Bd. 1 - Das Spiel der Hexe
Das Spiel der Hexe
1. Kapitel:
Zeit der Finsternis
Zeit der Finsternis
"Mein Auto hat eine Panne", kam die Antwort. Die Stimme gehörte niemanden, der in dieser Gegend im Süden Englands aufgewachsen war. Ein kaum identifizierbarer ausländischer Akzent gehörte dazu. "Darf ich Ihr Telefon benutzen?"
"Kommen sie näher!", entgegnete der zweite Wachposten.
"Danke", entgegnete der Mann und trat ins Licht, das aus dem Torhaus drang. Er näherte sich langsam und humpelte ein wenig. Er trug einen schwarzen, modern geschnittenen Einreiher, dazu ein ebenfalls schwarzes Hemd und eine rote Krawatte. Sein Gesicht war ein wenig blass.
"Was ist mit Ihnen?", fragte der erste Wachmann.
"Nur gestolpert. Bin dabei umgeknickt", entgegnete der sich Nähernde.
Die beiden Wachleute gingen ihm entgegen. Kaum waren sie in Höhe der Hecke, die die Auffahrt bis zum Tor säumte, wurde diese lebendig. Noch bevor die Wachleute wussten, wie ihnen geschah, stürzte sich ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Gestalten mit bleichen Gesichtern auf sie.
Die Wachleute fühlten sich von eiskalten Händen mit großer Kraft zu Boden gedrückt. Eine schlanke Gestalt drängte sich vor. Die roten Haare fielen in das Gesicht, als sie sich über den Wachmann beugte. Dann schlugen sich spitze Augenzähne in den Hals des ersten Wachmanns. Sein Kollege beobachtete dies, wollte sich befreien, wurde aber von Griffen wie Stahlklammern zu Boden gedrückt. Dann beugte sich auch jemand über ihn und er spürte ein Stechen am Hals.
Die Firma der beiden Wachleute gehörte zu einem Orden, dessen volle Bedeutung ihnen verschlossen geblieben war. Aber jetzt starben sie für ihn. Sie waren noch nicht einmal dazu gekommen, sich zu wundern, warum die Bannkreise und magischen Fallen sie nicht schützten, so schnell war alles gegangen.
Dann: Ein Schauder, ein nie gekanntes Gefühl durchfuhr sie und erregte sie auf eigentümliche Weise. Das Leben wurde aus ihnen heraus gesogen und sie empfanden es als Lust, als Vergnügen. Bittere Süße, derer sie sich nicht bewusst wurden. Ihre letzten Eindrücke dieser Welt waren voll Verzückung.
Als der letzte Tropfen Lebenssaft aus ihren Körpern gesogen war, erhob sich die Gestalt, die als erste zugebissen hatte.
Es war eine Frau. Rote Haare umrahmten ein Gesicht mit hoch angesetzten Wangenknochen. Ihr knabenhafter Körper wirkte geschmeidig und kraftvoll. Die Eingeweihten hätten sie sofort erkannt. Elena Dracul, Oberhaupt der Sippe Tepescus, war seit gut einem Jahrhundert der Schrecken und die Erfüllung vieler Männer gewesen.
Ihr untotes Dasein hatte sie der Jagd nach einem ganz bestimmten Schatz gewidmet. Es ging die Sage von einem Blutschwur, den sie in der Walpurgisnacht des Jahres 1900 geleistet hatte: nicht eher zu ruhen, bis sie das Blut des Schatzes getrunken hatte.
"Weiter jetzt. Auf zum Schatz", sagte sie mit einer tiefen, verführerischen, befehlsgewohnten Stimme.
Und sie ging als erstes völlig unbeschadet durch das Tor. Die Bannkreise schienen keine Wirkung auf sie zu haben. Elena Dracul erzitterte innerlich. Es war also keine Falle. Ihr Blick fiel auf die Zeichen. Nur das geübte Auge konnte sehen, dass die Bannzeichen unbrauchbar waren, zerstört durch winzige Handgriffe. Sabotage. Sabotage eines Verbündeten. Sabotage eines Verräters. Elena ging es wie anderen, die vom Verrat profitiert hatten. Sie liebte den Verrat, aber sie hasste den Verräter.
Wie sein Blut wohl schmecken wird? fragte sie sich.
Die Meute folgte ihrer Herrin.
"Da sind sie", sagte der Mann und seine Stimme klang tief erschüttert, als erkenne er erst jetzt die ganze Tragweite des Geschehens. Sein kantiges Gesicht unterstrich diesen Eindruck noch. In dem Moment, in dem er sie durch den schmalen Schlitz im Vorhang erspähte, wusste er, dass es zuende war. In der nahezu dunklen Bibliothek verhärtete sich sein Gesicht. Zorn, Kummer, Sorge und Entsetzen zeichneten sich ab.
Sollte hier und jetzt alles enden, was vor mehr als zweitausend Jahren begonnen hatte und dessen Wurzeln bis zum Anbeginn aller Tage zurückreichten? Sollte das Böse, das Finstere, den Sieg davon tragen? Das darf es nicht! schoss es ihm durch den Kopf und er schloss für einen Moment die Augen. Jetzt nicht und auf ewig nicht.
Gerade erst hatte er erkannt, dass sie kamen. Fast hätte er noch gezweifelt, aber die Kameras, Triumph der Technik, hatten es ihm gezeigt. Die beiden Wachen, treue Diener des Schatzes, tot, blutleer und bleich lagen sie am Tor. Die Bannkreise offensichtlich unbrauchbar gemacht, zerstört von Verräterhand. Die Druidenfüße nur ein klein wenig verwischt.
Wirkungslos!
Und mit einem Seitenblick auf die Monitore erkannte er die Wahrheit. Was er mit bloßem Auge sehen konnte, gab es auf den Schirmen nicht. So war es vermutlich auch mit dem Haus. Auch hier dürften die Bannzeichen unbrauchbar sein. Es gab zu viele von ihnen, um sie jetzt noch zu überprüfen und wieder in Stand zu setzen.
Sinnlose Arbeit. Eines Sisyphus würdig.
Er war abgeschnitten, das Telefon tot, das Mobile hatte kein Netz und der Orden weit weg. Keine Gelegenheit mehr, um Vorkehrungen zu treffen oder den Orden auf den anderen Wegen zu rufen. Er war fast auf sich allein gestellt. Der einzige, auf den er sich noch verlassen konnte, war James. Er zog die Kordel, die zu dieser nachtschlafenden Zeit in der Pantry eine Klingel auslöste.
Der Mann am Fenster war an die fünfzig Jahre hatte dunkle Augen, gepflegtes, schulterlanges, volles aber schon ergrautes Haar. Seine breiten Schultern und jede seiner Bewegungen verrieten, dass er auch in seinem Alter kaum jemanden fürchten musste. Er war ein grauer Wolf. Ein einsamer Jäger. Ein Kämpfer.
Er war der "Hüter".
Vor Jahren nannte man ihn Connor Baigent und in seinem Pass war dieser Name immer noch verzeichnet. Doch Connor Baigent war nur ein Name für Behörden und Außenstehende. Er war mehr als das. Vor nunmehr beinahe einem Vierteljahrhundert war eine Last auf seine Schultern gelegt worden, die er trug. In Kreisen der wenigen Eingeweihten nannte man ihn nur den "Hüter". Niemanden interessierte dort sein alter Name, denn mit der Aufgabe hatte er sein vorheriges Leben beendet und ein Neues begonnen. Ein Leben im Dienste des Schatzes, des Ordens und der Menschheit.
Sein Blick fiel in den Schlosspark und schien die Nacht zu durchbohren. Nur ein geübtes Auge sah die Schatten, die im Schutz der Bäume und der fast mondlosen Nacht sich dem Anwesen näherten, wo der wichtigste Schatz der Welt verwahrt wurde. Ganz in Schwarz schlichen sie heran. Nur ihre bleichen Gesichter verrieten die Ungeheuer.
Kreaturen der Nacht waren sie; hatten sich eingenistet in den Nischen der Welt. Sie konnten nicht herrschen, solange ihre Füße auf der Welt wandelten.
Aber jetzt wähnten sie sich am Ziel. Der Schatz war gefunden und würde ausgelöscht werden. Nur der Hüter stand aus ihrer Sicht noch zwischen ihnen und ihrer so sehr ersehnten Beute. Es mochte allein ein Dutzend sein, das sich durch den Park heranschlich. Und über die Klippen dürften es noch mal so viele sein, wie er vermutete. Sie wollten die Beute, die die Kreaturen der Nacht seit zweitausend Jahren erlegen wollten, um ihre Herrschaft über die Welt zu errichten.
Zeit der Finsternis. Ende der Welt.
Aber gegen diese Übermacht, die sich um das Haus herum zum Sturm rüstete, würde der Hüter nichts ausrichten können. Ein paar würde er mitnehmen, aber die Übermacht würde ausreichen. Der Sieg war ihrer und das wussten sie. Und der Hüter wusste es auch.
Welche der Sippen des Volkes der Nacht war es, die da kam? Die Tepescus? Die Valentini aus Florenz? Letztlich konnte es ihm egal sein, wer da kam. Er würde nicht mehr erleben, welche Belohnung der Herr der Hölle für sie bereithielt.
Der Mann spürte mehr als er hörte, wie hinter ihm die Tür geöffnet wurde und das riss ihn aus seinen Gedanken. Die Schritte des Eintretenden wurde von dem dicken Teppich geschluckt.
"Sir", sagte eine unaufdringliche, leise Stimme. "Was kann ich für sie tun? Eine Tasse erhitzte Milch mit Honig oder ein anderer Schlummertrunk vielleicht?"
Dr. Mark Larsen starrte über das Lagerfeuer hinweg in die erwartungsvollen Gesichter. Der knapp dreißigjährige Anthropologe leitete ein Projekt des Völkerkundemuseums Hamburg, das Kindern den Volks- und Aberglauben an Geister, Vampire und andere Wesen der Phantasie näher bringen sollte, ohne dabei Angst zu schüren.
Der junge Akademiker war knapp über eins neunzig, sein blondes Haar war kaum zu bändigen und seine markanten Gesichtszüge und sein kräftiger Körperbau wiesen ihn als jemanden aus, der gern in der Natur unterwegs war und Sport trieb.
Sie waren mit dem Elbe City Jet für ein Wochenende auf den Campingplatz auf die Elbinsel Krautsand gefahren. Ein Dutzend Kinder, zwei Studenten, Thea und Christof, und er, der frisch gebackene Doktor der Anthropologie.
Bisher hatten sie alle, selbst die Studenten, viel Spaß gehabt. Mark vermutete allerdings, dass Thea und Christof in ihrem Zelt nicht nur Schach miteinander spielten, aber das blieb ihnen überlassen, solange sie den Kindern weder per Schatten- oder Hörspiel Nachhilfe in Biologie gaben.
Mark empfand es keineswegs unter seiner Würde, statt Studenten Vorlesungen über den Volksglauben zu geben, Kindern dieses Gedankengut näher zu bringen. Statt Quellen auszuwerten, langwierige wissenschaftliche Referate zu hören, ging es hier um einen direkteren Zugang zum Mythos des Übernatürlichen. Deswegen hatte er die vom Museum ausgeschriebene Stelle angenommen und sich an der Uni auf die Forschung spezialisiert. Sein Spezialgebiet war der Glaube an den Vampirismus und die Lykanthropie. Geister und Gespenster hatten ihn nie sonderlich interessiert. Es waren die handfesteren Wesen, die seine Aufmerksamkeit fanden.
Aber irgendwann würde er habilitieren und sich Professor Mark Larsen nennen. Er schmunzelte selbst bei diesem Gedanken, dann Studenten Volksglaube und Mythen näher zu bringen. Ein Seminar "Der Dracula-Mythos im 21. Jahrhundert" oder "Lykantropen der Moderne" schwebte ihm vor. Er würde die Studenten langweilen und Noten geben. Der direkte, unmittelbare Zugang der Kinder war ihm wesentlich lieber.
Es wurden Geschichten am Lagerfeuer erzählt, gebastelt und Rollenspiele gemacht. An diesem Samstag ging nun die große Nachtwanderung mit Lagerfeuer am Elbestrand über die Bühne und die Kinder hatten ihren Spaß, garten Kartoffeln in der Glut, Würstchen an Stöcken in den Flammen, tranken Blutorangensaft und hatten einen Heidenspaß, sich mit ihren am Nachmittag erfundenen Geschichten über Vampire zu erschrecken und zu übertrumpfen.
Bei dem Termin Ende April hatte Mark Bedenken gehabt, aber das Wetter war schon durchweg warm und so lagen die warmen Sachen und die Regenmäntel alle in den Zelten und sie saßen fast durchweg mit dünnen Jacken und im T-Shirt am Feuer.
Ihr Betreuer von Seiten des Jugendheims war ein knorriger Einheimischer mit undefinierbaren Alter und dem Namen Hinnerk Lührs. Er hatte einen eisgrauen Vollbart und eine Halbglatze, die ein Elbsegler verdeckte. Die Mütze hatte er immer ein bisschen schief auf. Dazu trug er meist einen Buscherum, das Fischerhemd, eine derbe Cordhose und Stahlkappenschuhe. Hinnerk maß wohl eins neunzig und trug einen beeindruckenden Bauch vor sich her über den er immer sagte, dass tausend Schweine dafür sterben mussten.
Er hatte einen wirklich tollen Platz für das Feuer gewählt. Mitten in einer Lichtung eines Weidendickichts kaum fünfzig Meter von der Elbe entfernt. Wildromantisch war es hier. Ein passendes Ambiente, wenn man kein Gruselschloss zur Hand hatte. Dazu hörte man die Bugwellen der vorbeifahrenden Frachter, Kümos und Containerschiffe an den Strand schlagen.
Die Mondsichel am Himmel war schmal, kaum zu sehen. Und wenn sich vom Feuer entfernte, konnte man die Sterne gut erkennen. Das Licht des Feuers erhellte die lachende Kindergesichter, die einen Mordsspaß hatten. Viele von ihnen hatten sich in dunkle Umhänge gehüllt und die Scherzvampirgebisse behinderten so manchen beim Trinken.
Hinnerk hatte sich mit einer Flasche Bier an den Rand der Gruppe gesetzt und warf hier und da mal ein Scheit ins Feuer und hörte ansonsten aufmerksam zu, was sich die Lütten, wie er die Kinder nannte, so zu erzählen hatten. Von Zeit zu Zeit schmunzelte er über das, was die Kinder erzählten, als könne er all das nicht glauben.
Mark hatte den knorrigen Alten auf den ersten Blick gemocht. Lührs sagte nicht viel und wenn, hatte er einen Akzent, den Henry Vahl auf den Brettern des Ohnsorg Theaters nicht besser hinbekommen hatte, wenn er nicht gleich ins Plattdeutsche verfiel.
Mark machte das nichts aus, er war in Stade groß geworden und verstand die Sprache, wenn er sie auch nur unzureichend sprach.
"Oh je", hörte Mark Thea durch den Lärm der Kinder. "Ich kriege Herpes und habe keine Salbe dabei."
Ohne es zu wollen, schoss Mark ein Liedtext von Monty Python durch den Kopf. "Inflamation of my foreskin reminds me of your smile" und er grinste bei dem Gedanken.
"Bleib ruhig, mien Deern", meldete sich unerwartet Hinnerk zu Wort. "Da hebbt wi gliecks."
Der knorrige Alte winkte Thea zu sich heran und bedeute ihr, sich neben ihn auf den Baumstamm zu setzen. "Zeich mir das mal her", sagte er mit seinem breitem Akzent. "Ach Deern, dat is doch nich so schlimm. Still sitten und nix machen."
Dann legte Hinnerk seine Hand auf Theas Mund. Nein, er hielt sie knapp drüber und murmelte dabei etwas. Völlig fasziniert beobachtete Mark die Szene. Am Ende des Gemurmels schlug Hinnerk das Kreuzzeichen. Das wiederholte zwei weitere Male.
"Weg, das Kribbeln ist weg", entfuhr es Thea. "Unglaublich! Danke Hinnerk. Was bin ich dir schuldig?"
"Wat Du meenst", antwortete der Einheimische nur.
Thea gab ihm einen Kuss auf die Stirn und lächelte selig.
"Dat ist genug", meinte Hinnerk und lächelte. "Und morgen früh mokt wie dat nochmol."
Thea lachte und nickte. Dann wandte sie sich wieder dem Feuer zu und versuchte herauszufinden, ob ihre Kartoffel durch war. Sie war ein unkompliziertes, offenes Mädchen. Hinnerk hatte ihr geholfen. Sie wollte gar nicht wissen, wie.
Mark sah den Kehdinger interessiert an. Hinnerk war also einer, die Krankheiten besprachen und mittels Handauflegen heilten. Seine Mutter war auch mal bei einer Frau und hatte sich von der Gürtelrose in drei Wochen kurieren lassen. Eine Krankheit, für die Ärzte oft Monate brauchten und die Patienten große Schmerzen hatten. Seine Mutter war nach wenigen Tagen schmerzfrei gewesen.
Vielleicht war er sogar einer der legendären Spökenkieker, von denen behauptet wurde, sie vertrieben Geister aus Häusern und von Höfen. Oder wiesen Menschen mit dem bösen Blick in ihre Schranken.
"Wenn man dran glaubt", sagte Christof, "dann funktioniert so was."
Hinnerk lächelte. "Glaub du doch wat du willst", sagte er nur. "Wenn du dat meenst, dann wart dat all richtig ween."
Mark nahm sich vor, Hinnerk bei nächster Gelegenheit zum Studienobjekt zu machen. Es mochte sich lohnen. Wenige Studien gab es über das Besprechen von Krankheiten. Es wurde oft verlacht, aber in einem bestimmten Spektrum schien das Wunder zu wirken. Schulmediziner verlachten das oft, außer einige der alten, knorrigen Landärzten.
Der Abend hatte eine ganz und gar unerwartete Wendung genommen.
Der Schrei Christines gellte durchs Haus. Ohne Verzögerung rannte der Hüter zur Tür. Sie aufzureißen und hindurchzustürmen, war eine einzige Bewegung. Den Weg in ihr Zimmer fand er blind. Die elegant geschwungene Marmortreppe führte in den ersten Stock des schlossartigen Herrenhauses, das sich im 19, Jahrhundert ein reicher Adeliger an die Küste Südenglands hatte bauen lassen. Er nahm zwei Stufen auf einmal.
Den Flur entlang und schon stand er vor Christines Tür. Er stieß sie mit einer Wucht auf, dass sie zurückfederte und im selben Moment warf er sich in Deckung.
Mit einem Blick hatte er die Situation erfasst. Christine in der Gewalt des Chauffeurs aus Frankreich, James bewusstlos (oder tot?) am Boden. Jacques hielt einen großkalibrigen Revolver in der Hand, den er auf den Hüter richtete.
Er konnte das Mündungsfeuer sehen. Dann spürte er den heißen Hauch der Kugel, die über ihn hinwegfegte. Das Projektil schlug in die gegenüberliegende Wand ein.
"Komm nur rein", höhnte eine Stimme mit französischem Akzent, "und ich jage ihr gleich eine Kugel in den Kopf."
"Warum?" fragte Connor Baigent nur.
"Weil ihr die Wahrheit verdreht und die anderen besser zahlen", rief Jacques zurück. "Das Kostbarste schützen, aber einen Hungerlohn verdienen!"
Verfluchter Froschfresser! schoss es dem Hüter durch den Kopf. Für einen Chauffeur verdiente er außerordentlich gut. Nicht viele, die ihr Brot mit dem Fahren von Automobilen verdienten, bekamen soviel ausgezahlt. Aber hinter dem nächsten Hügel ist das Gras immer grüner und viele waren leicht in Versuchung zu führen. Allzu leicht. Immer wieder hatte es Verräter in ihren Reihen gegeben. Immer und immer wieder hatten aufrechte Seelen versucht, das Unheil zu verhindern und bis jetzt war es ihnen gelungen. Sollte er der erste sein, dem das misslang?
"Und jetzt?", fragte Connor, der Hüter. "Was passiert jetzt?"
"Wir warten", kam es aus Christines Zimmer. "dann kommt die Rettung."
"Die Verdammnis!", entfuhr es dem Hüter.
"Du lügst! Ewiges Leben und Reichtum sind nichts Verdammenswertes", entgegnete der Franzose. "Was habt ihr zu bieten?"
"Das eine haben sie dir versprochen, das andere bekommst du. Du bist nicht der erste Judas", konterte der Hüter. "Wir haben dir dein Seelenheil zu bieten."
"Ich bin kein Judas. Ich bin einer, der die Wahrheit erkannt hat. Und das wird mir mein Seelenheil bringen", sagte der Franzose voller Inbrunst.
Die Hölle wirst du ernten, dachte der Hüter, aber er sagte es nicht. Gerade wollte der Hüter antworten, als aus dem Zimmer Geräusche drangen.
Dann ein Schuss.
Dann Totenstille.
Connor blieb vor lauter Furcht fast das Herz stehen. Hatte Christine sich gewehrt? War sie tot? Es war, als würden seine Muskeln versagen. Der Hüter konnte sich nicht bewegen. Starr wartete er ab.
War sie tot, dann war alles verloren und ein Krieg würde beginnen, den die Menschheit nur verlieren konnte. Alle Hoffnung war dahin.
Die Tür öffnete sich leise.
"Es ist alles in Ordnung, darf ich erfreulicherweise vermelden", sagte James mit ausdrucksloser Butlermiene. "Es ist unverzeihlich von mir, dass es soweit kommen konnte. Aber, um das Offensichtliche zu erwähnen, er muss mir nachgeschlichen sein, hat mich überrascht und dann niedergeschlagen. Dabei ist er dann sehr nachlässig vorgegangen, sodass ich alsbald das Bewusstsein wiedererlangte und ihrer Unterhaltung mit dem Verräter folgen konnte."
James ging zielstrebig, aber ohne sichtbare Hast in den Keller. Der Teenager an seiner Seite war der Schatz, der jetzt in seiner Obhut war. Für diesen Moment war er der Diener, der Hüter. Ihm wurde schwindelig bei der Verantwortung ,und Angst kam auf, dass er versagen könnte. Einzig seiner Schulung war es zu verdanken, dass er nach außen hin völlig gleichmütig wirkte, so, als würde er einen Gast durch das Herrenhaus führen.
"Wo ist denn der Tunnel?", fragte Christine.
"Hinter dem Wäscheschrank. Er ist gegraben worden, als der Orden das Haus übernahm."
"Wie lange ist das her?", fragte Christine.
"Etwa einhundertfünfzig Jahre", entgegnete der Butler.
"Wohin bringt er uns?", wollte das Mädchen wissen.
"Direkt in den Heuschuppen am Bach, Mylady. Dort, um Ihrer Frage zuvorzukommen, wartet ein Automobil auf uns, das uns mit meinem fahrerischen Können direkt zu dem aufgelassenen Militärflughafen bringen wird, den die ruhmreiche Royal Air Force in den frühen vierziger Jahren nutzte, um zunächst Hitlers Luftwaffe abzuwehren und später als Basis für ihre Bomber, um ihn und sein Reich zu bombardieren."
"Und dann?"
"Tun wir das, was Churchills Maschinen taten. Wir fliegen nach Deutschland."
Der Butler hielt an, drückte einen Kerzenhalter herunter, woraufhin aus dem Wäscheschrank ein leises, vielfaches Klicken zu hören war. Dann öffnete er die Tür, an der nun die Regale und Rückwand befestigt waren, bis zum Anschlag. Hinter der Tür konnte man in einen schwach ausgeleuchteten Tunnel sehen, der etwa sechs Schritt geradeaus ging, bevor er einen rechtwinkeligen Klick hin zu den Wiesen östlich des Hauses machte, wo besagter Heuschober direkt an den Park angrenzte.
James und Christine gingen durch die Tür. Als sie im Tunnel waren, bedeutete James Christine zu verharren. Er zog an der Rückwand und die Tür glitt wieder zu. Dann zog er erneut an einem Hebel, der neben der Rückwand war und wieder klickte es vernehmlich.
"So", sagte der Butler befriedigt. "Jetzt ist der Wäscheschrank wieder ein Wäscheschrank. Wenn Ihr bitte folgen wollt, junge Lady."
James ging voraus und Christine folgte ihm schweigend und nachdenklich. Sie betrachtete den Tunnel näher. Die Decke war nur roh verputzt. Direkt auf dem Putz verlief die elektrische Leitung, von der alle zehn Schritte eine trübe leuchtende Birne herab hing. Nun, dachte sie angesichts der Funzeln, das hier ist ja kein Ballsaal.
"Werde ich ihn wieder sehen?" fragte das Mädchen ohne viel Hoffnung.
James wandte sich um und blickte ihr Ernst in die Augen.
"Ich glaube kaum, junge Lady", begann er ruhig und gelassen und er hoffte, er hatte recht mit seiner Vermutung, dass Christine nicht nach oben stürmen und kämpfen wollte, wenn er die Wahrheit sagte.
"Kinder!" rief Mark. "Es ist Zeit, dass die jungen Vampire in den Särgen verschwinden. Die Sonne geht bald auf."
Betteleien und Proteste um noch ein bisschen Zeit am Lagerfeuer begannen. Die einen reklamierten, man habe noch Geschichten zu erzählen, die anderen meinten, es wäre doch gerade erst die Geisterstunde angebrochen und die müsste man doch spuken dürfen. Mark war kurz davor weich zu werden, als Hinnerk sich bemerkbar machte.
Jacques Terrierre bekam kaum Luft. Er konnte sich nicht rühren. Der Hüter, dieser Bastard, hatte ihn verschnürt wie ein Profi. Keine Chance sich zu befreien. So lag er da. Gefangen und hilflos. Egal was er tat, die Kordel, mit der er gefesselt worden war, gab nicht nach. Er hatte sich gewunden, aber nichts rührte sich. Auch das An- und Entspannen der Muskeln hatte nichts gebracht. Das Atmen fiel ihm schwer und er pumpte die Luft durch die Nase.
Er wusste, was er getan hatte. Aber er sah keinen Grund sich zu schämen. Nicht mehr lang und sie würden ihn befreien. Dann würde er seine Belohnung erhalten, die ihm ewiges Leben in Reichtum bringen würde. Das hatte man ihm versprochen.
Wo James wohl mit dem Mädchen hin war? Es gab doch keine Fluchtwege. Diese Frage quälte ihn nicht sonderlich. Sie konnten versuchen, sich im Keller zu verschanzen. Aber das würde ihnen nicht helfen. Dafür hatte er gesorgt.
Jacques war in einer Kneipe in einem kleinen Dorf nicht weit weg in Bishops Wakeham angesprochen worden. Dort war er immer hingefahren, um dieses oder jenes Ale zu trinken. Die Stellung bei der jungen Lady erlaubte ihm viel Freiraum, weil er nur gelegentliche Botenfahrten zu erledigen hatte oder von Zeit zu Zeit geheimnisvolle Besucher abholen und wegfahren durfte. Insgesamt war die Stellung am ehesten wohl mit dem im Militär gebräuchlichen Wort Druckposten zu beschreiben.
Dabei war der Fuhrpark von ausgesuchter Qualität. Maybach, Bentley, Rolls. Ein Mercedes 500 war da schon das Alltagsauto. Bald würden sie alle ihm gehören. Und das Schloss. Und Geld, Ruhm und Macht. Alles, was er sich wünschte.
Sie hatte es ihm versprochen.
Eines Abends hatte sie neben ihm gesessen und gesagt, ihr Name sei Ellen. Er war in ihren Augen versunken. Zuerst hatte sie von sich erzählt. Eine Dienerin im Dienste des Ordens sei sie gewesen, sagte sie. Gefeuert habe man sie, erzählte sie. Ein Tritt für jahrelange Dienste, erklärte sie. Dabei wollte sie doch bloß dem Hüter nicht zu Willen sein, der seine perversen Gelüste an ihr ausleben wollte. Niemand glaubte ihr, berichtete sie.
Jacques Terrierre hatte ihr zugehört. Die Wut war von ganz allein gekommen. Er brauchte ihr bloß in die Augen zu sehen und schon schäumte er vor Wut auf seinen Dienstherrn. Sie hatten sich fast jeden Abend getroffen. Ihr Stammtisch war der Tisch in der Ecke, fast nicht zu sehen vom Tresen.
Ellens schmallippiges Lächeln war voll Bitterkeit. Es war nicht unbeschwert oder frei, sondern von den erlittenen Qualen gekennzeichnet. Jacques hatte ihre Hilflosigkeit gespürt. Die Blässe ihres Gesicht noch verstärkt von dem flammendroten Haar, gezeichnet von der Schmach.
Da müsse man doch was machen können, hatte Jacques geantwortet. Das konnte doch nicht einfach so passieren, hatte Jacques gemeint. Ob die junge Lady davon wusste? Natürlich, hatte sie geantwortet, die wollte es ja.
Klagen? hatte er gefragt. Könnte man, war die Antwort. Aber die Verbindungen des Hüters reichten weit und die des Ordens noch weiter.
Jacques sah nach den Abenden mit dem Mädchen die Welt mit anderen Augen. Er beherrschte sich bei der Arbeit, aber innerlich kochte er, wenn er den Hüter und die junge Lady sah, die ihre perversen Lüste hinter einem Wall aus scheinbarer Unschuld verbargen. Ihm war beim Lachen der jungen Lady speiübel.
Der lüsterne Alte und die schamlose Göre!
Der Chauffeur verabscheute sie. Er hätte augenblicklich gekündigt, aber Ellen hatte ihn bekniet zu bleiben.
Sie waren im Haus. Der Hüter konnte sie deutlich hören. Mit zunehmender Verzweiflung durchsuchten sie die oberen Räume und fanden nichts.
Ob der Judas noch lebte?
Sie würden ihn sich vornehmen oder hatten es schon getan. Spätestens, da ihnen Christine, der Schatz der Erde und des Diesseits, wertvoller als alles Geld und Gut dieser Welt, nicht auf einem Silbertablett serviert wurde. Oder sie nahmen ihm das Leben, weil ihnen danach war. Der Verräter würde in jedem Fall seinen verdienten Lohn bekommen. Irgendwie tat ihm Jacques Terrierre leid. Er war den Versuchungen erlegen, hatte nicht widerstehen können. Er wollte gar nicht wissen, was sie alles versprochen und erzählt hatten.
Der Hüter hatte sich in den Keller zurückgezogen. Connor Baigent trug ein Kruzifix und hatte sich mit Eichenpflöcken bewaffnet. Mit Kreide hatte er ein paar primitive Bannzeichen aufgemalt. Aber die konnten Vampire nicht wirklich stoppen, nur ein wenig aufhalten und ihnen Unbehagen bereiten.
Für die komplizierten und mächtigen Bannkreise brauchte man das Wissen eines Adepten der rechten Hand. Das waren die Meister und Großmeister des Ordens.
Bei diesen machtvollen Zeichen durfte dem Magier nie ein Fehler unterlaufen, denn das konnte fatale Folgen haben. Jahrzehntelanges Studium, die Fähigkeit sich durch nichts ablenken zu lassen und ein erstklassiges Gedächtnis für die richtige Reihenfolge der Zeichen und Sprüche waren unerlässlich. Die Zaubersprüche waren zu einem Gutteil in einer längst vergessenen Sprache verfasst (nicht einmal die Adepten wussten noch, was manche der Sprüche und Worte bedeuteten, aber sie mussten ihnen folgen) und sie mussten zum rechten Zeitpunkt gesagt werden. Alles in allem eine Wissenschaft für sich.
Dafür hatte Connor Baigent nie das richtige Rüstzeug gehabt. Er war ein Mann der Tat, während die meisten Meister der weißen Magie nie ganz im Hier und Jetzt präsent zu sein schienen. Es war, als wären sie auf ihr Innerstes konzentriert und auf die Belange einer anderen Welt.
Männer des Geistes.
Hier unten erwartete er die Blutsauger. Wenn sie kamen, würde er sich ihnen zum Kampf stellen. Der Hüter war entschlossen, James und Christine so viel Vorsprung zu verschaffen wie nur irgend möglich und so viele der Kreaturen der Nacht zu erlösen, wie er nur konnte.
Ob er schon am Flugplatz war? Bald. Bestimmt. Es waren nur wenige Meilen. Selbst wenn er den Umweg fuhr.
Aber was war, wenn ...
Der Hüter verscheuchte diesen Gedanken. Der Judas wusste nicht um den Tunnel.
Oder doch?
Dann war alles umsonst. Dann war die Erde verloren und die Menschheit in Händen der Höllenfürsten und ihres Kaisers Luzifer, dem gefallenen Engel. Und niemand würde IHN und seine finsteres Gefolge dann noch aufhalten können.
Aber nein, das konnte nicht sein. Wäre es so, dann hätte er das Triumphgeheul der Blutsauger gehört. Aber die Geräusche von oben klangen nach allem, nur nicht nach Triumph.
Die Horde musste ganz schön wüten. Connor Baigent hörte Klirren, berstendes Holz und andere Geräusche einer Orgie der Zerstörung. Gebrüll voller Zorn und Enttäuschung.
Spätestens jetzt würden sie sich des Judas annehmen.
Halb Elf zeigte die Uhr an Connor Baigents Armbanduhr. Voller Wehmut dachte der Hüter an Christine, die nun einen neuen Hüter an die Seite gestellt bekam. Er konnte nur hoffen, dass die Wahl des Ordens weise war.
Einen kurzen Moment überlegte er, ihnen zu folgen und selbst zu fliehen. Möglich wäre es noch. Es hatte alles besser geklappt, als zunächst zu befürchten war. Die Angreifer waren rechtzeitig entdeckt worden, vielleicht früher als gewollt. Der Judas wurde überwältigt und obwohl er großen Schaden angerichtet hatte, mochte es nicht zu spät sein. Christine war in Sicherheit.
Wirklich? fragte er sich. Je später sie hinter ihre Flucht kamen, desto spurloser konnte sie verschwinden und in einem anderen Versteck wieder in Sicherheit sein. Bis der nächste Judas kommt ...
Er konnte nicht sicher sein. Es galt die Blutsauger so lange aufzuhalten, bis er sicher sein konnte. Er zählte nicht. Nur nicht selbstsüchtig werden, alter Junge, dachte Connor Baigent.
Connor Baigent wusste, dass am Ende er selbst blutleer auf dem Boden liegen würde. Aber dieses Schicksal hatte er akzeptiert, als er zum Hüter wurde und Christines Mutter im Namen des Ordens diente. Er hatte sich nie Illusionen gemacht. Im Zweifel galt es, sein Leben zu opfern, um das Leben des Schatzes zu retten.
