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Zwei Hähne, die Miste und Gott mit uns

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, weiter geht es mit der Geschichte des Islam. Wir haben nun endlich die Schlacht an den Brunnen hinter uns. Nun wollen wir lesen wie es weiter ging. Der Tee ist serviert ...

Zwei Hähne, die Miste und Gott mit uns

Die Schlacht von Badr war der erste militärische Triumph des Islam. Und ohne diesen Sieg wäre diese Religion vielleicht doch noch auseinander gefallen. Immerhin waren die Juden noch sehr stark und hatten die eigentliche Macht in Medina. Neben dem Clan des Ibn Ubbay beherrschten drei Familien aus drei ›Stämmen Israels‹ die Stadt. Und diese Juden wollten die Muslime zwar in Medina, weil es politisch zweckmäßig war, so die Handels-Konkurrenz in Mekka zu schädigen und gleichzeitig saubere Hände zu behalten – aber sich zum Glauben an Allah und seinen Propheten bekehren lassen, das wollten sie nicht. 

 

Es hatte zwar viele Gespräche und religiöse Diskussionen gegeben, aber klug hatten die Juden immer wieder nachgewiesen und Argumente gefunden, dass der Islam doch in großen Teilen vom Judentum ›abgekupfert‹ war.

Nun ja, würde der heutige Mensch sagen, immerhin hat Mohammed ja auf seiner ›Nachtreise‹ in den Himmel Moses getroffen und sich mit ihm recht angelegentlich über das Beten unterhalten. Warum soll ihm Moses nicht auch sonst ein paar Tipps gegeben haben, wie man so eine Religion erfolgreich aufzieht. Der Sieg von Badr – das hatte für die Muslimen die gleiche Bedeutung, wie der Durchzug durch das Rote Meer für die Juden.

Und so erkannte Mohammed, dass er zwar klug taktieren musste, um mit seinen Leuten durch die mächtigen Juden-Clans aus der Stadt geworfen zu werden. Aber er wusste auch, »es können nit zwei Hahne auf eine Miste sein«, wie es Albrecht von Wallenstein es einige Jahrhunderte später so treffend ausdrückte.

Die ›alte Religion‹ wollte sich den ›Eingebungen Mohammeds‹ nicht unterwerfen – also musste das Gleiche geschehen, was schon Paulus mit dem Christentum gemacht hatte. Eine klare Trennung zum Judentum – trotz der gemeinsamen Wurzen. Die christliche Gemeinde in Jerusalem, angeführt von Jakobus, einem vermutlichen leiblichen Bruder von Jesus, praktizierte ein anderes Christentum als er nach den Predigten des Paulus im Rest der Welt gelebt wurde.

Wenige Wochen vor der Schlacht von Badr hatte sich Mohammed bereits in religiöser Hinsicht vom Judentum getrennt, indem er die ›Quibla‹ veränderte, also die Gebetsrichtung nicht mehr nach Jerusalem, sondern nach Mekka ging. Jetzt nach der siegreichen Schlacht ging Mohammed einen weiteren Schritt. Bislang hatte man mit den Juden den gemeinsamen Fasten-Monat eingehalten, den diese in Erinnerung an den Durchzug durch das Rote Meer hielten. Ich erinnere an die Problematik, die ich einige Teestunden früher geschildert habe, als Muslime gegen das Gebot der Friedenspflicht in diesem Fasten-Monat verstieß.

Nun wurde der Fasten-Monat des Islam auf den Monat Ramadan verlegt. Der Monat, in dem die Schlacht von Badr statt gefunden hatte – was eben für die Muslimen eine totale Kehrtwende des Schicksals war. Denn erst nach dieser Schlacht gegen eine fast dreifache Übermacht wurden sie in Arabien anerkannt. Vor allem auch der Gott, zu dem sie beteten, und der doch recht mächtig sein musste, wenn er diesen Sieg möglich machte. Hubal hatte es nicht geschafft, dass seine Streiter trotz der Übermacht triumphieren konnten.

Jeder byzantinische Feldherr hätte über diese Theorie ›göttlichen Eingreifens‹ verächtlich mit der Schulter gezuckt. Nicht, dass auch die Byzantiner samt ihrem Kaiser nicht daran geglaubt hätten, dass sich der allmächtige Gott wie die antiken Götter Griechenlands in Troja mit den Kämpfen der Sterblichen beschäftigte. Aber die Schlacht von Badr wurde vermutlich deshalb gewonnen, weil die Muslime strategisch geführt wurden und auf Kommandos reagierten. Das System, das Roms Legionen ein Weltreich erobern ließen. Die gewaltige Übermacht von Mekka war in wildem Angriff heran gebrandet – und die ersten Angriffe bereits am ›Deich‹ der Bogenschützen zerschellt. Wenn man dann bei weiteren Angriffen über die Gefallenen hinweg stürmen soll, kommen dann doch schon mal Bedenken, wie glorreich ein Heldentod ist.

