Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 4)
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 4)
Ich will sehen, dass ich nicht so viel dazwischen rede ... aber gerade beim Abschreiben solcher Texte und den Erinnerungen, wie manche Dinge entstanden sind oder was die Hintergründe des Erzählten waren, dann öffnen sich bei mir manchmal noch Fenster und es finden sich Erinnerungen, die eigentlich schon lange vergessen waren. Vielleicht ist es für euch Teestunden-Freunde dann doch ganz interessant, wenn ich diese Sachen mit einfüge. Oder vielleicht für Leute, die in vielen Jahren mal eine Abhandlung über das Phänomen ›Heftroman‹ schreiben ...
Also, los geht’s ...
Gustav Gaisbauer: Also habt ihr das, was durch die früheren Zamorra-Romane vorgegeben war, doch übernommen.
W.K.Giesa: Wir haben das zuerst übernommen, dann ausgemerzt und durch eigene Entwicklungen ersetzt.
Als seinerzeit mal eine Zweitauflage im Gespräch war haben W.K. und ich vorgeschlagen, drei bis fünf Bände für den Anfang neu zu schreiben, auf die sich die Serie weiter aufbauen konnte. Werner hätte das auch gern gemacht, als die Liebhaber-Edition begonnen wurde. Klar, dann hätte er schneller Nachdruck-Honorare bekommen. Aber die Produzenten dieser Edition wollten - zur Freude der früheren Autoren - lebend oder tot - eben alle die alten Romane noch mal bringen. Also musste Werner das akzeptieren. Ob es nicht anders besser gewesen wäre, müssen wir hier und jetzt nicht diskutieren.
Gustav Gaisbauer: Aber die anderen Autoren konnten doch von euren Entwicklungen nichts wissen. Die griffen doch dann auf die früheren Gegebenheiten zurück.
W.K.Giesa: Das war wohl auch der Grund, warum die anderen Autoren nach und nach ausgeschieden sind. Vielleicht war es auch der Redakteur, der nur noch Romane von diesem eingespielten Team wollte.
So blieben nur noch wir drei übrig. Rolf, ich und Manfred Weinland. Ihn kannte ich schon seit langer Zeit aus dem Fandom durch meinen Amateur-Verlag "Terra-Press". Als er eines Tages anregte, wir beide könnten doch einen Roman zusammen schreiben stelle sich heraus, dass auch er schon über die Romanagentur Grasmück veröffentlicht hatte (das war noch vor der Zeit mit Rolf). Wir schrieben dann tatsächlich einige Zamorra-Romane gemeinsam.
Wir waren so gut aufeinander eingespielt, dass ich im gedruckten Roman nicht mehr erkennen konnte, welche Teile von ihm und welche von mir stammten, so flüssig gingen sie ineinander über und so sehr hat sich Manfred an mich angeglichen. Rolf dagegen und ich haben unterschiedliche Schreibweisen - bei uns würde man den Unterschied sofort merken.
Quod erat demonstrantum - siehe den 666er Zyklus. Deutlicher gehts nicht. Es kam allerdings auch noch hinzu, das ich keinen blassen Schimmer hatte, was Werner in diesen Romanen überhaupt schreiben wollte. »Ich komme mit Amun-Re nicht zurecht und will ihn aus der Serie haben.« war Werners Forderung damals. Was er sonst in den Bänden schreiben wollte - da hüllte er sich in Schweigen. Selbst wenn ich gekonnt hätte ... und gewollt hätte ... auf diese Art war es einfach nicht möglich, einen ›gemeinsamen Roman‹ zu schreiben. Ich habe versucht, das Beste draus zu machen. Ob mir das gelungen ist, mag der Leser entscheiden - meine Passagen sind ja sehr einfach zu finden.
Jetzt, da Manfred alleine schreibt, spürt man den Unterschied zu meinem Stil stärker, denn Manfred ist wesentlich satirischer und sarkastischer als ich geworden.
Das Wolfgang Hohlbein ausstieg, lag wohl in erster Linie an seinem Erfolg im Hardcover. Er hatte gute Ideen im Zamorra eingebracht und nach seinem Willen hätte ich sie weiter verwenden können. Aber anfangs war es nicht möglich und später hatte sich die Serie zu sehr fortentwickelt.
Zum Ausstieg von Manfred Weinland möchte ich nichts sagen."
Und da kann ich auch nichts zu sagen, weil ich das auch nicht weiß. Zumal Manfred Weinland für mich zu weit weg war und mit Werner eine PZ-Schiene gefahren ist, die eben nicht meine war. Haben wir uns auf Cons gesehen, haben wir uns nett begrüßt. Viel zu sagen hatten wir uns eigentlich nicht.