Nein, er begrüßte den Tod nicht freudig. Er war kein Fanatiker, der in Erwartung eines Lebens nach dem Tod starb. Er war zu sehr Pragmatiker. Aber er würde nicht sinnlos sterben.
Von oben drangen Rufe zu ihm. Er konnte nicht verstehen, was die Vampire sagten, aber deutlich hörte er den Zorn und die wachsende Verzweifelung heraus.
"In den Keller", hörte er eine schneidende Frauenstimme. "Los, in den Keller!"
Dann hörte er einen erstickten Aufschrei. Sie hatte den Druidenfuß gesehen. Nicht mehr lang und sie würden ihn erreichen. Der Hüter packte den Schaft des armlangen Pflocks fest mit der Hand.
Es waren nicht die ersten Vampire, denen er gegenüberstand. Aber es würden die letzten sein ...
Das Blutfest der Vampire kam. Heute Nacht würde der Kaiser der Hölle, Luzifer, der gefallene Engel selbst, auf die Erde kommen, um das Regiment des Finsteren zu errichten. Und sie hatte es vollbracht. Das würde sie selbst und die Vampire hoch in der Gunst seiner Höllischen Majestät steigen lassen.
Wenn des Kaisers Pferdefuß die Erde berührte, würde das Zeitalter der Menschen enden und jenes der Schwarzen Familie anbrechen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Schatz ihrer war und sterben würde. Die Gier nach diesem besonderen Blut ließ Elena Tepescu wild werden. Sie wollte das Leben aus dem Mädchen heraussaugen, wollte der Welt und den verfluchten Menschen ihren Schutz nehmen.
Eine Frau auszusaugen fand Elena schon immer anregend und sie nahm sich in der Regel viel Zeit damit, dass das Opfer alles richtig genießen konnte und mit dem Höhepunkt starb. Aber sie wusste nicht, ob sie sich beim Schatz so lange würde beherrschen können. Ihre Sippe durchsuchte das Haus. Elena hatte den Trottel von Chauffeur erlöst, der in der falschen Hoffnung lebte, Geld, Macht und Ruhm zu erobern. Menschen war so leicht beizukommen. Man musste ihnen nur Sex und Reichtum und vielleicht noch ein wenig mehr versprechen und sie verrieten alles und jeden. Für diese Kreaturen empfand sie kaum mehr als Abscheu.
Mittlerweile befand sie sich wieder in der Halle des Hauses und erwartete, dass sie den Schatz und seinen Hüter fand, damit sie das blutige Werk vollenden konnte und der höllische Kaiser seine Herrschaft antreten konnte.
Lange war die Schwarze Familie ihrem Ziel nicht so nahe gewesen. Gut, sie hatte auch ihren Anteil daran, aber Elena war es, die das große Hindernis aus dem Weg räumen würde.
Sie hatte befohlen, keine Rücksicht bei der Suche zu nehmen und ihre Sippe hielt sich daran. Sie zerstörte alles, was ihnen im Weg stand. Aber der Ruf, den Schatz gefunden zu haben, war bisher nicht erklungen.
Elena Tepescu wurde ungeduldig.
Wo war die Kleine? Wo war der Hüter? Entkommen womöglich?
Das konnte nicht sein, der Chauffeur hatte gesagt, es gäbe nur die normalen Ausgänge. Da war niemand raus.
Sogar auf dem Dach suchten sie mittlerweile. Aber sie fanden nichts.
War der Hüter tatsächlich so dumm, dahin zu fliehen, wo es keinen Ausweg gab? War er tatsächlich in den Keller geflohen? Wahrscheinlich. Wohin sonst? In den Keller? Wie in einem schlechten Horrorfilm. Da saßen sie in der Falle. Kein Entkommen mehr.
Während ihre suchende Sippe langsam rasend wurde, entspannte sich Elena zusehends.
"Kommt her!", rief sie ihre Sippe.
"Wie vom Erdboden verschluckt", sagte einer der ihren, der wie weiland die Romanfigur Dracula (den es wirklich gegeben hatte und der ihr Ahnherr war), in einem Schloss in den Karpaten lebte.
"Vom Erdboden ja, aber nicht verschluckt", lächelte Elena triumphierend. "Sie sitzen im Keller. Ohne Ausweg!"
Die Meute lächelte wie Wölfe. Sie suchten den Zugang und fanden ihn.
Elena öffnete und erstarrte. Ein Drudenfuß.
Ein spitzer Schrei entfuhr ihr ... dann kam der Schmerz und dann schlich ein verzerrtes Triumphlächeln auf ihr Antlitz.
Die letzte Bastion des Hüters würde fallen ... bald!
James hatte über eine sichere Frequenz direkt aus dem Learjet, der stets aufgetankt war und zur freien Verfügung des Hüters stand, den Orden benachrichtigt.
Dann hatte er all die Weisungen der Adepten zur Kenntnis genommen und hatte den Vogel auf der alten Rollbahn des Militärflughafens in die Luft gebracht und den gleichen Kurs eingeschlagen wie die Bomber im Juli 1943, die im Auftrag von Colin "Bomber" Harris zur Operation Gomorrha aufgebrochen waren.
Christine saß während des Starts angeschnallt in der Passagierkabine und nippte lustlos an einem Orangensaft, den ihr James gegeben hatte, bevor er mit den Startvorbereitungen begonnen hatte und die Flugsicherung um Starterlaubnis gebeten hatte. Das Ordensflugzeug hatte diplomatischen Status. James wunderte sich schon lange nicht mehr über den Einfluss des Ordens. Er war sich sicher, dass er wie eine Zwiebel aufgebaut war. Die äußeren Schichten wussten nur um wenige Dinge. Mit jeder Schicht wuchs das Wissen. Aber nur der allerengste Zirkel wusste um die tatsächliche Aufgabe, den Schatz zu hüten und die Mächte der Hölle von der Erde fernzuhalten. Und wohl die allerwenigsten hatten Kenntnis, wo Christine sich jeweils aufhielt.
Viele Gerüchte waren gesät worden, aber nur mit soviel Wahrheit darin, dass diejenigen, die aus Neugier dem Geheimnis nachspürten, auf falsche Fährten geführt wurden.
So jedenfalls sah James den Orden. Und wie der Hüter, der ihm voll vertraute, bestätigt hatte, lag er damit weitestgehend richtig. Mehr wollte der Butler gar nicht wissen.
Die Uhr stand auf 23:00 Uhr GMT, als James das Fahrwerk einfuhr und nach Erreichen der vorgeschriebenen Flughöhe dem Autopiloten die Arbeit überließ, der sie sicher ans Ziel bringen würde.
Der Butler schälte sich aus dem Pilotensitz, verließ das Cockpit und ging nach hinten in die Kabine. Dort saß Christine mit Tränen in den Augen. James setzte sich neben sie. Der Butler überwand sich und nahm die Hand des Mädchens, das ihren Ziehvater verloren hatte.
Er wunderte sich jedes Mal, dass in diesem zierlichen Mädchen (wie auch ihre Mutter immer zierlich gewesen war), soviel Macht wohnen sollte, dass die Schergen des Höllenkaisers nicht über die Erde herrschen konnten, ihre Macht gar eingeschränkt war.
Aber so war es. So musste es sein. Er kannte sie, die Wesen der Nacht, angefangen bei den Widergängern und Untoten, den Zombies der Karibik und den verfluchten Werwölfen, die bei Vollmond ihr Unwesen trieben. Da waren die Vampire, Ghoule, die Hexen und Schwarzzauberer und schließlich die Dämonen der Hierarchie der Hölle. Zusammen waren sie die Schwarze Familie.
Sie lauerte, die Herrschaft über die Welt anzutreten, aber solange es die Blutlinie gab, konnte ihnen das nicht gelingen. Gleichzeitig nahm aber auch der Einfluss der Linken Hand, wie man die Scharen Kaiser Luzifers auch nannte, zu. Sie formierten sich für den Tag, da ihnen der Schatz in die Hände fiel. In dem Moment würden sie das Mädchen unverzüglich töten. Da gab es nicht den geringsten Zweifel.
Dankbar sah ihn Christine an. James war der Einzige, der ihr noch geblieben war. Der hagere Butler lächelte. Da er sonst um eine neutrale Miene bemüht war, wie man es ihn gelehrt hatte, sah das recht komisch aus. Christine musste unwillkürlichen lachen.
"Was ist so komisch, junge Lady?" fragte der Butler.
"Du", antwortete das Mädchen und wischte die Tränen ab. "Du solltest öfter mal lachen. Dann machst du dabei nicht ein so komisches Gesicht."
"Ich versuche, es mir zu merken", meinte James und freute sich innerlich, dass das Mädchen noch lachen konnte.
"Was passiert nun?", fragte Christine.
"Ein neuer Hüter wird erwählt und an die Stelle des alten treten", erklärte James ruhig und bemühte sich, nicht so gestelzt zu sprechen, wie er es gelernt hatte. Das Mädchen brauchte Nähe und nicht das gewohnt distanzierte und professionelle Verhalten des Butlers. Das fiel James schwer, aber Christine zuliebe mühte er sich redlich. Es fiel dem Mädchen aber auf.
"Du kannst richtig menschlich sein", war ihre Reaktion darauf, "wenn du dir Mühe gibst."
"Junge Lady", begann James lächelnd. "Das fällt mir schwer genug. Entmutige mich nicht. Ich muss das Lachen und das menschlich Sein erst wieder üben. Du weißt doch, auf der Butlerschule, implantieren sie uns einen Stock in den Rücken und entfernen dafür das Lachen operativ."
Beide lachten über den Scherz. James war ein klein wenig stolz auf sich, dass er die Konventionen überwinden konnte.
"Wer wird denn der neue Hüter?", wollte das Mädchen wissen und ihre Augen hingen an den Lippen des Butlers.
"Ich weiß es nicht", antwortete James wahrheitsgemäß. "Aber ich werde auch da sein", und dann lächelte er wieder (wie er zu seiner Zufriedenheit feststellte, fiel es ihm zunehmend leichter), "denn auf einen guten Butler wird auch der Neue nicht verzichten wollen. Uns gibt es nur im Paket."
Der Druck ihrer Hand verstärkte sich. Dankbar sah sie James an, der stets unauffällig für sie da gewesen war. Und jetzt war er das letzte beständige Stück ihres bisherigen Lebens, das ohnehin aus Verstecken und ständigen Umzügen bestand. Ein Leben im goldenen Käfig, zusätzlich belastet mit dem Schicksal der Welt.
Sie kannte niemandem in ihrem Alter wirklich nahe genug, um sich ihm oder ihr nahe zu fühlen. Das Gefühl unbeschwert mit anderen zu spielen, zu sprechen oder einfach nur herumzuhängen, kannte sie nicht. Dass sie trotzdem keine Göre oder ein Fall für den Psychiater geworden war, lag in ihrer Familie und in dem Wissen um ihre Bedeutung begründet. James fragte sich, was aus dem Schatz werden sollte, wenn Christines Tochter oder Enkelin mal ohne diese Stärke geboren würden.
Privatlehrer wechselten wie die Wohnorte. Diese wurden meist vom Orden gewählt, auf dass diese Damen und Herren nicht zu neugierig wurden, wen sie da unterrichteten. Materiell mangelte es an nichts, aber zwischenmenschliche Beziehungen kannte sie nur zu James und dem Hüter. Manchmal zu den Hausmädchen. Voller Mitgefühl sah der Butler sie an. So saßen sie in gemeinschaftlichem Schweigen versunken. Christine weinte um ihren Ziehvater und Mentor, der für sie auch ein Spielkamerad und bester Freund war.
Der Jet überquerte den Kanal und folgte den internationalen Flugrouten seinem Ziel entgegen, der englischsten der deutschen Städte, wo sie so das scherzhafte Sprichwort einen Schirm aufspannten, wenn es in London regnete. Oder besser, einen kleinen Sportflughafen in der Nähe dieser Stadt.
James hatte von diesem Ort noch nie etwas gehört. Aber das musste er auch nicht. Die Koordinaten hatte er erhalten und die Maschine würde sicher ans Ziel gelangen. Natürlich hatte man eine Sondergenehmigung für eine außerordentliche Landung bei Nacht erhalten. James wunderte sich darüber nicht mehr. Wenn der Orden wollte, könnte er selbst die Weltherrschaft ergreifen. Aber das war nicht gewollt und glücklicherweise entwickelten die engsten Kreise keinen Ehrgeiz in diese Richtung.
Wahrscheinlich würde der neue Hüter mit ihn zusammen oder kurz danach eintreffen. Die Mühlen des Ordens mahlten ausgesprochen schnell und effektiv.
Kurz entschuldigte sich James, warf einen Blick auf das Radar und die Instrumente, aber alles war in bester Ordnung. In etwa einer dreiviertel Stunde musste er sich erst um die Landung kümmern. Darum kehrte er sogleich in die Kabine zurück.
Er war gespannt, wer der neue Hüter sein würde, wohl fast noch mehr als Christine. Er war der Mann, der beiden diente. Je umgänglicher der neue Hüter war, desto einfacher war seine Aufgabe.
Niemand bemerkte, dass dem Flugzeug in einigen hundert Metern Entfernung ein Schatten folgte ...
Mark Larsen glaubte sich in einem bizarren Rollenspiel gefangen. Da trat nun ein Mann in den Schein des erlöschenden Feuers, der besser an die Londoner Börse gepasst hätte. Er trug einen Regenmantel, darunter ein Nadelstreifenanzug und in der Hand hielt er einen Bowler.
Diese Karikatur des englischen Businessman nickte dem alten Hinnerk zu, der den Gruß mit einem "Moin", erwiderte. Als Mark Hinnerks Blick auffing, glaubte er darin Erkennen und Besorgnis zu lesen. Aber da musste er sich täuschen.
Was hatte dieses lokale Original schon mit dieser anzugtragenden Erscheinung zu tun?
Wohl nichts.
War er hier in einem Monty Python Sketch gelandet? Kam gleich jemand und verkündete, dort hinten wäre die versteckte Kamera und irgendein halbprominenter Moderator würde ihn in seine Show einladen?
"Wie ich sagte, Mr. Larsen", wiederholte der Mann seinen Satz, "fragen Sie, was Sie für die Menschheit tun können."
Das Deutsch des Mannes hatte einen leichten britischen Akzent. Mark tippte dabei auf Yorkshire, war sich aber nicht völlig sicher. Auf jeden Fall war es wohl der Norden Englands oder auch die Lowlands Schottlands. Er hatte in seiner Studienzeit zwei Jahre in Glasgow studiert und war an den Wochenenden durch die Lowlands und den Norden Englands getrampt. Später hatte er dann die Highlands und die Inseln erkundet. Aus dieser Zeit resultierte seine Vorliebe für schottischen Whisky. Und er kannte den Akzent, der dort gesprochen wurde.
"Haben Sie Freude daran, John-Fitzgerald-Kennedy-Zitate abzuwandeln?", fragte Mark voller Sarkasmus und bezog sich auf die Antrittsrede des legendären amerikanischen Präsidenten, der am 22. November 1963 in der Elm Street in Dallas erschossen wurde und seither wirklich zur Legende geworden war. Ob verdient oder unverdient, mochten die Historiker entscheiden.
"Keinesfalls", entgegnete der Mann und seine Haltung versteifte sich, "nichts läge mir ferner. Aber es ist tatsächlich an Ihnen zu fragen, was Sie für die Menschheit tun können."
Mark beschloss, das wahrlich bizarre Szenario, das sich ihm hier bot, zu genießen und einfach mal mitzuspielen. "Also gut, werter Herr, der nicht einmal den Anstand hat, sich vorzustellen." Diese Spitze konnte sich Mark nicht verkneifen. "Was kann ich denn für die Menschheit tun?"
"Pardon", entgegnete der Mann. "Mein Name ist Algernon Finch, obwohl das hier nichts zur Sache tut, dennoch entbiete ich Ihnen meinen Gruß."
"Algie." Mark wäre fast aus den Latschen gekippt, denn Hinnerk wandte sich an den Briten. "Du bist ein ausgezeichneter Mann, aber immer so umständlich. Lass mich das klären."
"Ihr kommt hier nicht vorbei", empfing der Hüter die Vampire und er sah Elena Tepescu, die die wütende Meute anführte. Der Gang war schmal. Nur zu zweit konnten sie den Hüter stellen.
"Gib auf. Wir bekommen den Schatz ohnehin", sagte die Tepescu. "Vielleicht habe ich für dich Verwendung als mein König der Nacht", lockte sie ihn und die Augen versprachen ihm alles, was er wollte. "Du bist ein stattlicher Mann. Etwas, dass mich zieren würde. Und ich werde heute nach hoch steigen."
"Oder tief fallen", sagte der Hüter und griff in die Brustasche seines Hemdes und zog ein unscheinbares Kissen hervor, das aus Leinen bestand und so groß war wie eine Zwei-Euro-Münze. Kaum hatte er es gezeigt, ließ er es auch wieder verschwinden.
Elena fauchte. Sie wusste, ihre Lockrufe waren vergebens und sie würde ihr Ziel so nicht erreichen.
Seit Jahrhundert geisterten die Legenden von Hexensalben, manchmal auch Flugsalben genannt, durch die Welt. Sie wurden von Hexen gemacht, die damit in der Walpurgisnacht zum Brocken und anderen Orten zum Hexensabbat flogen, um dem Teufel den Hintern zu küssen und andere unaussprechliche Dinge zu tun, so hieß es.
Esoterische Bücher und deren Schreiberlinge hatten das Geheimnis der Flugsalbe vorgeblich entschlüsselt, aber auch Wissenschaftler glaubten hinter das Geheimnis gekommen zu sein. In manchen Punkten waren sich beide Gruppen sogar einig.
Diese sogenannte Experten behaupten, die Verwendung von Tollkirsche, Bilsenkraut, Eisenhut und tödlichem Schierling, dazu wohl auch von halluzinogenen Pilzen, erzeugte einen Rauschzustand, der den Anwendern die Illusion vom Fliegen lediglich vorgaukelt. Eher ein Trip des Geistes denn des Körpers also, ein Hexen-Woodstock quasi. Dann lächelten diese Experten wissend, als hätten sie den Stein der Weisen gefunden (und selbst etwas von ihrer Flugsalbe aufgetragen oder einen Joint geraucht).
Eingeweihte und wissende Kreise lachten seit langem über diese aufgeklärten Ansichten unserer Zeit. Sicher, wenn man nicht wusste wie, bekam man lediglich eine Droge. Gehörte man aber zu den Eingeweihten, und wusste um das Geheimnis, wie man die Hexensalbe zu machen hatte, dann konnte man tatsächlich fliegen und noch ganz andere Dinge vollbringen.
Der dunkle Schatten, der dem Learjet des Ordens folgte, war eine Hexe, die sich besonders darauf verstand, machtvolle Hexensalben herzustellen.
Es war Cresmonia Gwscore. Sie war Hunderte, wenn nicht Tausende Jahre alt und es hieß, sie lebte im Dartmoor. Sie selbst schwieg über ihr Alter, aber man raunte, sie wäre in die Dienste von William dem Eroberer nach der Schlacht von Hastings getreten, aber nicht lange geblieben. Dann soll sie Hereward, dem Wächter geholfen haben, von Ely aus den Widerstand gegen William zu organisieren und ihn geopfert haben, als sie seiner überdrüssig wurde.
Aber schon davor soll sie in Erscheinung getreten sein, glaubt man den Gerüchten. Schon die Ritter der Tafelrunde hatten sich mit ihr herumgeschlagen. Es hieß auch, die Römer schon Vespasian, der glorreiche Eroberer Britanniens - hätte sich ihrer bedient (Cresmonia würde wohl berichten, es wäre eher umgekehrt gewesen). Aber wie alt sie wirklich war, ob England ihre Heimat war oder nicht, das ließ sie offen, selbst ihren wenigen Vertrauten verriet sie davon nichts.
Die Geschichten über die Moorhexe waren Legion. Sie war der Schrecken der Kinder. Ihr Kennzeichen waren die Feenaugen. Ihr eilte der Ruf ewiger Jugend voraus. Es hieß, sie badete im Blut von Jungfrauen, gemischt mit Eselsmilch.
Über viele dieser Geschichten lachte Cresmonia Gwscore selbst. Ihre wahren Gräueltaten, wie Menschen es nennen würden, hatte sie immer sorgsam vor ihnen verborgen. Nur wenige kannten und ahnten ihre Geheimnisse.
Ewige Jugend ja, aber nicht mit Blut und Eselsmilch. Da standen ihr andere Möglichkeiten zur Verfügung.
Sie lebte auch nicht wirklich im Dartmoor (aber es war praktisch und für Cresmonia lustig, wenn sie von Hexenjägern dort gesucht würde), sondern vielmehr seit vielen Jahrhunderten unter verschiedenen (teilweise sehr respektierten) Identitäten in London, Dublin und Edinburgh, manchmal auch als verruchte Lady in Berlin, Paris, Madrid oder New York.
Die aufkommende Esoterikwelle in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sie genutzt, um sich zu amüsieren. Sie hatte Bücher über Hexensalben geschrieben, sie hatte esoterische Seminare abgehalten und nicht übel dabei verdient. Dazu hatte sie der Wahrheit über Zauber und Magie einige neue Mythen hinzugefügt, die von der Wahrheit weit entfernt waren.
Dann hatte sie noch ein paar der modernen Hexenzirkel gegründet und den Frauen, die sich fortan Hexen des 13. Kreises nannten, ihr Seelenheil geraubt und ihr Geld genommen. Aber nichts weiter. Das waren nur dumme Gänse, die erfüllt vom Drang der Selbstverwirklichung ein paar Abenteuer suchten.
Ähnliches war ihr schon während der Okkultismuswelle im ausgehenden 19. und im frühen 20. Jahrhundert gelungen. Arthur Conan Doyle, der geistige Vater von Sherlock Holmes, hatte sie einmal als Scharlatan schlagzeilenträchtig entlarvt. Das Gelächter der wahren Hexen hallte von Polarkreis zu Polarkreis. Und Cresmonia Gwscore hatte am lautesten gelacht.
Immerhin hat sie das Bemühen des Schriftstellers derart amüsiert, dass sie ihn am Leben ließ.
Cresmonia hatte schon immer einen bizarren Sinn für Humor gehabt. Den hatte sie auch wieder bewiesen, als sie die Vampire auf den Schatz angesetzt hatte. Die Blutsauger waren ihr Werkzeug gewesen. Insbesondere die junge ehrgeizige Elena, die mit dem Ende des Krieges, den die Menschen den 2. Weltkrieg nannten, an die Spitze der Sippe der Tepescus gespült wurde, war ihr blind gefolgt. Ihr Ahn, Graf Dracula war noch aus anderem Holz geschnitzt gewesen, aber van Helsing und die anderen hatten ihn zur Strecke gebracht.
Nun, Cresmonia rühmte sich, den Grafen gerächt zu haben. Seward, van Helsing und wie sie alle hießen, waren schreckliche Tode gestorben. Bram Stoker hatte sie dann das ruhmreiche Ende des Herren der Vampire berichtet und der hatte aus ihm die Legende gemacht, die Cresmonia immer in Dracula gesehen hatte.
Sie kannte den Fluchttunnel nur zu genau. Einer der Prinzen des Königshauses hatte das Haus immer mal für seine amourösen Abenteuer genutzt und durch den Tunnel waren seine Liebhaberinnen zu ihm gekommen. Auch Cresmonia hatte es mit ihm getrieben und war durch eben diesen Tunnel gegangen.
Und ironischerweise hatte sie auch beim Sex mit einem der Eingeweihten des Ordens erfahren, dass sich ausgerechnet dort der Schatz verbarg. Da begann das Spiel der Hexe.
Sie war nach Rumänien gereist, hatte Elena gesucht und gefunden. Dann hatte sie ihr berichtet, was sie herausgefunden hatte. Elena war sofort Feuer und Flamme und hatte ihre verstreute Sippe zusammengetrommelt und ausnahmsweise sogar mal hinter sich versammelt. Vampirsippen waren meist eine Ansammlung von Individualisten, die nur ihrer Gier nach Blut folgten. Vampire waren bestenfalls Werkzeuge, aber nie wirkliche Bundesgenossen.
Cresmonia hatte die Reise organisiert. Da war es gut, einen großen, griechischen Reeder zur Schar der Geliebten zu zählen. Allerdings Särge in Container zu verpacken, hatte sie lächeln lassen. Wenn die Fernfahrer und Matrosen gewusst hätten, was sie da in den stählernen Kisten nach England brachten - Cresmonia hatte wieder was zu lachen gehabt.
An diesem Abend hatten die Vampire ihre Aufgabe erfüllt. Wie man Hunde in Dachs- und Fuchsbaue jagte, so hatte sie die Vampire in das Haus geschickt. Dann hatte Cresmonia die Flugsalbe aufgetragen und am Tunnelausgang der Dinge geharrt, die da kommen würden. Und wie ein Fuchs oder Dachs hatte auch der Schatz seinen Bau verlassen. In einem Auto zu dem alten Militärflugplatz, den Cresmonia auch wegen amüsanter Stunden mit diversen Piloten kannte. Von dort aus startete der Learjet nur wenige Minuten später.
Jetzt folgte sie der Maschine nach Osten und war gespannt auf das Ziel. Dabei fragte sie sich, ob sie das Mädchen wirklich töten wollte. Trat die höllische Hierarchie erst die Herrschaft über die Erde an, waren die Menschen nicht mehr als Sklaven. So wie es jetzt war, machte Cresmonia Gwscore das Leben viel mehr Spaß. Die Menschen dachten, sie wären die Herren der Welt und sie führte diesen Haufen Sterblicher an der Nase herum.
Vielleicht würde sie sich mit dem Wissen zufrieden geben, wo der Schatz jetzt vor den Augen der Schwarzen Familie, der sie sich ohnehin nur als entfernte Cousine verbunden fühlte, verborgen wurde. Das würde sie spontan und aus dem Bauch heraus entscheiden. Für Cresmonia Gwscore gab es in erster Linie nur die gute Cresmonia und dann eine ganze Weile nichts. Auf diese Art überlebte sie schon ziemlich lange.
Den Schatz gefangen zu nehmen und zu studieren, das ging nicht. Die Macht in ihr, würde sie wie Gammastrahlung nach und nach vernichten. Das wäre Cresmonias Traum, der aber unerfüllbar bleiben würde, könnte sie sich doch so den Kaiser und des Kaisers Schergen vom Leibe halten.
Sie hätte den Schatz töten können, aber Cresmonia war wohl das einzige Wesen der Schwarzen Familie, die eben das nur bedingt wollte. Sie wollte nicht über Sklaven herrschen, wollte keine Seelen erringen. Ihr Spiel mit Menschen, die glaubten über die Welt zu herrschen, war ihr eigentliches Vergnügen. Luzifer war so humorlos. Er würde die Menschheit mit all seiner Macht niederwerfen und sein finsteres Regiment errichten. Und die Legionen seiner Dämonen waren auch nicht wirklich gute Gefährten.
Sie war ja auch jemand, deren Herkunft nicht innerhalb der Schwarzen Familie lag. Sie war noch weniger als eine entfernte Cousine, mehr eine angeheiratete Schwippschwägerin.
Sie war gespannt, was die Nacht noch bringen würde.
"Der Kampf zwischen Gut und Böse begann im Grunde schon, als die Erde entstand. Schon als der Planet auskühlte, rangen Götter und Dämonen um die Erde. Mit ihrer ungebremsten Macht formten sie die Welt. Manche Narben der Erde gehen direkt auf den Kampf von Licht und Finsternis zurück. Einige Gebirge entstanden auf diese Weise, Ozeane wurden während dieses ungestümen Kampfes großer Mächte hin und her geschoben und wohl auch die Saat des Lebens gelegt, denn das war der Erde vorherbestimmt.
Irgendwann kam dann der Mensch", Hinnerk zog an seiner Zigarette, "und beide Seiten fanden den Stellvertreter für ihre Kämpfe, deren Reihen sie jeweils mit ihren Scharen verstärkten."
Mark Larsen verstand zwar nicht, worauf Hinnerk hinaus wollte, aber seitdem er sich entschlossen hatte zuzuhören, war er innerlich ruhiger geworden und konnte sogar seine Beine wieder bewegen, was er unauffällig probiert hatte. Dennoch war er gewillt, das hier zu Ende zu bringen.
"Du kannst Dokumente und Hinweise dieser Kämpfe in jeder Religion finden, jeder Mythos hat Licht und Finsternis", fuhr Hinnerk fort. "Vor etwas mehr als zweitausend Jahren gab es da diesen jüdischen Zimmermann, den man als Jesus Christus kennt und der über die Erde wandelte, um ihren Bewohnern den Weg der Erlösung zu zeigen."
"Das ist bekannt. Das ganze Abendland basiert auf seinen Lehren", warf Mark Larsen ein.
"Auf einem Teil davon. Manches wird von verschiedenen Gruppen, sagen wir mal, unter Verschluss gehalten", schmunzelte Hinnerk. "Aber das ist nicht unser Thema. Er war in der Tat der Sohn Gottes, doch er war mehr. Er war der Verheißene, der dem Kampf gegen das Böse eine neue Richtung geben sollte. Aber er war kein Kämpfer. Er war zu duldsam. Und doch, seine Macht konnte das Böse fernhalten.
Um das Böse fernzuhalten, deren Versuchungen er sich in der Wüste ausgesetzt hatte, zeugte er mit seiner Frau Maria Magdalena ein Kind, dem er Macht verlieh, passive Macht, denn Jesus war kein Krieger. Aber er wollte, sein Schicksal vor Augen, die Welt, die er lieben gelernt hatte, nicht schutzlos zurück lassen, wenn er auffahren würde.
Dabei hätte er auch die andere Möglichkeit gehabt, das Böse mit Feuer und Schwert zu vertreiben, sich gegen Luzifer und seine Schergen zu wenden. Aber das wäre nicht wirklich ER gewesen.
Maria Magdalena tauchte, begleitet von Getreuen irgendwann unter, als die finsteren Mächte erkannten, was geschehen war. Aus diesen Getreuen bildete sich der Kern dessen, was wir heute den Orden nennen."
Hinnerk saugte an der Zigarette und beobachte Mark, der den Blick erwiderte. Mark Larsen war zunehmend interessiert. Um Jesus Verhältnis zu Maria Magdalena gab es schon lange Gerüchte und Spekulationen. Zudem schien es Hinnerk so, als spräche Hinnerk von einem Bekannten oder gar Freund, wenn er über Jesus redete. Das konnte aber nicht sein.
Oder doch?
Mittlerweile war Mark bereit einiges anzunehmen. Es war eben, wie Shakespeare sagte. Es gab mehr Dinge zwischen Himmel und Erde.
Viele Dinge mehr.
"Diese Blutlinie besteht bis heute, zumeist in der Form von Frauen, fort und solange es sie gibt, werden die Horden des Gefallenen Luzifers und der Hölle nicht die Herrschaft über die Erde antreten können", erklärte Hinnerk. "Egal wie wir uns wehren werden, diesen Krieg kann die Menschheit nicht gewinnen."
"Wieso schützt uns diese Macht?" fragte Mark.
"Weil sie göttlich ist", antwortete Hinnerk lapidar. "Aber wenn du fragst wie sie beschaffen ist - keine Ahnung. Es ist in all den Jahren nicht gelungen, die Natur dieser Macht zu ergründen. Viele haben es versucht. Einem schien es zu gelingen, aber als er die Macht erschaute, verwirrte sich sein Geist und er war nichts mehr als ein lallender Idiot. Aber die Macht wirkt. Das Böse in Gestalt von Vampiren, Hexen und Dämonen ist in der Welt, richtet Schaden an, aber trotz all ihrer Überlegenheit und finsteren Künsten sind sie nicht in der Lage, die Herrschaft zu ergreifen und die Menschen unter ihre Knute zu zwingen."
Der spitze und gehärtete Pflock aus Eichenholz drang mit einem hässlichen Knirschen tief in den Körper des Vampirs ein, durchschlug Haut, Knochen und das weiche, tote Fleisch und zerfetzte das nicht mehr schlagende Herz.
Connor Baigent riss den Pflock zurück und kümmerte sich nicht mehr um den zusammenbrechenden und zu Staub zerfallenden Vampir, der den Besen geschwungen hatte. Das letzte Bannzeichen war noch intakt und er hatte zugeschlagen.
Die Vampire hatten schmerzverzerrte Gesichter. Noch immer fühlten sie die Ausstrahlung des Drudenfußes, die ihnen zusetzte. Das war nichts, was sie wirklich wollten und hätten sie nicht die große Beute in Form Christines erwartetet, hätten sie sich wahrscheinlich schon zurückgezogen.
Der Besen fiel auf den Leichnam, der zusehends weiter verging. Aber Connors Pflock hatte schon ein weiteres Ziel gefunden und einen weiteren der Blutsauger vernichtet. Wieder riss er den Pflock aus dem untoten Körper, während das Fleisch verging. Dabei zerfielen die Vampire beinahe geruchlos.
Elena Tepescu stieß ein wildes Fauchen aus. Sie konnte nicht fassen, was sich da vor ihren Augen abspielte. Zwei Opfer schon!
Connor Baigent genoss diesen kleinen Triumph. Viele würde er nicht mehr feiern können. Aber jeder Vampir, der hier vernichtet wurde, war es wert zu sterben. Mit Sicherheit war Christine mittlerweile in der Luft. Nun galt es, ihren Vorsprung soweit zu vergrößern, dass sich ihre Spur wieder verlor.
"Los, packt ihn!", rief die Tepescu aus. "Greift ihn euch! Er ist unser!"
Mit einer schnellen Bewegung des Fußes verwischte einer der Blutsauger den Kreidestrich des Drudenfußes. Er schrie vor Schmerz und konnte nicht schnell genug zurückweichen. Dies nutzte Connor Baigent, der seinen Vorteil erkannte, augenblicklich aus. Der Hüter stieß ein weiteres Mal zu. Der Pflock fuhr mit dem mittlerweile vertrauten Geräusch in den untoten Körper und Connor fand mit traumwandlerischer Sicherheit das Herz.
Ein Schrei!
Wieder verging einer der verfluchten Bastarde, die dank des Froschfressers in das Haus des Schatzes eingedrungen waren, um die Herrschaft seiner Höllischen Majestät Luzifer zu ermöglichen. Elena quittierte das mit einem wütenden, unartikulierten Schrei. Sie war der Raserei nahe, verlor zusehends ihre kühle Überlegenheit.
"Greift ihn. Ich will sein Blut!", rief sie.
"Hols dir selbst!", antwortete Connor Baigent mit verzerrtem Gesicht. Es war sein letzter Kampf, es sollte ein guter werden. Er wollte würdig abtreten und noch einige dieser untoten Bastarde mitnehmen. "Kämpfe mit mir! Oder bist du zu feige?"