Jedenfalls im wilden Angriff, wo noch dazu die Anführer vorn an der Spitze reiten – in fest gefügter Formation hat man kaum die Chance, auszubrechen oder sich abzusetzen – weil die hinteren Reihen einen solchen Feigling und Verräter sofort nieder machen. Wie man schon im ersten Weltkrieg sagte, dass der deutsche Soldat den Feind vorn weniger fürchtet als die Offiziere hinter ihm, die ihn aus den Gräben ins Gefecht treiben. Denn wenn er vom Grauen der Schlacht und des Todes vor Angst geschüttelt zu fliehen versucht, wird er von ihnen wegen ›Feigheit vor dem Feind‹ als ›ehrlosen vaterlandslosen Verräter‹ erschossen.

Für die Moslems kam noch hinzu, dass sie am Abend vorher durch die ›Eingebungen‹ Mohammeds aufgeheizt waren. Immerhin hatte er ihnen gesagt, dass ihnen Allah dreitausend Engel als Beistand schicken wollte. Und als Mohammed dann die drei Hände Sand gegen den Feind schleuderte, da meinten viele seiner Kämpfer, eben diese Engel gesehen zu haben, die sich mit ihnen auf die Feinde warfen.

Wer die Araber und ihren Hang zum Fabulieren und dem Erfinden von Märchen kennt, der kann sich vorstellen, wie die Erzählungen von der Schlacht an den Brunnen von Badr dann in den Zelten der Beduinen, den Hütten der Hirten und auch in den Häusern von Medina weiter erzählt wurde. Ganz klar, Allah war der Gott, der eigentlich die Schlacht gewonnen hatte – und die ›Gläubigen‹ waren nur seine ›Erfüllungsgehilfen‹.

Natürlich hatte Mohammed sofort eine ›Eingebung‹ dieser Art, die sich in der 9. Sure, der ›Sure von der Beute‹ in den Versen 65 bis 67 nachlesen lässt:

»Wenn es unter euch auch nur zwanzig gibt, die standhaft sind, werden sie zweihundert besiegen. Und wenn es unter euch hundert gibt, werden sie tausend von denen, die ungläubig sind, besiegen. Und dies wird geschehen, weil sie Leute sind, die nicht begreifen wollen.

Jetzt hat euch Allah Erleichterung gewährt. Er weiß, dass in euren Reihen Schwachheiten vorkommen. Aber wenn es unter euch hundert Standhafte gibt, dann werden sie auch – mit Allahs Erlaubnis (inch Allah) zweitausend Feinde besiegen. Denn Allah ist mit den Standhaften.«

Was also de facto bedeutet, dass ohne Allahs Hilfe die Schlacht nicht hätte gewonnen werden können – und also nicht Männer mit Pfeilen und Schwertern, sondern ›der liebe Gott‹ hier gewonnen hat.

Worte in der Art dieser Sure sind in dieser und anderer Form immer schon verwendet worden, um Soldaten auch in aussichtsloser Lage immer wieder in die ›männermordende Schlacht‹ zu treiben, um es mit Homer zu sagen. Hätte ein gewisser ›Minister für Volksaufklärung und Popaganda‹ den Korans gekannt, er hätte aus diesem Teil der Sure eine weitere Durchhalteparole gemacht.

Wozu der ›liebe Gott‹ alles so herhalten muss. Im Krieg 1870/71 gegen Frankreich hatten die deutschen und die französischen Soldaten auf dem Koppelschloss ›Gott mit uns‹ stehen – nur in verschiedenen Sprache. Und so ähnlich klangen auch die Worte in allen Kriegen – dass Gott eben auf Seiten der Standhafen sei – und ›Gott verlässt keinen braven Deutschen‹. Heute schütteln wir als halbwegs vernünftig denkende Menschen nur den Kopf – aber wie die Muslimen nicht nur bei Badr, sondern auch später Engel-Scharen in ihren Reihen gesehen haben wollten, so haben auch die Kreuzritter nach zeitgenössischen Berichten ähnliche ›Begegnungen‹ gehabt. Und in einem Fall hatte sogar ein ›Deal mit dem lieben Gott‹ ein Weltereignis zur Folge. Als nämlich Frankenkönig Clodwig die totale Niederlage vor Augen den Gott der Christen anrief, er wolle sich und sein Volk taufen lassen, wenn ihm dieser Gott eben hier und jetzt half. Sancta Simplicitas. Mit so wenig Verstand wird die Welt regiert.

