Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 21)
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 21)
Als die Sache mit Werner passierte, von der gleich die Rede sein wird, war ich schon nicht mehr dabei. Ich war ja inzwischen verheiratet und meine damalige Frau konnte sich für so was nicht begeistern. Bei Werner war das in den Jahren, als das Zelten zu Pfingsten noch lief, etwas anders. Er selbst schlief im seinem Zelt, genannt ›Chateau Montagne‹ und Heike war ein einer Pension im Dorf untergebracht. Aber da kann ich nicht mehr viel zu sagen, weil ich nach meiner Hochzeit nur noch ein einziges Mal in Wallenstein mit dabei war und ansonsten eben mal für zwei oder drei Stunden alleine vorbei kam.
So, los gehts noch mal mit Hermanns letztem Satz, den ich beim letzten Mal am Schluss ausgiebig kommentiert habe...
H.H.v. Allwörden: Das Interview scheint darauf hinaus zu laufen, dass wir alle versoffene Hunde sind. Nun, nächstes Pfingsfest war ich bei der Erfindung des Stuhlbootes dabei, als Rolf mit dem Rücken zum Fischteich saß und fleißig becherte. Schließlich fiel er, fest auf seinem Stuhl sitzen bleibend, den den Teich. (Mit einer Rolle rückwärts kam ich im Wasser genau so wieder zum sitzen wie an Land)
R. Michael: Ich stieg wieder raus, aber man machte mich drauf aufmerksam, dass noch noch Stuhl im Wasser wäre. Also wieder rein ins eiskalte Wasser und den Stuhl raus geholt. "Und dein Hut?" Das dümpelte der ebenfalls noch im Wasser und ich musste zum dritten Mal hinein. Ich zog mich um (dann im Zelt) und trank weiter, danach aber in einer etwas anderen Position.
W.K. Giesa: Zu deiner Ehrenrettung muss gesagt werden, dass du nicht der einzige bist, der jetzt an diesen Teich mit Vorsicht ran geht. Einige Jahre später geruhte ich selbst, hinein zu taumeln - allerdings nicht auf einem Stuhl, sondern auf dem Weg zu Pinkeln. Und ich - als Nichtschwimmer - geruhte mich bis zur Mitte des Sees vorzukämpfen. Bis schließlich jemandem auffiel, dass im See ein Hut schwamm. "Wem gehört denn der Hut?" - "Der gehört doch W.K.Giesa!" - "Kann der überhaupt schwimmen?" - " Nein!" - " Rettet ihn!" Und ich konnte mich gerade noch so lange über Wasser halten, bis mich Hans Klipp raus holte.
R.Michael: Auf diese Weise wäre fast die Zamorra-Serie von mir weiter geschrieben worden.
Ich habe diese Episode schon mal erzählt - hier habt ihr sie mit Werners eigenen Worten. Nur, dass er nicht schwimmen konnte, hat keine von uns gewusst. Da ich selbst zwar bis jetzt überall raus gekommen bin, behaupte ich aber nicht, schwimmen zu können. Wie ich ja auch ein Pferd von Punkt ›A‹ nach Punkt ›B‹ lenken kann, aber nicht unbedingt behaupte, Reiten zu können. Zu beiden Sachen gehört eine ganze Menge mehr.
So kam es dann, das Werner und ich, wenn im Waldschwimmbad Wallenstein schon mal die ›kühlen Fluten‹ aufgesucht wurden, meist mit ihm da bleib, wo man noch einigermaßen stehen konnte. Als ich damals in den Teich rein sauste, konnte ich ganz bequem stehen. Aber Werner ist ja vermutlich weiter raus getrieben. Jedenfalls hat Hans Klipp, nicht nur der Herrscher sondern auch das sportliche As der Truppe, Werner gerade noch raus ziehen können. Ich war da schon nicht mehr dabei und kann es nur so erzählen, wie ich es gehört habe.
H.H.v. Allwörden: Nun zu meiner Bekanntschaft mir Kurt Brand. Wir waren einander 1987 auf dem Buchmesse-Con vorgestellt worden. Ich hatte ihn kurz interviewt. Aber richtigen Eindruck machte ich erst auf ihn, als ich Manuskripte einiger minderbemittelter Autoren versteigerte - so wie Bananen-Paule auf dem Fischmarkt (in Hamburg, wo sonst?) Hinterher verstanden wir uns recht gut. Wir lernten uns besser kennen, als ich zu seinem 73sten Geburtstag eingeladen wurde.
R. Michael: 1990, bei Jürgens 50sten Geburtstag erhoben wir ihn schließlich in den Rang eines Reichs-Barons.
Gustav Gaisbauer: Liebe Heike, wie kamst du dazu mit bei dem Fanzine "Marlos Club-Letter" mitzuarbeiten.