Doch sie trieb zur Antwort ihre Schergen vorwärts.
"Junge Lady, ich muss mich nun um das Flugzeug kümmern", sagte James entschuldigend. "Darf ich dir noch etwas bringen? Einen Saft, Cola, etwas zu essen?"
"Nein danke, James", antwortete Christine. "Ich habe alles, was ich brauche, und im Moment würde ich ohnehin nichts mehr runterkriegen. Nicht mal ein Eis."
James nickte und einem Impuls folgend strich er ihr übers Haar, was sie mit einem Lächeln quittierte.
Hätte mich mein Lehrmeister gesehen, er wäre in Ohnmacht gefallen, dachte der Butler.
Dann wandte er sich um, ging ins Cockpit und klemmte sich hinter den Pilotensitz. Er ergriff den Steuerknüppel, checkte die Instrumente und ging in den Sinkflug über. Der Autopilot hatte die Kursänderung registriert und sich automatisch abgeschaltet. Während er sich dem kleinen Flughafen näherte, nahm er Kontakt zum Tower auf.
Eine nicht allzu freundliche Männerstimme wies ihn ein. James konnte den Mann verstehen, hatte man ihn doch aus seinem Feierabend herbei zitiert, um irgendeinen Flug mit Sondergenehmigung in Empfang zu nehmen. Da konnte keine Begeisterung aufkommen. James nahm es mit Gelassenheit. Immerhin wusste der Mann nicht, worum es ging. Und er würde es nie erfahren. Somit sollte man ihm seine schlechte Laune nachsehen.
Der hagere Butler folgte den Instruktionen und führte die Maschine mit Routine an die recht knapp bemessene Landebahn heran. Glücklicherweise war er ein routinierter Pilot. Hatte er doch seinen Militärdienst bei der Royal Air Force abgeleistet und fast alles geflogen, was es zu fliegen gab, bevor ihn vor knapp zwanzig Jahren der Orden für sich entdeckte, auf die Butlerschule schickte und dann in den Dienst des Schatzes und des Hüters stellte.
Auch hier hatte er sich bei ihren diversen Umzügen immer wieder als Pilot bewährt. Kaum ein Fluggerät war ihm fremd. Noch vor wenigen Wochen hatte ihm der Orden einen Wunsch erfüllt: James war nach Tolouse gereist, wo er den neuen Airbus A-380 fliegen durfte. Es war ein phantastisches Gefühl und eine große Belohnung für seine loyalen Dienste gewesen.
James sah zwar aus wie knapp über vierzig und somit gut zehn Jahre jünger, als er wirklich war. In der Tat war er zweiundfünfzig Jahre alt. Doch seit seiner Pilotenzeit hatte er sich immer fit gehalten und er fühlte sich dementsprechend jünger.
Die Lichter der Landebahn kamen in Sicht. James führte das Landemanöver routiniert und sicher durch. Der Learjet lag wunderbar in der Luft. Er gehörte zu den Lieblingsflugzeugen des Butlers. Eine für ihn absolut unproblematische Maschine. Dann der Bodenkontakt. Das Flugzeug rollte aus und James bremste es stark ab, ohne dass die Räder des Fahrwerks blockierten, und rollte die Landebahn entlang. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos.
Als er die Maschine unter dem Licht der Scheinwerfer in Richtung des Hangars lenkte, konnte er in großen Lettern den Namen des Flugplatzes erkennen. Stade Agathenburg stand dort in weißen Lettern zu lesen. James hatte bisher weder von Stade, noch von Agathenburg gehört.
James bedankte sich höflich bei dem Mann im Tower und wünschte ihm eine gute Nacht. Der Mann war von der vorgesetzten Behörde angewiesen worden, sofort nach Landung des Flugzeugs nach Hause zurückzukehren.
Der Butler ließ das Flugzeug anweisungsgemäß vor dem Hangar ausrollen. Am Tower konnte er die Scheinwerfer eines Autos aufflammen und ihn in Richtung Ausfahrt fahren sehen. Sicher der Mann vom Tower. Es war knapp ein Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit.
Nun galt es auf den neuen Hüter zu warten, der von Algernon Finch eingewiesen worden war. Der Mann gehörte wie er selbst zu den Dienern des Ordens. Algernon lebte in Hamburg und sein Hauptberuf war Importeur erlesener Whiskysorten aus Schottland und Irland.
James erhob sich und ging nach hinten in die Kabine. Er konnte Christine nicht allein sitzen lassen.
"Komm doch nach vorn, junge Lady. Da können wir uns die Wartezeit gemeinsam vertreiben", bot er Christine an.
"Gern", antwortete das Mädchen. Sie löste den Gurt und erhob sich. Sie folgte James ins Cockpit und nahm auf dem Sitz des Co-Piloten Platz. Sie saßen in einträchtigem Schweigen und starrten in der Erwartung in die Nacht hinaus, jeden Moment Scheinwerfer vom Tor her kommen zu sehen. Algernon Finch war James mit einem BMW der 7er Reihe avisiert worden.
Vom Orden war Funkstille angeordnet worden. Wenn Algernon Finch und der neue Hüter nicht bis zwei Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit vor Ort waren, sollte er wieder starten. Ziel war dann Rom, wo ein weiterer Kandidat angesprochen werden sollte.
Noch war knapp eine dreiviertel Stunde Zeit, bis er wieder starten musste. James erzählte Christine davon erst einmal nichts. Warum sollte er die Pferde scheu machen und das Mädchen noch mehr Stress aussetzen? Im schwachen Licht des Cockpits konnte James erkennen, wie Christine gebannt nach draußen starrte. Was sie wohl dachte? Welche Vorstellungen sie sich von dem neuen Hüter machte?
Er fragte nicht. Man würde es erleben, sowohl sie als auch James selbst. Der Flugplatz war von einem Waldstück umgeben, das sich wie eine Festung um den kleinen Sportflugplatz schloss. Die Bäume wirkten in der Dunkelheit wie eine schwarze Mauer.
Da!
Ein paar Scheinwerfer! Mit hoher Geschwindigkeit näherte sich ein Auto über die Schotterpiste. Im Licht der verbliebenen Scheinwerfer des Flugplatzes war ein dunkler 7er BMW neuester Bauart zu erkennen. James bedeutete Christine, auf ihrem Platz zu bleiben und zu warten, bis sie das Zeichen bekam auszusteigen. Er selbst erhob sich von seinem Platz und verließ durch den Kabinenausgang den Learjet, um das Fahrzeug in Empfang zu nehmen.
Cresmonia Gwscore folgte dem Learjet in sicherer Entfernung, als er zum Landeanflug ansetzte. Die Hexe kannte diesen Ort und den kleinen Flugplatz nicht. Tiefe Provinz hatte sie schon immer verabscheut.
Wenn sie sich recht orientiert hatte, war Hamburg nicht weit entfernt. Hamburg kannte sie, hatte sie doch dort in den fünfziger Jahren ein paar Bordelle auf St. Pauli durch Strohmänner betrieben. Es war eine wilde Zeit gewesen, aber auch diesem Erwerbszweig war sie irgendwann überdrüssig geworden. Doch Hamburg hatte sie immer wieder gern besucht. Hinter manch biederer Kaufmannsfassade lauerten Abgründe, in die Cresmonia immer wieder gern eintauchte.
Aber das hier, das hier war stinklangweilige Provinz! Dafür hatte der Orden schon immer eine Vorliebe gehabt. Staubtrockene Langweiler waren das, ohne jeden Sinn für die Freuden des Lebens. Nun ja, was konnte man von ihnen auch erwarten. Sie gingen völlig im Ernst ihrer Aufgabe auf.
Was wäre, wenn ich sie von dieser Aufgabe befreie? schmunzelte Cresmonia. Heute Nacht!
Aber sie hatte sich immer noch nicht entschieden. Vielleicht würde es noch viel mehr Spaß machen dem neuen Hüter, direkt unter seiner Nase, den Schatz zu rauben und ihn dann zu töten. Was für eine köstliche Vorstellung!
Sie hockte sich ins Gras und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Wer wohl der neue Hüter sein mochte? War er attraktiv, voller Saft und Kraft, vor allen Dingen jung? Dann konnte sich die Hexe vorstellen, sich seiner anzunehmen und mit ihm ein paar Tage im Bett zu verbringen.
Sie konnte sehen, wie ein Mann den kleinen, fast schon provisorischen Tower verließ, der den Charme eines Wachturms an der ehemaligen Zonengrenze hatte (an die hatte Cresmonia wegen des Brockens und dreier völlig erschöpfter, aber glücklicher DDR-Grenzer so ihre Erinnerungen), und zu einem Wagen, einem alten Golf, stapfte und ihn aufschloss und einstieg. Der alte Golf sprang sofort an und verschwand letztlich im Waldstück, dass zu einer größeren Straße führte, von der Cresmonia nicht wusste, dass es sich um die B 73 zwischen Hamburg du Cuxhaven handelte.
Zurück blieb im Licht von ein paar Restscheinwerfern der Learjet mit seiner kostbaren Fracht und dem Butler. Cresmonia Gwscore widerstand nur mit Mühe der Versuchung, etwas mit dem Flieger - einer selten plumpen Maschine, die nichts weiter konnte, als Krach zu machen - oder deren Insassen zu veranstalten, um sich die Zeit zu vertreiben.
Nimm dich zusammen, altes Mädchen! dachte sie und lächelte. Sie hatte es doch in all den Jahrhunderten immer wieder geschafft sich zusammenzureißen und zu beherrschen und so den meisten Spaß gehabt. Die Tugend der Geduld, wie so viele andere Tugenden, war nicht ihre Stärke, aber im Laufe ihres langen Lebens hatte sie gelernt, dass gerade das Abwarten ihr manchmal Trümpfe und Gelegenheiten in die Hand spielte, die ihr meistens große Freude und riesige Triumphe beschert hatten.
Schließlich näherte sich von der Bundesstraße her ein Auto, das mit hoher Geschwindigkeit die eher schlecht ausgebaute Piste zu diesem kleinen Sportflughafen heranbrauste. Die Tür des Fliegers zur Kabine öffnete sich und der Butler erschien darin, klappte die Treppe aus und verließ den Learjet.
Die Haltung der Hexe veränderte sich. Gespannt erwartete sie den Wagen, der hart abbremste und im Schatten des Flugzeuges zum Stehen kann. Sie konnte sehen, wie drei Männer ausstiegen. Zwei davon kamen um das Flugzeug herum. Einen davon kannte sie nicht. Er war in feinstes Tuch gekleidet. Offensichtlich ein Bote.
Den anderen kannte sie schon lange und hatte mit ihm im Laufe der Zeit schon so manchen Strauß gefochten. Wie er sich jetzt wohl nannte? Viele Namen hatten ihn durch die Jahrhunderte begleitet. Aber eines hatte sich kaum verändert: die hünenhafte Gestalt mit dem Vollbart, der mal mehr, mal weniger gepflegt war. Was er mit dem Orden zu tun hatte, war ihr nie ganz klar geworden. Und er ließ sie auch nie nah genug heran, als dass sie eine Chance gehabt hätte, hinter seine Geheimnisse zu kommen.
Aber der Hüter war er nicht. Der stand noch hinter dem Flugzeug. Offensichtlich wollten sie ihm dem Schatz nicht gleich zeigen. Von ihm konnte sie bis jetzt nur die Beine sehen. Eine alte, eng sitzende Jeans umgab muskulöse Beine. Wenn der Rest auch so vielversprechend war, konnte er eine ganz nette Partie sein. Ein paar Wochen Spaß allemal. Aber erst wollte sie sehen, ob der Rest auch halten konnte, was die Beine versprachen.
Vielleicht passierte ja noch was ganz anderes und der Kaiser der Hölle konnte jubeln und endlich über die Erde herrschen.
Cresmonia Gwscore würde sich da völlig ihrer Intuition überlassen.
Der Butler, der Bote und ihr alter Widersacher schwatzten Belangloses, begrüßten sich. Mit keinem Wort gingen sie auf die Vorfälle des Abends ein. Es war, als hätten sich entfernte Bekannte zufällig getroffen und nun plauderte man über das Wetter.
Der Butler verschwand dann im Jet und Hinnerk rief den Hüter. Er rief nicht mehr mit seinem Namen, sondern mit seinem Titel.
Dann kam der schmucke Junge um das Flugzeug herum und als er ins Licht trat und in ihre Richtung blickte, war es Cresmonia, als träte man ihr mit voller Wucht in den Bauch oder zöge ihr mit glühenden Zangen die Haut ab (was ein Inquisitor mal versucht hatte und es bitter bereute). Ihr Blut erstarrte zu Eiswasser. Die unterschiedlichsten Empfindungen überkamen sie.
Hass, Wut, Liebe, Trauer, Eifersucht.
Deutlich erinnerte sie sich an alles. Seit vielen Jahrhunderten kannte sie ihn, liebte und hasste ihn. Hatte versucht, ihn zu töten, hatte ihm das Leben gerettet, war verschmäht und geliebt worden. Sie hatten gegeneinander und miteinander gekämpft. Er hatte sie vom Scheiterhaufen geholt und sie verstoßen. Eine wahrhaft verworrene Geschichte.
Und nun schien ausgerechnet er der Hüter zu sein. Oder was machte er sonst hier? Nicht um einen Tag gealtert. Welches Geheimnis barg er?
Cresmonia Gwscore blinzelte, konnte nicht glauben, wen sie dort sah. Die Knie gaben nach. Und sie tat etwas, das sie seit dem langem nicht mehr getan hatte. Tränen rannen ihr Gesicht hinab.
Cresmonia weinte ...
"Ich mache es!", entschied Mark Larsen, Doktor der Anthropologie. "Ich bin der Hüter."
Hinnerk atmete erleichtert auf. Algernon Finch entspannte sich und tupfte sich mit einem blütenweißen Taschentuch Schweiß von der Stirn. Beide hatten für einen Moment gezweifelt, ob der hünenhafte Deutsche die Last auf seine Schultern laden würde.
"Sei willkommen in unseren Reihen, Hüter", sagte Hinnerk förmlich und erleichtert zugleich. Er reichte Mark seine Hand, der ohne zu zögern einschlug.
Algernon Finch berichtete nun in gebotener Kürze von den Ereignissen in England, vom Verrat und der Flucht des Butlers mit dem Schatz. Er erzählte auch, dass der alte Hüter zurückgeblieben war, um die Vampire aufzuhalten und dabei fallen würde oder inzwischen wohl schon gefallen war.
Irgend etwas beunruhigte Mark an dem Bericht. Aber er konnte den Finger noch nicht in die Wunde legen.
"Ich möchte ungern unnötig zur Eile mahnen", schloss Algernon Finch in seiner umständlichen Art, "aber der Jet aus England dürfte in diesen Minuten in Agathenburg gelandet sein. Bis zwei Uhr soll er dort verharren, bevor er wieder abzuheben hat, um über Alternativlösungen nachzudenken."
"Agathenburg?", fragte Mark ungläubig. "Da ist doch nur bei Tag Betrieb."
"Daran musst du dich gewöhnen", meinte Hinnerk leichthin. "Der Orden ist recht einflussreich in der normalen Welt. Wir kennen immer jemanden, der jemanden kennt, der die Entscheidungen trifft und Ausnahmen möglich macht, ohne dass er viele Fragen stellt."
Mark nickte. Er stellte fest, dass der Orden, sollte er es wirklich wollen, vermutlich die Geschicke der Welt bestimmen konnte.
"Das könnten wir, wenn wir wollten", meinte Hinnerk, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Aber wir wollen nicht. Und nun sollten wir uns beeilen, bevor du dich umsonst entschlossen hast, der Hüter zu sein. Wir können uns im Auto noch ein wenig unterhalten."
"Hast du meine Gedanken gelesen?", fragte Mark, als sie sich in Richtung Deich in Bewegung setzten.
"Nicht wirklich. Du musst es mal probieren. Menschliche Gedankenwelten sind so konfus, aber es war dir förmlich anzusehen. Jeder denkt das, wenn er hört wie einflussreich der Orden ist. Aber wir sind keine Weltenherrscher, sondern Bewahrer. Wir denken nicht in den oft kurzfristigen Kategorien der Politik, sondern vielmehr in langfristigen Dimensionen. Allerdings", räumte er ein, "haben wir auch schon in die Tagespolitik eingegriffen. Immer wenn die Menschheit vor der Vernichtung stand ..."
"Die Kuba-Krise ...", vermutete Mark spontan.
"Eben da", bestätigte Hinnerk die Vermutung des neuen Hüters. "Aber es waren diplomatische Missionen. Und gute Beziehungen. Doch es hat gereicht, um Kennedy und Chrustschow zur Vernunft zu bringen."
Sie folgten Algernon Finch über den Elbdeich. Es ging vorbei an einem Denkmal, das als Erinnerung an die Sturmflut vom dritten Januar 1976 aufgestellt worden war. Es symbolisierte Wellen, die damals die Deiche im Kehdinger Land zum Brechen brachten. Nicht weit davon das lebensgroße Denkmal des damaligen Deichgrafen, dessen Name Mark entfallen war.
Algernon hielt auf einen 7er BMW der neuesten Baureihe in elegantem Schwarz zu. Der Wagen hatte Hamburger Kennzeichen.
"Lass mich fahren", sagte Hinnerk, als Algernon Finch auf der Fahrerseite einsteigen wollte. "Ich bin schneller als du."
Algernon Finch wirbelte förmlich herum, sah Hinnerk anklagend an, versagte sich aber einen Kommentar und gab dem Bärtigen den Schlüssel. Seine Miene brachte deutlich zum Ausdruck, dass er davon nicht begeistert war und das Schlimmste befürchtete. Sie stiegen ein. Finch auf den Rücksitz. Mark stieg auf der Beifahrerseite ein und Hinnerk schwang sich auf den Fahrersitz. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und los ging die Fahrt.
Mark hatte nicht gewusst, wie schnell ein 7er beschleunigen konnte. Er selbst fuhr nur ein alten, äußerst klapperigen Golf. Hinnerk legte einen Kavalierstart hin, der Mark förmlich in die Sitze presste. Rasch schnallte er sich an. Der bärtige Alte driftete förmlich auf die Hauptstraße und hatte den Wagen schnell auf über hundertzwanzig Sachen beschleunigt. Plötzlich bremste er ab.
"Die Todeskurve. Schneller als siebzig geht die nicht", brummte er in seinen Bart, aber kaum war er um die Kurve herum, drehte Hinnerk wieder richtig auf. Die Deichlücken am alten Elbdeich durchquerten sie fliegend, aber die Federung des BMW fing das auf. Dann rasten sie schon durch das fast ausgestorbene Drochtersen. Hinnerk gab alles.
Connor Baigent warf sich verzweifelt hin und her, aber die kalten, toten Hände der Vampire drückten ihn zu Boden. Was auch immer er versuchte, nichts konnte den Griff der Vampire brechen.
Das wars! schoss es ihm durch den Kopf. Aus!
Sie hatten ihn. Der Tritt der Tepescu hatte voll getroffen. Mindestens eine Rippe war gebrochen, doch er ignorierte den Schmerz und versuchte, die Vampire abzuschütteln. Gleichzeitig wusste er, es konnte ihm nicht gelingen.
"Umsonst und überflüssig, Hüter", sagte Elena Tepescu milde. "Gib auf!"
"Nie!", presste Connor Baigent hervor.
"Dann eben anders", flüsterte Elena Tepescu.
Hinnerk brachte den BMW zum Stehen. Vor der Erfindung von Antiblockiersystemen hätten die Reifen auf dem Asphalt vor dem Hangar erheblich an Gummi eingebüßt und die quietschenden Reifen hätten die Trommelfelle von Anwesenden gefährdet.
"Ich liebe das autofahren. Sollte ich öfter machen", verkündete Hinnerk an niemand Bestimmten gerichtet.
Algernon Finch war bleich. Er hatte die Fahrt zwar überstanden, aber sein Magen revoltierte nach Kräften. Zur Zeit rang er mit seinem Abendessen, dem schottischen Nationalgericht Haggis. Ein importierter Single Malt würde jetzt helfen. Er würde dem Haggis Gesellschaft leisten und ihn beruhigen. Leider hatte er keinen dabei. Den Flachmann und den Koffer (scherzhaft nannte er ihn den Einsatzkoffer) mit den Probierfläschchen, den er für Hausbesuche bei reichen Kunden mitführte, hatte er im Laden gelassen, als ihn der Anruf des Ordens erreichte. Diese Fahrt hatte doch sehr an seinem Nervenkostüm gezehrt.
Mark wollte den Wagenschlag öffnen, als Hinnerk ihn zurückhielt.
"Ein Gang!", hörte Elena Tepescu Carel rufen, einen aus ihrer Sippe, den sie selbst zum Vampir gemacht hatte. Wie alle anderen ihrer Sippe eilte sie zu ihm. Sie fanden die Trümmer einer Tür und dahinter die Reste von Regalen. Dahinter war, wie Carel gerufen hatte, ein Gang. Elena schrie vor Wut und lief hinein. Die Meute folgte ihr auf dem Fuß. Immer schneller folgten sie dem Fluchtweg und rannten die Treppen hinauf, die James und Christine benutzt hatten, bis sie inmitten des Heus landeten. Elena fand den Weg aus dem Labyrinth. Der offene Schuppen und die Wagenspuren sagten ihr genug.
Die Vampirin stieß einen Schrei aus, der nichts Menschliches mehr hatte. Wilder Zorn, blanker Hass und das Versprechen ewigen Leidens für Connor Baigent loderte in ihren Augen.
Sie eilten zum Tor des Hauses, rannten durch das Portal und die Hecken zu einem schmalen Feldweg im Schatten eines Buchenhains, der einstmals den Druiden heilig gewesen sein sollte, zu vier parkenden Kleinbussen. Damit waren die Vampire hergefahren. Die Hexe hatte alles arrangiert und in ihr Haus würden sie zurückkehren, bis der Rückweg nach Rumänien arrangiert wurde.
Elena war nervös wie ein Vampir nur sein konnte. Sie hatten nicht bekommen, was sie wollten. Es war klug von der Hexe, ihr zu raten, den Triumph erst dann der Schwarzen Familie zu verkünden, wenn es wirklich einer war. So waren sie vor der größten Schande bewahrt worden: der Demütigung vor Luzifers Vertreter auf Erden, vor Asmodi, der die Linke Hand führte. Auch dem Zorn der Höllischen Majestät waren sie entgangen.
Dennoch war die Lage alles andere als angenehm. Ein neues Versteck, ein neuer Hüter. Der Schatz wieder einmal außer Reichweite. Blamiert vor der Sippe. Sie musste alle Stärke aufbieten, um nicht wieder zu dem Mädchen zu werden, das sie war, bevor der alte Tepescu sie zur Untoten gemacht hatte. Und zur Herrin der Sippe. Ein einziger Biss war es und schon war das schüchterne Aristokratentöchterchen zur Tochter des Herren der Tepescus geworden. Sie hatte seine Wildheit und seine Klugheit, aber hatte sie auch seine Weisheit?
Der heutige Abend hatte gezeigt, wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dass ihr zu einer großen, unantastbaren Führerin der Sippe noch einiges fehlte.
Und sieben aus ihrer Sippe waren von Connor vernichtet worden. Das würde er zu allem Überfluss auch noch büßen müssen. Connor Baigent stand viel bevor.
Die anderen waren in die Kleinbusse gestiegen und nun warteten sie nur noch auf Carel und die vier, die Connor Baigent holen und das Feuer legen sollten. Sie stand vor den Bussen und die Blicke der anderen brannten förmlich in ihrem Rücken. Sie konnte die stummen Vorwürfe spüren und sie ahnte, dass erste Ränke gegen sie zumindest in Gedanken geschmiedet wurden. Noch war die Meute nicht bereit, zusammen über sie herzufallen.
Ein großes Manko der Vampire war ihr Misstrauen und der Neid untereinander, aber wenn sie jemals davon geträumt hatte, die Vampire, nicht nur ihre Sippe, unter ihrer Herrschaft zu vereinen, dann war das der Moment, diese Hoffnungen vorerst zu begraben.
Wo bleiben die nur? fragte sie sich. Dann hörte sie Schritte und die beiden Brandstifter erschienen.
"Wo sind Carel, die anderen beiden und der Hüter?", fragte sie ungehalten.
"Noch nicht zurück?", stellte der erste, Vladek, eine Gegenfrage.
"Würde ich sonst fragen", fauchte Elena wütend.
Im Nachthimmel über dem Herrenhaus spiegelten sich erste Flammen. Der Himmel begann sich rot zu verfärben. Das Feuer fraß sich wie ein Vielfraß durch seine Beute in das trockene, alte Gebälk des Hauses.
"Im Haus waren sie nicht mehr, als wir Feuer legten", verteidigte sich Marek, der zweite Rückkehrer.
"Seht nach!", befahl Elena. "Sucht sie!"
Es sah aus, als wollten Vladek und Marek sich weigern, doch ein Blick in die Augen der Tepescu genügte, um zu wissen, dass in ihrem Blutrausch ein Kampf nur verloren gehen konnte. Elena war klar, dass dies die erste, kleinere Herausforderung war. Weitere würden folgen. Es war wie einst, als sie sich das Erbe ihres Vaters, die Herrschaft über die Sippe erstreiten musste. Es war ihr gelungen. Nun war nach fast achtzig Jahren der Moment der Prüfung gekommen, ob sie das Erbe auch würde halten können.
Sie kamen nach endlosen Minuten zurück.
"Keine Spur von Carel und den anderen zu finden. Auch der Hüter ist weg", meldete Marek.
"Dann nichts wie weg", verkündete Elena. "Wir werden Connor Baigent wiedertreffen und dann gehört er mir!" Es klang wie ein Blutschwur und was Elena Tepescu anging, war es einer.
Mit ihrer dezimierten Schar fuhr sie davon, voll Zorn, Rachegelüsten und Furcht ...
Connor Baigent, der der Hüter des Schatzes gewesen war, taumelte in das erste Stockwerk. Dort war in seinem Schlafzimmer ein Safe, wo er Bargeld verwahrte. Seine Kreditkarten würde der Orden sperren. Schneller, als man bis drei zählen konnte. Vermutlich waren seine Konten schon längst gelöscht und das Geld transferiert. Aber auch ein Vampir brauchte in dieser Welt Geld. Geld, mit dem er sich sein Dasein erkaufen konnte. Erst recht, wenn er nicht den Schutz einer Sippe genießen konnte.
Mit fliegenden Fingern drehte er die Kombination zwölf links, fünf rechts, vierundsechzig links. Er wusste, er hatte nicht mehr viel Zeit, bevor die Tepescu beschloss, ihr Mütchen an ihm zu kühlen. Was im Einzelnen sie ihm antun wollte, ahnte er nicht. Er wusste nur, dass er nicht dabei sein wollte. Sollte sie sich doch ein paar aus ihrer Sippe vornehmen oder den zweiten Judas.
Den wollte er auch suchen, sobald er sich eingerichtet hatte. Und wenn er ihn oder sie gefunden hatte, sollte er sein Schicksal teilen. Connor Baigent spürte in sich eine unkontrollierte Wut aufsteigen. Mit Mühe bewahrte er die Ruhe. Darauf musste er achten. Das Dasein eines Vampirs musste er erst lernen.
Weg, nur weg. In die Jagdhütte. Dort würde er sich erst einmal verkriechen, bis er wusste, wie er erreichen konnte, was er wollte. Er stopfte das Geld, wohl achtzig- oder neunzigtausend Pfund Sterling, in seine Aktentasche. Die Scheine füllten die Tasche nicht einmal zur Hälfte.
"Wo ist er?", hörte Connor Baigent eine aufgeregte Stimme aus der Halle, die ihm vage bekannt vorkam.
In dem durchwühlten Zimmer lag ein zersplittertes Stuhlbein, dass durch einen diagonalen Bruch wie ein Pflock zugespitzt war. Connor Baigent packte diese behelfsmäßige Waffe. Aber bevor er das Zimmer verließ, warf er noch die Aktentasche aus dem geöffneten Fenster auf den Rasen neben der Garage. Entweder würde er sie sich später holen oder ein glücklicher Finder konnte das Geld haben. Er würde es im Falle seiner Niederlage nicht mehr brauchen.
Er spürte, dass die Wut eine Quelle der Kraft der Vampire waren. Die Schwäche, die er anfangs gefühlt hatte, wich zusehends. Mit festem Griff hielt er das spitze Stuhlbein gefasst.
Er hörte einen der Vampire die Treppe heraufkommen und langsam den Flur entlang gehen. Connor Baigent stellte sich hinter die Tür. Er hoffte, das offene Fenster würde den Vampir die Vorsicht vergessen und ins Zimmer stürmen lassen.
Dafür betete er.
Ob der Herr mich erhört? fragte er sich.
Er erhörte ihn. Als der Vampir an dem Zimmer vorbei ging, bemerkte er das geöffnete Fenster und stürzte hinein. Er sah nach draußen. Connor Baigent stürmte heran und rammte der Kreatur der Nacht das Stuhlbein von hinten ins Herz. Die Rippen krachten förmlich, als der Pflock in den Körper eindrang.
Den Schrei des Vampirs erstickte Connor Baigent mit seiner Hand, die den Mund des Vampirs zuhielt. Er ließ erst los, als der Untote verging. Connor Baigent genoss den Triumph nicht. Es mochte noch einer oder gar zwei dieser Kreaturen herumlaufen. Die galt es zu erledigen und dann würde er verschwinden.
Vorsichtig verließ er das Zimmer und schlich den Gang entlang. Noch vor der Treppe bog er ab und nahm den Dienstbotenaufgang, den James so oft genommen hatte, um Christine und ihm diesen oder jenen Dienst zu erweisen. Diese Treppe führte direkt in die Küche und die angrenzende Pantry. Das Reich des Butlers.
Connor Baigent betrat die Küche angespannt. Seinen Behelfspflock hielt er angriffsbereit. Aber die Küche war leer. Allerdings konnte er aus der Pantry Geräusche hören.
James war es nicht, der war mit Christine entkommen. Es musste einer aus der Tepescu-Sippe sein. Connor suchte Deckung hinter dem Küchenschrank und wartete geduldig.
Dann öffnete sich die Tür und der Vampir sah aus dem Fenster. Das war der Moment, wo Connor sich aus seinem Versteck löste. Er stürzte heran, aber nicht lautlos genug. Der Vampir hörte ihn und wirbelte herum. Doch Connor warf sich nach vorne und rammte das Stuhlbein in den Körper des Untoten. Ein Schrei löste sich aus dessen Kehle und er verging wie acht seiner Sippenbrüder vor ihm.
Connor kam sofort wieder auf die Füße und nahm den Pflock an sich, den er aus dem zu Staub zerfallenden Körper des Vampirs ohne Mühe herauszog. Vom Flur zur Halle hörte er, wie sich schnelle Schritte der Küchentür näherten. Connor Baigent gelang es nicht rechtzeitig, Deckung zu suchen und noch einen Überraschungsangriff zu starten.
Der Vampir stieß wuchtig die Tür auf, fing die zurückfedernde Tür mit dem Arm ab und stand Connor Baigent gegenüber.
"Hab ich dich!", entfuhr es Geschöpf der Nacht. "Elena erwartet dich."
Erst jetzt fiel sein Blick auf Connor Baigents Waffe, das zugespitzte Stuhlbein. Das Gesicht des Vampirs verzog sich zu einem Lächeln. Dann spürte Connor Baigent wie durch einen Filter den Ruf des Vampirs. Die suggestiven Kräfte begannen zu wirken, aber nicht so, dass er wirklich in die Gewalt des anderen geriet.
Das bemerkte der Tepescu nicht. Langsam kam er näher, hielt ihm seine rechte Hand offen entgegen, um Connor aufzufordern, ihm den Pflock zu geben. Der ehemalige Hüter verspürte unterschwellig den Wunsch, dem nachzugeben. Er riss sich zusammen und ließ den Vampir herankommen. Als er nah genug war, stürzte er vor und rammte dem siegesgewissen Vampir, den Pflock ins Herz.
Connor war auf Handspannenabstand an das Gesicht des ebenso großen Vampirs heran. Er konnte aus nächster Nähe sehen, wie der Triumph in dessen Gesicht verflog und unendlicher Überraschung und den Schmerz über sein Vergehen wich.
"Die Tepescu kann lange warten", waren die letzten Worte, die der Vampir hörte.
Cresmonia Gwscore hatte sich gefangen. Die Tränen trockneten. Die Trauer, das Entsetzen, die Überraschung und die Enttäuschung über das unerwartete Wiedersehen waren der Wut und dem Wunsch nach Rache gewichen. Diese wollte, so eine alte Weisheit, kalt genossen werden.
Genau das hatte Cresmonia vor. Mark Larsen würde für das bluten, was er ihr angetan hatte. Er würde von ihr reichlich Gelegenheit zur Reue erhalten, bis sie ihn von seinen Qualen erlöste.
Sie hatte eigentlich nur ein Spiel zu ihrem eigenen Vergnügen mit dem Orden, den Tepescus und dem Hüter spielen wollen und sehen, wohin es sie führte. Und nun war sie gefangen in ihren eigenen Intrigen. Gefesselt von ihren eigenen Gefühlen, die sie längst begraben geglaubt hatte. Aber so sehr sie sonst mit den Männern der Welt gespielt hatte, Pharaonen, Cäsaren, Könige und Kaiser waren darunter, so sehr hatte Mark Larsen sie verletzt. Er war für sie mehr als ein Spiel gewesen. Sie war sich selbst ausgeliefert, so unvorbereitet hatte sie die Begegnung hier auf einem Flugfeld mitten in der Provinz getroffen.
Mit brennenden Augen lauschte sie, was Mark zu sagen hatte. Der Schatz hatte gerade gefragt, wo das neue Versteck sein würde. Gespannt lauschte die Hexe, was Mark antworten würde. Dort würde sie ihn, der sie verschmäht hatte, stellen, den Schatz vor seinen Augen töten und ihn dann zu ihrem Sklaven machen, im vollen Bewusstsein, dass er versagt hatte.
"Das sage ich dir noch nicht", antwortete Mark zur grenzenlosen Überraschung Cresmonias. "Es ist eine Überraschung."
Was war los? Warum redete er nicht? Der Butler und der bärtige Ältere waren ebenfalls überrascht. Doch gleich darauf sagte der Alte etwas völlig Belangloses.
Was, beim Lichtbringer, geht da vor? dachte Cresmonia Gwscore. Ein nie gekannter Jähzorn erwachte in ihr. Jetzt, jetzt musste sie die Entscheidung herbeiführen. Der Bärtige und der Butler waren kein Hindernis. Aber was Mark Larsen, der Schuft, konnte, das wusste sie. Er war der gefährliche Gegner, den sie erledigen musste.
