe (und die letzte, was wir da aber noch nicht wussten) ein langes SF-Comic gezeichnet, indem die damalige Szene der AGSF durch den Kakao gezogen wurde und was für Werner auch eine Abrechnung mit gewissen Leuten war. Denn er hatte einige Zeit vorher die AGSF verlassen, was ich schon erzählt habe aber sicher der Vollständigkeit halber hier in der Zusammenfassung noch mal bringen werde.
Wir hatten gerade die letzte Antares-Ausgabe vor dem Comic von Werner auf die Reise geschickt als ich morgens im Rathaus zum Abteilungsleiter gerufen wurde - und dann nach den ersten Worten ganz schnell in einen wahren Kotau versank.
Was war geschehen.
Es ging natürlich um unsere geheimnisvolle ›Druckerei‹ durch die wir den teuren Offset-Druck auf gutes Papier bekamen - und trotzdem im Preis mit anderen Zines mithalten konnten.
Im Impressum von Antares stand ›Madestaka-Druck-Kassel‹. Kein Schwein hat damals danach gefragt, was dahinter steckt und nur Werner und die Lippstädter Gruppe wussten Bescheid.
›Madestaka‹ bedeutet nichts anderes als ›Magistrat der Stadt Kassel‹. Ich war damals beim Organisations-Amt und dazu gehörte auch die Druckerei. Die lag nur drei Türen weiter und ich hatte nicht nur zu den drei Druckern beste freundschaftliche Beziehungen, sondern auch zum Leiter der Druckerei, der nicht nur Fantasy las sondern mit dem mich die gemeinsame Leidenschaft für das Werk von Richard Wagner verband.
Natürlich gingen wir auch mal gelegentlich zusammen ein oder mehrere Bierchen trinken und dabei wurde auch über Fantasy-Zines samt meiner ›ersten literarischen Schritte‹ gesprochen. Und auch über Spiritus-Umdruck.
Um es kurz zu machen. Ich machte bei ihm einen ›Crash-Kurs‹ zum Offset-Drucker und konnte recht schnell aus dem beschriebenen Seiten Druck-Folien machen und auch die Druck-Maschine bedienen.
Was also bedeutete, dass ich entweder sehr früh kam, wenn noch niemand in der Druckerei war - oder sehr lange blieb, wenn alle weg waren - Gleitzeit gab es damals noch nicht - und eben eine ganze Antares-Ausgabe durchlaufen ließ. Oder eben später Cervisia und Point-Of. Das Auto stand auf den Rathaus-Hof. Schwupp di wupp - zwei oder drei Mal gelaufen, war alles im Kofferraum verschwunden. Und alle Spuren der ›Untat‹ beseitigt. Natürlich entstanden uns so weder Kosten für die Druckfolien noch fürs Papier. Es war ja alles im Übermaß da. Über einige Jahre ging das gut.
Crom mag wissen, wer das mitbekommen und an einen Stadtverordneten der CDU verpfiffen hat. Jedenfalls hat jener hier ungenannte Herr - heute übrigens bei den ›Grünen‹ - eine Anfrage an die Stadtverordneten-Versammlung gestellt, wie es möglich wäre, dass in der Druckerei des Kasseler Rathauses ein Science-Fiction-Magazin hergestellt würde.
Ja, das war nun raus gekommen. Ich hörte die Anklage und das Urteil hätte im günstigsten Fall einen schriftlichen Verweis bedeutet. In ungünstigsten Fall wäre vermutlich mein Beamten-Status weg gewesen und ich hätte wieder in meinen Beruf als Möbel-Kaufmann zurück gemusst. Wenn das noch möglich gewesen wäre. Vermutlich hätte das Arbeitsamt einen neuen Kunden gehabt.
Aber hier machte es sich mal wieder bezahlt, dass ich mit möglichst nie Feinde schaffe und mit meiner Umwelt recht verträglich auskomme. Natürlich kam ich um ein umfassendes Geständnis nicht drum herum. Und auch nicht um die ehrenwörtliche Versicherung, das nicht wieder zu tun. Woran ich mich auch gehalten habe.
