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Sieben gegen die Hölle - Jan Falkenberg (Teil 7)

Sieben gegen die HölleSieben gegen die Hölle

Jan Falkenberg (Teil 7)
„Also, mein Name ist nicht Helena Boda.“
„Du wirst es kaum glauben, aber das habe ich schon beinahe vermutet.“

Er betrachtete die junge Frau, die er zu Beginn ihrer Bekanntschaft so sympathisch gefunden hatte. War sie ihm das jetzt nicht mehr? Doch, eigentlich schon. Plötzlich zuckte er zurück.


Für einen kurzen Augenblick hatte er geglaubt, dass Helena – in Ermangelung ihres richtigen Namens nannte er sich bei sich noch so – wie zweigeteilt erschien. Die eine Seite blieb so, wie er sie kannte, eine junge Frau. Die andere allerdings war von dunkler Hautfarbe und zeigte eine sehr alte Person. Doch schon nach wenigen Sekunden war das Gefühl verschwunden. Schnell hatte er sich gefangen.

„Wieder eine deiner Erklärungen sparenden Offenbarungen?“

„Ja.“

„Okay, akzeptiert. Aber ich verstehe sie leider nicht ganz.“

„Das kommt schon noch. Ich bin Hel.“

„Ist das jetzt nur dein Spitzname?“

„Nein, so heiße ich wirklich.“

„Gut. Und weiter?“

Er legte die Lanze auf dem Bett ab und setzte sich daneben, denn er hatte keine Lust mehr weiter zu stehen. Helena – Hel – zog allerdings genau das vor.

„Ich bin die Tochter von Angrboda.“

„Ah, ich verstehe. Darum der Nachname.“

Sie grinste ihn an.

„Ja.“

„Du hast ja einen goldigen Humor.“

„Nicht wahr? Aber weiter im Text. Meinen Vater hast du auch schon kennen gelernt. Ihm verdanken wir diesen ganzen Schlamassel überhaupt erst.“

Kurz überlegte er, wer ihr Vater sein könnte. Für einen Moment zog er Lakic in Betracht, schloss ihn dann aber wieder aus.

„Kennen gelernt?“, hakte er nach.

„Ja. Der Riesenadler, der Riesenwolf.“

„Du weißt von dem Wolf? Davon habe ich dir nichts erzählt.“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es trotzdem. Das haben Totengöttinen so an sich.“

„Totengöttinen?“

„Jepp.“

Langsam drehten sich die vielen Informationen in seinem Kopf und er versuchte, sie zusammen zu setzen.

„Ich rekapituliere mal. Du heißt Hel, dein Vater ist ein Wolf, Adler oder was auch immer. Und deine Mutter heißt Angrboda.“

„Und ist eine Riesin.“

„Hab ich vermutet.“

„Und mein Vater ist Loki.“

Mit diesem Begriff konnte er endlich mal etwas anfangen.

„Der Gott aus der nordischen Mythologie?“

„Genau der.“

„Okay, so langsam kriege ich deine Familienverhältnisse auf die Reihe. Und er war der Adler und der Wolf?“

„Ja. Er ist Gestaltwandler. Die Erscheinung als Wolf hat er wahrscheinlich gewählt, weil mein Bruder und damit sein Sohn, der Fenriswolf ist.“

„Und der Adler?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Scheint ihm wohl einfach gefallen zu haben.“

„Und die Skelette gerade in Wien?“

Helena – in Gedanken verbesserte er sich – schnaubte wütend auf.

„Das nehme ich ihm persönlich übel.“

„Warum?“

„Ich bin schließlich die Herrin der Totenwelt und nicht er!“

„Aber er hat auch Macht über die Toten?“

„Nicht so stark wie ich, aber ja. Allerdings hatte er gegen meinen römischen Freund ja keine Chance. In Wien wird alles wieder seinen normalen Weg gehen. Einzig das Verschwinden der Lanze wird noch für Aufsehen sorgen. Aber wenn wir das Problem hier vor Ort nicht lösen, dann ist auch das absolut egal.“

„Welches Problem vor Ort?“

„Du hast doch die Nachrichten gesehen.“

„Du meinst den drohenden Abrutsch des Hangs am hohen Meissner?“

„Ja.“

„Und wie soll ich den aufhalten? Mit einer Lanze? Oder dem Nagel in einer Lanze?“

Er schüttelte den Kopf. Das lag ja wohl nicht in seiner Macht. Hel erklärte ihm die Situation weiter.

„Es geht nicht um den Felsrutsch.“

„Sondern?“

„Um das, was sich darunter befindet.“

„Will ich das jetzt hören?“

„Unwichtig.“

„Danke, dass du auf mein Seelenheil so Rücksicht nimmst, meine Liebe.“

„Geschenkt. Also, hör zu: Unter dem Hang, der abzurutschen droht, befindet sich der Mundus.“

„Und das ist was schon wieder?“

„Der Eingang zur Hölle.“

Harter Tobak!