Im Grunde genommen musste jeder von uns immer nur sehen, das wir die ›Rahmenrichtlinien‹ einhielten, die Werner in seinen Romanen vorgegeben hat. Und genau das ist der Grund, warum die anderen Autoren nach und nach raus sind. Freiwillig - oder weil einfach kein Aufträge für einen Zamorra-Roman kamen.,
Jason Dark als Redakteur der Serie hatte sehr schnell erkannt, dass er mit W.K.Giesa einen engagierten Autoren gefunden hatte, der von den Ideen her in der Lage war, die Serie so zu gestalten, das er sich voll und ganz dem Schreiben von John Sinclair widmen konnte. Wahrscheinlich hatte Helmut auch einige ›Test-Leser‹, die ihm nach einigen Giesa-Romanen dazu geraten hatten. Dazu kommt, dass zwischen Jason Dark und Dan Shocker nicht nur Kollegialität - sondern auch eine Freundschaft bestand.
Nach der ›Amulett-Trilogie‹ hatte Werner die Serie voll im Griff - der Redakteur ließ ihm alle Freiheiten und mahnte immer nur mal gelegentlich an, dass der Zamorra eine ›Grusel-Serie‹ sei. Ja, und als das sahen ihn die anderen Autoren vermutlich auch. Eine Grusel-Serie mit festem Helden-Gespann, wo man aber genau so was zusammen schreiben konnte wie im Gespenster-Krimi. Man musste nicht den Roman vorher gelesen haben oder sich mit einem veränderten und vergrößerten Hintergrund auseinander gesetzt habe. Der ›Dämon vom Dienst‹ wird auf der letzten Seite durch da Amulett vernichtet und vorher gibts ein paar Verfolgungsjagden und Prügeleien.
Und dann kam plötzlich dieser ›Jungspund‹ von neuem Autor und begann für den Professor Zamorra ein Fundament zu legen, auf das er ständig aufbaute und alles ausbaute. Die Autoren hätten sich also mit Werners Serien-Hintergründe auseinander setzen müssen. Weil es aber damals noch kein Hintergrund-Exposè gab, weil Werner selbst nicht so richtig wusste, in welche Richtung er wollte, hätten die damals agierenden Zamorra - Autoren Werners Romane lesen müssen.
Das nimmt aber für einen professionellen Schreiber zu viel Zeit in Anspruch, wenn man mehrere Serien bedienen muss - vom Krimi über den Liebesroman zum Grusel und dann noch zum Western ... es gibt genug Autoren, die wirklich in jeder Serie gut, unterhaltsame und spannende Romane schreiben können - die auch noch richtig Substanz haben. Walter Appel ist beispielsweise so ein ›literarisches Chamäleon‹, der wirklich alles schreiben kann.
Das war sicher der Hauptgrund, warum viele damalige PZ-Autoren das Handtuch geworfen haben. Einer ist auch rausgeworfen worden, weil damals ein Horror-Fan herausgefunden hatte, dass er original den gleichen Roman aus dem Gespenster-Krimi in den Zamorra mit rüber gebracht hat, so erzählt man sich. Also Wort für Wort - nur die Namen des Helden-Trios war Zamorra-mäßig angeglichen. Da war im Bastei-Verlag natürlich die Hölle los. Mir hat Werner das seinerzeit erzählt, der hatte schließlich den Direkt-Kontakt zu Jason Dark. Ich weiß zwar, wer dieser Autor war - aber ihr müsst nicht alle wissen. Zumal da heute kein Geier mehr nach kräht und er auch wieder gut im Geschäft ist.
Manfred Weinland als Werners Co-Autor hat sich natürlich an Werners Ideenvorgaben anpassen müssen. Und ich habe damals W. K.’s Romane gelesen und es war selbstverständlich, das ich auch die ersten 30 Seiten, die ich geschrieben hatte, schon in sein Konzept einbaute. Was dann später, als ich den Roman fertig machte und auch bei den Folgebänden ganz selbstverständlich der Fall war.
Ideen, die Wolfgang Hohlbein in den Zamorra mit ein brachte, wie Werner im Interview sagt, wurden schon deshalb nicht weiter verfolgt, weil ich das Hohlbein-Konzept seines ersten PZ-Romans ebenfalls mit in meinem Hintergrund mit drin hatte. Und das auch in meinem ersten Roman - nur hießen die ›Großen Alten‹ bei mit die ›Namenlosen Alten‹. Aus der Grund-Idee dieses Romans wurde später die Serie »Der Hexer«. Das lag ganz einfach daran, dass W. Hohlbein und ich eben beides Lovecraft-Fans waren und die anderen Autoren damit vermutlich wenig anfangen konnten.