Heike Giesa: Ich beschwerte mich einmal beim Redakteur Uwe Schnabel über die Tippfehler in den Beiträgen. Er lud mich ein, es besser zu machen und ich willigte ein.
Wobei vielleicht noch erwähnenswert ist, dass Heike, damals Müller, vor W.K. Giesa mit Uwe Schnabel zusammen war. Ein absolut zierliches und zerbrechlich wirkendes Mädchen, das fröhlich war und lachen konnte ohne albern zu wirken.
Eigentlich hätte es für W.K. nur einen Namen gegeben ›Sir Gallahad‹, der Ritter mit dem reinen Herzen. Aber alles ändert sich mit der Umgebung und neuen Menschen, die in unser Leben treten ...
Gustav Gaisbauer: Welchen Beruf hattet ihr ursprünglich?
W.K.Giesa: Dauerstudent. - Lehramt für Gymnasien. Fachrichtung Kunst und Deutsch. Nach vierundzwanzig Semestern abgebrochen.
Gustav Gaisbauer: Ein echter Fan
W.K.Giesa: Ich wollte ursprünglich Lehrer werden und musste das Studium abbrechen, weil mit den Studieren alleine kein Geld zu verdienen war.
So kann man es auch sagen. Nachdem Werner den ersten Roman verkauft hatte, hat die die Uni-Paderborn nur noch gesehen, wenn es drum ging, den Schein für das nächste Semester zu bekommen. Getan hat er das, weil er so die billigen Krankenkassen-Beiträge für Studenten bekommen hat. Ein Examen zu machen und ein Lehramt anzunehmen war dann kein Ziel mehr. Als Schriftsteller hatte Werner seinen Traumberuf gefunden. Inwieweit er da eine Studienstelle blockiert hat kann ich nicht sagen.
Heike Giesa: Ich habe Hotel- und Gaststätten-Gehilfin gelernt und war zuletzt als Hausdame tätig. Ich gab meinen Beruf auf, als ich Werner heiratete.
H.H.v. Allwörden: Ich war Dauerschüler und später Werktätiger in diversen Berufen. Zuletzt war ich in einer Tagebau-Saline tätig. Gegenwärtig bemühe ich mich, selbständig zu werde und ins Verlagsgewerbe einzusteigen.
Gustav Gaisbauer: Wir kommst du zu dem "von"?
H.H.V.Allwörden: In Freiburg an der Elbe gibt es einen Ortsteil namens Allwörden. Das ist der ehemalig Stammsitz der Grafen von Allwörden. Die sorgten nachweislich dafür, dass hier das Land mit der größten Adelsdichte ist. Zur Zeit der Bauernaufstände verpflichteten sie nämlich Söldner, denen sie nach der Niederschlagung des Aufstandes statt Entlohnung einen kleinen Adelstitel gaben.
So kommt es, dass die Adelsdichte hier größer ist als im Buckingham Palace. Der Adelssitz derer von Allwörden existiert nicht mehr. Er wurde im Dreißigjährigen Krieg, als die Schweden und Dänen durchmarschierten, ausgeräuchert.
R.Michael: Mein ursprünglicher Beruf war Möbelkaufmann. Da mein Zeugnis der Mittleren Reife (genauer gesagt, das Zeugnis davor - das man für die Bewerbungen brauchte) mit einer Fünf in Mathematik glänzte, war es nicht so leicht, eine bevorzugte Ausbildungsstelle zu finden. Ich schaute mich um und fand, dass die Jungs in der Möbelabteilungen der Kaufhäuser am wenigsten zu tun hatten. Die standen meistens nur rum. Ich bewarb mich und wurde angenommen.
Am ersten Arbeitstag sahen mich die Kollegen an, sagten, dass ich groß und kräftig aussähe und ließen mich alleine eine Couch aus einem Regal heraus wuchten. Ich hatte nie zuvor körperlich gearbeitet und wäre von dem Möbel fast erdrückt worden. Ich stelle schnell fest, dass ich den falschen Beruf ergriffen hatte. Denn morgens kamen in der Regel drei Möbelwagen, die ich als Lehrling ("Stift" war damals noch der Begriff in der Umgangssprache) und später als Jungverkäufer ausladen durfte, während alle anderen in weißen Kitteln herum standen und die Kunden bedienten.
Danach war ich achtzehn Monate bei einem Panzergrenadier-Bataillon, dabei auch längere Zeit als Ordonnanz im Offiziers-Kasino. Damals dachte ich nicht, dass ich mein Wissen um die Gastronomie später wieder verwenden konnte.
Damit ist dann die Zeit beim Ordnungsamt gemeint, wo ich ja im Außendienst Gaststätten mit Schwerpunkt auf die Getränke-Schankanlagen überprüfte. Von daher waren wir die Sorgen und Probleme der Gastwirte bekannt - das schaffte Vertrauen.