Die Entscheidung fiel. Jetzt mussten der Hüter und der Schatz sterben, denn Mark hatte offensichtlich etwas von ihrer Gegenwart bemerkt. Bevor der schlaue Fuchs entkommen konnte, musste die Entscheidung fallen. Mark Larsen war aus Verliesen entwichen, hatte dem Stellvertreter des Teufels auf Erden getrotzt und ihn überlistet, hatte den Löwen in der Arena getrotzt, Modred gestellt und vieles mehr überstanden. Er war eine Ratte, die sich überall herauswinden konnte. Damit musste Schluss sein. Ein für alle Mal.
Dann war ihr Spiel mit den Menschen eben zu Ende und Luzifer würde sein irdisches Reich bekommen. Immerhin würde ihr das höchste Ehren bringen.
Braut des Teufels, dachte sie. Eine Ehre, die Elena Tepescu zu gern zuteil geworden wäre. Aber nun würde sie selbst sie sich nehmen. Ich, Luzifers Weib? Warum nicht? Wenn der eine sie verschmähte, würde der andere sie bekommen. Es war besser, als diesen Bastard noch einmal davon kommen zu lassen. Das durfte nicht geschehen.
Da! Sie wandten sich alle dem BMW zu. Wollten verschwinden. Das würde die Hexe zu verhindern wissen. Fünf Leichen würde man am Morgen auf dem Flugfeld finden.
Cresmonia sammelte ihre Kräfte, nahm ihren Besen zwischen die nackten Schenkel und schwang sich in die Lüfte empor. Hoch und immer höher stieg sie, lieferte sich dem Rausch des Fliegens aus, genoss das Hochgefühl und doch blieb es diesmal schal wie altes Bier, denn da war der Schmerz, der unter ihrer Oberfläche schwärte wie eine eiternde Wunde.
Dann nach fast tausend Metern stieß sie herab wie ein Sturzkampfbomber. Ihre Lippen murmelten unablässig einen Zauber, sie spürte wie ihr ganzer Körper zu kribbeln begann. Sie sammelte all ihre magische Energie, um sie mit einem Schlag frei zu lassen. Ein Blitz verließ ihre Hand und zielte auf den Schatz. Dazu stieß die Hexe ein irres Lachen aus, das über das Flugfeld hallte. Der Zauber verstärkte ihre Stimme wie Donner.
Beides hagelte auf die Menschen herab.
Cresmonia folgte dem Blitz und sah wie Mark Larsen den Schatz packte und sich mit ihm im Arm zur Seit warf. Beide schlugen hart auf, aber der Blitz fuhr wirkungslos in den Boden.
Cresmonia drehte einen waghalsigen Looping und sammelte erneut ihre Kraft. Ein wilder, unartikulierter, animalischer Schrei begleitete den nächsten Blitz, aber wieder reagierte Mark Larsen rein intuitiv und hatte sich mit dem Schatz im Arm in den vermeintlichen Schutz des Flugzeugs gerollt.
Der Asphalt kochte, wo der Blitz der Hexe eingeschlagen war. Cresmonias enttäuschter Ausruf hallte über das Flugfeld und sie warf ihren Besen herum. Sie flog eine lange Kurve und senkte dabei die Flughöhe. Sie raste fast auf Erdhöhe auf der dem Hangar abgewandten Seite auf den Learjet zu.
"Larsen, du bist mein. Stirb jetzt!", rief sie voller Zorn und Hass. "Verfluchter Hund!"
Sie sammelte all ihre Kräfte und ein letzter gewaltiger Blitz raste auf die fünf Menschen unter dem Flugzeug zu. Die Gwscore donnerte mit ihrem Lachen hinterher, wollte sehen, wie der Blitz fünf Menschen zugleich tötete. Kaum hatte der Blitz ihre Hand verlassen, verästelte er sich, wob ein gnadenloses, tödliches Netz, dem Larsen, der Schatz und die anderen drei nicht entkommen konnten.
Triumphierend lachte die Hexe.
Luzifer komm, deine Braut erwartet dich!, schoss es ihr durch den Kopf.
Mark hatte rein instinktiv gespürt, dass Gefahr in Verzug war und reagiert. Reflexartig hatte er Christine gepackt und sie mit sich zu Boden gerissen. Christine hatte prächtig mitgemacht. Entweder es lag in ihrer Natur, sich ihrem Hüter hinzugeben, oder sie hatte es sich antrainiert. Es war egal, aber sie überließ sich voll seiner Führung, so dass beide den vermeintlichen Schutz des Flugzeugs erreicht hatten.
Doch der Hangar war zu weit weg. Der BMW war eine Faradayscher Käfig, aber die Blitze der Hexe waren keine normalen Entladungen. Ob der BMW da Schutz oder Gefängnis war, vermochte Mark nicht zu sagen. Der Wald war völlig außer Reichweite.
Die Hexe war wieder herangebraust. Ihr Lachen und Geschrei war zum Wahnsinnigwerden. Als der mächtige, sich wie ein gewaltiges Netz verästelnde Blitz auf sie zukam, wie in Zeitlupe, gefolgt von der Hexe auf dem Besen, wusste er, dass es zuende war. Er scheiterte, bevor er begonnen hatte.
Wie ein Lebewesen kroch der Blitz auf sie zu. Keine Chance mehr.
AUS! dachte Mark. Das wars!
"Larsen, du bist mein. Stirb jetzt!", hörte Mark ihre Stimme voller Zorn und Hass. "Verfluchter Hund!"
Woher kannte sie ihn? Wer war die Hexe auf dem Besen? Diese Fragen würde er mit ins Grab nehmen müssen, ohne eine Antwort darauf zu erhalten. Christine klammerte sich an ihn. Ihre Augen waren vor Entsetzen und Todesangst geweitet. Sie sah ihn an. Kurz erwiderte Mark den Blick.
Tu was! schien sie zu sagen. Rette mich. Du bist der Hüter!
Aber Mark wusste nicht, was er tun sollte. Ihm fiel nichts ein. Alles lief ab wie in Zeitlupe. Jede Einzelheit ging ihm ein, aber es gab kein Entkommen.
Neben ihm bewegte sich etwas. Hinnerk hatte sich erhoben. Plötzlich stand er, Mark wusste nicht wie, neben dem Flugzeug und ging dem Blitz entgegen, der sich immer weiterverästelte. Es war, als würde ein Käfig entstehen, bevor er sich über ihnen entlud.
Die Hexe raste darüber hinweg und schlug wieder einen Bogen. Ein weiterer Blitz verließ ihre Hand und der würde die Vernichtung komplett machen.
Hinnerk murmelte etwas vor sich hin, aber Mark verstand kein Wort. Immer nur Fetzen von Silben drangen zwischen dem triumphierenden, hasserfüllten Lachen der Hexe an sein Ohr, aber all das ergab keinen Sinn. Für Mark war das Gibberish, völlig sinnlos aneinander gereihte Silben. Dann spreizte Hinnerk die Arme und schrie etwas völlig Unverständliches in einer Sprache, die wohl nie auf der Erde gesprochen worden war, so zumindest schien es Mark und beide Blitze verglühten wie eine Wunderkerze an Sylvester. Dabei wirkte Hinnerk beinahe majestätisch, völlig unirdisch, wie ein Zauberer aus einer längst vergangenen Zeit.
Ein wilder Schrei voller Wut und Enttäuschung aus dem Himmel war die Antwort.
Hinnerk murmelte weiter Worte und Silben dieser unbekannten Sprache vor sich hin. Dann entließ er seinen nächsten Zauber.
"Du Hund!", tönte es von oben. "Dich kriege ich auch!"
Erst konnte man nicht sehen, was er getan hatte. Dann aber wurde es klar. Die Hexe konnte ihren Besen nicht mehr kontrollieren. Sie versuchte gegenzusteuern, schaffte es zunächst auch, aber dann begann der Besen zu taumeln, hob sich in die Höhe und trudelte in westlicher Richtung davon. Egal was die Hexe unternahm, sie konnte nicht verhindern, dass sie davon getrieben wurde wie ein loses Blatt im Herbststurm.
"Ich komme wieder, Larsen! Und dann stirbst du!", war das Letzte, was sie von der Angreiferin hörten.
Sie saßen in der warmen Frühlingssonne auf einer Bank und hölzernen Gartenstühlen in einem gepflegten Garten vor einem Fachwerkhaus in Hüll, einem kleinen Ort, fast schon einer Art Wurmfortsatz der Gemeinde Drochtersen im Landkreis Stade an der Grenze zum Landkreis Cuxhaven.
Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee mit einer Prise Zimt stieg Mark in die Nase und ließ ihn die Sonne noch mehr genießen. Als er den ersten Schluck des außergewöhnlich starken Gebräus getrunken hatte, vertrieb er fast augenblicklich die Müdigkeit. Er setzte noch einmal an und blickte sinnend in die Tasse.
Hinnerk, Algernon und Christine ging es ähnlich. Auch sie tranken den von James bereiteten Kaffee. Der Butler hatte befunden, dass das Wasser sich zur Bereitung von Tee nicht eignete und statt dessen auf die frisch gemahlene Bohne gesetzt.
Hinnerk hatte ihm empfohlen, dass er Wasser aus Ostfriesland kommen lassen müsste, um Tee machen zu können. Das war kalkfrei, während in dieser Gegend das Wasser davon durchsetzt war, was es nur zur Zubereitung von Kaffee geeignet machte. James hatte sofort eine entsprechende Notiz gefertigt, auf dass er bald wieder trinkbaren Tee aus den ehemaligen Kolonien auf dem Subkontinent Indien, statt des schwarzen Gebräus servieren konnte. Und wenn es nur für ihn selbst war. Deutschland (mit Ausnahme Ostfrieslands), hatte der Butler für sich befunden, war ein so kulturloses Land.
Aus dem geöffneten Küchenfenster drang der Geruch von Bauernfrühstück, dessen Zubereitung Mark empfohlen hatte. Die Bratkartoffeln, der Speck und die Eier brieten vor sich hin. James hatte noch ein paar Bratwürste im Gefrierschrank gefunden, die er zusätzlich briet, um dem Ganzen eine englische Note zu geben. Nieren hatte er leider nicht gefunden, aber sie hatten unterwegs gehalten und frisches Brot und Brötchen gekauft. James liebte deutsches Schwarzbrot und hatte verkündete, dass noch Hoffnung für dies Land bestand, der Barbarei zu entkommen. Schwarzbrot gab es in Form von Pumpernickel in der Feinkostabteilung von Harrods nur für einen horrenden Preis zu kaufen.
Als das Frühstück fertig war, brachte James es heraus (für das Servieren und Zubereiten hatte er sich jegliche Hilfe verbeten). Kurz darauf aßen alle voller Appetit. Jeder von ihnen merkte erst jetzt, da alle Anspannung abgefallen war, wie hungrig sie waren.
Mark Larsen aß seine gewaltige Portion Bauernfrühstück und dachte daran, wie sie hierher gekommen waren. Als die Hexe von Hinnerks Zauber davon geweht wurde, hatten sie alle durchgeatmet. Mark hatte bemerkt, dass seine Hand unkontrolliert gezittert hatte. Sein Körper reagierte, nun da die Gefahr vorüber war. Christine hatte ihn in den Arm genommen, sich dann erhoben und Hinnerk, ihrem Retter, mit einer Umarmung wortlos gedankt.
"Wie hast du das gemacht?", hatte Mark den Bärtigen gefragt. "Das war unglaublich. Wer bist du?"
Hinnerk hatte ihn angesehen, als würde er erst nach und nach aus einer anderen Welt zurückkehren, als hätte er den Sinn der Frage nicht verstanden. Dann hatte er sein breites ansteckendes Lächeln gelächelt und fiel in den Akzent zurück, den er benutzt hatte, als er das Zeltlager der Kinder betreut hatte.
"Jo mien Jung. Dat will ick di vertellen, wie ich dat mookt heb, ook wenn du dat nicht verstehen tust", und war dann ansatzlos zum akzentfreien Hochdeutsch gewechselt. "Wer ich bin? Das ist nicht so ganz einfach. Sagen wir einfach, ich bin ein alter Mann, der ein paar Tricks beherrscht, die manchmal nützlich sein können."
"Kommen sie näher!", entgegnete der zweite Wachposten.
"Danke", entgegnete der Mann und trat ins Licht, das aus dem Torhaus drang. Er näherte sich langsam und humpelte ein wenig. Er trug einen schwarzen, modern geschnittenen Einreiher, dazu ein ebenfalls schwarzes Hemd und eine rote Krawatte. Sein Gesicht war ein wenig blass.
"Was ist mit Ihnen?", fragte der erste Wachmann.
"Nur gestolpert. Bin dabei umgeknickt", entgegnete der sich Nähernde.
Die beiden Wachleute gingen ihm entgegen. Kaum waren sie in Höhe der Hecke, die die Auffahrt bis zum Tor säumte, wurde diese lebendig. Noch bevor die Wachleute wussten, wie ihnen geschah, stürzte sich ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Gestalten mit bleichen Gesichtern auf sie.
Die Wachleute fühlten sich von eiskalten Händen mit großer Kraft zu Boden gedrückt. Eine schlanke Gestalt drängte sich vor. Die roten Haare fielen in das Gesicht, als sie sich über den Wachmann beugte. Dann schlugen sich spitze Augenzähne in den Hals des ersten Wachmanns. Sein Kollege beobachtete dies, wollte sich befreien, wurde aber von Griffen wie Stahlklammern zu Boden gedrückt. Dann beugte sich auch jemand über ihn und er spürte ein Stechen am Hals.
Die Firma der beiden Wachleute gehörte zu einem Orden, dessen volle Bedeutung ihnen verschlossen geblieben war. Aber jetzt starben sie für ihn. Sie waren noch nicht einmal dazu gekommen, sich zu wundern, warum die Bannkreise und magischen Fallen sie nicht schützten, so schnell war alles gegangen.
Dann: Ein Schauder, ein nie gekanntes Gefühl durchfuhr sie und erregte sie auf eigentümliche Weise. Das Leben wurde aus ihnen heraus gesogen und sie empfanden es als Lust, als Vergnügen. Bittere Süße, derer sie sich nicht bewusst wurden. Ihre letzten Eindrücke dieser Welt waren voll Verzückung.
Als der letzte Tropfen Lebenssaft aus ihren Körpern gesogen war, erhob sich die Gestalt, die als erste zugebissen hatte.
Es war eine Frau. Rote Haare umrahmten ein Gesicht mit hoch angesetzten Wangenknochen. Ihr knabenhafter Körper wirkte geschmeidig und kraftvoll. Die Eingeweihten hätten sie sofort erkannt. Elena Dracul, Oberhaupt der Sippe Tepescus, war seit gut einem Jahrhundert der Schrecken und die Erfüllung vieler Männer gewesen.
Ihr untotes Dasein hatte sie der Jagd nach einem ganz bestimmten Schatz gewidmet. Es ging die Sage von einem Blutschwur, den sie in der Walpurgisnacht des Jahres 1900 geleistet hatte: nicht eher zu ruhen, bis sie das Blut des Schatzes getrunken hatte.
"Weiter jetzt. Auf zum Schatz", sagte sie mit einer tiefen, verführerischen, befehlsgewohnten Stimme.
Und sie ging als erstes völlig unbeschadet durch das Tor. Die Bannkreise schienen keine Wirkung auf sie zu haben. Elena Dracul erzitterte innerlich. Es war also keine Falle. Ihr Blick fiel auf die Zeichen. Nur das geübte Auge konnte sehen, dass die Bannzeichen unbrauchbar waren, zerstört durch winzige Handgriffe. Sabotage. Sabotage eines Verbündeten. Sabotage eines Verräters. Elena ging es wie anderen, die vom Verrat profitiert hatten. Sie liebte den Verrat, aber sie hasste den Verräter.
Wie sein Blut wohl schmecken wird? fragte sie sich.
Die Meute folgte ihrer Herrin.
"Da sind sie", sagte der Mann und seine Stimme klang tief erschüttert, als erkenne er erst jetzt die ganze Tragweite des Geschehens. Sein kantiges Gesicht unterstrich diesen Eindruck noch. In dem Moment, in dem er sie durch den schmalen Schlitz im Vorhang erspähte, wusste er, dass es zuende war. In der nahezu dunklen Bibliothek verhärtete sich sein Gesicht. Zorn, Kummer, Sorge und Entsetzen zeichneten sich ab.
Sollte hier und jetzt alles enden, was vor mehr als zweitausend Jahren begonnen hatte und dessen Wurzeln bis zum Anbeginn aller Tage zurückreichten? Sollte das Böse, das Finstere, den Sieg davon tragen? Das darf es nicht! schoss es ihm durch den Kopf und er schloss für einen Moment die Augen. Jetzt nicht und auf ewig nicht.
Gerade erst hatte er erkannt, dass sie kamen. Fast hätte er noch gezweifelt, aber die Kameras, Triumph der Technik, hatten es ihm gezeigt. Die beiden Wachen, treue Diener des Schatzes, tot, blutleer und bleich lagen sie am Tor. Die Bannkreise offensichtlich unbrauchbar gemacht, zerstört von Verräterhand. Die Druidenfüße nur ein klein wenig verwischt.
Wirkungslos!
Und mit einem Seitenblick auf die Monitore erkannte er die Wahrheit. Was er mit bloßem Auge sehen konnte, gab es auf den Schirmen nicht. So war es vermutlich auch mit dem Haus. Auch hier dürften die Bannzeichen unbrauchbar sein. Es gab zu viele von ihnen, um sie jetzt noch zu überprüfen und wieder in Stand zu setzen.
Sinnlose Arbeit. Eines Sisyphus würdig.
Er war abgeschnitten, das Telefon tot, das Mobile hatte kein Netz und der Orden weit weg. Keine Gelegenheit mehr, um Vorkehrungen zu treffen oder den Orden auf den anderen Wegen zu rufen. Er war fast auf sich allein gestellt. Der einzige, auf den er sich noch verlassen konnte, war James. Er zog die Kordel, die zu dieser nachtschlafenden Zeit in der Pantry eine Klingel auslöste.
Der Mann am Fenster war an die fünfzig Jahre hatte dunkle Augen, gepflegtes, schulterlanges, volles aber schon ergrautes Haar. Seine breiten Schultern und jede seiner Bewegungen verrieten, dass er auch in seinem Alter kaum jemanden fürchten musste. Er war ein grauer Wolf. Ein einsamer Jäger. Ein Kämpfer.
Er war der "Hüter".
Vor Jahren nannte man ihn Connor Baigent und in seinem Pass war dieser Name immer noch verzeichnet. Doch Connor Baigent war nur ein Name für Behörden und Außenstehende. Er war mehr als das. Vor nunmehr beinahe einem Vierteljahrhundert war eine Last auf seine Schultern gelegt worden, die er trug. In Kreisen der wenigen Eingeweihten nannte man ihn nur den "Hüter". Niemanden interessierte dort sein alter Name, denn mit der Aufgabe hatte er sein vorheriges Leben beendet und ein Neues begonnen. Ein Leben im Dienste des Schatzes, des Ordens und der Menschheit.
Sein Blick fiel in den Schlosspark und schien die Nacht zu durchbohren. Nur ein geübtes Auge sah die Schatten, die im Schutz der Bäume und der fast mondlosen Nacht sich dem Anwesen näherten, wo der wichtigste Schatz der Welt verwahrt wurde. Ganz in Schwarz schlichen sie heran. Nur ihre bleichen Gesichter verrieten die Ungeheuer.
Kreaturen der Nacht waren sie; hatten sich eingenistet in den Nischen der Welt. Sie konnten nicht herrschen, solange ihre Füße auf der Welt wandelten.
Aber jetzt wähnten sie sich am Ziel. Der Schatz war gefunden und würde ausgelöscht werden. Nur der Hüter stand aus ihrer Sicht noch zwischen ihnen und ihrer so sehr ersehnten Beute. Es mochte allein ein Dutzend sein, das sich durch den Park heranschlich. Und über die Klippen dürften es noch mal so viele sein, wie er vermutete. Sie wollten die Beute, die die Kreaturen der Nacht seit zweitausend Jahren erlegen wollten, um ihre Herrschaft über die Welt zu errichten.
Zeit der Finsternis. Ende der Welt.
Aber gegen diese Übermacht, die sich um das Haus herum zum Sturm rüstete, würde der Hüter nichts ausrichten können. Ein paar würde er mitnehmen, aber die Übermacht würde ausreichen. Der Sieg war ihrer und das wussten sie. Und der Hüter wusste es auch.
Welche der Sippen des Volkes der Nacht war es, die da kam? Die Tepescus? Die Valentini aus Florenz? Letztlich konnte es ihm egal sein, wer da kam. Er würde nicht mehr erleben, welche Belohnung der Herr der Hölle für sie bereithielt.
Der Mann spürte mehr als er hörte, wie hinter ihm die Tür geöffnet wurde und das riss ihn aus seinen Gedanken. Die Schritte des Eintretenden wurde von dem dicken Teppich geschluckt.
"Sir", sagte eine unaufdringliche, leise Stimme. "Was kann ich für sie tun? Eine Tasse erhitzte Milch mit Honig oder ein anderer Schlummertrunk vielleicht?"
Wobei der Mann auf die Bar deutete, um zwei Finger breit des gewohnten Islay Single Malt einzuschenken, dessen Farbe wie die des Torfes war, über dem die Gerste gemälzt wurde, dessen Aroma die raue Landschaft der Insel in der irischen See spiegelte und dessen Geschmack wie die Seele der Welt war. "Wasser des Lebens" hatten es die Kelten getauft.
Der diese Frage stellte, war der Butler des Hauses. Ein in jeder Hinsicht perfekt geschulter Mann. Er sah aus wie etwas über die vierzig, hoch gewachsen und sehnig wie eine Gerte. Sein dunkles Haar perfekt gescheitelt, im schmalen Gesicht mit der kleinen Nase entging seinem aufmerksamen Blick nichts. Bis auf die Augen war seine Miene professionell ausdruckslos. Seine feingliedrige Linke ruhte noch auf der Klinke der Tür.
Er trug seine Livree mit Stolz. Seine Familie diente dem Schatz und seinen Hütern seit Generationen, länger als die Menschen zurückdenken konnten.
"James", die Stimme des Hüters klang angespannt, "nehmen Sie Christine und bringen Sie sie durch den Tunnel um jeden, wirklich jeden, Preis fort. Aber vorher schicken Sie mir, ohne ein Wort über Ihren Auftrag zu sagen, Jacques herein."
"Sehr wohl, mein Herr", antwortete James, der nie eine Order in Frage stellen würde. "Wird Gepäck benötigt?"
"Kein Gepäck. Sie sind da!"
Der diese Frage stellte, war der Butler des Hauses. Ein in jeder Hinsicht perfekt geschulter Mann. Er sah aus wie etwas über die vierzig, hoch gewachsen und sehnig wie eine Gerte. Sein dunkles Haar perfekt gescheitelt, im schmalen Gesicht mit der kleinen Nase entging seinem aufmerksamen Blick nichts. Bis auf die Augen war seine Miene professionell ausdruckslos. Seine feingliedrige Linke ruhte noch auf der Klinke der Tür.
Er trug seine Livree mit Stolz. Seine Familie diente dem Schatz und seinen Hütern seit Generationen, länger als die Menschen zurückdenken konnten.
"James", die Stimme des Hüters klang angespannt, "nehmen Sie Christine und bringen Sie sie durch den Tunnel um jeden, wirklich jeden, Preis fort. Aber vorher schicken Sie mir, ohne ein Wort über Ihren Auftrag zu sagen, Jacques herein."
"Sehr wohl, mein Herr", antwortete James, der nie eine Order in Frage stellen würde. "Wird Gepäck benötigt?"
"Kein Gepäck. Sie sind da!"
Die Ruhe des Butlers, die äußerlich durch nichts zu erschüttern war, färbte auf den Hüter ab, der gelassener und weniger angespannt wirkte, gar abgeklärt mit sich und der Welt im Reinen schien. "Der Rover ist noch da?"
Connor Baigent, der Hüter, fragte nicht, wohin James Christine bringen würde und der Butler sagte es nicht. Was der Hüter nicht wusste, konnte er nicht verraten.
"Selbstverständlich", sagte der Butler ohne eine Spur Aufgeregtheit. "Erst gestern in der früh hatte ich das Vergnügen, ihn auf seine Funktionstüchtigkeit zu prüfen und ihn einer inneren und äußeren Reinigung zu unterziehen, wie auch das Öl zu wechseln. Darüber hinaus weiß außer Ihnen und mir keiner um das Fahrzeug, nicht einmal die Behütete. So denke ich vermelden zu können, er befindet sich perfekten Zustand, dort wo er sein sollte."
Der Hüter nickte zufrieden.
"Gehen sie jetzt. Sie werden auf sich allein gestellt sein", verabschiedete sich der Hüter. Beide wussten, es war ein Abschied für immer. "Unterrichten sie den Orden."
Der Butler verneigte sich und zog sich ohne sichtbare Hast zurück. Noch bevor die Tür so lautlos schloss, wie er sie geöffnet hatte, wandte er sich noch kurz um. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: "Es war eine Ehre, Ihnen zu Diensten zu sein, Sir."
James wartete die Antwort nicht ab, sondern schloss die Tür ohne spürbare Eile hinter sich. Er wusste, was zu tun war.
Connor Baigent nickte, als sich die Tür schloss und sein Blick blieb noch einen Moment daran hängen. Der Hüter wusste, der Butler war einer der ihren, und auf ihn war immer Verlass. James würde Christine in Sicherheit bringen, daran ließ er keinen Zweifel in sich selbst aufkommen, denn das durfte er nicht zulassen. Sein Weg aber, der führte ins Nichts. Er war der Köder in der Tigerfalle. Er war derjenige, der die Zeit für James und Christine erkaufen musste und der Preis dafür war sein Leben.
Jetzt war der Judas dran. Einer war es immer. Wenns auch nicht jedes Mal dreißig Silberlinge sind, dachte er voller Zynismus. Im Gegenteil, im Laufe der Zeit war die Bezahlung deutlich gestiegen. Inflationäre Tendenzen, schoss es ihm durch den Kopf und der Hüter wusste: Es war Galgenhumor.
Connor Baigent, der Hüter, fragte nicht, wohin James Christine bringen würde und der Butler sagte es nicht. Was der Hüter nicht wusste, konnte er nicht verraten.
"Selbstverständlich", sagte der Butler ohne eine Spur Aufgeregtheit. "Erst gestern in der früh hatte ich das Vergnügen, ihn auf seine Funktionstüchtigkeit zu prüfen und ihn einer inneren und äußeren Reinigung zu unterziehen, wie auch das Öl zu wechseln. Darüber hinaus weiß außer Ihnen und mir keiner um das Fahrzeug, nicht einmal die Behütete. So denke ich vermelden zu können, er befindet sich perfekten Zustand, dort wo er sein sollte."
Der Hüter nickte zufrieden.
"Gehen sie jetzt. Sie werden auf sich allein gestellt sein", verabschiedete sich der Hüter. Beide wussten, es war ein Abschied für immer. "Unterrichten sie den Orden."
Der Butler verneigte sich und zog sich ohne sichtbare Hast zurück. Noch bevor die Tür so lautlos schloss, wie er sie geöffnet hatte, wandte er sich noch kurz um. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: "Es war eine Ehre, Ihnen zu Diensten zu sein, Sir."
James wartete die Antwort nicht ab, sondern schloss die Tür ohne spürbare Eile hinter sich. Er wusste, was zu tun war.
Connor Baigent nickte, als sich die Tür schloss und sein Blick blieb noch einen Moment daran hängen. Der Hüter wusste, der Butler war einer der ihren, und auf ihn war immer Verlass. James würde Christine in Sicherheit bringen, daran ließ er keinen Zweifel in sich selbst aufkommen, denn das durfte er nicht zulassen. Sein Weg aber, der führte ins Nichts. Er war der Köder in der Tigerfalle. Er war derjenige, der die Zeit für James und Christine erkaufen musste und der Preis dafür war sein Leben.
Jetzt war der Judas dran. Einer war es immer. Wenns auch nicht jedes Mal dreißig Silberlinge sind, dachte er voller Zynismus. Im Gegenteil, im Laufe der Zeit war die Bezahlung deutlich gestiegen. Inflationäre Tendenzen, schoss es ihm durch den Kopf und der Hüter wusste: Es war Galgenhumor.
"Und ich hatte nicht einmal eine Henkersmahlzeit", sagte er halblaut vor sich hin, ehe er wieder aus dem Fenster spähte, um den Vormarsch der Vampire im Auge zu behalten. Die dunklen Verführer. Kinder der Nacht. Untote Diener der Finsternis und der Macht dahinter.
Immer noch ahnte er ihre Schatten, sie verschmolzen fast perfekt mit der Nacht, deren Kinder sie waren. Ob es das war, was ihnen als Belohnung winkte, dachte er, wieder am Tag über die Welt zu wandeln, die Sonne zu spüren, das Grün der Bäume und das Blau des Meeres zu sehen. Er würde es sich wünschen, wenn er sie wäre.
Tief sog er den Atem ein. Wo blieb nur Jacques, den James doch schicken sollte? Er verließ seinen Beobachtungspunkt am Fenster, sah zu Tür hinüber und wollte hinüber gehen, als ein Schrei die Stille des Hauses zerriss.
Unter Tausenden hätte er die Stimme erkannt.
Christine!
Immer noch ahnte er ihre Schatten, sie verschmolzen fast perfekt mit der Nacht, deren Kinder sie waren. Ob es das war, was ihnen als Belohnung winkte, dachte er, wieder am Tag über die Welt zu wandeln, die Sonne zu spüren, das Grün der Bäume und das Blau des Meeres zu sehen. Er würde es sich wünschen, wenn er sie wäre.
Tief sog er den Atem ein. Wo blieb nur Jacques, den James doch schicken sollte? Er verließ seinen Beobachtungspunkt am Fenster, sah zu Tür hinüber und wollte hinüber gehen, als ein Schrei die Stille des Hauses zerriss.
Unter Tausenden hätte er die Stimme erkannt.
Christine!
Dr. Mark Larsen starrte über das Lagerfeuer hinweg in die erwartungsvollen Gesichter. Der knapp dreißigjährige Anthropologe leitete ein Projekt des Völkerkundemuseums Hamburg, das Kindern den Volks- und Aberglauben an Geister, Vampire und andere Wesen der Phantasie näher bringen sollte, ohne dabei Angst zu schüren.
Der junge Akademiker war knapp über eins neunzig, sein blondes Haar war kaum zu bändigen und seine markanten Gesichtszüge und sein kräftiger Körperbau wiesen ihn als jemanden aus, der gern in der Natur unterwegs war und Sport trieb.
Sie waren mit dem Elbe City Jet für ein Wochenende auf den Campingplatz auf die Elbinsel Krautsand gefahren. Ein Dutzend Kinder, zwei Studenten, Thea und Christof, und er, der frisch gebackene Doktor der Anthropologie.
Bisher hatten sie alle, selbst die Studenten, viel Spaß gehabt. Mark vermutete allerdings, dass Thea und Christof in ihrem Zelt nicht nur Schach miteinander spielten, aber das blieb ihnen überlassen, solange sie den Kindern weder per Schatten- oder Hörspiel Nachhilfe in Biologie gaben.
Mark empfand es keineswegs unter seiner Würde, statt Studenten Vorlesungen über den Volksglauben zu geben, Kindern dieses Gedankengut näher zu bringen. Statt Quellen auszuwerten, langwierige wissenschaftliche Referate zu hören, ging es hier um einen direkteren Zugang zum Mythos des Übernatürlichen. Deswegen hatte er die vom Museum ausgeschriebene Stelle angenommen und sich an der Uni auf die Forschung spezialisiert. Sein Spezialgebiet war der Glaube an den Vampirismus und die Lykanthropie. Geister und Gespenster hatten ihn nie sonderlich interessiert. Es waren die handfesteren Wesen, die seine Aufmerksamkeit fanden.
Aber irgendwann würde er habilitieren und sich Professor Mark Larsen nennen. Er schmunzelte selbst bei diesem Gedanken, dann Studenten Volksglaube und Mythen näher zu bringen. Ein Seminar "Der Dracula-Mythos im 21. Jahrhundert" oder "Lykantropen der Moderne" schwebte ihm vor. Er würde die Studenten langweilen und Noten geben. Der direkte, unmittelbare Zugang der Kinder war ihm wesentlich lieber.
Es wurden Geschichten am Lagerfeuer erzählt, gebastelt und Rollenspiele gemacht. An diesem Samstag ging nun die große Nachtwanderung mit Lagerfeuer am Elbestrand über die Bühne und die Kinder hatten ihren Spaß, garten Kartoffeln in der Glut, Würstchen an Stöcken in den Flammen, tranken Blutorangensaft und hatten einen Heidenspaß, sich mit ihren am Nachmittag erfundenen Geschichten über Vampire zu erschrecken und zu übertrumpfen.
Bei dem Termin Ende April hatte Mark Bedenken gehabt, aber das Wetter war schon durchweg warm und so lagen die warmen Sachen und die Regenmäntel alle in den Zelten und sie saßen fast durchweg mit dünnen Jacken und im T-Shirt am Feuer.
Ihr Betreuer von Seiten des Jugendheims war ein knorriger Einheimischer mit undefinierbaren Alter und dem Namen Hinnerk Lührs. Er hatte einen eisgrauen Vollbart und eine Halbglatze, die ein Elbsegler verdeckte. Die Mütze hatte er immer ein bisschen schief auf. Dazu trug er meist einen Buscherum, das Fischerhemd, eine derbe Cordhose und Stahlkappenschuhe. Hinnerk maß wohl eins neunzig und trug einen beeindruckenden Bauch vor sich her über den er immer sagte, dass tausend Schweine dafür sterben mussten.
Er hatte einen wirklich tollen Platz für das Feuer gewählt. Mitten in einer Lichtung eines Weidendickichts kaum fünfzig Meter von der Elbe entfernt. Wildromantisch war es hier. Ein passendes Ambiente, wenn man kein Gruselschloss zur Hand hatte. Dazu hörte man die Bugwellen der vorbeifahrenden Frachter, Kümos und Containerschiffe an den Strand schlagen.
Die Mondsichel am Himmel war schmal, kaum zu sehen. Und wenn sich vom Feuer entfernte, konnte man die Sterne gut erkennen. Das Licht des Feuers erhellte die lachende Kindergesichter, die einen Mordsspaß hatten. Viele von ihnen hatten sich in dunkle Umhänge gehüllt und die Scherzvampirgebisse behinderten so manchen beim Trinken.