Und Werners Stil waren die ›Namenlosen Alten‹ genau so wenig. Sonst hätte er den Ball, den ich im 666er zugekickt habe, weiter gespielt. Denn im Original waren Hinweise, das das Auftauchen der Leichenstadt Rhl-ye bevor stand. Aber Werner hat den Ball ins Aus gekickt - und den Text so geändert, dass er die ›Blutgötzen von Atlantis‹ mit den ›Namenlosen Alten‹ gleich gesetzt hat - und damit dieses ungeliebte Thema vom Tisch hatte.
Wolfgang Hohlbein und ich sind ja hintereinander im Zamorra gestartet. Sein »Mann der das Grauen erbte« - eine Lovecraft-Adaption - kam genau vor meinem ›Krakengötzen‹. W. Hohlbein hat relativ wenig Zamorra-Romane geschrieben. Dafür war er im Gespenster-Krimi und bei Damona King unter seinem Pseudo ›Henry Wolf‹ stark vertreten. Und dann eben der Hexer - wobei er sich Co-Autoren mit dazu nahm, als er zu viele Aufträge in den Hardcover bekam.
R. Michael: Zu meinem eigenen Ausstieg. Werner hatte sehr stark auf Dämonenkiller und Mythor gesetzt. Er war Exposè-Redakteur der Mythor-Serie. Pabel zahlte wesentlich besser als Bastei ...
W.K.Giesa: Das war aber nicht der einzige Grund!
Stimmt, der Hauptgrund war der, das Werner hoffte, auf diese Weise bei Perry-Rhodan mit einsteigen zu können. Sein lebenslanger Wunschtraum der nie erfüllt wurde ...
R.Michael: Nun, jedenfalls lief das Geschäft mit Horror und Fantasy damals sehr gut. Auf die Frauenromane Mitternachts-Roman und Melissa und die Heftserie "Fantasy" bei Bastei bei denen ich mitschrieb, waren ein Erfolg. Helmut Pesch, der Redakteur von Fantasy, hatte mir gesagt, ich sollte doch mehr schreiben. Also habe ich mich beruflich von meinem Dienstherren aus "kulturellen Gründen" ohne Bezüge für ein Jahr freistellen lassen, um hauptberuflich als Schriftsteller tätig zu sein.
Ab dem 1. Januar 1986 hatte ich mich für das ganze Jahr beurlauben lassen. Ich hätte die Beurlaubung später jährlich bis zu neun Jahren immer wieder verlängern können.
Kurz vor Weihnachten 1985 rief mich Helmut Pesch an und kündigte mir einen gewaltigen Nackenschlag an. Fantasy würde eingestellt. Die Beurlaubung ließ sich beim Personalamt nicht mehr rückgängig machen. Mein auf dieser Art eingespartes Gehalt war schon für andere Ausgaben vorgesehen. Also musste ich sehen, wie ich das Jahr überstehen konnte.
Ich rief Jürgen Grasmück an und der sagte mir, das würde nichts ausmachen. Alle anderen Serien würden gut laufen, dass er mir genügend Aufträge verschaffen könnte, um wenigstens das eine Jahr zu überstehen.
Konkret gesehen, ich sollte die Abenteuer-Serie "Ron Kelly" übernehmen. Das hätte dann auch ausgereicht. Aber wie Teestunden-Freunde und sonstige Insider wissen, kam alles anders ...
Und genau ein halbes Jahr später kam der große Zusammenbruch. Pabel stellte alle Fantasy- und Horror-Serien ein. Offenbar in Zusammenhang mit dem tödlichen Verkehrsunfall von Herrn Müller-Reimann. So hatte ich ein halbes Jahr das Vergnügen festzustellen, was ein Schriftsteller macht, der zwar schreiben, aber nichts verkaufen kann. Am Ende des Jahres hatte ich eine sehr hohe Summe Schulden auf dem Giro-Konto und war froh, wieder bei der Stadt Kassel arbeiten zu können.
Zu den 32.000 Miesen auf dem Konto muss ich noch die 12.000 rechnen, die mich die Belehnung einer Lebensversicherung gekostet hat. Das sind schon mal Beträge, über die man reden kann.
Auch wenn meine damalige Frau sich dann ab Anfang 1987 auch eine Arbeitsstelle suchte hatte ich noch lange nach der Scheidung abzuzahlen, bis ich wieder schwarze Zahlen schreiben konnte. Also nicht gerade ›Peanuts‹, was mich das Abenteuer ›Freiberufler‹ gekostet hat.