Werner war natürlich in voller Panik, dass sein Comic, in das er sehr viel Arbeit gesteckt hatte, nun nicht erscheinen konnte. Aber bei mir half kein Betteln mehr - ich war froh, den Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen zu können.
Die Sache kostete mich hundert Mark an die Stadtkasse - so dass mit Fug und Recht den Stadtverordneten erklärt werden konnte, die Sache wäre nicht nur bezahlt worden, sondern beträfe auch ein gewisses Kultur-Programm. Wobei ein Zeitungs-Artikel in der HNA sehr hilfreich war, der einige Zeit vorher über unsere Zines erschienen war.
Das war also auf die Art vom Tisch. Dass ich, um möglichst viele ›neue Freunde‹ zu gewinnen, aus diesem Grund in die SPD eingetreten bin, sei hier auch mal gestanden. Diese Partei hatte damals über 52 % im Stadtparlament - und nur auf diese Art konnte verhindert werden, dass die ›Schwarzen‹ da tiefer graben konnten. Anno 1982 bin ich wieder ausgetreten - mit der Begründung, dass die Partei sich gegen Helmut Schmidt gestellt hatte, den ich neben Konrad Adenauer als den einzigen wirklichen bisherigen deutschen Staatsmann betrachte. Und - das war damals sogar korrekt, denn meine politischen Ansichten hatten sich der SPD wirklich angenähert - und da stehe ich im Großen und Ganzen heute noch.
Ja, Werners Comic-Ausgabe für ›Antares‹ konnte auch noch realisiert werden. Der Vater von Hans Klipp war nämlich Drucker und schaffte das Kunststück, diese ganze Ausgabe ›schwarz zu drucken‹. Unmittelbar danach bekam Werner jedoch Kontakt mit den Holländern, die seinen ›Yan Munro‹ aus den Terra-Press-Ausgaben ins flämische übersetzen und in den Niederlanden raus bringen wollten. Und durch die bekam W.K.Giesa den Kontakt mit der Agentur Grasmück - was dann das Ende seiner Fanzine-Zeit bedeutete. Und für Hans und mich war diese Sache auch vorbei. Nacheinander stiegen wir aus der AGSF aus. Nur der Kontakt mit Lippstadt - sprich Werner Kurt Giesa blieb erhalten.
Womit wir eigentlich am Schluss wären - wenn es nicht noch einen Epilog zur ›Druckerei‹ gäbe.
Als ›Gautschen‹ bezeichnen Drucker in ihrer eigenen ›Sprache‹ das Abwaschen der Druckwalzen mit Schwamm und Wasser. Nach einem alten Handwerksbrauch werden Lehrlinge, die ihre Prüfung bestanden haben, nach der offiziellen Freisprechung ›gegautscht‹. Das heißt, man steckt sie in einen alten Waschzuber und schrubbt sie gründlich ab. Da wir in der Rathaus-Druckerei auch immer einen ›Stift‹ hatten - also das, was man heute ›Azubi‹ nennt und früher eigentlich ›Lehrling‹ hieß - hatten wir also auch im Rathaus mal eine Gautsch- Feier. Dazu brauchte man aber keine Waschzuber.
Es gab schließlich im Rathaus-Innenhof einen Brunnen, der heute verschwunden ist und nur noch im Zamorra-Film bewundert werden kann. Das war dann auch eine kleine Schau für die Passanten, weil der neu gebackene ›Geselle‹ natürlich im Rathausbrunnen ordentlich gewaschen wurde. Und immer wieder wurden ihm eimerweise Wasser ins Gesicht geschüttet. Bei einer dieser Gautschfeiern war ich jedenfalls dabei und betrachtete interessiert die ganze Zeremonie und hörte die Rede des Gautschmeisters.
Einige Zeit später war im Rathaus der nächste ›Drucker-Lehrling‹ fertig. Natürlich wollte der Leiter der Druckerei - selbst Drucker-Meister - dass die alte Handwerkstradition fortgesetzt würde. Nur - der Gautsch-Meister der Innung war im Ruhestand und wollte nicht mehr - und von den anderen Meistern der Innung wollte auch keiner. Von den Druckern ganz zu schweigen.