Ja, und was ich bei den Pfadfindern im Gelände gelernt hatte, das konnte ich dann auch bei der Bundeswehr gut gebrauchen. Panzergrenadiere sind ja "richtige Soldaten", die so kämpfen, wie man das immer in Kriegsfilmen sieht. Und was bei "Rambo" alles immer so toll aussieht, das ist dann nicht mehr so erregend, wenn man plötzlich mitten drin steckt. Naja, geschadet hat mir das alles nicht.
Ich kehrte (nach der Bundeswehr) zum Kaufhaus zurück, merkte aber bald, dass ich nur als billige Arbeitskraft betrachtet wurde und alle Versprechungen auf Weiterbildung (Weiterkommen - wäre richtiger) hinfällig waren.Da folgte ich dem Rat meines Vaters, mich bei der Stadtverwaltung Kassel zu bewerben. Obwohl ich früher geschworen hatte, nie Büro-Hengst zu werden, bin ich jetzt etwa über 20 Jahre dabei.
Ich war ursprünglich bei der Rathaus-Verwaltung als Sachbearbeiter für Hausverwaltung, kam dann zur Beschaffungs-Stelle, ließ mich für ein Jahr frei stellen und kam danach ins Amt für öffentliche Ordnung als Sachbearbeiter für Getränke-Schankanlagen und für Geldspiel-Geräte. Ich kontrolliere auch Sperrzeiten und mache Volksfeste zu, wenn es nötig sein sollte. Das ist aber meistens nur der Fall, wenn ich selber mitfeiere.
Der letzte Satz passt nicht - da hat Franz was verkehrtes vom Tonband gehört. Wenn ich bei einem Volksfest Sperrzeitkontrolle hatte - oder auch sonst bei Gaststätten, wen es Beschwerden gab, habe ich nicht mitgefeiert und auch nichts mit getrunken. Schon weil ich ja Auto fahren musste. Nur im Gegensatz zu andren Kollegen habe ich das etwas lockerer gemacht - ohne Musik und mit gedämpftem Licht konnte die Gäste meistens weiter trinken und der Wirt noch was verdienen. Es sollte ja nur Ruhe einkehren. Kam ich allerdings zurück und die Musik war wieder an oder die Gäste hatten einen Gesangverein gegründet, gab es allerdings Ärger. »Ich vertrete das Gesetz. Ich bin hier der Marshal!« waren Worte, die ich oft gebraucht habe.
Es konnten auch schon mal Situationen eintreten, wo ich den Rückwärtsgang einlegen musste. Aber richtig passiert ist nie was.
Einmal war der Herausgeber des Zauberspiegels am Vorabend des Vatertages bei einem Sperrzeit-Einsatz mit dabei. Einige Problem-Kneipen in der Altstadt sorgten dafür, dass sich die Anwohner beschwerten. Von den Kollegen hatte keiner Zeit und ich musste alleine ran - allerdings riet mir der Chef, Polizei mit zu nehmen. Allerdings machen (damals) grüne Uniformen in gewissen Kneipen immer böses Blut.
Hermann bekam von mir eine schwarze Lederjacke, in der er richtig gefährlich wirkte (wir hatten ja in etwa die gleiche Statur) und die Anweisung, am Eingang stehen zu bleiben, nichts zu sagen, und nur, wenn ich im kurz Winke, mit dem Charme eines Grizzly-Bären nach vorn zu kommen. Nur im ›Haferkasten‹ musste ich den Bär mal kurz von der Leine nehmen. Hermann wirkte alleine schon von der Optik und ich sehe ja auch nicht schmächtig aus. Also ruderten die Jungs zurück und der Wirt wusste ohnehin, dass der Entzug seiner Konzession schon beim Chef im Schreibtisch lag. Hätte das Ärger gegeben, hätte der ›Alte‹ an nächsten Tag unterschrieben und einige "Damen" hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, sich aufzuwärmen.
So weitere zum Interview... und was lese ich da?
Zu diesem Zeitpunkt war es 1 Uhr - Ende der Geisterstunde. Der Rest der Gespräche bis 3 Uhr morgens ist zum Abdruck nicht geeignet..
Hamdulillah - Preis sei Allah!
Oder wie Martin Luther vor Kaiser und Reich rief: »ch bin hindurch! Ich bin hindurch!«
Wir haben das Interview geschafft. Dann werde ich wohl nächste Woche für die vielen Freunde von Kurt Brand doch noch einige Erinnerungen an ihn bringen. Denn der Historien-Roman ist ja erst für den 1. Mai als Startpunkt geplant.
In diesem Sinne - bis nächste Woche... und genau die Woche, in der die ›Passion‹ spielt... falls ihr euch schon mal in die Materie etwas einlesen wollt...auch wenn das dann erst im dritten Band kommt ...