Aber manchmal waren die ›Eingebungen‹ des Propheten doch sehr gut in der jeweiligen Situation. In diesem Fall hatte Mohammed sicher als ›Politiker‹ gedacht, der insgeheim hoffte, mit den Beherrschern Mekkas noch zu einer Einigung zu kommen.

Es ging um nichts anderes als um das Schicksal der Gefangenen an den Brunnen von Badr. Fünfzig der führenden Männer deckten neben ungezählten anderen Gefallenen das Gefechtsfeld von Mekka. Abu Djahl, der die Truppen von Mekka angeführt hatte, war im Kampf gefallen. Es ist von siebzig Gefangenen die Rede, die nach altem arabischen Brauch sofort getötet werden sollten.

Im ersten Siegesrausch hatte Mohammed den Anfang mit dem Töten gemacht. Da waren zwei Männer, die ihn vor seiner Flucht aus Mekka immer auf geistreiche Art verhöhnt und verspottet hatten. Diese Tötung, das sind allerdings Dinge, die man bei den ›Gläubigen‹ nicht so gerne hört – auch wenn es deutlich macht, dass Mohammed doch ein Mensch war – und diese Handlung rein menschliche Emotionen sind.

Kritische Herausforderungen der Art, wie sie von diesen Männern formuliert wurden, hielt Mohammed für bedrohlich – ich vermute, sie werden im beißenden Spott griechischer Philosophen gewesen sein. Und so schaffte sich der Prophet das Problem seiner beiden ›geistreichen Kritiker‹ erst mal vom Hals, bevor er seine ›Eingebung‹ erhielt, mit der gefordert wurde, dass die wehrlosen Gefangenen am Leben zu bleiben hatten.

Nebenher war es auch praktisch gedacht, das Leben der Gefangenen zu schonen. Nur auf diese Art konnte man Lösegeld bekommen – im anderen Fall hatte man eine Blutrache am Hals. Der Tod im Kampf, das war entschuldbar und es konnte ja für einen Bluträcher schlecht festgestellt werden, wer wen getötet hatte. Aber hilflose Gefangene zu töten – das war zwar in jenen Tagen üblich – aber dennoch Mord. Und das rief in jedem Fall die Tharr, die Blutrache, herauf.

Gefangene zu töten war schon in der Antike nicht ungewöhnlich und bis ins späte Mittelalter durchaus üblich. Wo man kein Lösegeld erwarten konnte und es auch keine Möglichkeiten des Verkaufs in die Sklaverei ergab, da fütterte man die Gefangenen nicht erst lange durch. Nur die Gefangenen, wo was zu holen war, schleppte man mit.

Die Herren hatten also die Chance, weiter zu leben – den Knechten schnitt man die Kehle durch. Selbst der immer ach so gefeierte und bewunderte König Richard Löwenherz ließ ungefähr viertausend gefangene Muslime töten, um durch die nicht auf seinem Weitermarsch behindert zu werden. Was aber damals weder Saladin noch die muslimische Welt besonders aufregte – denn dort wurde auch das Töten von Gefangenen praktiziert, wenn es die Umstände erforderten. Wer sich ergab, musste eben mit so was rechnen – oder auch, als Sklave weiter zu leben. Und – so starb man auf jeden Fall schnell ...

Es war also etwas Besonderes, dass Mohammed den siebzig Überlebenden der Schlacht ihr Leben rettete und dafür sorgte, dass sie nicht nur nach Medina mitgenommen wurden, sondern auch in den Häusern derer untergebracht wurden, die sie gefangen hatten.

Auf dem Weg zurück nach Medina hatte Mohammed dann für die Gefangenen noch einmal eine Offenbarung, auch nachzulesen in der ›Sure der Beute‹ (8/71). Bei der Formulierung des Textes müssen wir bedenken, dass hier Allah durch den Mund des Engels spricht.

»Oh, Prophet, sprich zu den Gefangenen, die sich in eurer Gewalt befinden. Wenn Allah in eurem Herzen etwas Gutes feststellt, lässt er euch auch etwas Bessere zukommen als das, was euch genommen ist – und er vergibt euch. Denn Allah ist voller Vergebung und barmherzig.«

Die Gefangenen wussten diese Worte sehr schnell zu interpretieren – egal ob sie jetzt an Allah samt seinem Propheten glaubten oder nicht. Wurden sie Moslems, dann waren von diesem Moment an ihre ehemaligen Feinde ihre Brüder – und konnten ihnen nicht mehr so viel abnehmen – wenn überhaupt. Es ist nicht überliefert, wie viele der Gefangenen sich zum Islam bekehrten, aber zurückgekehrt in Mekka hatte Mohammed in ihnen sicherlich eine ›Fünfte Kolonne‹. Zumal unter den Gefangenen nicht nur Suhayl, der Scheich der Amir-Beduinen, sondern auch Mohammeds Onkel Abbas (der Ahnherr der Abassiden, wie ich schon erwähnte) und Mohammeds Vettern Aquil und Naufal befanden.