Einen Vorteil hatte es aber. Ich war vorher beim Hauptamt bei der Beschaffungsstelle und das war eine Arbeit, die mir gar nicht lag und die ich gehasst habe. Den täglichen Frust habe ich mir dann Abends von der Seele geschrieben. Als ich dann am 2. Januar 1987 wieder beim Personalamt auf der Matte stand, war gerade in der Abteilung ›Handel, Gewerbe, Gaststätten‹ beim Ordnungsamt eine Stelle als technischer Prüfbeamter für Getränke-Schankanlagen frei geworden. Da habe ich sofort zugegriffen - und in diesem Aufgabenbereich bin ich so richtig aufgegangen, so dass die Schriftstellerei immer an zweiter Stelle rangierte. Auch als ich dann noch das Reisegewerbe, die Flohmärkte und den Circus mit dazu bekam. Bis zu meiner Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen habe ich dann meinen ›bürgerlichen Beruf‹ gern und mit Begeisterung ausgeübt.
Auf so ein Abenteuer würde ich mich nicht noch mal einlassen. Ich würde Abends ein bis drei Stunden am Computer sitzen um zu schreiben, wenn ich Aufträge hätte. Aber ein zweites Mal würde ich mich nicht nochmal beurlauben lassen, zumal ich, als ich wieder bei der Stadt anfing, meine alte Stelle im Ordnungsamt wieder bekam - nämlich die Kontrolle von Gaststätten, die meinen natürlichen Neigungen sehr entgegen kam.
Hier ist zu bedenken, dass es sich um die Abschrift von einem Tonband handelt. Vielleicht wurde da was falsch verstanden. Ich habe den Originaltext mal stehen lassen - aber ich habe oben ja geschrieben, was wirklich war.
Und natürlich hatte ich, bevor ich mich freistellen ließ, keinen festen Vertrag mit irgendeinem Verlag über eine feste Anzahl von Romanen. Das ist gängige Praxis bei allen Heftroman-Serien, ausgenommen vielleicht früher bei Pabels Perry Rhodan. Wenn eine Serie eingestellt wird, müssen die Autoren selbst sehen, wo sie bleiben. Im Zweifelsfall: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen - und das Sozialamt ernährt sie doch.
Werner war aber noch viel schlechter dran. Er hatte nur noch die Zamorra-Serie, von der er leben konnte und er hatte gerade geheiratet und brauchte Geld. Ich hätte zwar auch Geld gebraucht, aber ich wusste, dass ich ab 1. Januar 1987 wieder bei der Stadt Kassel arbeiten konnte, weil meine Freistellung dann abgelaufen war, während Werner auf nichts dergleichen hoffen konnte. Damit Werner überhaupt leben konnte (Trucker-King und ähnliche Serien gab es damals noch nicht) stieg ich beim Zamorra aus und ließ ihn sämtliche Romane alleine schreiben.
Auf diese Weise konnte sich Werner über Wasser halten. Und bis jetzt ist er offenbar nicht so ausgelastet, dass er wieder einen zweiten Mann gebraucht hätte. Um mit einem Politiker zu sprechen: Ich stehe jederzeit zur Verfügung. Aber erst dann, wen man mich ruft.
W.K.Giesa: Diesen Freundschaftsdienst werde ich dir nie vergessen!
Zu der letzten Bemerkung habe ich schon genug geschrieben. Es gibt Dinge, die kann ich nach einer gewissen Zeit vergeben. Vergessen kann ich sie nicht. Deshalb hat es mich, als ich ihm den Text zum 666er Zyklus geschenkt habe, damit er keinen Verlust erleidet und das monatliche ›Gehalt‹ nicht geschmälert wird, so schlimm getroffen, dass er damals schon mit einigen Co-Autoren aus seinem neuen Freundeskreis zusammen gearbeitet hat.
Hermann kam damals auf der Rückfahrt von der Buchmesse in Rhünda vorbei und hat mir das erzählt - und auch meine Reaktion darauf miterlebt. Für mich war diese Bevorzugung neuer Freunde, als würde mir ein glühendes Schwert durch die Seele gestoßen. An diesem Tag war die Tafelrunde von Helleb endgültig zerbrochen ...
Und wir unterbrechen jetzt erst mal wieder das Interview, weil die Zeit schon wieder um ist. Ich denke aber, durch dieses Interview und die Zusätze, die mir dazu wieder einfallen, kann ich den heutigen Lesern einige Sachen glaubhafter bringen als in den sonstigen Erzählungen. Denn immerhin haben sie die Chance, das was da gesagt wurde, vom Text her nachzuprüfen.
Alsdann ... bis nächste Woche ...