Hinnerk hatte sich mit einer Flasche Bier an den Rand der Gruppe gesetzt und warf hier und da mal ein Scheit ins Feuer und hörte ansonsten aufmerksam zu, was sich die Lütten, wie er die Kinder nannte, so zu erzählen hatten. Von Zeit zu Zeit schmunzelte er über das, was die Kinder erzählten, als könne er all das nicht glauben.
Mark hatte den knorrigen Alten auf den ersten Blick gemocht. Lührs sagte nicht viel und wenn, hatte er einen Akzent, den Henry Vahl auf den Brettern des Ohnsorg Theaters nicht besser hinbekommen hatte, wenn er nicht gleich ins Plattdeutsche verfiel.
Mark machte das nichts aus, er war in Stade groß geworden und verstand die Sprache, wenn er sie auch nur unzureichend sprach.
"Oh je", hörte Mark Thea durch den Lärm der Kinder. "Ich kriege Herpes und habe keine Salbe dabei."
Ohne es zu wollen, schoss Mark ein Liedtext von Monty Python durch den Kopf. "Inflamation of my foreskin reminds me of your smile" und er grinste bei dem Gedanken.
"Bleib ruhig, mien Deern", meldete sich unerwartet Hinnerk zu Wort. "Da hebbt wi gliecks."
Der knorrige Alte winkte Thea zu sich heran und bedeute ihr, sich neben ihn auf den Baumstamm zu setzen. "Zeich mir das mal her", sagte er mit seinem breitem Akzent. "Ach Deern, dat is doch nich so schlimm. Still sitten und nix machen."
Dann legte Hinnerk seine Hand auf Theas Mund. Nein, er hielt sie knapp drüber und murmelte dabei etwas. Völlig fasziniert beobachtete Mark die Szene. Am Ende des Gemurmels schlug Hinnerk das Kreuzzeichen. Das wiederholte zwei weitere Male.
"Weg, das Kribbeln ist weg", entfuhr es Thea. "Unglaublich! Danke Hinnerk. Was bin ich dir schuldig?"
"Wat Du meenst", antwortete der Einheimische nur.
Thea gab ihm einen Kuss auf die Stirn und lächelte selig.
"Dat ist genug", meinte Hinnerk und lächelte. "Und morgen früh mokt wie dat nochmol."
Thea lachte und nickte. Dann wandte sie sich wieder dem Feuer zu und versuchte herauszufinden, ob ihre Kartoffel durch war. Sie war ein unkompliziertes, offenes Mädchen. Hinnerk hatte ihr geholfen. Sie wollte gar nicht wissen, wie.
Mark sah den Kehdinger interessiert an. Hinnerk war also einer, die Krankheiten besprachen und mittels Handauflegen heilten. Seine Mutter war auch mal bei einer Frau und hatte sich von der Gürtelrose in drei Wochen kurieren lassen. Eine Krankheit, für die Ärzte oft Monate brauchten und die Patienten große Schmerzen hatten. Seine Mutter war nach wenigen Tagen schmerzfrei gewesen.
Vielleicht war er sogar einer der legendären Spökenkieker, von denen behauptet wurde, sie vertrieben Geister aus Häusern und von Höfen. Oder wiesen Menschen mit dem bösen Blick in ihre Schranken.
"Wenn man dran glaubt", sagte Christof, "dann funktioniert so was."
Hinnerk lächelte. "Glaub du doch wat du willst", sagte er nur. "Wenn du dat meenst, dann wart dat all richtig ween."
Mark nahm sich vor, Hinnerk bei nächster Gelegenheit zum Studienobjekt zu machen. Es mochte sich lohnen. Wenige Studien gab es über das Besprechen von Krankheiten. Es wurde oft verlacht, aber in einem bestimmten Spektrum schien das Wunder zu wirken. Schulmediziner verlachten das oft, außer einige der alten, knorrigen Landärzten.
Der Abend hatte eine ganz und gar unerwartete Wendung genommen.
Der Schrei Christines gellte durchs Haus. Ohne Verzögerung rannte der Hüter zur Tür. Sie aufzureißen und hindurchzustürmen, war eine einzige Bewegung. Den Weg in ihr Zimmer fand er blind. Die elegant geschwungene Marmortreppe führte in den ersten Stock des schlossartigen Herrenhauses, das sich im 19, Jahrhundert ein reicher Adeliger an die Küste Südenglands hatte bauen lassen. Er nahm zwei Stufen auf einmal.
Den Flur entlang und schon stand er vor Christines Tür. Er stieß sie mit einer Wucht auf, dass sie zurückfederte und im selben Moment warf er sich in Deckung.
Mit einem Blick hatte er die Situation erfasst. Christine in der Gewalt des Chauffeurs aus Frankreich, James bewusstlos (oder tot?) am Boden. Jacques hielt einen großkalibrigen Revolver in der Hand, den er auf den Hüter richtete.
Er konnte das Mündungsfeuer sehen. Dann spürte er den heißen Hauch der Kugel, die über ihn hinwegfegte. Das Projektil schlug in die gegenüberliegende Wand ein.
"Komm nur rein", höhnte eine Stimme mit französischem Akzent, "und ich jage ihr gleich eine Kugel in den Kopf."
"Warum?" fragte Connor Baigent nur.
"Weil ihr die Wahrheit verdreht und die anderen besser zahlen", rief Jacques zurück. "Das Kostbarste schützen, aber einen Hungerlohn verdienen!"
Verfluchter Froschfresser! schoss es dem Hüter durch den Kopf. Für einen Chauffeur verdiente er außerordentlich gut. Nicht viele, die ihr Brot mit dem Fahren von Automobilen verdienten, bekamen soviel ausgezahlt. Aber hinter dem nächsten Hügel ist das Gras immer grüner und viele waren leicht in Versuchung zu führen. Allzu leicht. Immer wieder hatte es Verräter in ihren Reihen gegeben. Immer und immer wieder hatten aufrechte Seelen versucht, das Unheil zu verhindern und bis jetzt war es ihnen gelungen. Sollte er der erste sein, dem das misslang?
"Und jetzt?", fragte Connor, der Hüter. "Was passiert jetzt?"
"Wir warten", kam es aus Christines Zimmer. "dann kommt die Rettung."
"Die Verdammnis!", entfuhr es dem Hüter.
"Du lügst! Ewiges Leben und Reichtum sind nichts Verdammenswertes", entgegnete der Franzose. "Was habt ihr zu bieten?"
"Das eine haben sie dir versprochen, das andere bekommst du. Du bist nicht der erste Judas", konterte der Hüter. "Wir haben dir dein Seelenheil zu bieten."
"Ich bin kein Judas. Ich bin einer, der die Wahrheit erkannt hat. Und das wird mir mein Seelenheil bringen", sagte der Franzose voller Inbrunst.
Die Hölle wirst du ernten, dachte der Hüter, aber er sagte es nicht. Gerade wollte der Hüter antworten, als aus dem Zimmer Geräusche drangen.
Dann ein Schuss.
Dann Totenstille.
Connor blieb vor lauter Furcht fast das Herz stehen. Hatte Christine sich gewehrt? War sie tot? Es war, als würden seine Muskeln versagen. Der Hüter konnte sich nicht bewegen. Starr wartete er ab.
War sie tot, dann war alles verloren und ein Krieg würde beginnen, den die Menschheit nur verlieren konnte. Alle Hoffnung war dahin.
Die Tür öffnete sich leise.
"Es ist alles in Ordnung, darf ich erfreulicherweise vermelden", sagte James mit ausdrucksloser Butlermiene. "Es ist unverzeihlich von mir, dass es soweit kommen konnte. Aber, um das Offensichtliche zu erwähnen, er muss mir nachgeschlichen sein, hat mich überrascht und dann niedergeschlagen. Dabei ist er dann sehr nachlässig vorgegangen, sodass ich alsbald das Bewusstsein wiedererlangte und ihrer Unterhaltung mit dem Verräter folgen konnte."
James ließ außerordentliche Missbilligung für das Verhalten und Illoyalität des Chauffeurs durchblicken. Etwas, das ihm vollkommen fremd war.
"Ist Christine ...", der Hüter konnte es nicht aussprechen.
Bevor James antworten konnte, drängte sich das Mädchen an ihm vorbei und beugte sich zum Hüter hinab.
"Ist dir was passiert?" fragte sie.
Der Hüter schüttelte den Kopf. Er betrachtete seinen Schützling. So zart und zerbrechlich wirkte sie. All diese Last auf den zarten Schultern. Ihre großen, rehbraunen Augen sahen ihn an. Diesem Blick hatte er nie widerstehen können.
"Die unbeschwerten Tage sind vorbei, Sweetie", er benutzte ihren Kosenamen, den er ihr gegeben hatte, als sie vier war. "Du musst gehen. Schnell!"
"Du kommst nicht mit", erkannte Christine das Offensichtliche.
"Ich kann nicht", sagte der Hüter. Ich muss dir die Zeit erkämpfen zu entkommen. Es ist mein letzter Dienst für dich, dachte er, sagte aber: "Ich komme nach. Unsere Feinde sind da. James bringt dich weg und ich hole euch ein."
Der Hüter betrachtete das schmale Gesicht mit den großen Augen und den kurzen, braunen Haaren. Die Stupsnase hatte er immer besonders niedlich gefunden. Connor Baigent nahm das Gesicht seines Schützling in beide Hände. Er hatte sie geliebt, seit sie geboren wurde und ihre Mutter im Kindbett starb. Er hatte Vater und Mutter statt eingenommen. Gott, hatte er das geliebt. Wäre James und seine mahnende Stimme nicht gewesen, er hätte sie verzogen. Aber so war sie wohl geraten, sich ihrer Aufgabe bewusst und ihr gewachsen. Sie ist ein sehr erwachsenes Mädchen, dachte er. Sie war seine Tochter. Und konnte er nur ihr Leben retten, in dem er seines gab.
"Wir sehen uns in ein oder zwei Tagen, mein Kind", sagte er. "Du musst jetzt gehen. Vertrau ihm!" Sie nickte nur. Ihre Augen wurden feucht. "Geh!"
James tauchte neben ihnen auf. Hinter ihrem Rücken übergab James den Revolver an den Hüter. Christine reichte er ihre schwarze Lederjacke. "Ziehen sie bitte diese an, Lady Christine", sagte der Butler höflich, aber bestimmt. "Es ist doch noch ein wenig kühl für ein T-Shirt am Abend."
Christine erhob sich, zog die Jacke über, nahm mechanisch Hand die Hand des Butlers wie ein kleines Mädchen, was zeigte, wie erschüttert sie war. Normalerweise hätte sie das entrüstet zurückgewiesen. Dann ging sie mit dem Butler.
"Wohin gehen wir?", hörte der Hüter sie fragen.
"In den Keller und dann durch einen Tunnel. Sie werden es spannend finden, junge Lady. Es beginnt unser großes Abenteuer."
Aus Christines Zimmer kam ein Stöhnen. Der Hüter ging in das Zimmer, riss ein Stück Kordel vom Vorhang herunter und fesselte den Chauffeur. Er war noch zu benommen, um sich zu wehren. Die wenigen schwachen Versuche wehrte der Hüter ohne Mühe ab. Dann suchte er auf Christines Schreibtisch das Isolierband, das sie häufig für ihre Basteleien benutzte, nahm eine Socke und stopfte sie dem Franzosen in den Mund und klebte den Mund mit dem Isolierband zu.
Jacques erlangte zusehends das Bewusstsein zurück. Seine Augen weiteten sich, als er sich seiner Lange bewusst wurde. Er versuchte zu schreien, aber der Knebel ließ nur gedämpftes Grunzen zu.
"Warte, bis sie dich finden. Dann wirst du sehen, ob und welches ewige Leben sie für dich haben und wie viel Reichtum du erntest, Froschfresser", knurrte der Hüter und erhob sich. Obwohl es nicht seine Art war, trat er nach dem Gefesselten, der aufstöhnte. "Stirb wohl!"
Connor Baigent verließ das Zimmer. Er schüttelte den Abschiedschmerz ab. Die Zeit des Kampfes rückte näher. Immer näher. Mit jedem Schritt wurde sein Gang fester, sein Gesicht nahm einen harten, entschlossenen Ausdruck an.
"Ist Christine ...", der Hüter konnte es nicht aussprechen.
Bevor James antworten konnte, drängte sich das Mädchen an ihm vorbei und beugte sich zum Hüter hinab.
"Ist dir was passiert?" fragte sie.
Der Hüter schüttelte den Kopf. Er betrachtete seinen Schützling. So zart und zerbrechlich wirkte sie. All diese Last auf den zarten Schultern. Ihre großen, rehbraunen Augen sahen ihn an. Diesem Blick hatte er nie widerstehen können.
"Die unbeschwerten Tage sind vorbei, Sweetie", er benutzte ihren Kosenamen, den er ihr gegeben hatte, als sie vier war. "Du musst gehen. Schnell!"
"Du kommst nicht mit", erkannte Christine das Offensichtliche.
"Ich kann nicht", sagte der Hüter. Ich muss dir die Zeit erkämpfen zu entkommen. Es ist mein letzter Dienst für dich, dachte er, sagte aber: "Ich komme nach. Unsere Feinde sind da. James bringt dich weg und ich hole euch ein."
Der Hüter betrachtete das schmale Gesicht mit den großen Augen und den kurzen, braunen Haaren. Die Stupsnase hatte er immer besonders niedlich gefunden. Connor Baigent nahm das Gesicht seines Schützling in beide Hände. Er hatte sie geliebt, seit sie geboren wurde und ihre Mutter im Kindbett starb. Er hatte Vater und Mutter statt eingenommen. Gott, hatte er das geliebt. Wäre James und seine mahnende Stimme nicht gewesen, er hätte sie verzogen. Aber so war sie wohl geraten, sich ihrer Aufgabe bewusst und ihr gewachsen. Sie ist ein sehr erwachsenes Mädchen, dachte er. Sie war seine Tochter. Und konnte er nur ihr Leben retten, in dem er seines gab.
"Wir sehen uns in ein oder zwei Tagen, mein Kind", sagte er. "Du musst jetzt gehen. Vertrau ihm!" Sie nickte nur. Ihre Augen wurden feucht. "Geh!"
James tauchte neben ihnen auf. Hinter ihrem Rücken übergab James den Revolver an den Hüter. Christine reichte er ihre schwarze Lederjacke. "Ziehen sie bitte diese an, Lady Christine", sagte der Butler höflich, aber bestimmt. "Es ist doch noch ein wenig kühl für ein T-Shirt am Abend."
Christine erhob sich, zog die Jacke über, nahm mechanisch Hand die Hand des Butlers wie ein kleines Mädchen, was zeigte, wie erschüttert sie war. Normalerweise hätte sie das entrüstet zurückgewiesen. Dann ging sie mit dem Butler.
"Wohin gehen wir?", hörte der Hüter sie fragen.
"In den Keller und dann durch einen Tunnel. Sie werden es spannend finden, junge Lady. Es beginnt unser großes Abenteuer."
Aus Christines Zimmer kam ein Stöhnen. Der Hüter ging in das Zimmer, riss ein Stück Kordel vom Vorhang herunter und fesselte den Chauffeur. Er war noch zu benommen, um sich zu wehren. Die wenigen schwachen Versuche wehrte der Hüter ohne Mühe ab. Dann suchte er auf Christines Schreibtisch das Isolierband, das sie häufig für ihre Basteleien benutzte, nahm eine Socke und stopfte sie dem Franzosen in den Mund und klebte den Mund mit dem Isolierband zu.
Jacques erlangte zusehends das Bewusstsein zurück. Seine Augen weiteten sich, als er sich seiner Lange bewusst wurde. Er versuchte zu schreien, aber der Knebel ließ nur gedämpftes Grunzen zu.
"Warte, bis sie dich finden. Dann wirst du sehen, ob und welches ewige Leben sie für dich haben und wie viel Reichtum du erntest, Froschfresser", knurrte der Hüter und erhob sich. Obwohl es nicht seine Art war, trat er nach dem Gefesselten, der aufstöhnte. "Stirb wohl!"
Connor Baigent verließ das Zimmer. Er schüttelte den Abschiedschmerz ab. Die Zeit des Kampfes rückte näher. Immer näher. Mit jedem Schritt wurde sein Gang fester, sein Gesicht nahm einen harten, entschlossenen Ausdruck an.
James ging zielstrebig, aber ohne sichtbare Hast in den Keller. Der Teenager an seiner Seite war der Schatz, der jetzt in seiner Obhut war. Für diesen Moment war er der Diener, der Hüter. Ihm wurde schwindelig bei der Verantwortung ,und Angst kam auf, dass er versagen könnte. Einzig seiner Schulung war es zu verdanken, dass er nach außen hin völlig gleichmütig wirkte, so, als würde er einen Gast durch das Herrenhaus führen.
"Wo ist denn der Tunnel?", fragte Christine.
"Hinter dem Wäscheschrank. Er ist gegraben worden, als der Orden das Haus übernahm."
"Wie lange ist das her?", fragte Christine.
"Etwa einhundertfünfzig Jahre", entgegnete der Butler.
"Wohin bringt er uns?", wollte das Mädchen wissen.
"Direkt in den Heuschuppen am Bach, Mylady. Dort, um Ihrer Frage zuvorzukommen, wartet ein Automobil auf uns, das uns mit meinem fahrerischen Können direkt zu dem aufgelassenen Militärflughafen bringen wird, den die ruhmreiche Royal Air Force in den frühen vierziger Jahren nutzte, um zunächst Hitlers Luftwaffe abzuwehren und später als Basis für ihre Bomber, um ihn und sein Reich zu bombardieren."
"Und dann?"
"Tun wir das, was Churchills Maschinen taten. Wir fliegen nach Deutschland."
Der Butler hielt an, drückte einen Kerzenhalter herunter, woraufhin aus dem Wäscheschrank ein leises, vielfaches Klicken zu hören war. Dann öffnete er die Tür, an der nun die Regale und Rückwand befestigt waren, bis zum Anschlag. Hinter der Tür konnte man in einen schwach ausgeleuchteten Tunnel sehen, der etwa sechs Schritt geradeaus ging, bevor er einen rechtwinkeligen Klick hin zu den Wiesen östlich des Hauses machte, wo besagter Heuschober direkt an den Park angrenzte.
James und Christine gingen durch die Tür. Als sie im Tunnel waren, bedeutete James Christine zu verharren. Er zog an der Rückwand und die Tür glitt wieder zu. Dann zog er erneut an einem Hebel, der neben der Rückwand war und wieder klickte es vernehmlich.
"So", sagte der Butler befriedigt. "Jetzt ist der Wäscheschrank wieder ein Wäscheschrank. Wenn Ihr bitte folgen wollt, junge Lady."
James ging voraus und Christine folgte ihm schweigend und nachdenklich. Sie betrachtete den Tunnel näher. Die Decke war nur roh verputzt. Direkt auf dem Putz verlief die elektrische Leitung, von der alle zehn Schritte eine trübe leuchtende Birne herab hing. Nun, dachte sie angesichts der Funzeln, das hier ist ja kein Ballsaal.
"Werde ich ihn wieder sehen?" fragte das Mädchen ohne viel Hoffnung.
James wandte sich um und blickte ihr Ernst in die Augen.
"Ich glaube kaum, junge Lady", begann er ruhig und gelassen und er hoffte, er hatte recht mit seiner Vermutung, dass Christine nicht nach oben stürmen und kämpfen wollte, wenn er die Wahrheit sagte.
"Sehen sie, es gibt nur einen Grund, warum der werte Herr in den oberen Räumlichkeiten zurückgeblieben ist. Er will kämpfen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zu fliehen. Er wird aller Wahrscheinlichkeit nach dabei den Tod finden."
"Ich habs befürchtet", entgegnete Christine und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
James blieb stocksteif, als er das Mädchen tröstend in die Arme nahm. Es fiel ihm nicht leicht, gegen die Schule der Distanz zu kämpfen, aber Christine war auch so etwas wie sein Kind, sodass er sich zu dieser Geste überwinden konnte. Einen langen Augenblick standen sie so. Christine weinte an der Schulter des Butlers um ihren Ziehvater und Beschützer.
"Junge Lady", begann der Butler vorsichtig. "Es ist an der Zeit."
"Wohin gehen wir in Deutschland?", fragte Christine.
"An einen Ort, wo ihr den neuen Hüter treffen werdet", entgegnete James.
Dann setzten sie ihren Weg fort. Der Tunnel war schnurgerade gebaut. Und am Ende fand sich eine Tür, dahinter eine Treppe, die steil nach oben führte. Je näher sie dem Ende der Treppe kamen, desto genauer konnte Christine die hölzerne Luke sehen, die vom Treppenabsatz drei oder vier Meter entfernt war. James öffnete diese mit einem Hebel vom Treppenabsatz her. Sie klappte auf und gut ein halber Meter Erde stürzte in den Gang unterhalb der Luke.
Christine erschrak. War ihr Fluchtweg versperrt?
"Es ist unverzeihlich, ich hätte sie vorwarnen müssen, junge Lady, die Erde diente der Tarnung des oberen Ausstiegs", erklärte der Butler zerknirscht.
Sie gingen zu der Luke in der Decke und über ihnen befand sich eine weitere. James drückte diese auf und als sie aus dem Schacht gestiegen waren, fanden sie sich inmitten kunstvoll gestapelter Heuballen wieder, durch die labyrinthartig ein Gangsystem führte.
"Jedes Jahr war es mir und Ihrem Ziehvater ein besonderes Vergnügen, dieses Labyrinth anzulegen", meinte der Butler leichthin. "Die Landarbeiter meinten, wir nutzten das Loch in der Erde für Schmuggelgut und halfen uns, so gut sie konnten."
James führte Christine aus dem Heuschuppen heraus. Die klare, laue Nachtluft, die Sterne und die schmale Mondsichel ergaben ein stimmungsvolles Bild, das sie unter anderen Umständen genossen hätten.
James führte sie direkt zu einem Generatorhäuschen neben dem Schuppen. Seine Anspannung verbarg er hinter seiner stoischen Haltung. Er rechnete mit allem und er hoffte, er würde nicht mit einem Vampir kämpfen müssen. Er hielt sein Kreuz in Händen und hatte von Christine unbeobachtet (er wollte sie nicht noch mehr ängstigen) im Schuppen einen Pflock unter seinen Mantel geschoben. Sollte es zum äußersten kommen, würde er für das Leben seines Schützlings kämpfen.
Aber nichts passierte. Die Vampire griffen das Haus an.
Der Butler öffnete das Transformatorenhäuschen und statt des Gerätes zur Stromerzeugung stand dort ein Automobil, ein Landrover, für sie bereit. James öffnete Christine leise die Tür, schloss sie wieder. Dann stieg er auf der Fahrerseite ein, startete den Motor und fuhr ohne die Scheinwerfer einzuschalten los in Richtung des alten Flughafens.
Sie verschwanden unbehelligt in der Nacht...
"Ich habs befürchtet", entgegnete Christine und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
James blieb stocksteif, als er das Mädchen tröstend in die Arme nahm. Es fiel ihm nicht leicht, gegen die Schule der Distanz zu kämpfen, aber Christine war auch so etwas wie sein Kind, sodass er sich zu dieser Geste überwinden konnte. Einen langen Augenblick standen sie so. Christine weinte an der Schulter des Butlers um ihren Ziehvater und Beschützer.
"Junge Lady", begann der Butler vorsichtig. "Es ist an der Zeit."
"Wohin gehen wir in Deutschland?", fragte Christine.
"An einen Ort, wo ihr den neuen Hüter treffen werdet", entgegnete James.
Dann setzten sie ihren Weg fort. Der Tunnel war schnurgerade gebaut. Und am Ende fand sich eine Tür, dahinter eine Treppe, die steil nach oben führte. Je näher sie dem Ende der Treppe kamen, desto genauer konnte Christine die hölzerne Luke sehen, die vom Treppenabsatz drei oder vier Meter entfernt war. James öffnete diese mit einem Hebel vom Treppenabsatz her. Sie klappte auf und gut ein halber Meter Erde stürzte in den Gang unterhalb der Luke.
Christine erschrak. War ihr Fluchtweg versperrt?
"Es ist unverzeihlich, ich hätte sie vorwarnen müssen, junge Lady, die Erde diente der Tarnung des oberen Ausstiegs", erklärte der Butler zerknirscht.
Sie gingen zu der Luke in der Decke und über ihnen befand sich eine weitere. James drückte diese auf und als sie aus dem Schacht gestiegen waren, fanden sie sich inmitten kunstvoll gestapelter Heuballen wieder, durch die labyrinthartig ein Gangsystem führte.
"Jedes Jahr war es mir und Ihrem Ziehvater ein besonderes Vergnügen, dieses Labyrinth anzulegen", meinte der Butler leichthin. "Die Landarbeiter meinten, wir nutzten das Loch in der Erde für Schmuggelgut und halfen uns, so gut sie konnten."
James führte Christine aus dem Heuschuppen heraus. Die klare, laue Nachtluft, die Sterne und die schmale Mondsichel ergaben ein stimmungsvolles Bild, das sie unter anderen Umständen genossen hätten.
James führte sie direkt zu einem Generatorhäuschen neben dem Schuppen. Seine Anspannung verbarg er hinter seiner stoischen Haltung. Er rechnete mit allem und er hoffte, er würde nicht mit einem Vampir kämpfen müssen. Er hielt sein Kreuz in Händen und hatte von Christine unbeobachtet (er wollte sie nicht noch mehr ängstigen) im Schuppen einen Pflock unter seinen Mantel geschoben. Sollte es zum äußersten kommen, würde er für das Leben seines Schützlings kämpfen.
Aber nichts passierte. Die Vampire griffen das Haus an.
Der Butler öffnete das Transformatorenhäuschen und statt des Gerätes zur Stromerzeugung stand dort ein Automobil, ein Landrover, für sie bereit. James öffnete Christine leise die Tür, schloss sie wieder. Dann stieg er auf der Fahrerseite ein, startete den Motor und fuhr ohne die Scheinwerfer einzuschalten los in Richtung des alten Flughafens.
Sie verschwanden unbehelligt in der Nacht...
"Kinder!" rief Mark. "Es ist Zeit, dass die jungen Vampire in den Särgen verschwinden. Die Sonne geht bald auf."
Betteleien und Proteste um noch ein bisschen Zeit am Lagerfeuer begannen. Die einen reklamierten, man habe noch Geschichten zu erzählen, die anderen meinten, es wäre doch gerade erst die Geisterstunde angebrochen und die müsste man doch spuken dürfen. Mark war kurz davor weich zu werden, als Hinnerk sich bemerkbar machte.
"Los Kinners, ab in'ne Betten. Aber beeten fix. Nu man los!"
Die Stimme des Alten flößte ihnen Respekt ein. Unter Gejammer und Gemaule machten sich die Kinder auf zum Zeltplatz, wo ihre Schlafsäcke auf sie warteten.
"Thea, Christof!", begann Mark. "Bringt ihr die Kinder zum Zeltplatz?" und folgte damit einer Eingebung, einer Regung. "Ich helfe Hinnerk beim Löschen des Feuers und Aufräumen."
"Ist gut", sagte Thea und trieb zusammen mit ihrem Kommilitonen die Herde Kinder in Richtung Zeltplatz. Nach und nach verklangen ihre Stimmen in der Dunkelheit, während Hinnerk und Mark aufräumten. Zuletzt war nur noch das Feuer übrig. Hinnerk gab Mark wortlos einen Eimer und sie gingen hinunter zur Elbe, um Wasser zu schöpfen.
"Woher können sie das?" begann Mark als sie durch das Weidendickicht gingen und die jungen und alten Weiden vor ihnen wie vielarmige Ungeheuer aufragten.
"Wat?" fragte Hinnerk zurück.
"Na, das Besprechen von Herpes und so", erklärte Mark.
"Hab ich von meiner Oma. Die hats mir gezeigt", erzählte Hinnerk. "Dat funktioniert."
"Ich weiß, meine Mutter war auch mal mit ner Gürtelrose bei einer Frau", erklärte Mark.
"Das war bestimmt Martha. Die konnte das. Gürtelrosen und all das andere. Eine großartige Frau", meinte Hinnerk.
"Ich weiß nicht, wo meine Mutter war", meinte Mark.
Dann erreichten sie die Elbe. Es war gerade Flut, sodass sie nicht weit gehen mussten, um ihre Eimer zu befüllen. Schweigend gingen sie zurück.
Gerade als sie das Wasser in das nahezu heruntergebrannte Feuer gießen wollten, erschien ein dunkler Schatten.
"Mr. Mark Larsen?" fragte eine tiefe, sympathische Stimme. Der Umriss des Mannes ließ erkennen, dass er mit Anzug und Mantel bekleidet war und in dieses Dickicht so gut passte wie Tarzan in einen Ballsaal.
"Der bin ich", entgegnete Mark. "Was kann ich für sie tun?"
"Für mich nichts. Ich bin nur ein Bote. Fragen Sie, was Sie für die Menschheit tun können."
Mark versuchte, mehr von dem Mann zu erkennen. Aber er blieb ein Schatten in der Dunkelheit.
Was sollte das?
Die Stimme des Alten flößte ihnen Respekt ein. Unter Gejammer und Gemaule machten sich die Kinder auf zum Zeltplatz, wo ihre Schlafsäcke auf sie warteten.
"Thea, Christof!", begann Mark. "Bringt ihr die Kinder zum Zeltplatz?" und folgte damit einer Eingebung, einer Regung. "Ich helfe Hinnerk beim Löschen des Feuers und Aufräumen."
"Ist gut", sagte Thea und trieb zusammen mit ihrem Kommilitonen die Herde Kinder in Richtung Zeltplatz. Nach und nach verklangen ihre Stimmen in der Dunkelheit, während Hinnerk und Mark aufräumten. Zuletzt war nur noch das Feuer übrig. Hinnerk gab Mark wortlos einen Eimer und sie gingen hinunter zur Elbe, um Wasser zu schöpfen.
"Woher können sie das?" begann Mark als sie durch das Weidendickicht gingen und die jungen und alten Weiden vor ihnen wie vielarmige Ungeheuer aufragten.
"Wat?" fragte Hinnerk zurück.
"Na, das Besprechen von Herpes und so", erklärte Mark.
"Hab ich von meiner Oma. Die hats mir gezeigt", erzählte Hinnerk. "Dat funktioniert."
"Ich weiß, meine Mutter war auch mal mit ner Gürtelrose bei einer Frau", erklärte Mark.
"Das war bestimmt Martha. Die konnte das. Gürtelrosen und all das andere. Eine großartige Frau", meinte Hinnerk.
"Ich weiß nicht, wo meine Mutter war", meinte Mark.
Dann erreichten sie die Elbe. Es war gerade Flut, sodass sie nicht weit gehen mussten, um ihre Eimer zu befüllen. Schweigend gingen sie zurück.
Gerade als sie das Wasser in das nahezu heruntergebrannte Feuer gießen wollten, erschien ein dunkler Schatten.
"Mr. Mark Larsen?" fragte eine tiefe, sympathische Stimme. Der Umriss des Mannes ließ erkennen, dass er mit Anzug und Mantel bekleidet war und in dieses Dickicht so gut passte wie Tarzan in einen Ballsaal.
"Der bin ich", entgegnete Mark. "Was kann ich für sie tun?"
"Für mich nichts. Ich bin nur ein Bote. Fragen Sie, was Sie für die Menschheit tun können."
Mark versuchte, mehr von dem Mann zu erkennen. Aber er blieb ein Schatten in der Dunkelheit.
Was sollte das?
Walking from the gates of Eden
I can hear the sounds of freedom
All around
I can hear the sounds of freedom
All around
Strange Fruit
2. Kapitel
Blutgericht der Vampire
Blutgericht der Vampire
Jacques Terrierre bekam kaum Luft. Er konnte sich nicht rühren. Der Hüter, dieser Bastard, hatte ihn verschnürt wie ein Profi. Keine Chance sich zu befreien. So lag er da. Gefangen und hilflos. Egal was er tat, die Kordel, mit der er gefesselt worden war, gab nicht nach. Er hatte sich gewunden, aber nichts rührte sich. Auch das An- und Entspannen der Muskeln hatte nichts gebracht. Das Atmen fiel ihm schwer und er pumpte die Luft durch die Nase.
Er wusste, was er getan hatte. Aber er sah keinen Grund sich zu schämen. Nicht mehr lang und sie würden ihn befreien. Dann würde er seine Belohnung erhalten, die ihm ewiges Leben in Reichtum bringen würde. Das hatte man ihm versprochen.
Wo James wohl mit dem Mädchen hin war? Es gab doch keine Fluchtwege. Diese Frage quälte ihn nicht sonderlich. Sie konnten versuchen, sich im Keller zu verschanzen. Aber das würde ihnen nicht helfen. Dafür hatte er gesorgt.
Jacques war in einer Kneipe in einem kleinen Dorf nicht weit weg in Bishops Wakeham angesprochen worden. Dort war er immer hingefahren, um dieses oder jenes Ale zu trinken. Die Stellung bei der jungen Lady erlaubte ihm viel Freiraum, weil er nur gelegentliche Botenfahrten zu erledigen hatte oder von Zeit zu Zeit geheimnisvolle Besucher abholen und wegfahren durfte. Insgesamt war die Stellung am ehesten wohl mit dem im Militär gebräuchlichen Wort Druckposten zu beschreiben.
Dabei war der Fuhrpark von ausgesuchter Qualität. Maybach, Bentley, Rolls. Ein Mercedes 500 war da schon das Alltagsauto. Bald würden sie alle ihm gehören. Und das Schloss. Und Geld, Ruhm und Macht. Alles, was er sich wünschte.
Sie hatte es ihm versprochen.
Eines Abends hatte sie neben ihm gesessen und gesagt, ihr Name sei Ellen. Er war in ihren Augen versunken. Zuerst hatte sie von sich erzählt. Eine Dienerin im Dienste des Ordens sei sie gewesen, sagte sie. Gefeuert habe man sie, erzählte sie. Ein Tritt für jahrelange Dienste, erklärte sie. Dabei wollte sie doch bloß dem Hüter nicht zu Willen sein, der seine perversen Gelüste an ihr ausleben wollte. Niemand glaubte ihr, berichtete sie.
Jacques Terrierre hatte ihr zugehört. Die Wut war von ganz allein gekommen. Er brauchte ihr bloß in die Augen zu sehen und schon schäumte er vor Wut auf seinen Dienstherrn. Sie hatten sich fast jeden Abend getroffen. Ihr Stammtisch war der Tisch in der Ecke, fast nicht zu sehen vom Tresen.