„Alles klar. Ich weiß zwar nicht, ob mir das alles gefällt, aber ich denke mal, dass tut auch nichts zur Sache, oder?“

„Leider ja.“

Mit einem mal veränderte sich ihr Blick. Auf ihr Gesicht legte sich ein Ausdruck von Bedauern.

„Jan, es tut mir wirklich leid, dass du da hinein gezogen wirst. Aber es ließ sich nicht ändern.“

„Schon okay.“

„Nein, das ist es nicht. Ihr Menschen solltet mit unserer Welt nicht konfrontiert werden. Das ist nicht gut für euch.“

„Du kannst mich ja hinterher - wenn ich alles überlebe!, „blitzdingsen.“

„Was?“

Jetzt war sie es, die ihn erstaunt ansah. Anscheinend kannte sie Men in Black nicht.

„Nicht so wichtig. Aber schön zu wissen, dass es auch Dinge gibt, die so mächtige Wesen nicht kennen.“

Er grinste sie an und auch sie lächelte zurück. Dann kam sie auf ihn zu und beugte sich vor. Sie gab ihm einen Kuss, der ihn überraschte. Trotzdem erwiderte er ihn leidenschaftlich.

„Wow!“, entfuhr es ihm danach. „Göttlich!“

Sie lachte auf.

„Ach, eine kleine Sache noch.“

„Was Schlimmes?“

„Nein. Nur eine letzte Erscheinungsform, in der man mich kennt. Frau Holle sagt dir etwas?“

„Du schüttelst die Kissen auf und lässt es schneien?“

„Nein, das nun nicht. Aber Frau Holle wird oft als Hel identifiziert und das stimmt halt tatsächlich. Und so erklärt sich auch dieses Gebiet.“

„Der Frau-Holle-Teich“, riet er.

„Ja.“

„Stimmt die Sage, dass er unendlich tief ist? Und der Zugang zu einer unterirdischen Welt ist?“

„Das ist wahr.“

„Ja“, sagte sie erneut.

„Aber das soll doch die keltische Anderswelt sein. Das ist doch schon wieder etwas anderes.“

„Ach, weißt du, irgendwie sind das alles nur Namen für die gleichen Dinge. Alles ist eins in dieser Welt. Schließlich konnte mein Vater auch die Pesttoten in Wien auferstehen lassen und die waren ja nachweislich Christen.“

Kurz dachte er über ihre Worte nach, aber eine einfache Lösung fand er nicht.

„Wie auch immer. Wie geht es jetzt weiter?“

„Wir müssen aufbrechen. Die Zeit drängt.“

„Zum Hohen Meissner, meinst du?“

„Ja.“

„Aber das ist alles Sperrgebiet. Wie sollen wir dahin kommen?“

Lächelnd reichte sie ihm die Hand.

„Hätte ich mir eigentlich denken können“, murmelte er.

„Vergiss die Lanze nicht.“

„Hauptsache, sie bleibt heile.“

„Das kann ich dir leider nicht versprechen.“

Kurz betrachtete das antike Stück. Wahnsinn! Ein Nagel vom Kreuze Christi. Und das bedeutete doch, dass Jesus wirklich gelebt hatte! Sollte er sie nach ihm befragen? Wusste sie etwas über ihn? Aber dann schüttelte er den Kopf. Er war zwar kein allzu gläubiger Christ, aber dennoch gab es Dinge, die er gar nicht so genau wissen wollte. Er griff nach der Lanze und erhob sich vom Bett.

„Ach, Dreck!“, fluchte er plötzlich.

„Was ist?“

„Meine Jacke liegt auch noch in Wien. Und mein Laptop! Du schuldest mir noch zwei Reisen. Eine nach Österreich und eine nach Frankfurt. Oder du organisierst mir eine neue Jacke, einen neuen Laptop und ein Auto!“

Sie schüttelte den Kopf.

„Ihr Menschen seid echt bekloppt, weißt du das?“

„Danke, gleichfalls.“

Dann ergriff er ihre Hand und der ihm schon bekannte Transport setzte ein. Die Welt um ihn herum verschwand und löste sich in einem Farbenwirbel auf. Dieses mal schien es schneller zu gehen. Vielleicht weil die Strecke kürzer war? Er sah sich um. War dies der Hohe Meissner? Er war noch nie hier gewesen, also konnte er es nicht ausschließen.

„Wir sind da“, sagte seine Reiseleiterin zur Bestätigung.

„Schön. Und wie geht es jetzt weiter?“

Sie wies mit der Hand in eine bestimmte Richtung.

„Da müssen wir hin.“

Er folgte mit den Augen der angewiesenen Richtung. Erkenenn konnte er dort nichts besonderes. Alles schien still und friedlich vor ihm zu liegen. Wenn er gewusst hätte, was ihn noch alles erwartete, dann wäre er lieber sofort umgekehrt.

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