Die Verwandten des Propheten, also Abbas, Aquil und Naufal, waren neben Scheich Suhayl natürlich im Haus Mohammeds untergebracht. Muhammad ibn Ishaq, er lebte um 704 bis 767 lebte und gilt als erster ›Historiker‹ des Islam – schon, weil er von der Zeit her „sehr dicht dran war“. Vergessen wir nicht, dass Mohammed seine ersten Offenbarungen im Jahr 610 hatte. Eben von ibn Ishaq ist folgende Episode aus dieser Situation im Haus des Propheten überliefert.

Als Saudah, Mohammeds Frau, die er nach Chadidchas Tod geheiratet hatte, die Gefangenen in ihren Fessel im Haus sah, brachen aus ihr alte arabische Instinkte wieder durch und die neue Muslim-Ideologie war vergessen. »Ihr habt euch ergeben, statt wie edle und tapfere Männer zu sterben!« schrie sie die Gefangenen an. Aber in diesem Moment betrat Mohammed den Raum und grollte: »Weib, hetzt du gegen Allah und seinen Propheten?« und holte sie damit schnell wieder zum Denken einer     Muslima. Schon deshalb, weil Mohammed ja nur drei Mal sagen musste: »Du kannst gehen« und das keifende Weib wäre draußen gewesen.

Aber Mohammed ging es auch irgendwie ans Gemüt, seine Verwandten zu sehen, wie sie mit auf den Rücken gefesselten Händen in der Ecke der Hütte hockten. Er konnte diese Nacht kaum schlafen und gab die drei am nächsten Morgen ohne Lösegeld frei. Dieses Beispiel machte Schule bei den anderen Männern, die Gefangene im Haus hatten. Denn gefesselt waren sie wie Gegenstände, die im Haus im Weg standen und es war fraglich, ob das ›Futtergeld‹ nicht das Lösegeld überstieg.

Natürlich hören gläubige Moslems diese Überlegungen nicht sehr gerne und nach ihrer Meinung hatte Allah ihre Herzen gerührt, dass auch die meisten von ihnen die Gefangenen frei ließen. Was allerdings bedeutete, dass einige von ihnen so von der ›Umma‹, der Gemeinschaft der Gläubigen, beeindruckt waren, dass sie Moslems wurden und gleich da blieben. Und wer nach Mekka zurückging, der glaubte inzwischen eher an Allah als an Hubal, der ja in Badr nicht eingegriffen hatte.  

Wie wir sehen – in diesem Kampf waren immer wieder die entzweiten Familien beteiligt. Der Stammesverband der Koreisch, der auf seine Art Mekka beherrschte, war zwar Mohammeds erbitterter Gegner – gleichzeitig gehörte die Familie Mohammeds, die Haschemiten, jedoch auch den Koreisch als eine Art ›Unter-Familie‹ an.

Dies brachte dann später den Streit hervor, der unter den Omajaden das Kalifat erst von Medina nach Damaskus holte – weil gesagt wurde, der Nachfolger des Propheten müsse auf jeden Fall ein Koreisch sein. Und später die Abassiden von Bagdad beriefen sich auf das enge verwandtschaftliche Verhältnis ihres Ahnherrn Abbas zum Propheten und erklärten, nur einer aus der Familie der Haschemiten, also der direkten Familie Mohammeds, dürfe der Kalif und ›Beherrscher der Gläubigen‹ sein.

Wie ich schon gesagt habe, sind die Könige von Jordanien aus der Familie der Haschemiten und der Urgroßvater des heutigen Königs hat damals im Verlauf des Ersten Weltkrieges als Groß-Scherif von Mekka den ›Heiligen Krieg‹ gegen die das Land beherrschenden Türken aufgerufen. Dazu kommen wir noch, wenn ich im Zuge der Reiseerzählung von diesem Krieg und von Lawrence von Arabien erzähle, von dem ich auf dieser Fahrt viele seiner Wirkungsstätten besucht habe.

Es dauerte einige Zeit, bis man in Mekka die Niederlage an den Brunnen von Badr verwunden hatte. Aber dann rollten sie eisernen Würfel erneut und es sammelten sich in Mekka dreitausend Männer auf dreitausend Kamelen, um gegen Medina zu ziehen.

Am Fuße des Berges Uhud kam es zur Schlacht ... und zu einem Debakel für die Moslems ...

Wie hieß es früher in den Sigurd-Heften?

Lest das nächste Heft ... inch Allah in einer Woche ... 

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