Ellens schmallippiges Lächeln war voll Bitterkeit. Es war nicht unbeschwert oder frei, sondern von den erlittenen Qualen gekennzeichnet. Jacques hatte ihre Hilflosigkeit gespürt. Die Blässe ihres Gesicht noch verstärkt von dem flammendroten Haar, gezeichnet von der Schmach.
Da müsse man doch was machen können, hatte Jacques geantwortet. Das konnte doch nicht einfach so passieren, hatte Jacques gemeint. Ob die junge Lady davon wusste? Natürlich, hatte sie geantwortet, die wollte es ja.
Klagen? hatte er gefragt. Könnte man, war die Antwort. Aber die Verbindungen des Hüters reichten weit und die des Ordens noch weiter.
Jacques sah nach den Abenden mit dem Mädchen die Welt mit anderen Augen. Er beherrschte sich bei der Arbeit, aber innerlich kochte er, wenn er den Hüter und die junge Lady sah, die ihre perversen Lüste hinter einem Wall aus scheinbarer Unschuld verbargen. Ihm war beim Lachen der jungen Lady speiübel.
Der lüsterne Alte und die schamlose Göre!
Der Chauffeur verabscheute sie. Er hätte augenblicklich gekündigt, aber Ellen hatte ihn bekniet zu bleiben.
"Vielleicht kannst Du mir helfen, Rache zu üben", hatte sie ihn gebeten. "Du musst da bleiben."
Ellen enthüllte immer neue Perversionen der beiden, schilderte ihr haltloses Verhalten, ihre Lust und ihre Gier, die unersättlich waren. Jacques sprach James auf sie an. Eine Ellen habe es nie gegeben, hieß es. Auch der Butler, Teil dieser Verschwörung, musste Jacques erkennen. Ein blinder Diener, der das Opfer der Herrschaften verleugnete, um das eigene Wohl nicht zu gefährden.
Pervertierte Loyalität.
Dann kam Ellen für ein oder zwei Wochen nicht. Keiner kannte sie. Musste neu in der Gegend sein, hieß es. Vielleicht hatte sie auch nur Urlaub gemacht, meinte man. Jacques begann sich zu sorgen.
Wo war sie hin? Warum hatte sie ihm, ihrem einzigen Freund, nichts gesagt? Hatte das Schloss damit zu tun? Waren die Einheimischen auch Teil der Verschwörung?
Dann war sie plötzlich wieder da, als der Chauffeur die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte. Neue Freunde habe sie gefunden, erzählte sie, die alles dafür tun würden, es der jungen Lady und ihrem Beschützer heimzuzahlen. Und jeder, der dabei half, würde mit allem belohnt werden, was man sich wünschte.
Dann hatte Ellen gelächelt und ihm erzählt, dass auch sie dankbar, unendlich dankbar wäre und ihr Lächeln war ein Versprechen.
Jacques hatte nur noch gefragt, was er tun könne, um zu helfen. Ihre Augen, ihre dunklen Augen hatten ihn gefangen und er war darin versunken, als sie ihm erklärte, wann er was tun müsse, damit ihre Freunde und sie in das schlossartige Herrenhaus eindringen konnten.
Sie hatte ihm erzählt, wer ihre Freunde waren und was sie vorhatten. Zum Besten aller. Jacques hatte von ihnen gehört. Jeder, der dem Orden diente, glaubte an sie. Bisher hatte man ihm erzählt, sie wären die Geißel der Welt. Aber Ellen öffnete ihm die Augen. Ihr konnte er trauen. Sie log nicht. Ganz im Gegensatz zu den Bewohnern des Schlosses, wie das Herrenhaus von den Einheimischen genannt wurde.
Jacques hatte gehandelt, wie sie es gewünscht hatte. Etwas anderes wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Sie hatte ihn erobert, und nicht mehr lang und er würde ihre Berührungen spüren und alles andere würde ihm zufallen.
Sie hatte es versprochen.
Die Tür schwang auf. Ganz leise, ganz langsam.
Kam der Hüter zurück? Aber da roch Jacques ihr betörendes Parfum. Ein Duft, der ihn gefangen nahm, der im ersten Moment zu schwer, zu kräftig war, aber dann zu einem Erlebnis, zur Ahnung kommender Abenteuer wurde.
Ellen betrat den Raum. Jacques Terrierre hob mühsam den Kopf. Er sah ihr Lächeln. Diesmal hatte sie den Mund geöffnet, den Triumph genießend, und er sah ihre spitzen Augenzähne.
"Da staunst du", sagte sie. "Ich bin eine von ihnen, und das schon über hundert Jahre."
Jacques glaubte sich verhört zu haben. Das konnte ... nein, das durfte nicht wahr sein.
"Es ist wahr." Ihre Stimme troff vor Triumph und Erwartung. "Oh, du warst ein so leichtes Opfer", sie lachte, "und hast mir alles geglaubt. Ich hätte dir alles einreden können", sie lachte wieder leise und voller Hohn und Spott, "aber es war nicht nur deine Dummheit und dein Verlangen, ein bisschen Suggestion und ein klein wenig Hypnose waren auch dabei. Du weißt doch, was man über uns sagt. Vielleicht tröstet dich das."
Jacques starrte sie nur mit weit aufgerissenen Augen an, konnte nicht glauben, was er hörte. Ellen ging neben ihm in die Knie.
"Die Welt liebt den Verrat, aber hasst den Verräter", zitierte sie eine berühmte Weisheit. "Aber: Du sollst Deine Belohnung bekommen." Sie öffnete den Mund und ihre Zunge spielte auf ihren Lippen. "Ich werde dich einmal zur absoluten Lust führen. Aber," und sie verzog angewidert den Mund, "ewiges Leben werde ich einem Wurm wie dir nie schenken, mein Freund. Du bist es nicht wert!"
Dann biss sie zu. Terrierre bäumte sich auf, gab sich aber dann einem Gefühl der Lust hin, wie er es noch nie gespürt hatte und starb nur Augenblicke später.
Aber sie hatte nicht zuviel versprochen ...
Ellen enthüllte immer neue Perversionen der beiden, schilderte ihr haltloses Verhalten, ihre Lust und ihre Gier, die unersättlich waren. Jacques sprach James auf sie an. Eine Ellen habe es nie gegeben, hieß es. Auch der Butler, Teil dieser Verschwörung, musste Jacques erkennen. Ein blinder Diener, der das Opfer der Herrschaften verleugnete, um das eigene Wohl nicht zu gefährden.
Pervertierte Loyalität.
Dann kam Ellen für ein oder zwei Wochen nicht. Keiner kannte sie. Musste neu in der Gegend sein, hieß es. Vielleicht hatte sie auch nur Urlaub gemacht, meinte man. Jacques begann sich zu sorgen.
Wo war sie hin? Warum hatte sie ihm, ihrem einzigen Freund, nichts gesagt? Hatte das Schloss damit zu tun? Waren die Einheimischen auch Teil der Verschwörung?
Dann war sie plötzlich wieder da, als der Chauffeur die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte. Neue Freunde habe sie gefunden, erzählte sie, die alles dafür tun würden, es der jungen Lady und ihrem Beschützer heimzuzahlen. Und jeder, der dabei half, würde mit allem belohnt werden, was man sich wünschte.
Dann hatte Ellen gelächelt und ihm erzählt, dass auch sie dankbar, unendlich dankbar wäre und ihr Lächeln war ein Versprechen.
Jacques hatte nur noch gefragt, was er tun könne, um zu helfen. Ihre Augen, ihre dunklen Augen hatten ihn gefangen und er war darin versunken, als sie ihm erklärte, wann er was tun müsse, damit ihre Freunde und sie in das schlossartige Herrenhaus eindringen konnten.
Sie hatte ihm erzählt, wer ihre Freunde waren und was sie vorhatten. Zum Besten aller. Jacques hatte von ihnen gehört. Jeder, der dem Orden diente, glaubte an sie. Bisher hatte man ihm erzählt, sie wären die Geißel der Welt. Aber Ellen öffnete ihm die Augen. Ihr konnte er trauen. Sie log nicht. Ganz im Gegensatz zu den Bewohnern des Schlosses, wie das Herrenhaus von den Einheimischen genannt wurde.
Jacques hatte gehandelt, wie sie es gewünscht hatte. Etwas anderes wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Sie hatte ihn erobert, und nicht mehr lang und er würde ihre Berührungen spüren und alles andere würde ihm zufallen.
Sie hatte es versprochen.
Die Tür schwang auf. Ganz leise, ganz langsam.
Kam der Hüter zurück? Aber da roch Jacques ihr betörendes Parfum. Ein Duft, der ihn gefangen nahm, der im ersten Moment zu schwer, zu kräftig war, aber dann zu einem Erlebnis, zur Ahnung kommender Abenteuer wurde.
Ellen betrat den Raum. Jacques Terrierre hob mühsam den Kopf. Er sah ihr Lächeln. Diesmal hatte sie den Mund geöffnet, den Triumph genießend, und er sah ihre spitzen Augenzähne.
"Da staunst du", sagte sie. "Ich bin eine von ihnen, und das schon über hundert Jahre."
Jacques glaubte sich verhört zu haben. Das konnte ... nein, das durfte nicht wahr sein.
"Es ist wahr." Ihre Stimme troff vor Triumph und Erwartung. "Oh, du warst ein so leichtes Opfer", sie lachte, "und hast mir alles geglaubt. Ich hätte dir alles einreden können", sie lachte wieder leise und voller Hohn und Spott, "aber es war nicht nur deine Dummheit und dein Verlangen, ein bisschen Suggestion und ein klein wenig Hypnose waren auch dabei. Du weißt doch, was man über uns sagt. Vielleicht tröstet dich das."
Jacques starrte sie nur mit weit aufgerissenen Augen an, konnte nicht glauben, was er hörte. Ellen ging neben ihm in die Knie.
"Die Welt liebt den Verrat, aber hasst den Verräter", zitierte sie eine berühmte Weisheit. "Aber: Du sollst Deine Belohnung bekommen." Sie öffnete den Mund und ihre Zunge spielte auf ihren Lippen. "Ich werde dich einmal zur absoluten Lust führen. Aber," und sie verzog angewidert den Mund, "ewiges Leben werde ich einem Wurm wie dir nie schenken, mein Freund. Du bist es nicht wert!"
Dann biss sie zu. Terrierre bäumte sich auf, gab sich aber dann einem Gefühl der Lust hin, wie er es noch nie gespürt hatte und starb nur Augenblicke später.
Aber sie hatte nicht zuviel versprochen ...
Sie waren im Haus. Der Hüter konnte sie deutlich hören. Mit zunehmender Verzweiflung durchsuchten sie die oberen Räume und fanden nichts.
Ob der Judas noch lebte?
Sie würden ihn sich vornehmen oder hatten es schon getan. Spätestens, da ihnen Christine, der Schatz der Erde und des Diesseits, wertvoller als alles Geld und Gut dieser Welt, nicht auf einem Silbertablett serviert wurde. Oder sie nahmen ihm das Leben, weil ihnen danach war. Der Verräter würde in jedem Fall seinen verdienten Lohn bekommen. Irgendwie tat ihm Jacques Terrierre leid. Er war den Versuchungen erlegen, hatte nicht widerstehen können. Er wollte gar nicht wissen, was sie alles versprochen und erzählt hatten.
Der Hüter hatte sich in den Keller zurückgezogen. Connor Baigent trug ein Kruzifix und hatte sich mit Eichenpflöcken bewaffnet. Mit Kreide hatte er ein paar primitive Bannzeichen aufgemalt. Aber die konnten Vampire nicht wirklich stoppen, nur ein wenig aufhalten und ihnen Unbehagen bereiten.
Für die komplizierten und mächtigen Bannkreise brauchte man das Wissen eines Adepten der rechten Hand. Das waren die Meister und Großmeister des Ordens.
Bei diesen machtvollen Zeichen durfte dem Magier nie ein Fehler unterlaufen, denn das konnte fatale Folgen haben. Jahrzehntelanges Studium, die Fähigkeit sich durch nichts ablenken zu lassen und ein erstklassiges Gedächtnis für die richtige Reihenfolge der Zeichen und Sprüche waren unerlässlich. Die Zaubersprüche waren zu einem Gutteil in einer längst vergessenen Sprache verfasst (nicht einmal die Adepten wussten noch, was manche der Sprüche und Worte bedeuteten, aber sie mussten ihnen folgen) und sie mussten zum rechten Zeitpunkt gesagt werden. Alles in allem eine Wissenschaft für sich.
Dafür hatte Connor Baigent nie das richtige Rüstzeug gehabt. Er war ein Mann der Tat, während die meisten Meister der weißen Magie nie ganz im Hier und Jetzt präsent zu sein schienen. Es war, als wären sie auf ihr Innerstes konzentriert und auf die Belange einer anderen Welt.
Männer des Geistes.
Hier unten erwartete er die Blutsauger. Wenn sie kamen, würde er sich ihnen zum Kampf stellen. Der Hüter war entschlossen, James und Christine so viel Vorsprung zu verschaffen wie nur irgend möglich und so viele der Kreaturen der Nacht zu erlösen, wie er nur konnte.
Ob er schon am Flugplatz war? Bald. Bestimmt. Es waren nur wenige Meilen. Selbst wenn er den Umweg fuhr.
Aber was war, wenn ...
Der Hüter verscheuchte diesen Gedanken. Der Judas wusste nicht um den Tunnel.
Oder doch?
Dann war alles umsonst. Dann war die Erde verloren und die Menschheit in Händen der Höllenfürsten und ihres Kaisers Luzifer, dem gefallenen Engel. Und niemand würde IHN und seine finsteres Gefolge dann noch aufhalten können.
Aber nein, das konnte nicht sein. Wäre es so, dann hätte er das Triumphgeheul der Blutsauger gehört. Aber die Geräusche von oben klangen nach allem, nur nicht nach Triumph.
Die Horde musste ganz schön wüten. Connor Baigent hörte Klirren, berstendes Holz und andere Geräusche einer Orgie der Zerstörung. Gebrüll voller Zorn und Enttäuschung.
Spätestens jetzt würden sie sich des Judas annehmen.
Halb Elf zeigte die Uhr an Connor Baigents Armbanduhr. Voller Wehmut dachte der Hüter an Christine, die nun einen neuen Hüter an die Seite gestellt bekam. Er konnte nur hoffen, dass die Wahl des Ordens weise war.
Einen kurzen Moment überlegte er, ihnen zu folgen und selbst zu fliehen. Möglich wäre es noch. Es hatte alles besser geklappt, als zunächst zu befürchten war. Die Angreifer waren rechtzeitig entdeckt worden, vielleicht früher als gewollt. Der Judas wurde überwältigt und obwohl er großen Schaden angerichtet hatte, mochte es nicht zu spät sein. Christine war in Sicherheit.
Wirklich? fragte er sich. Je später sie hinter ihre Flucht kamen, desto spurloser konnte sie verschwinden und in einem anderen Versteck wieder in Sicherheit sein. Bis der nächste Judas kommt ...
Er konnte nicht sicher sein. Es galt die Blutsauger so lange aufzuhalten, bis er sicher sein konnte. Er zählte nicht. Nur nicht selbstsüchtig werden, alter Junge, dachte Connor Baigent.
Connor Baigent wusste, dass am Ende er selbst blutleer auf dem Boden liegen würde. Aber dieses Schicksal hatte er akzeptiert, als er zum Hüter wurde und Christines Mutter im Namen des Ordens diente. Er hatte sich nie Illusionen gemacht. Im Zweifel galt es, sein Leben zu opfern, um das Leben des Schatzes zu retten.
Nein, er begrüßte den Tod nicht freudig. Er war kein Fanatiker, der in Erwartung eines Lebens nach dem Tod starb. Er war zu sehr Pragmatiker. Aber er würde nicht sinnlos sterben.
Von oben drangen Rufe zu ihm. Er konnte nicht verstehen, was die Vampire sagten, aber deutlich hörte er den Zorn und die wachsende Verzweifelung heraus.
"In den Keller", hörte er eine schneidende Frauenstimme. "Los, in den Keller!"
Dann hörte er einen erstickten Aufschrei. Sie hatte den Druidenfuß gesehen. Nicht mehr lang und sie würden ihn erreichen. Der Hüter packte den Schaft des armlangen Pflocks fest mit der Hand.
Es waren nicht die ersten Vampire, denen er gegenüberstand. Aber es würden die letzten sein ...
Das Blutfest der Vampire kam. Heute Nacht würde der Kaiser der Hölle, Luzifer, der gefallene Engel selbst, auf die Erde kommen, um das Regiment des Finsteren zu errichten. Und sie hatte es vollbracht. Das würde sie selbst und die Vampire hoch in der Gunst seiner Höllischen Majestät steigen lassen.
Wenn des Kaisers Pferdefuß die Erde berührte, würde das Zeitalter der Menschen enden und jenes der Schwarzen Familie anbrechen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Schatz ihrer war und sterben würde. Die Gier nach diesem besonderen Blut ließ Elena Tepescu wild werden. Sie wollte das Leben aus dem Mädchen heraussaugen, wollte der Welt und den verfluchten Menschen ihren Schutz nehmen.
Eine Frau auszusaugen fand Elena schon immer anregend und sie nahm sich in der Regel viel Zeit damit, dass das Opfer alles richtig genießen konnte und mit dem Höhepunkt starb. Aber sie wusste nicht, ob sie sich beim Schatz so lange würde beherrschen können. Ihre Sippe durchsuchte das Haus. Elena hatte den Trottel von Chauffeur erlöst, der in der falschen Hoffnung lebte, Geld, Macht und Ruhm zu erobern. Menschen war so leicht beizukommen. Man musste ihnen nur Sex und Reichtum und vielleicht noch ein wenig mehr versprechen und sie verrieten alles und jeden. Für diese Kreaturen empfand sie kaum mehr als Abscheu.
Mittlerweile befand sie sich wieder in der Halle des Hauses und erwartete, dass sie den Schatz und seinen Hüter fand, damit sie das blutige Werk vollenden konnte und der höllische Kaiser seine Herrschaft antreten konnte.
Lange war die Schwarze Familie ihrem Ziel nicht so nahe gewesen. Gut, sie hatte auch ihren Anteil daran, aber Elena war es, die das große Hindernis aus dem Weg räumen würde.
Sie hatte befohlen, keine Rücksicht bei der Suche zu nehmen und ihre Sippe hielt sich daran. Sie zerstörte alles, was ihnen im Weg stand. Aber der Ruf, den Schatz gefunden zu haben, war bisher nicht erklungen.
Elena Tepescu wurde ungeduldig.
Wo war die Kleine? Wo war der Hüter? Entkommen womöglich?
Das konnte nicht sein, der Chauffeur hatte gesagt, es gäbe nur die normalen Ausgänge. Da war niemand raus.
Sogar auf dem Dach suchten sie mittlerweile. Aber sie fanden nichts.
War der Hüter tatsächlich so dumm, dahin zu fliehen, wo es keinen Ausweg gab? War er tatsächlich in den Keller geflohen? Wahrscheinlich. Wohin sonst? In den Keller? Wie in einem schlechten Horrorfilm. Da saßen sie in der Falle. Kein Entkommen mehr.
Während ihre suchende Sippe langsam rasend wurde, entspannte sich Elena zusehends.
"Kommt her!", rief sie ihre Sippe.
"Wie vom Erdboden verschluckt", sagte einer der ihren, der wie weiland die Romanfigur Dracula (den es wirklich gegeben hatte und der ihr Ahnherr war), in einem Schloss in den Karpaten lebte.
"Vom Erdboden ja, aber nicht verschluckt", lächelte Elena triumphierend. "Sie sitzen im Keller. Ohne Ausweg!"
Die Meute lächelte wie Wölfe. Sie suchten den Zugang und fanden ihn.
Elena öffnete und erstarrte. Ein Drudenfuß.
Ein spitzer Schrei entfuhr ihr ... dann kam der Schmerz und dann schlich ein verzerrtes Triumphlächeln auf ihr Antlitz.
Die letzte Bastion des Hüters würde fallen ... bald!
James hatte über eine sichere Frequenz direkt aus dem Learjet, der stets aufgetankt war und zur freien Verfügung des Hüters stand, den Orden benachrichtigt.
Dann hatte er all die Weisungen der Adepten zur Kenntnis genommen und hatte den Vogel auf der alten Rollbahn des Militärflughafens in die Luft gebracht und den gleichen Kurs eingeschlagen wie die Bomber im Juli 1943, die im Auftrag von Colin "Bomber" Harris zur Operation Gomorrha aufgebrochen waren.
Christine saß während des Starts angeschnallt in der Passagierkabine und nippte lustlos an einem Orangensaft, den ihr James gegeben hatte, bevor er mit den Startvorbereitungen begonnen hatte und die Flugsicherung um Starterlaubnis gebeten hatte. Das Ordensflugzeug hatte diplomatischen Status. James wunderte sich schon lange nicht mehr über den Einfluss des Ordens. Er war sich sicher, dass er wie eine Zwiebel aufgebaut war. Die äußeren Schichten wussten nur um wenige Dinge. Mit jeder Schicht wuchs das Wissen. Aber nur der allerengste Zirkel wusste um die tatsächliche Aufgabe, den Schatz zu hüten und die Mächte der Hölle von der Erde fernzuhalten. Und wohl die allerwenigsten hatten Kenntnis, wo Christine sich jeweils aufhielt.
Viele Gerüchte waren gesät worden, aber nur mit soviel Wahrheit darin, dass diejenigen, die aus Neugier dem Geheimnis nachspürten, auf falsche Fährten geführt wurden.
So jedenfalls sah James den Orden. Und wie der Hüter, der ihm voll vertraute, bestätigt hatte, lag er damit weitestgehend richtig. Mehr wollte der Butler gar nicht wissen.
Die Uhr stand auf 23:00 Uhr GMT, als James das Fahrwerk einfuhr und nach Erreichen der vorgeschriebenen Flughöhe dem Autopiloten die Arbeit überließ, der sie sicher ans Ziel bringen würde.
Der Butler schälte sich aus dem Pilotensitz, verließ das Cockpit und ging nach hinten in die Kabine. Dort saß Christine mit Tränen in den Augen. James setzte sich neben sie. Der Butler überwand sich und nahm die Hand des Mädchens, das ihren Ziehvater verloren hatte.
Er wunderte sich jedes Mal, dass in diesem zierlichen Mädchen (wie auch ihre Mutter immer zierlich gewesen war), soviel Macht wohnen sollte, dass die Schergen des Höllenkaisers nicht über die Erde herrschen konnten, ihre Macht gar eingeschränkt war.
Aber so war es. So musste es sein. Er kannte sie, die Wesen der Nacht, angefangen bei den Widergängern und Untoten, den Zombies der Karibik und den verfluchten Werwölfen, die bei Vollmond ihr Unwesen trieben. Da waren die Vampire, Ghoule, die Hexen und Schwarzzauberer und schließlich die Dämonen der Hierarchie der Hölle. Zusammen waren sie die Schwarze Familie.
Sie lauerte, die Herrschaft über die Welt anzutreten, aber solange es die Blutlinie gab, konnte ihnen das nicht gelingen. Gleichzeitig nahm aber auch der Einfluss der Linken Hand, wie man die Scharen Kaiser Luzifers auch nannte, zu. Sie formierten sich für den Tag, da ihnen der Schatz in die Hände fiel. In dem Moment würden sie das Mädchen unverzüglich töten. Da gab es nicht den geringsten Zweifel.
Dankbar sah ihn Christine an. James war der Einzige, der ihr noch geblieben war. Der hagere Butler lächelte. Da er sonst um eine neutrale Miene bemüht war, wie man es ihn gelehrt hatte, sah das recht komisch aus. Christine musste unwillkürlichen lachen.
"Was ist so komisch, junge Lady?" fragte der Butler.
"Du", antwortete das Mädchen und wischte die Tränen ab. "Du solltest öfter mal lachen. Dann machst du dabei nicht ein so komisches Gesicht."
"Ich versuche, es mir zu merken", meinte James und freute sich innerlich, dass das Mädchen noch lachen konnte.
"Was passiert nun?", fragte Christine.
"Ein neuer Hüter wird erwählt und an die Stelle des alten treten", erklärte James ruhig und bemühte sich, nicht so gestelzt zu sprechen, wie er es gelernt hatte. Das Mädchen brauchte Nähe und nicht das gewohnt distanzierte und professionelle Verhalten des Butlers. Das fiel James schwer, aber Christine zuliebe mühte er sich redlich. Es fiel dem Mädchen aber auf.
"Du kannst richtig menschlich sein", war ihre Reaktion darauf, "wenn du dir Mühe gibst."
"Junge Lady", begann James lächelnd. "Das fällt mir schwer genug. Entmutige mich nicht. Ich muss das Lachen und das menschlich Sein erst wieder üben. Du weißt doch, auf der Butlerschule, implantieren sie uns einen Stock in den Rücken und entfernen dafür das Lachen operativ."
Beide lachten über den Scherz. James war ein klein wenig stolz auf sich, dass er die Konventionen überwinden konnte.
"Wer wird denn der neue Hüter?", wollte das Mädchen wissen und ihre Augen hingen an den Lippen des Butlers.
"Ich weiß es nicht", antwortete James wahrheitsgemäß. "Aber ich werde auch da sein", und dann lächelte er wieder (wie er zu seiner Zufriedenheit feststellte, fiel es ihm zunehmend leichter), "denn auf einen guten Butler wird auch der Neue nicht verzichten wollen. Uns gibt es nur im Paket."
Der Druck ihrer Hand verstärkte sich. Dankbar sah sie James an, der stets unauffällig für sie da gewesen war. Und jetzt war er das letzte beständige Stück ihres bisherigen Lebens, das ohnehin aus Verstecken und ständigen Umzügen bestand. Ein Leben im goldenen Käfig, zusätzlich belastet mit dem Schicksal der Welt.
Sie kannte niemandem in ihrem Alter wirklich nahe genug, um sich ihm oder ihr nahe zu fühlen. Das Gefühl unbeschwert mit anderen zu spielen, zu sprechen oder einfach nur herumzuhängen, kannte sie nicht. Dass sie trotzdem keine Göre oder ein Fall für den Psychiater geworden war, lag in ihrer Familie und in dem Wissen um ihre Bedeutung begründet. James fragte sich, was aus dem Schatz werden sollte, wenn Christines Tochter oder Enkelin mal ohne diese Stärke geboren würden.
Privatlehrer wechselten wie die Wohnorte. Diese wurden meist vom Orden gewählt, auf dass diese Damen und Herren nicht zu neugierig wurden, wen sie da unterrichteten. Materiell mangelte es an nichts, aber zwischenmenschliche Beziehungen kannte sie nur zu James und dem Hüter. Manchmal zu den Hausmädchen. Voller Mitgefühl sah der Butler sie an. So saßen sie in gemeinschaftlichem Schweigen versunken. Christine weinte um ihren Ziehvater und Mentor, der für sie auch ein Spielkamerad und bester Freund war.
Der Jet überquerte den Kanal und folgte den internationalen Flugrouten seinem Ziel entgegen, der englischsten der deutschen Städte, wo sie so das scherzhafte Sprichwort einen Schirm aufspannten, wenn es in London regnete. Oder besser, einen kleinen Sportflughafen in der Nähe dieser Stadt.
James hatte von diesem Ort noch nie etwas gehört. Aber das musste er auch nicht. Die Koordinaten hatte er erhalten und die Maschine würde sicher ans Ziel gelangen. Natürlich hatte man eine Sondergenehmigung für eine außerordentliche Landung bei Nacht erhalten. James wunderte sich darüber nicht mehr. Wenn der Orden wollte, könnte er selbst die Weltherrschaft ergreifen. Aber das war nicht gewollt und glücklicherweise entwickelten die engsten Kreise keinen Ehrgeiz in diese Richtung.
Wahrscheinlich würde der neue Hüter mit ihn zusammen oder kurz danach eintreffen. Die Mühlen des Ordens mahlten ausgesprochen schnell und effektiv.
Kurz entschuldigte sich James, warf einen Blick auf das Radar und die Instrumente, aber alles war in bester Ordnung. In etwa einer dreiviertel Stunde musste er sich erst um die Landung kümmern. Darum kehrte er sogleich in die Kabine zurück.
Er war gespannt, wer der neue Hüter sein würde, wohl fast noch mehr als Christine. Er war der Mann, der beiden diente. Je umgänglicher der neue Hüter war, desto einfacher war seine Aufgabe.
Niemand bemerkte, dass dem Flugzeug in einigen hundert Metern Entfernung ein Schatten folgte ...
Mark Larsen glaubte sich in einem bizarren Rollenspiel gefangen. Da trat nun ein Mann in den Schein des erlöschenden Feuers, der besser an die Londoner Börse gepasst hätte. Er trug einen Regenmantel, darunter ein Nadelstreifenanzug und in der Hand hielt er einen Bowler.
Diese Karikatur des englischen Businessman nickte dem alten Hinnerk zu, der den Gruß mit einem "Moin", erwiderte. Als Mark Hinnerks Blick auffing, glaubte er darin Erkennen und Besorgnis zu lesen. Aber da musste er sich täuschen.
Was hatte dieses lokale Original schon mit dieser anzugtragenden Erscheinung zu tun?
Wohl nichts.
War er hier in einem Monty Python Sketch gelandet? Kam gleich jemand und verkündete, dort hinten wäre die versteckte Kamera und irgendein halbprominenter Moderator würde ihn in seine Show einladen?
"Wie ich sagte, Mr. Larsen", wiederholte der Mann seinen Satz, "fragen Sie, was Sie für die Menschheit tun können."
Das Deutsch des Mannes hatte einen leichten britischen Akzent. Mark tippte dabei auf Yorkshire, war sich aber nicht völlig sicher. Auf jeden Fall war es wohl der Norden Englands oder auch die Lowlands Schottlands. Er hatte in seiner Studienzeit zwei Jahre in Glasgow studiert und war an den Wochenenden durch die Lowlands und den Norden Englands getrampt. Später hatte er dann die Highlands und die Inseln erkundet. Aus dieser Zeit resultierte seine Vorliebe für schottischen Whisky. Und er kannte den Akzent, der dort gesprochen wurde.
"Haben Sie Freude daran, John-Fitzgerald-Kennedy-Zitate abzuwandeln?", fragte Mark voller Sarkasmus und bezog sich auf die Antrittsrede des legendären amerikanischen Präsidenten, der am 22. November 1963 in der Elm Street in Dallas erschossen wurde und seither wirklich zur Legende geworden war. Ob verdient oder unverdient, mochten die Historiker entscheiden.
"Keinesfalls", entgegnete der Mann und seine Haltung versteifte sich, "nichts läge mir ferner. Aber es ist tatsächlich an Ihnen zu fragen, was Sie für die Menschheit tun können."
Mark beschloss, das wahrlich bizarre Szenario, das sich ihm hier bot, zu genießen und einfach mal mitzuspielen. "Also gut, werter Herr, der nicht einmal den Anstand hat, sich vorzustellen." Diese Spitze konnte sich Mark nicht verkneifen. "Was kann ich denn für die Menschheit tun?"
"Pardon", entgegnete der Mann. "Mein Name ist Algernon Finch, obwohl das hier nichts zur Sache tut, dennoch entbiete ich Ihnen meinen Gruß."
"Algie." Mark wäre fast aus den Latschen gekippt, denn Hinnerk wandte sich an den Briten. "Du bist ein ausgezeichneter Mann, aber immer so umständlich. Lass mich das klären."
Mark verstand die Welt nicht mehr, erst recht bei den folgenden Bemerkungen Hinnerks.
"Es ist also geschehen? Ist sie in Sicherheit?"
Der Brite nickte nur und verneigte sich knapp. Im Feuerschein erschien es als Mark, als wäre der Blick des Bowlerträgers voller Ehrerbietung. Warum, so fragte sich Mark Larsen, Doktor der Anthropologie, verneigte sich der hier am Elbstrand völlig deplazierte Engländer vor Hinnerk? Und warum nennt der den Briten mit der Koseform des Namens und stellt diese seltsamen Fragen?
Fragen über Fragen und das alles wurde immer seltsamer. Ob er noch Antworten bekommen würde? Zum Glück waren die Kinder und seine Studenten weg. Diese Szene war zu eigenartig.
"Set di hin, mien Jung", sagte Hinnerk nun zu ihm. Er zog einen Beutel Tabak hervor und begann sich eine Zigarette zu drehen. Er legte Tabak aufs Papier, verteilte diesen und schneller als das Auge folgen konnte, drehte das Papier zwischen sein Fingern geschickt und routiniert, leckte es an, klebte die Zigarette zusammen und entzündete sie. Tief inhalierte der Alte den Rauch, um ihn dann in aller Ruhe auszustoßen, als sammele er sich.
"Was soll das alles?", fragte Mark den Alten und setzte sich neben ihn auf den Baumstamm, auf dem noch vor wenigen Minuten Kinder Vampirgeschichten erzählt hatten.
"Mark", begann Hinnerk, "Shakespeare hat es so ausgedrückt: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich Eure Schulweisheit träumen lässt, Horatio."
"Ich kenne den Hamlet", warf Mark ein. "Und ich habe Glaube daran, dass dieser Satz wahr ist."
"Das ist gut", ergriff Hinnerk das Wort. "Das ist sehr gut, denn du bist nun einer der wichtigsten Männer dieser Erde. Du bist der Hüter!"
"Wer bin ich? Der Hüter? Wen hüte ich denn?"
Der Brite nickte nur und verneigte sich knapp. Im Feuerschein erschien es als Mark, als wäre der Blick des Bowlerträgers voller Ehrerbietung. Warum, so fragte sich Mark Larsen, Doktor der Anthropologie, verneigte sich der hier am Elbstrand völlig deplazierte Engländer vor Hinnerk? Und warum nennt der den Briten mit der Koseform des Namens und stellt diese seltsamen Fragen?
Fragen über Fragen und das alles wurde immer seltsamer. Ob er noch Antworten bekommen würde? Zum Glück waren die Kinder und seine Studenten weg. Diese Szene war zu eigenartig.
"Set di hin, mien Jung", sagte Hinnerk nun zu ihm. Er zog einen Beutel Tabak hervor und begann sich eine Zigarette zu drehen. Er legte Tabak aufs Papier, verteilte diesen und schneller als das Auge folgen konnte, drehte das Papier zwischen sein Fingern geschickt und routiniert, leckte es an, klebte die Zigarette zusammen und entzündete sie. Tief inhalierte der Alte den Rauch, um ihn dann in aller Ruhe auszustoßen, als sammele er sich.
"Was soll das alles?", fragte Mark den Alten und setzte sich neben ihn auf den Baumstamm, auf dem noch vor wenigen Minuten Kinder Vampirgeschichten erzählt hatten.
"Mark", begann Hinnerk, "Shakespeare hat es so ausgedrückt: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich Eure Schulweisheit träumen lässt, Horatio."