Nur muss der Gautsch-Meister kein richtiger Drucker-Meister sein. Nur eben ›Drucker‹ und selbst gegautscht worden sein. Und - durch meine Druckerei von ›Antares‹ hatte ich ja ›Drucken gelernt‹ und war also im weitesten Sinn ›Drucker‹. Als ›Schriftsteller‹ war ich ohnehin ein ›Jünger Gutenbergs‹. Diese ›Auslegung‹ vom Chef unserer Druckerei war zwar etwas großzügig - aber der Zweck heiligt die Mittel und die Rechtmäßi9gkeit des Gausch-Vorgangs ist von der Kasseler Drucker-Innung nie angezweifelt worden.
Um es kurz zu machen. Zwei Tage vor der angesetzten Gautsch-Feier stand ich in Unterwäsche in der Duschkabine der Druckerei - der ›Gegautschte‹ muss nämlich bekleidet sein - und mit zwei oder drei mal Wisch und Weg mit einem Schwamm durch den Drucker-Meister und einem improvisierten ›Gautsch-Brief‹ war dem ›alten Handwerksbrauch‹ Genüge getan und der neue Gautsch-Meister fertig. Immerhin - durch die Sache mit unseren Fanzines war ich ›gelernter Drucker‹ und nun auch gegautscht. Das hatte tatsächlich alles seine Richtigkeit.
Zwei Tage später hielt ich dann eine mehr als pathetische Ansprache an die Jünger Gutenbergs und ihre Freunde (also die Umstehenden), redete von mittelalterlicher Handwerkstradition, die auch in der heutigen Zeit hoch ihre Berechtigung hat, brachte mit einem »Ehrt eure deutsche Meister« noch etwas Richard Wagner als Würze hinzu - und dann gab ich mit dem Charme eines Despoten, der eine Hinrichtung verfügt, mit einer theatralisch-befehlenden Handbewegung die traditionelle Weisung: »Packt an«.
Ja, und dann ging der ehemalige ›Stift‹ und neue ›Geselle‹ ins Wasser, wurde mit Schwamm und Bürste abgeschrubbt und die Presse hatte was zu fotografieren. Danach las ich dann pathetisch und mit Donnerstimme den im besten ›Luther-Deutsch‹ formulierten Freisprechungs-Brief. Im Anschluss konnte sich der triefend nasse ›Delinquent‹ umziehen und zu der ›kleinen Feier‹ kommen. Da hatte natürlich nach altem Handwerksbrauch auch der Gautschmeister den Vorsitz und nach der Tradition unserer ›Altvorderen‹ musste ich wenigstens am Anfang vorgeben, wann und wie viel getrunken wurde. Damals war ich ›gut drauf‹ und ließ bei einem solchen Anlass immer das Auto zu Hause. Meistens schlich die ganze Belegschaft am nächsten Tag noch verkatert durch die Gegend und ich hatte mir am Vortag meist auch schon Dinge auf den Tisch gepackt, die einfach zu erledigen waren.
Ja, so habe ich dann einige Male den Gautschmeister gemacht - mit blauer Drucker-Schürze und hochgekrempelten Ärmeln. Klar, dass der Oberbürgermeister auch immer mit dabei war - schon wegen der Presse. Auch das war einer der Gründe, die mir dann, als die Sache mit Antares raus kam ›den Hals rettete‹.
Der letzte Lehrling, den wir im Rathaus hatten - und ich war damals schon beim Ordnungsamt und wurde speziell angefordert - war eine Frau. Was besonders hübsch war, wegen dem nassen T-Shirt - man ist ja schließlich nur ein Mann - doch die Drucker, die sie abschrubben durften, hatten garantiert mehr davon als ich.
Ja, vierzig Jahre hat das Geheimnis um den Antares-Druck geschlummert - also kann man heute mal drüber reden und vielleicht auch lachen. Es sind eben Zeiten, die so in dieser Form niemals wieder kommen. Eins der vielen Abenteuer, die ich so erlebt habe. Auch wenn damals Werner Kurt Giesa noch in Lippstadt in weiter Entfernung war - die Besuche häuften sich und die Beziehung zu Hans und mir wurden immer intensiver, je mehr die andren Lippstädter Freunde beruflich und privat andere Wege gingen.
Mal sehen, was mir für nächste Woche einfällt. Bis dann also....