"Ich kenne den Hamlet", warf Mark ein. "Und ich habe Glaube daran, dass dieser Satz wahr ist."
"Das ist gut", ergriff Hinnerk das Wort. "Das ist sehr gut, denn du bist nun einer der wichtigsten Männer dieser Erde. Du bist der Hüter!"
"Wer bin ich? Der Hüter? Wen hüte ich denn?"
Mark wurde langsam sauer. Statt einer Erklärung, bekam er nur mysteriöses Zeug zu hören. Dabei war der erste April doch vorbei. Das würde er sich nicht mehr lange gefallen lassen.
"Du hütest den wichtigsten Schatz dieser Welt", bekam er zur Antwort.
"Du hütest den wichtigsten Schatz dieser Welt", bekam er zur Antwort.
Mark fiel gar nicht auf, dass Hinnerks Akzent verschwunden war und er astreines Hochdeutsch sprach.
"Ich verstehe gar nichts. Und ich muss wohl nun gehen, die Kinder auf die Zelte verteilen und meinen Studenten helfen."
"Versuch es. Geh!", sagte Hinnerk nur leichthin.
Mark versuchte aufzustehen. Aber es ging nicht. Er konnte sich nicht erheben. Seine Beine versagten ihm den Dienst, als wäre er gelähmt.
"Wirst du mir nun zuhören und über deine Bestimmung entscheiden?"
"Was machst du? Warum kann ich mich nicht bewegen?", fragte Mark völlig entgeistert.
"Das bin nicht ich, sondern deine Bestimmung, Mark", entgegnete Hinnerk ruhig. "Wirst du mir zuhören?", fragte er eindringlich.
Der Ton in seiner Stimme war es, der Mark Larsen nicken ließ. In was war er hier nur hineingeraten? Und wie kam er da wieder raus? Algernon Finch beobachtete die Szene aus der Distanz. Hinnerk sah ihn ernst an. Dann begann er zu erzählen ...
"Ich verstehe gar nichts. Und ich muss wohl nun gehen, die Kinder auf die Zelte verteilen und meinen Studenten helfen."
"Versuch es. Geh!", sagte Hinnerk nur leichthin.
Mark versuchte aufzustehen. Aber es ging nicht. Er konnte sich nicht erheben. Seine Beine versagten ihm den Dienst, als wäre er gelähmt.
"Wirst du mir nun zuhören und über deine Bestimmung entscheiden?"
"Was machst du? Warum kann ich mich nicht bewegen?", fragte Mark völlig entgeistert.
"Das bin nicht ich, sondern deine Bestimmung, Mark", entgegnete Hinnerk ruhig. "Wirst du mir zuhören?", fragte er eindringlich.
Der Ton in seiner Stimme war es, der Mark Larsen nicken ließ. In was war er hier nur hineingeraten? Und wie kam er da wieder raus? Algernon Finch beobachtete die Szene aus der Distanz. Hinnerk sah ihn ernst an. Dann begann er zu erzählen ...
"Ihr kommt hier nicht vorbei", empfing der Hüter die Vampire und er sah Elena Tepescu, die die wütende Meute anführte. Der Gang war schmal. Nur zu zweit konnten sie den Hüter stellen.
"Gib auf. Wir bekommen den Schatz ohnehin", sagte die Tepescu. "Vielleicht habe ich für dich Verwendung als mein König der Nacht", lockte sie ihn und die Augen versprachen ihm alles, was er wollte. "Du bist ein stattlicher Mann. Etwas, dass mich zieren würde. Und ich werde heute nach hoch steigen."
"Oder tief fallen", sagte der Hüter und griff in die Brustasche seines Hemdes und zog ein unscheinbares Kissen hervor, das aus Leinen bestand und so groß war wie eine Zwei-Euro-Münze. Kaum hatte er es gezeigt, ließ er es auch wieder verschwinden.
Elena fauchte. Sie wusste, ihre Lockrufe waren vergebens und sie würde ihr Ziel so nicht erreichen.
"Dann eben mit Gewalt", knurrte sie.
"Bitte sehr", forderte sie der Hüter auf und legte das Kruzifix auf seiner Brust frei. Elena bedeckte ihr Gesicht. Das Kreuz bereitete ihr körperliche Schmerzen, aber konnte sie nur aufhalten, abbremsen, sie wütend machen. Töten würde es sie nicht.
Die Horde hinter ihr stöhnte auf. Der Schmerz erfasste alle Vampire im Keller.
"Bastard", entfuhr es Elena voller Zorn. "Wir kriegen euch trotzdem!"
"Das mag sein, aber ich werde einige von euch mitnehmen", antwortete der Hüter ruhig. "Lebt der Judas noch?"
"Mein Werkzeug?", höhnte Elena. "Er hat seine Belohnung erhalten und mir sein Leben geschenkt."
"Ich habe ihm erklärt, dass er nicht mehr zu erwarten hatte", antwortete der Hüter. "Aber irgendwie hat er mir nicht geglaubt. Ihr müsst ziemlich überzeugend gewesen sein."
"Er war Wachs in meinen Händen, als ich ihm in 'Leicester's Arms' das erste Mal begegnete, und beinahe augenblicklich war er mir hörig. Ich konnte ihm erzählen, was ich wollte: Er glaubte mir. Deine Rolle dabei", antwortete die Vampirin mit einem triumphalen Lächeln, "war alles andere als schmeichelhaft. Du solltest so was armen, wehrlosen Frauen nicht antun ... Aber genug der eitlen Plauderei", fuhr sie fort und gab das Zeichen zum Angriff. "Es ist an der Zeit, dich aus dem Weg zu räumen."
Der Hüter sah wie ein Vampir mit einem Besen vortrat, um den Drudenfuß unschädlich zu machen. Wäre die Situation nicht im wahrsten Sinne todernst gewesen, hätte er lachen müssen. In der Tat hoben sich Connor Baigents Mundwinkel, aber im gleichen Moment war da etwas, das ihn störte. Etwas in Elenenas Worten war es und dann ging es ihm auf ... als ich ihm in Leicester's Arms das erste Mal begegnete ..., hallte es in Connor Baigent nach. Das hieße: Auf die Spur nach Südengland hatte sie etwas oder jemand anderes gebracht.
Ein zweiter Judas!
Noch ein Verräter in den eigenen Reihen! Und diese Erkenntnis konnte er niemandem mitteilen! Jetzt war es zu spät zu fliehen. Die Blutsauer würden ihm auf den Fersen sein und ihn erlegen, wie die Meute den Keiler stellt. Der Sonnenaufgang war noch fern. Nie konnte er solange durchhalten.
Niemals!
Es war noch nicht einmal Mitternacht und erst in sechs Stunden würde die Sonne im Osten erscheinen. Verflucht!
Christine schwebte immer noch in allergrößter Gefahr und kein Mensch wusste es, außer dem Verräter und bald auch wieder Elena Tepescu und ihre blutrünstige Meute.
Er schimpfte sich selbst einen Idioten, einen verdammten Versager und belegte sich mit noch weniger schmeichelhaften Kosenamen, die alle irgendwie zu passen schienen.
Mittlerweile schrubbte der Vampir den Drudenfuß weg, überwand die Schmerzen, die ihm das Kruzifix bereitete und machte beim nächsten weiter.
Gott, was haben wir verbrochen, dass wir mit zwei Verrätern gestraft werden, dachte der Hüter und packte den Pflock noch fester. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Sein Gesicht war nur mehr eine verhärtete Maske. Jetzt kämpfte er, um zu überleben, und er wusste, es würde ihm nicht gelingen. Aber versuchen würde er es. Bei allem, was ihm heilig war. Den Versuch war er Christine schuldig.
Hinter dem Vampir mit dem Besen drängte die Meute nach und kam ihm Schritt für Schritt näher.
Der Hüter kam sich vor wie einer der Spartaner, die den Pass bei den Thermophylen gegen die persische Übermacht hielten, wie Roland, der Paladin des Großen Karl, im Kampf gegen die Übermacht der Sarazenen, wie die Männer im Alamo oder die Verteidiger Bang Rajans. Ihr Schicksal würde seines sein.
Fieberhaft überlegte er, welche Möglichkeiten ihm noch blieben. Außer einem verzweifelten Kampf zu liefern, fiel ihm nichts ein. Und wenn er zusammen mit Christine und James geflohen wäre, hätte es insofern nichts genutzt, als dass er nichts von dem zweiten Judas erfahren hätte.
Es war ein Teufelskreis für ihn.
Wieder verschwand ein Drudenfuß unter den Anstrengungen des Vampirs. Noch drei und sie hatten ihn. Dann begann das Blutgericht der Vampire und er war ihr Opfer.
Christine würde ihm wohl bald folgen ...
"Bitte sehr", forderte sie der Hüter auf und legte das Kruzifix auf seiner Brust frei. Elena bedeckte ihr Gesicht. Das Kreuz bereitete ihr körperliche Schmerzen, aber konnte sie nur aufhalten, abbremsen, sie wütend machen. Töten würde es sie nicht.
Die Horde hinter ihr stöhnte auf. Der Schmerz erfasste alle Vampire im Keller.
"Bastard", entfuhr es Elena voller Zorn. "Wir kriegen euch trotzdem!"
"Das mag sein, aber ich werde einige von euch mitnehmen", antwortete der Hüter ruhig. "Lebt der Judas noch?"
"Mein Werkzeug?", höhnte Elena. "Er hat seine Belohnung erhalten und mir sein Leben geschenkt."
"Ich habe ihm erklärt, dass er nicht mehr zu erwarten hatte", antwortete der Hüter. "Aber irgendwie hat er mir nicht geglaubt. Ihr müsst ziemlich überzeugend gewesen sein."
"Er war Wachs in meinen Händen, als ich ihm in 'Leicester's Arms' das erste Mal begegnete, und beinahe augenblicklich war er mir hörig. Ich konnte ihm erzählen, was ich wollte: Er glaubte mir. Deine Rolle dabei", antwortete die Vampirin mit einem triumphalen Lächeln, "war alles andere als schmeichelhaft. Du solltest so was armen, wehrlosen Frauen nicht antun ... Aber genug der eitlen Plauderei", fuhr sie fort und gab das Zeichen zum Angriff. "Es ist an der Zeit, dich aus dem Weg zu räumen."
Der Hüter sah wie ein Vampir mit einem Besen vortrat, um den Drudenfuß unschädlich zu machen. Wäre die Situation nicht im wahrsten Sinne todernst gewesen, hätte er lachen müssen. In der Tat hoben sich Connor Baigents Mundwinkel, aber im gleichen Moment war da etwas, das ihn störte. Etwas in Elenenas Worten war es und dann ging es ihm auf ... als ich ihm in Leicester's Arms das erste Mal begegnete ..., hallte es in Connor Baigent nach. Das hieße: Auf die Spur nach Südengland hatte sie etwas oder jemand anderes gebracht.
Ein zweiter Judas!
Noch ein Verräter in den eigenen Reihen! Und diese Erkenntnis konnte er niemandem mitteilen! Jetzt war es zu spät zu fliehen. Die Blutsauer würden ihm auf den Fersen sein und ihn erlegen, wie die Meute den Keiler stellt. Der Sonnenaufgang war noch fern. Nie konnte er solange durchhalten.
Niemals!
Es war noch nicht einmal Mitternacht und erst in sechs Stunden würde die Sonne im Osten erscheinen. Verflucht!
Christine schwebte immer noch in allergrößter Gefahr und kein Mensch wusste es, außer dem Verräter und bald auch wieder Elena Tepescu und ihre blutrünstige Meute.
Er schimpfte sich selbst einen Idioten, einen verdammten Versager und belegte sich mit noch weniger schmeichelhaften Kosenamen, die alle irgendwie zu passen schienen.
Mittlerweile schrubbte der Vampir den Drudenfuß weg, überwand die Schmerzen, die ihm das Kruzifix bereitete und machte beim nächsten weiter.
Gott, was haben wir verbrochen, dass wir mit zwei Verrätern gestraft werden, dachte der Hüter und packte den Pflock noch fester. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Sein Gesicht war nur mehr eine verhärtete Maske. Jetzt kämpfte er, um zu überleben, und er wusste, es würde ihm nicht gelingen. Aber versuchen würde er es. Bei allem, was ihm heilig war. Den Versuch war er Christine schuldig.
Hinter dem Vampir mit dem Besen drängte die Meute nach und kam ihm Schritt für Schritt näher.
Der Hüter kam sich vor wie einer der Spartaner, die den Pass bei den Thermophylen gegen die persische Übermacht hielten, wie Roland, der Paladin des Großen Karl, im Kampf gegen die Übermacht der Sarazenen, wie die Männer im Alamo oder die Verteidiger Bang Rajans. Ihr Schicksal würde seines sein.
Fieberhaft überlegte er, welche Möglichkeiten ihm noch blieben. Außer einem verzweifelten Kampf zu liefern, fiel ihm nichts ein. Und wenn er zusammen mit Christine und James geflohen wäre, hätte es insofern nichts genutzt, als dass er nichts von dem zweiten Judas erfahren hätte.
Es war ein Teufelskreis für ihn.
Wieder verschwand ein Drudenfuß unter den Anstrengungen des Vampirs. Noch drei und sie hatten ihn. Dann begann das Blutgericht der Vampire und er war ihr Opfer.
Christine würde ihm wohl bald folgen ...
Seit Jahrhundert geisterten die Legenden von Hexensalben, manchmal auch Flugsalben genannt, durch die Welt. Sie wurden von Hexen gemacht, die damit in der Walpurgisnacht zum Brocken und anderen Orten zum Hexensabbat flogen, um dem Teufel den Hintern zu küssen und andere unaussprechliche Dinge zu tun, so hieß es.
Esoterische Bücher und deren Schreiberlinge hatten das Geheimnis der Flugsalbe vorgeblich entschlüsselt, aber auch Wissenschaftler glaubten hinter das Geheimnis gekommen zu sein. In manchen Punkten waren sich beide Gruppen sogar einig.
Diese sogenannte Experten behaupten, die Verwendung von Tollkirsche, Bilsenkraut, Eisenhut und tödlichem Schierling, dazu wohl auch von halluzinogenen Pilzen, erzeugte einen Rauschzustand, der den Anwendern die Illusion vom Fliegen lediglich vorgaukelt. Eher ein Trip des Geistes denn des Körpers also, ein Hexen-Woodstock quasi. Dann lächelten diese Experten wissend, als hätten sie den Stein der Weisen gefunden (und selbst etwas von ihrer Flugsalbe aufgetragen oder einen Joint geraucht).
Eingeweihte und wissende Kreise lachten seit langem über diese aufgeklärten Ansichten unserer Zeit. Sicher, wenn man nicht wusste wie, bekam man lediglich eine Droge. Gehörte man aber zu den Eingeweihten, und wusste um das Geheimnis, wie man die Hexensalbe zu machen hatte, dann konnte man tatsächlich fliegen und noch ganz andere Dinge vollbringen.
Der dunkle Schatten, der dem Learjet des Ordens folgte, war eine Hexe, die sich besonders darauf verstand, machtvolle Hexensalben herzustellen.
Es war Cresmonia Gwscore. Sie war Hunderte, wenn nicht Tausende Jahre alt und es hieß, sie lebte im Dartmoor. Sie selbst schwieg über ihr Alter, aber man raunte, sie wäre in die Dienste von William dem Eroberer nach der Schlacht von Hastings getreten, aber nicht lange geblieben. Dann soll sie Hereward, dem Wächter geholfen haben, von Ely aus den Widerstand gegen William zu organisieren und ihn geopfert haben, als sie seiner überdrüssig wurde.
Aber schon davor soll sie in Erscheinung getreten sein, glaubt man den Gerüchten. Schon die Ritter der Tafelrunde hatten sich mit ihr herumgeschlagen. Es hieß auch, die Römer schon Vespasian, der glorreiche Eroberer Britanniens - hätte sich ihrer bedient (Cresmonia würde wohl berichten, es wäre eher umgekehrt gewesen). Aber wie alt sie wirklich war, ob England ihre Heimat war oder nicht, das ließ sie offen, selbst ihren wenigen Vertrauten verriet sie davon nichts.
Die Geschichten über die Moorhexe waren Legion. Sie war der Schrecken der Kinder. Ihr Kennzeichen waren die Feenaugen. Ihr eilte der Ruf ewiger Jugend voraus. Es hieß, sie badete im Blut von Jungfrauen, gemischt mit Eselsmilch.
Über viele dieser Geschichten lachte Cresmonia Gwscore selbst. Ihre wahren Gräueltaten, wie Menschen es nennen würden, hatte sie immer sorgsam vor ihnen verborgen. Nur wenige kannten und ahnten ihre Geheimnisse.
Ewige Jugend ja, aber nicht mit Blut und Eselsmilch. Da standen ihr andere Möglichkeiten zur Verfügung.
Sie lebte auch nicht wirklich im Dartmoor (aber es war praktisch und für Cresmonia lustig, wenn sie von Hexenjägern dort gesucht würde), sondern vielmehr seit vielen Jahrhunderten unter verschiedenen (teilweise sehr respektierten) Identitäten in London, Dublin und Edinburgh, manchmal auch als verruchte Lady in Berlin, Paris, Madrid oder New York.
Die aufkommende Esoterikwelle in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sie genutzt, um sich zu amüsieren. Sie hatte Bücher über Hexensalben geschrieben, sie hatte esoterische Seminare abgehalten und nicht übel dabei verdient. Dazu hatte sie der Wahrheit über Zauber und Magie einige neue Mythen hinzugefügt, die von der Wahrheit weit entfernt waren.
Dann hatte sie noch ein paar der modernen Hexenzirkel gegründet und den Frauen, die sich fortan Hexen des 13. Kreises nannten, ihr Seelenheil geraubt und ihr Geld genommen. Aber nichts weiter. Das waren nur dumme Gänse, die erfüllt vom Drang der Selbstverwirklichung ein paar Abenteuer suchten.
Ähnliches war ihr schon während der Okkultismuswelle im ausgehenden 19. und im frühen 20. Jahrhundert gelungen. Arthur Conan Doyle, der geistige Vater von Sherlock Holmes, hatte sie einmal als Scharlatan schlagzeilenträchtig entlarvt. Das Gelächter der wahren Hexen hallte von Polarkreis zu Polarkreis. Und Cresmonia Gwscore hatte am lautesten gelacht.
Immerhin hat sie das Bemühen des Schriftstellers derart amüsiert, dass sie ihn am Leben ließ.
Cresmonia hatte schon immer einen bizarren Sinn für Humor gehabt. Den hatte sie auch wieder bewiesen, als sie die Vampire auf den Schatz angesetzt hatte. Die Blutsauger waren ihr Werkzeug gewesen. Insbesondere die junge ehrgeizige Elena, die mit dem Ende des Krieges, den die Menschen den 2. Weltkrieg nannten, an die Spitze der Sippe der Tepescus gespült wurde, war ihr blind gefolgt. Ihr Ahn, Graf Dracula war noch aus anderem Holz geschnitzt gewesen, aber van Helsing und die anderen hatten ihn zur Strecke gebracht.
Nun, Cresmonia rühmte sich, den Grafen gerächt zu haben. Seward, van Helsing und wie sie alle hießen, waren schreckliche Tode gestorben. Bram Stoker hatte sie dann das ruhmreiche Ende des Herren der Vampire berichtet und der hatte aus ihm die Legende gemacht, die Cresmonia immer in Dracula gesehen hatte.
Sie kannte den Fluchttunnel nur zu genau. Einer der Prinzen des Königshauses hatte das Haus immer mal für seine amourösen Abenteuer genutzt und durch den Tunnel waren seine Liebhaberinnen zu ihm gekommen. Auch Cresmonia hatte es mit ihm getrieben und war durch eben diesen Tunnel gegangen.
Und ironischerweise hatte sie auch beim Sex mit einem der Eingeweihten des Ordens erfahren, dass sich ausgerechnet dort der Schatz verbarg. Da begann das Spiel der Hexe.
Sie war nach Rumänien gereist, hatte Elena gesucht und gefunden. Dann hatte sie ihr berichtet, was sie herausgefunden hatte. Elena war sofort Feuer und Flamme und hatte ihre verstreute Sippe zusammengetrommelt und ausnahmsweise sogar mal hinter sich versammelt. Vampirsippen waren meist eine Ansammlung von Individualisten, die nur ihrer Gier nach Blut folgten. Vampire waren bestenfalls Werkzeuge, aber nie wirkliche Bundesgenossen.
Cresmonia hatte die Reise organisiert. Da war es gut, einen großen, griechischen Reeder zur Schar der Geliebten zu zählen. Allerdings Särge in Container zu verpacken, hatte sie lächeln lassen. Wenn die Fernfahrer und Matrosen gewusst hätten, was sie da in den stählernen Kisten nach England brachten - Cresmonia hatte wieder was zu lachen gehabt.
An diesem Abend hatten die Vampire ihre Aufgabe erfüllt. Wie man Hunde in Dachs- und Fuchsbaue jagte, so hatte sie die Vampire in das Haus geschickt. Dann hatte Cresmonia die Flugsalbe aufgetragen und am Tunnelausgang der Dinge geharrt, die da kommen würden. Und wie ein Fuchs oder Dachs hatte auch der Schatz seinen Bau verlassen. In einem Auto zu dem alten Militärflugplatz, den Cresmonia auch wegen amüsanter Stunden mit diversen Piloten kannte. Von dort aus startete der Learjet nur wenige Minuten später.
Jetzt folgte sie der Maschine nach Osten und war gespannt auf das Ziel. Dabei fragte sie sich, ob sie das Mädchen wirklich töten wollte. Trat die höllische Hierarchie erst die Herrschaft über die Erde an, waren die Menschen nicht mehr als Sklaven. So wie es jetzt war, machte Cresmonia Gwscore das Leben viel mehr Spaß. Die Menschen dachten, sie wären die Herren der Welt und sie führte diesen Haufen Sterblicher an der Nase herum.
Vielleicht würde sie sich mit dem Wissen zufrieden geben, wo der Schatz jetzt vor den Augen der Schwarzen Familie, der sie sich ohnehin nur als entfernte Cousine verbunden fühlte, verborgen wurde. Das würde sie spontan und aus dem Bauch heraus entscheiden. Für Cresmonia Gwscore gab es in erster Linie nur die gute Cresmonia und dann eine ganze Weile nichts. Auf diese Art überlebte sie schon ziemlich lange.
Den Schatz gefangen zu nehmen und zu studieren, das ging nicht. Die Macht in ihr, würde sie wie Gammastrahlung nach und nach vernichten. Das wäre Cresmonias Traum, der aber unerfüllbar bleiben würde, könnte sie sich doch so den Kaiser und des Kaisers Schergen vom Leibe halten.
Sie hätte den Schatz töten können, aber Cresmonia war wohl das einzige Wesen der Schwarzen Familie, die eben das nur bedingt wollte. Sie wollte nicht über Sklaven herrschen, wollte keine Seelen erringen. Ihr Spiel mit Menschen, die glaubten über die Welt zu herrschen, war ihr eigentliches Vergnügen. Luzifer war so humorlos. Er würde die Menschheit mit all seiner Macht niederwerfen und sein finsteres Regiment errichten. Und die Legionen seiner Dämonen waren auch nicht wirklich gute Gefährten.
Sie war ja auch jemand, deren Herkunft nicht innerhalb der Schwarzen Familie lag. Sie war noch weniger als eine entfernte Cousine, mehr eine angeheiratete Schwippschwägerin.
Sie war gespannt, was die Nacht noch bringen würde.
"Der Kampf zwischen Gut und Böse begann im Grunde schon, als die Erde entstand. Schon als der Planet auskühlte, rangen Götter und Dämonen um die Erde. Mit ihrer ungebremsten Macht formten sie die Welt. Manche Narben der Erde gehen direkt auf den Kampf von Licht und Finsternis zurück. Einige Gebirge entstanden auf diese Weise, Ozeane wurden während dieses ungestümen Kampfes großer Mächte hin und her geschoben und wohl auch die Saat des Lebens gelegt, denn das war der Erde vorherbestimmt.
Irgendwann kam dann der Mensch", Hinnerk zog an seiner Zigarette, "und beide Seiten fanden den Stellvertreter für ihre Kämpfe, deren Reihen sie jeweils mit ihren Scharen verstärkten."
Mark Larsen verstand zwar nicht, worauf Hinnerk hinaus wollte, aber seitdem er sich entschlossen hatte zuzuhören, war er innerlich ruhiger geworden und konnte sogar seine Beine wieder bewegen, was er unauffällig probiert hatte. Dennoch war er gewillt, das hier zu Ende zu bringen.
"Du kannst Dokumente und Hinweise dieser Kämpfe in jeder Religion finden, jeder Mythos hat Licht und Finsternis", fuhr Hinnerk fort. "Vor etwas mehr als zweitausend Jahren gab es da diesen jüdischen Zimmermann, den man als Jesus Christus kennt und der über die Erde wandelte, um ihren Bewohnern den Weg der Erlösung zu zeigen."
"Das ist bekannt. Das ganze Abendland basiert auf seinen Lehren", warf Mark Larsen ein.
"Auf einem Teil davon. Manches wird von verschiedenen Gruppen, sagen wir mal, unter Verschluss gehalten", schmunzelte Hinnerk. "Aber das ist nicht unser Thema. Er war in der Tat der Sohn Gottes, doch er war mehr. Er war der Verheißene, der dem Kampf gegen das Böse eine neue Richtung geben sollte. Aber er war kein Kämpfer. Er war zu duldsam. Und doch, seine Macht konnte das Böse fernhalten.
Um das Böse fernzuhalten, deren Versuchungen er sich in der Wüste ausgesetzt hatte, zeugte er mit seiner Frau Maria Magdalena ein Kind, dem er Macht verlieh, passive Macht, denn Jesus war kein Krieger. Aber er wollte, sein Schicksal vor Augen, die Welt, die er lieben gelernt hatte, nicht schutzlos zurück lassen, wenn er auffahren würde.
Dabei hätte er auch die andere Möglichkeit gehabt, das Böse mit Feuer und Schwert zu vertreiben, sich gegen Luzifer und seine Schergen zu wenden. Aber das wäre nicht wirklich ER gewesen.
Maria Magdalena tauchte, begleitet von Getreuen irgendwann unter, als die finsteren Mächte erkannten, was geschehen war. Aus diesen Getreuen bildete sich der Kern dessen, was wir heute den Orden nennen."
Hinnerk saugte an der Zigarette und beobachte Mark, der den Blick erwiderte. Mark Larsen war zunehmend interessiert. Um Jesus Verhältnis zu Maria Magdalena gab es schon lange Gerüchte und Spekulationen. Zudem schien es Hinnerk so, als spräche Hinnerk von einem Bekannten oder gar Freund, wenn er über Jesus redete. Das konnte aber nicht sein.
Oder doch?
Mittlerweile war Mark bereit einiges anzunehmen. Es war eben, wie Shakespeare sagte. Es gab mehr Dinge zwischen Himmel und Erde.
Viele Dinge mehr.
"Diese Blutlinie besteht bis heute, zumeist in der Form von Frauen, fort und solange es sie gibt, werden die Horden des Gefallenen Luzifers und der Hölle nicht die Herrschaft über die Erde antreten können", erklärte Hinnerk. "Egal wie wir uns wehren werden, diesen Krieg kann die Menschheit nicht gewinnen."
"Wieso schützt uns diese Macht?" fragte Mark.
"Weil sie göttlich ist", antwortete Hinnerk lapidar. "Aber wenn du fragst wie sie beschaffen ist - keine Ahnung. Es ist in all den Jahren nicht gelungen, die Natur dieser Macht zu ergründen. Viele haben es versucht. Einem schien es zu gelingen, aber als er die Macht erschaute, verwirrte sich sein Geist und er war nichts mehr als ein lallender Idiot. Aber die Macht wirkt. Das Böse in Gestalt von Vampiren, Hexen und Dämonen ist in der Welt, richtet Schaden an, aber trotz all ihrer Überlegenheit und finsteren Künsten sind sie nicht in der Lage, die Herrschaft zu ergreifen und die Menschen unter ihre Knute zu zwingen."
Hinnerk war ernst bei diesen Worten und Mark nahm mehr und mehr Abschied von der Vorstellung, in ein bizarres Spiel geraten zu sein. Vielmehr schien das alles bizarrer Ernst zu sein.
"Diese Macht wird seit jeher von dem Orden geschützt, dessen Wurzel die Getreuen Maria Magdalenas waren. Einem Orden, der im Laufe der Zeit viele Schutzmäntel gesucht hat, aber im Kern sind es immer nur dreizehn, die die volle Wahrheit kennen. Um diesen Kern haben sich Schichten gebildet, so dass der Vergleich mit einer Zwiebel treffend wäre. Templer, Prieure de Sion, Freimaurer: All das sind Schalen des Kerns, die mehr oder weniger eingeweiht sind."
"Und welche Rolle spielt Mr. Finch und wer bist du?", fragte Mark und sah den Mann an, der so plötzlich hier aufgetaucht war.
"Algie ist einer unserer Boten. Er ist ein halbwegs Eingeweihter", entgegnete Hinnerk. "Auch wenn er etwas umständlich ist, ist er doch einer unserer Besten.
Und ich?", Hinnerk lächelte still in sich hinein und bekannte offen: "Ich bin einer der dreizehn des Ordens. Ich war heute eigentlich nur hier, um dich in Augenschein zu nehmen."
"Mich? Warum?"
"Weil du der auserwählte neue Hüter bist. Sie stammen immer aus denselben Geschlechtern. Einer deiner Urahnen war 994 beim Sturm auf Stade dabei und hat ziemlich geplündert, aber dann rettete er den Schatz, als Wikinger wieder mal über ein Kloster in England herfielen, das seinerzeit den Schatz barg. Er nannte sich übrigens Lars Wolfssohn und wurde dann zum Hüter", erklärte Hinnerk. "Seither gab es drei Hüter aus eurem Geschlecht. Alles gute Männer und nun wollte ich sehen, wie stark das Erbe in dir ist. Wenn du deine Aufgabe annimmst, werde ich es erleben können."
Algernon Finch nahm das kommentarlos hin. Er stand dabei und lauschte dem Gespräch, ohne eine Mienen zu verziehen.
"Und der Hüter?" fragte Mark.
"Der Hüter ist der, der dem direkten Schutz des Schatzes, wie wir die Blutlinie nennen, verpflichtet ist. Er ist der Leibwächter, Ziehvater und mehr für sie."
"Und jetzt soll ich ..." begann Mark, wurde aber von Hinnerk unterbrochen.
"Nicht soll. Du bist es, wenn du ja sagst. Du musst dich hier und jetzt entscheiden. In diesem Moment."
Mark sah Hinnerk in die Augen. Der Alte sah ihn erwartungsvoll an. Mit einem Seitenblick, konnte Mark erkennen, dass auch Finchs Haltung angespannt war.
Was mache ich nur?, ging es Mark durch den Kopf.
"Diese Macht wird seit jeher von dem Orden geschützt, dessen Wurzel die Getreuen Maria Magdalenas waren. Einem Orden, der im Laufe der Zeit viele Schutzmäntel gesucht hat, aber im Kern sind es immer nur dreizehn, die die volle Wahrheit kennen. Um diesen Kern haben sich Schichten gebildet, so dass der Vergleich mit einer Zwiebel treffend wäre. Templer, Prieure de Sion, Freimaurer: All das sind Schalen des Kerns, die mehr oder weniger eingeweiht sind."
"Und welche Rolle spielt Mr. Finch und wer bist du?", fragte Mark und sah den Mann an, der so plötzlich hier aufgetaucht war.
"Algie ist einer unserer Boten. Er ist ein halbwegs Eingeweihter", entgegnete Hinnerk. "Auch wenn er etwas umständlich ist, ist er doch einer unserer Besten.
Und ich?", Hinnerk lächelte still in sich hinein und bekannte offen: "Ich bin einer der dreizehn des Ordens. Ich war heute eigentlich nur hier, um dich in Augenschein zu nehmen."
"Mich? Warum?"
"Weil du der auserwählte neue Hüter bist. Sie stammen immer aus denselben Geschlechtern. Einer deiner Urahnen war 994 beim Sturm auf Stade dabei und hat ziemlich geplündert, aber dann rettete er den Schatz, als Wikinger wieder mal über ein Kloster in England herfielen, das seinerzeit den Schatz barg. Er nannte sich übrigens Lars Wolfssohn und wurde dann zum Hüter", erklärte Hinnerk. "Seither gab es drei Hüter aus eurem Geschlecht. Alles gute Männer und nun wollte ich sehen, wie stark das Erbe in dir ist. Wenn du deine Aufgabe annimmst, werde ich es erleben können."
Algernon Finch nahm das kommentarlos hin. Er stand dabei und lauschte dem Gespräch, ohne eine Mienen zu verziehen.
"Und der Hüter?" fragte Mark.
"Der Hüter ist der, der dem direkten Schutz des Schatzes, wie wir die Blutlinie nennen, verpflichtet ist. Er ist der Leibwächter, Ziehvater und mehr für sie."
"Und jetzt soll ich ..." begann Mark, wurde aber von Hinnerk unterbrochen.
"Nicht soll. Du bist es, wenn du ja sagst. Du musst dich hier und jetzt entscheiden. In diesem Moment."
Mark sah Hinnerk in die Augen. Der Alte sah ihn erwartungsvoll an. Mit einem Seitenblick, konnte Mark erkennen, dass auch Finchs Haltung angespannt war.
Was mache ich nur?, ging es Mark durch den Kopf.
Kapitel 3
Das Schicksal des Hüters
Das Schicksal des Hüters
Der spitze und gehärtete Pflock aus Eichenholz drang mit einem hässlichen Knirschen tief in den Körper des Vampirs ein, durchschlug Haut, Knochen und das weiche, tote Fleisch und zerfetzte das nicht mehr schlagende Herz.
Connor Baigent riss den Pflock zurück und kümmerte sich nicht mehr um den zusammenbrechenden und zu Staub zerfallenden Vampir, der den Besen geschwungen hatte. Das letzte Bannzeichen war noch intakt und er hatte zugeschlagen.
Die Vampire hatten schmerzverzerrte Gesichter. Noch immer fühlten sie die Ausstrahlung des Drudenfußes, die ihnen zusetzte. Das war nichts, was sie wirklich wollten und hätten sie nicht die große Beute in Form Christines erwartetet, hätten sie sich wahrscheinlich schon zurückgezogen.
Der Besen fiel auf den Leichnam, der zusehends weiter verging. Aber Connors Pflock hatte schon ein weiteres Ziel gefunden und einen weiteren der Blutsauger vernichtet. Wieder riss er den Pflock aus dem untoten Körper, während das Fleisch verging. Dabei zerfielen die Vampire beinahe geruchlos.
Elena Tepescu stieß ein wildes Fauchen aus. Sie konnte nicht fassen, was sich da vor ihren Augen abspielte. Zwei Opfer schon!
Connor Baigent genoss diesen kleinen Triumph. Viele würde er nicht mehr feiern können. Aber jeder Vampir, der hier vernichtet wurde, war es wert zu sterben. Mit Sicherheit war Christine mittlerweile in der Luft. Nun galt es, ihren Vorsprung soweit zu vergrößern, dass sich ihre Spur wieder verlor.
"Los, packt ihn!", rief die Tepescu aus. "Greift ihn euch! Er ist unser!"
Mit einer schnellen Bewegung des Fußes verwischte einer der Blutsauger den Kreidestrich des Drudenfußes. Er schrie vor Schmerz und konnte nicht schnell genug zurückweichen. Dies nutzte Connor Baigent, der seinen Vorteil erkannte, augenblicklich aus. Der Hüter stieß ein weiteres Mal zu. Der Pflock fuhr mit dem mittlerweile vertrauten Geräusch in den untoten Körper und Connor fand mit traumwandlerischer Sicherheit das Herz.
Ein Schrei!
Wieder verging einer der verfluchten Bastarde, die dank des Froschfressers in das Haus des Schatzes eingedrungen waren, um die Herrschaft seiner Höllischen Majestät Luzifer zu ermöglichen. Elena quittierte das mit einem wütenden, unartikulierten Schrei. Sie war der Raserei nahe, verlor zusehends ihre kühle Überlegenheit.
"Greift ihn. Ich will sein Blut!", rief sie.
"Hols dir selbst!", antwortete Connor Baigent mit verzerrtem Gesicht. Es war sein letzter Kampf, es sollte ein guter werden. Er wollte würdig abtreten und noch einige dieser untoten Bastarde mitnehmen. "Kämpfe mit mir! Oder bist du zu feige?"
Doch sie trieb zur Antwort ihre Schergen vorwärts.
"Packt ihn! Denkt an den Schatz und die Belohnung Luzifers!"
Diesmal kamen sie zu zweit. Der Erste bekam den linken Arm zu fassen, jedoch nur den Hemdsärmel, und bevor der Zweite zupacken konnte, hatte Connor diesem den Pflock ins Herz gestoßen.
Diesmal kamen sie zu zweit. Der Erste bekam den linken Arm zu fassen, jedoch nur den Hemdsärmel, und bevor der Zweite zupacken konnte, hatte Connor diesem den Pflock ins Herz gestoßen.
Er spürte den Zug des anderen an seinem Hemd. In Sekundenbruchteilen handelte der Hüter, bevor der Vampir ihn von den Beinen holen konnte. Diesmal ließ er den Pflock fallen, riss sich mit der rechten Hand das Kreuz vom Hals und drückte das Kruzifix dem Vampir ins Gesicht.
Schmerzerfüllt schrie der Vampir auf. Das Kruzifix brannte wie ein glühendes Eisen in das Fleisch des Blutsaugers. Rauch stieg auf und es stank nach verbranntem Fleisch. Connor wurde es übel, aber davon durfte er sich nicht beeindrucken lassen. Er atmete durch den Mund, um möglichst wenig zu riechen.
Das Kreuz wechselte in die Linke und er ergriff den zweiten von drei Pflöcken, die er bei sich trug. Der Vampir, in dessen Gesicht das Mal des Kreuzes prangte, wurde sein nächstes Opfer. Der Eichenpflock fand seinen Weg in das Herz des Vampirs und erlöste auch ihn.
"Was ist? Seid ihr unfähig?", höhnte Elena. "Greift ihn endlich!"
Connor Baigent erwartete den nächsten Angriff der Vampire. Fünf von ihnen hatte er schon erledigt. Aber da waren noch an die zwanzig oder mehr, genau gezählt hatte er sie nicht. Und letztlich war es auch egal. Er hatte keine Hoffnung, sie alle zu erwischen, aber ein paar von ihnen wollte er mit sich nehmen.
Wieder griffen kalte, tote Hände nach ihm. Er wich aus und stieß zu, aber der Blutsauger wich zurück. Der Pflock verfehlte sein Ziel, prallte mit voller Wucht gegen die Wand und wurde Connor Baigent aus der Hand geprellt. Er flog mitten in die Horde der Vampire, was diese mit Triumphgeheul quittierten.
Connor griff gedankenschnell nach seinem dritten und letzten Pflock. Dem ersten Vampir, der blitzschnell nachsetzte, rammte er diesen ins Herz und mit der Linken presste er das Kruzifix einem weiteren Vampir ins Gesicht, der nur Augenblicke nach seinem Artgenossen erlöst wurde.
Sieben der Blutsauger, der Kinder der Nacht, hatte er schon erlöst. Er wollte mehr.
Weiter so! feuerte Connor Baigent sich an. Gibs ihnen! Wilde Hoffnung flackerte in ihm auf. Weiterkämpfen! Ist es möglich? fragte er sich. Kann ich überleben?
Er federte zurück. Die Enge des Kellergangs war sein großer Vorteil. Sie konnten ihn nicht einkreisen, mit ihren toten, kalten Händen zu Boden zerren und mit ihrer bloßen Übermacht niederwerfen und töten. Immer nur zu zweit konnten sie ihn angreifen und bisher hatte er sich gut geschlagen. Das Kampftraining, die jahrelangen Übungen zahlten sich jetzt aus.
Connor schnaufte wie eine alte Dampflok, der Schweiß lief in Strömen. Er war nicht mehr der Jüngste, aber er hatte sich fit gehalten. Aber die nervliche Spannung erschöpfte ihn mehr als der körperliche Kampf.
"Was ist mit euch?", tobte Elena. "Holt ihn euch endlich!"
"Hol ihn dir doch selbst", wagte einer der Vampire zu widersprechen.
Connor Baigent gewann dadurch einen Moment Luft. Elena war aus den eigenen Reihen herausgefordert worden. Das konnte sie sich nicht bieten lassen. Nicht hier und nicht jetzt.
Die Vampire hatten sich dem Hüter abgewandt und warteten auf die Reaktion der Vampirin. Connor Baigent konnte sein Glück kaum fassen. Das nutzte der Hüter und der Pflock fuhr durch den Rücken eines weiteren Vampirs in dessen Herz.
Doch der Vampir drehte sich und der Pflock verkantete sich hinter der Wirbelsäule des Untoten. Das Holz wurde Connor Baigent aus der Hand geprellt, fiel mit dem in Auflösung begriffenen Blutsauger zu Boden. Die übrigen Vampire warfen sich wieder herum und sahen den Hüter nur noch mit dem Kruzifix bewaffnet.
Shit! dachte der Hüter. Das wars!
Wutgeheul der Blutsauger wich Triumphgeschrei. Jetzt war der Hüter erledigt. Das Kruzifix bereitete ihnen zwar Schmerzen, aber sie wollten, nein, sie mussten ihn aus dem Weg räumen, um an den Schatz zu gelangen. So überwanden sie die Schmerzen und die Abscheu gegenüber dem Kreuz.
Zwei von ihnen warfen sich nach vorn und rammten Connor Baigent wie einen Quarterback im American Football mit den Schultern zu Boden, packten ihn im Fallen und klammerten sich an ihn.
Das Kruzifix rutschte ihm aus den Händen und flog in hohem Boden in das Halbdunkel des Kellers. Klirrend rutschte es über den Boden, bis es irgendwo weiter hinten liegen blieb.
Nutzlos für den Hüter ungefährlich für die Vampire.
Connor Baigent versuchte sich zu befreien, aber weitere der Blutsauger folgten augenblicklich. Drei, vier oder noch mehr Vampire drücken ihn mit ungeheurer Kraft zu Boden, nagelten ihn quasi fest. Er konnte sich nicht mehr rühren.
Connor Baigent biss die Zähne zusammen, sagte kein Wort, gab keinen Laut von sich. Er wollte nicht schwach erscheinen.
Elena Tepescu erschien in seinem Blickfeld. Ihre spitzen Augenzähne waren wegen des verzerrten Triumphes in ihrem Gesicht nur allzu gut zu erkennen. Connor Baigent wusste, er würde diesen Zähnen noch viel näher kommen, als er es jemals gewollt hatte.
Galgenhumor!
"Nun, Hüter. Das wars dann für dich ... und bald auch für die Welt."
"Wenn du dich da nicht täuschst", presste Connor Baigent hervor.
Ein Fußtritt in die Seite nahm ihm die Luft ...
Schmerzerfüllt schrie der Vampir auf. Das Kruzifix brannte wie ein glühendes Eisen in das Fleisch des Blutsaugers. Rauch stieg auf und es stank nach verbranntem Fleisch. Connor wurde es übel, aber davon durfte er sich nicht beeindrucken lassen. Er atmete durch den Mund, um möglichst wenig zu riechen.
Das Kreuz wechselte in die Linke und er ergriff den zweiten von drei Pflöcken, die er bei sich trug. Der Vampir, in dessen Gesicht das Mal des Kreuzes prangte, wurde sein nächstes Opfer. Der Eichenpflock fand seinen Weg in das Herz des Vampirs und erlöste auch ihn.
"Was ist? Seid ihr unfähig?", höhnte Elena. "Greift ihn endlich!"
Connor Baigent erwartete den nächsten Angriff der Vampire. Fünf von ihnen hatte er schon erledigt. Aber da waren noch an die zwanzig oder mehr, genau gezählt hatte er sie nicht. Und letztlich war es auch egal. Er hatte keine Hoffnung, sie alle zu erwischen, aber ein paar von ihnen wollte er mit sich nehmen.
Wieder griffen kalte, tote Hände nach ihm. Er wich aus und stieß zu, aber der Blutsauger wich zurück. Der Pflock verfehlte sein Ziel, prallte mit voller Wucht gegen die Wand und wurde Connor Baigent aus der Hand geprellt. Er flog mitten in die Horde der Vampire, was diese mit Triumphgeheul quittierten.
Connor griff gedankenschnell nach seinem dritten und letzten Pflock. Dem ersten Vampir, der blitzschnell nachsetzte, rammte er diesen ins Herz und mit der Linken presste er das Kruzifix einem weiteren Vampir ins Gesicht, der nur Augenblicke nach seinem Artgenossen erlöst wurde.
Sieben der Blutsauger, der Kinder der Nacht, hatte er schon erlöst. Er wollte mehr.
Weiter so! feuerte Connor Baigent sich an. Gibs ihnen! Wilde Hoffnung flackerte in ihm auf. Weiterkämpfen! Ist es möglich? fragte er sich. Kann ich überleben?
Er federte zurück. Die Enge des Kellergangs war sein großer Vorteil. Sie konnten ihn nicht einkreisen, mit ihren toten, kalten Händen zu Boden zerren und mit ihrer bloßen Übermacht niederwerfen und töten. Immer nur zu zweit konnten sie ihn angreifen und bisher hatte er sich gut geschlagen. Das Kampftraining, die jahrelangen Übungen zahlten sich jetzt aus.
Connor schnaufte wie eine alte Dampflok, der Schweiß lief in Strömen. Er war nicht mehr der Jüngste, aber er hatte sich fit gehalten. Aber die nervliche Spannung erschöpfte ihn mehr als der körperliche Kampf.
"Was ist mit euch?", tobte Elena. "Holt ihn euch endlich!"
"Hol ihn dir doch selbst", wagte einer der Vampire zu widersprechen.
Connor Baigent gewann dadurch einen Moment Luft. Elena war aus den eigenen Reihen herausgefordert worden. Das konnte sie sich nicht bieten lassen. Nicht hier und nicht jetzt.
Die Vampire hatten sich dem Hüter abgewandt und warteten auf die Reaktion der Vampirin. Connor Baigent konnte sein Glück kaum fassen. Das nutzte der Hüter und der Pflock fuhr durch den Rücken eines weiteren Vampirs in dessen Herz.
Doch der Vampir drehte sich und der Pflock verkantete sich hinter der Wirbelsäule des Untoten. Das Holz wurde Connor Baigent aus der Hand geprellt, fiel mit dem in Auflösung begriffenen Blutsauger zu Boden. Die übrigen Vampire warfen sich wieder herum und sahen den Hüter nur noch mit dem Kruzifix bewaffnet.
Shit! dachte der Hüter. Das wars!
Wutgeheul der Blutsauger wich Triumphgeschrei. Jetzt war der Hüter erledigt. Das Kruzifix bereitete ihnen zwar Schmerzen, aber sie wollten, nein, sie mussten ihn aus dem Weg räumen, um an den Schatz zu gelangen. So überwanden sie die Schmerzen und die Abscheu gegenüber dem Kreuz.
Zwei von ihnen warfen sich nach vorn und rammten Connor Baigent wie einen Quarterback im American Football mit den Schultern zu Boden, packten ihn im Fallen und klammerten sich an ihn.
Das Kruzifix rutschte ihm aus den Händen und flog in hohem Boden in das Halbdunkel des Kellers. Klirrend rutschte es über den Boden, bis es irgendwo weiter hinten liegen blieb.
Nutzlos für den Hüter ungefährlich für die Vampire.
Connor Baigent versuchte sich zu befreien, aber weitere der Blutsauger folgten augenblicklich. Drei, vier oder noch mehr Vampire drücken ihn mit ungeheurer Kraft zu Boden, nagelten ihn quasi fest. Er konnte sich nicht mehr rühren.
Connor Baigent biss die Zähne zusammen, sagte kein Wort, gab keinen Laut von sich. Er wollte nicht schwach erscheinen.
Elena Tepescu erschien in seinem Blickfeld. Ihre spitzen Augenzähne waren wegen des verzerrten Triumphes in ihrem Gesicht nur allzu gut zu erkennen. Connor Baigent wusste, er würde diesen Zähnen noch viel näher kommen, als er es jemals gewollt hatte.
Galgenhumor!
"Nun, Hüter. Das wars dann für dich ... und bald auch für die Welt."
"Wenn du dich da nicht täuschst", presste Connor Baigent hervor.
Ein Fußtritt in die Seite nahm ihm die Luft ...
"Junge Lady, ich muss mich nun um das Flugzeug kümmern", sagte James entschuldigend. "Darf ich dir noch etwas bringen? Einen Saft, Cola, etwas zu essen?"
"Nein danke, James", antwortete Christine. "Ich habe alles, was ich brauche, und im Moment würde ich ohnehin nichts mehr runterkriegen. Nicht mal ein Eis."
James nickte und einem Impuls folgend strich er ihr übers Haar, was sie mit einem Lächeln quittierte.
Hätte mich mein Lehrmeister gesehen, er wäre in Ohnmacht gefallen, dachte der Butler.
Dann wandte er sich um, ging ins Cockpit und klemmte sich hinter den Pilotensitz. Er ergriff den Steuerknüppel, checkte die Instrumente und ging in den Sinkflug über. Der Autopilot hatte die Kursänderung registriert und sich automatisch abgeschaltet. Während er sich dem kleinen Flughafen näherte, nahm er Kontakt zum Tower auf.
Eine nicht allzu freundliche Männerstimme wies ihn ein. James konnte den Mann verstehen, hatte man ihn doch aus seinem Feierabend herbei zitiert, um irgendeinen Flug mit Sondergenehmigung in Empfang zu nehmen. Da konnte keine Begeisterung aufkommen. James nahm es mit Gelassenheit. Immerhin wusste der Mann nicht, worum es ging. Und er würde es nie erfahren. Somit sollte man ihm seine schlechte Laune nachsehen.
Der hagere Butler folgte den Instruktionen und führte die Maschine mit Routine an die recht knapp bemessene Landebahn heran. Glücklicherweise war er ein routinierter Pilot. Hatte er doch seinen Militärdienst bei der Royal Air Force abgeleistet und fast alles geflogen, was es zu fliegen gab, bevor ihn vor knapp zwanzig Jahren der Orden für sich entdeckte, auf die Butlerschule schickte und dann in den Dienst des Schatzes und des Hüters stellte.
Auch hier hatte er sich bei ihren diversen Umzügen immer wieder als Pilot bewährt. Kaum ein Fluggerät war ihm fremd. Noch vor wenigen Wochen hatte ihm der Orden einen Wunsch erfüllt: James war nach Tolouse gereist, wo er den neuen Airbus A-380 fliegen durfte. Es war ein phantastisches Gefühl und eine große Belohnung für seine loyalen Dienste gewesen.
James sah zwar aus wie knapp über vierzig und somit gut zehn Jahre jünger, als er wirklich war. In der Tat war er zweiundfünfzig Jahre alt. Doch seit seiner Pilotenzeit hatte er sich immer fit gehalten und er fühlte sich dementsprechend jünger.
Die Lichter der Landebahn kamen in Sicht. James führte das Landemanöver routiniert und sicher durch. Der Learjet lag wunderbar in der Luft. Er gehörte zu den Lieblingsflugzeugen des Butlers. Eine für ihn absolut unproblematische Maschine. Dann der Bodenkontakt. Das Flugzeug rollte aus und James bremste es stark ab, ohne dass die Räder des Fahrwerks blockierten, und rollte die Landebahn entlang. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos.
Als er die Maschine unter dem Licht der Scheinwerfer in Richtung des Hangars lenkte, konnte er in großen Lettern den Namen des Flugplatzes erkennen. Stade Agathenburg stand dort in weißen Lettern zu lesen. James hatte bisher weder von Stade, noch von Agathenburg gehört.
James bedankte sich höflich bei dem Mann im Tower und wünschte ihm eine gute Nacht. Der Mann war von der vorgesetzten Behörde angewiesen worden, sofort nach Landung des Flugzeugs nach Hause zurückzukehren.
Der Butler ließ das Flugzeug anweisungsgemäß vor dem Hangar ausrollen. Am Tower konnte er die Scheinwerfer eines Autos aufflammen und ihn in Richtung Ausfahrt fahren sehen. Sicher der Mann vom Tower. Es war knapp ein Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit.
Nun galt es auf den neuen Hüter zu warten, der von Algernon Finch eingewiesen worden war. Der Mann gehörte wie er selbst zu den Dienern des Ordens. Algernon lebte in Hamburg und sein Hauptberuf war Importeur erlesener Whiskysorten aus Schottland und Irland.
James erhob sich und ging nach hinten in die Kabine. Er konnte Christine nicht allein sitzen lassen.
"Komm doch nach vorn, junge Lady. Da können wir uns die Wartezeit gemeinsam vertreiben", bot er Christine an.
"Gern", antwortete das Mädchen. Sie löste den Gurt und erhob sich. Sie folgte James ins Cockpit und nahm auf dem Sitz des Co-Piloten Platz. Sie saßen in einträchtigem Schweigen und starrten in der Erwartung in die Nacht hinaus, jeden Moment Scheinwerfer vom Tor her kommen zu sehen. Algernon Finch war James mit einem BMW der 7er Reihe avisiert worden.
Vom Orden war Funkstille angeordnet worden. Wenn Algernon Finch und der neue Hüter nicht bis zwei Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit vor Ort waren, sollte er wieder starten. Ziel war dann Rom, wo ein weiterer Kandidat angesprochen werden sollte.
Noch war knapp eine dreiviertel Stunde Zeit, bis er wieder starten musste. James erzählte Christine davon erst einmal nichts. Warum sollte er die Pferde scheu machen und das Mädchen noch mehr Stress aussetzen? Im schwachen Licht des Cockpits konnte James erkennen, wie Christine gebannt nach draußen starrte. Was sie wohl dachte? Welche Vorstellungen sie sich von dem neuen Hüter machte?
Er fragte nicht. Man würde es erleben, sowohl sie als auch James selbst. Der Flugplatz war von einem Waldstück umgeben, das sich wie eine Festung um den kleinen Sportflugplatz schloss. Die Bäume wirkten in der Dunkelheit wie eine schwarze Mauer.
Da!
Ein paar Scheinwerfer! Mit hoher Geschwindigkeit näherte sich ein Auto über die Schotterpiste. Im Licht der verbliebenen Scheinwerfer des Flugplatzes war ein dunkler 7er BMW neuester Bauart zu erkennen. James bedeutete Christine, auf ihrem Platz zu bleiben und zu warten, bis sie das Zeichen bekam auszusteigen. Er selbst erhob sich von seinem Platz und verließ durch den Kabinenausgang den Learjet, um das Fahrzeug in Empfang zu nehmen.
Cresmonia Gwscore folgte dem Learjet in sicherer Entfernung, als er zum Landeanflug ansetzte. Die Hexe kannte diesen Ort und den kleinen Flugplatz nicht. Tiefe Provinz hatte sie schon immer verabscheut.
Wenn sie sich recht orientiert hatte, war Hamburg nicht weit entfernt. Hamburg kannte sie, hatte sie doch dort in den fünfziger Jahren ein paar Bordelle auf St. Pauli durch Strohmänner betrieben. Es war eine wilde Zeit gewesen, aber auch diesem Erwerbszweig war sie irgendwann überdrüssig geworden. Doch Hamburg hatte sie immer wieder gern besucht. Hinter manch biederer Kaufmannsfassade lauerten Abgründe, in die Cresmonia immer wieder gern eintauchte.
Aber das hier, das hier war stinklangweilige Provinz! Dafür hatte der Orden schon immer eine Vorliebe gehabt. Staubtrockene Langweiler waren das, ohne jeden Sinn für die Freuden des Lebens. Nun ja, was konnte man von ihnen auch erwarten. Sie gingen völlig im Ernst ihrer Aufgabe auf.
Was wäre, wenn ich sie von dieser Aufgabe befreie? schmunzelte Cresmonia. Heute Nacht!
Aber sie hatte sich immer noch nicht entschieden. Vielleicht würde es noch viel mehr Spaß machen dem neuen Hüter, direkt unter seiner Nase, den Schatz zu rauben und ihn dann zu töten. Was für eine köstliche Vorstellung!
Man wird sehen, dachte sie bei sich, was die Nacht noch bringt.
Sie landete nackt, wie sie geschaffen war, mit ihrem Hexenbesen unweit des Flugplatzes im Schatten des Waldes. Für sie war das nah genug. Sie konnte alles hören und sehen, was geschah. Hexensalbe war so ungeheuer vielfältig und praktisch, wenn man nur um das Geheimnis wusste.
Cresmonia hatte das Gesicht eines Engels. Blondes, schulterlanges Haar umrahmte das Gesicht mit hoch angesetzten Wangenknochen, das fraulich und doch fein geschnitten war. Ihr Busen war groß, doch fest, und ihre weitausladenden Hüften mit dem rasierten Schambereich rundeten das Bild eines Männertraums ab.
Sie fror nicht. Nicht in achttausend Metern Höhe, nicht am Boden. Auch das eine erwünschte Nebenwirkung der Hexensalbe, die sie selbst herstellte.
Es war eine Nacht, in der sie Spaß haben würde. Es hatte ihr Vergnügen bereitet, den Fuchs aus dem Bau zu treiben, und nun spielte sie mit ihren Opfern. Es war wie immer bei einer Jagd. Die Beute hatte nicht die geringste Chance.
Cresmonia war das nur recht. Sie hasste Glücksspiele. Sie musste die Kontrolle haben. Dann erst wurde es interessant - für sie. Zumeist auch für ihre Opfer, meist mehr, als denen lieb war. Aber was sollte das Cresmonia kümmern?
Sie landete nackt, wie sie geschaffen war, mit ihrem Hexenbesen unweit des Flugplatzes im Schatten des Waldes. Für sie war das nah genug. Sie konnte alles hören und sehen, was geschah. Hexensalbe war so ungeheuer vielfältig und praktisch, wenn man nur um das Geheimnis wusste.
Cresmonia hatte das Gesicht eines Engels. Blondes, schulterlanges Haar umrahmte das Gesicht mit hoch angesetzten Wangenknochen, das fraulich und doch fein geschnitten war. Ihr Busen war groß, doch fest, und ihre weitausladenden Hüften mit dem rasierten Schambereich rundeten das Bild eines Männertraums ab.
Sie fror nicht. Nicht in achttausend Metern Höhe, nicht am Boden. Auch das eine erwünschte Nebenwirkung der Hexensalbe, die sie selbst herstellte.
Es war eine Nacht, in der sie Spaß haben würde. Es hatte ihr Vergnügen bereitet, den Fuchs aus dem Bau zu treiben, und nun spielte sie mit ihren Opfern. Es war wie immer bei einer Jagd. Die Beute hatte nicht die geringste Chance.
Cresmonia war das nur recht. Sie hasste Glücksspiele. Sie musste die Kontrolle haben. Dann erst wurde es interessant - für sie. Zumeist auch für ihre Opfer, meist mehr, als denen lieb war. Aber was sollte das Cresmonia kümmern?
Sie hockte sich ins Gras und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Wer wohl der neue Hüter sein mochte? War er attraktiv, voller Saft und Kraft, vor allen Dingen jung? Dann konnte sich die Hexe vorstellen, sich seiner anzunehmen und mit ihm ein paar Tage im Bett zu verbringen.
Sie konnte sehen, wie ein Mann den kleinen, fast schon provisorischen Tower verließ, der den Charme eines Wachturms an der ehemaligen Zonengrenze hatte (an die hatte Cresmonia wegen des Brockens und dreier völlig erschöpfter, aber glücklicher DDR-Grenzer so ihre Erinnerungen), und zu einem Wagen, einem alten Golf, stapfte und ihn aufschloss und einstieg. Der alte Golf sprang sofort an und verschwand letztlich im Waldstück, dass zu einer größeren Straße führte, von der Cresmonia nicht wusste, dass es sich um die B 73 zwischen Hamburg du Cuxhaven handelte.
Zurück blieb im Licht von ein paar Restscheinwerfern der Learjet mit seiner kostbaren Fracht und dem Butler. Cresmonia Gwscore widerstand nur mit Mühe der Versuchung, etwas mit dem Flieger - einer selten plumpen Maschine, die nichts weiter konnte, als Krach zu machen - oder deren Insassen zu veranstalten, um sich die Zeit zu vertreiben.
Nimm dich zusammen, altes Mädchen! dachte sie und lächelte. Sie hatte es doch in all den Jahrhunderten immer wieder geschafft sich zusammenzureißen und zu beherrschen und so den meisten Spaß gehabt. Die Tugend der Geduld, wie so viele andere Tugenden, war nicht ihre Stärke, aber im Laufe ihres langen Lebens hatte sie gelernt, dass gerade das Abwarten ihr manchmal Trümpfe und Gelegenheiten in die Hand spielte, die ihr meistens große Freude und riesige Triumphe beschert hatten.
Schließlich näherte sich von der Bundesstraße her ein Auto, das mit hoher Geschwindigkeit die eher schlecht ausgebaute Piste zu diesem kleinen Sportflughafen heranbrauste. Die Tür des Fliegers zur Kabine öffnete sich und der Butler erschien darin, klappte die Treppe aus und verließ den Learjet.
Die Haltung der Hexe veränderte sich. Gespannt erwartete sie den Wagen, der hart abbremste und im Schatten des Flugzeuges zum Stehen kann. Sie konnte sehen, wie drei Männer ausstiegen. Zwei davon kamen um das Flugzeug herum. Einen davon kannte sie nicht. Er war in feinstes Tuch gekleidet. Offensichtlich ein Bote.
Den anderen kannte sie schon lange und hatte mit ihm im Laufe der Zeit schon so manchen Strauß gefochten. Wie er sich jetzt wohl nannte? Viele Namen hatten ihn durch die Jahrhunderte begleitet. Aber eines hatte sich kaum verändert: die hünenhafte Gestalt mit dem Vollbart, der mal mehr, mal weniger gepflegt war. Was er mit dem Orden zu tun hatte, war ihr nie ganz klar geworden. Und er ließ sie auch nie nah genug heran, als dass sie eine Chance gehabt hätte, hinter seine Geheimnisse zu kommen.
Aber der Hüter war er nicht. Der stand noch hinter dem Flugzeug. Offensichtlich wollten sie ihm dem Schatz nicht gleich zeigen. Von ihm konnte sie bis jetzt nur die Beine sehen. Eine alte, eng sitzende Jeans umgab muskulöse Beine. Wenn der Rest auch so vielversprechend war, konnte er eine ganz nette Partie sein. Ein paar Wochen Spaß allemal. Aber erst wollte sie sehen, ob der Rest auch halten konnte, was die Beine versprachen.
Vielleicht passierte ja noch was ganz anderes und der Kaiser der Hölle konnte jubeln und endlich über die Erde herrschen.
Cresmonia Gwscore würde sich da völlig ihrer Intuition überlassen.
Der Butler, der Bote und ihr alter Widersacher schwatzten Belangloses, begrüßten sich. Mit keinem Wort gingen sie auf die Vorfälle des Abends ein. Es war, als hätten sich entfernte Bekannte zufällig getroffen und nun plauderte man über das Wetter.
Der Butler verschwand dann im Jet und Hinnerk rief den Hüter. Er rief nicht mehr mit seinem Namen, sondern mit seinem Titel.
Dann kam der schmucke Junge um das Flugzeug herum und als er ins Licht trat und in ihre Richtung blickte, war es Cresmonia, als träte man ihr mit voller Wucht in den Bauch oder zöge ihr mit glühenden Zangen die Haut ab (was ein Inquisitor mal versucht hatte und es bitter bereute). Ihr Blut erstarrte zu Eiswasser. Die unterschiedlichsten Empfindungen überkamen sie.
Hass, Wut, Liebe, Trauer, Eifersucht.
Deutlich erinnerte sie sich an alles. Seit vielen Jahrhunderten kannte sie ihn, liebte und hasste ihn. Hatte versucht, ihn zu töten, hatte ihm das Leben gerettet, war verschmäht und geliebt worden. Sie hatten gegeneinander und miteinander gekämpft. Er hatte sie vom Scheiterhaufen geholt und sie verstoßen. Eine wahrhaft verworrene Geschichte.
Und nun schien ausgerechnet er der Hüter zu sein. Oder was machte er sonst hier? Nicht um einen Tag gealtert. Welches Geheimnis barg er?
Cresmonia Gwscore blinzelte, konnte nicht glauben, wen sie dort sah. Die Knie gaben nach. Und sie tat etwas, das sie seit dem langem nicht mehr getan hatte. Tränen rannen ihr Gesicht hinab.
Cresmonia weinte ...
"Ich mache es!", entschied Mark Larsen, Doktor der Anthropologie. "Ich bin der Hüter."
Hinnerk atmete erleichtert auf. Algernon Finch entspannte sich und tupfte sich mit einem blütenweißen Taschentuch Schweiß von der Stirn. Beide hatten für einen Moment gezweifelt, ob der hünenhafte Deutsche die Last auf seine Schultern laden würde.
"Sei willkommen in unseren Reihen, Hüter", sagte Hinnerk förmlich und erleichtert zugleich. Er reichte Mark seine Hand, der ohne zu zögern einschlug.
Algernon Finch berichtete nun in gebotener Kürze von den Ereignissen in England, vom Verrat und der Flucht des Butlers mit dem Schatz. Er erzählte auch, dass der alte Hüter zurückgeblieben war, um die Vampire aufzuhalten und dabei fallen würde oder inzwischen wohl schon gefallen war.
Irgend etwas beunruhigte Mark an dem Bericht. Aber er konnte den Finger noch nicht in die Wunde legen.
"Ich möchte ungern unnötig zur Eile mahnen", schloss Algernon Finch in seiner umständlichen Art, "aber der Jet aus England dürfte in diesen Minuten in Agathenburg gelandet sein. Bis zwei Uhr soll er dort verharren, bevor er wieder abzuheben hat, um über Alternativlösungen nachzudenken."
"Agathenburg?", fragte Mark ungläubig. "Da ist doch nur bei Tag Betrieb."
"Daran musst du dich gewöhnen", meinte Hinnerk leichthin. "Der Orden ist recht einflussreich in der normalen Welt. Wir kennen immer jemanden, der jemanden kennt, der die Entscheidungen trifft und Ausnahmen möglich macht, ohne dass er viele Fragen stellt."
Mark nickte. Er stellte fest, dass der Orden, sollte er es wirklich wollen, vermutlich die Geschicke der Welt bestimmen konnte.
"Das könnten wir, wenn wir wollten", meinte Hinnerk, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Aber wir wollen nicht. Und nun sollten wir uns beeilen, bevor du dich umsonst entschlossen hast, der Hüter zu sein. Wir können uns im Auto noch ein wenig unterhalten."
"Hast du meine Gedanken gelesen?", fragte Mark, als sie sich in Richtung Deich in Bewegung setzten.
"Nicht wirklich. Du musst es mal probieren. Menschliche Gedankenwelten sind so konfus, aber es war dir förmlich anzusehen. Jeder denkt das, wenn er hört wie einflussreich der Orden ist. Aber wir sind keine Weltenherrscher, sondern Bewahrer. Wir denken nicht in den oft kurzfristigen Kategorien der Politik, sondern vielmehr in langfristigen Dimensionen. Allerdings", räumte er ein, "haben wir auch schon in die Tagespolitik eingegriffen. Immer wenn die Menschheit vor der Vernichtung stand ..."
"Die Kuba-Krise ...", vermutete Mark spontan.
"Eben da", bestätigte Hinnerk die Vermutung des neuen Hüters. "Aber es waren diplomatische Missionen. Und gute Beziehungen. Doch es hat gereicht, um Kennedy und Chrustschow zur Vernunft zu bringen."
Sie folgten Algernon Finch über den Elbdeich. Es ging vorbei an einem Denkmal, das als Erinnerung an die Sturmflut vom dritten Januar 1976 aufgestellt worden war. Es symbolisierte Wellen, die damals die Deiche im Kehdinger Land zum Brechen brachten. Nicht weit davon das lebensgroße Denkmal des damaligen Deichgrafen, dessen Name Mark entfallen war.
Algernon hielt auf einen 7er BMW der neuesten Baureihe in elegantem Schwarz zu. Der Wagen hatte Hamburger Kennzeichen.
"Lass mich fahren", sagte Hinnerk, als Algernon Finch auf der Fahrerseite einsteigen wollte. "Ich bin schneller als du."
Algernon Finch wirbelte förmlich herum, sah Hinnerk anklagend an, versagte sich aber einen Kommentar und gab dem Bärtigen den Schlüssel. Seine Miene brachte deutlich zum Ausdruck, dass er davon nicht begeistert war und das Schlimmste befürchtete. Sie stiegen ein. Finch auf den Rücksitz. Mark stieg auf der Beifahrerseite ein und Hinnerk schwang sich auf den Fahrersitz. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und los ging die Fahrt.
Mark hatte nicht gewusst, wie schnell ein 7er beschleunigen konnte. Er selbst fuhr nur ein alten, äußerst klapperigen Golf. Hinnerk legte einen Kavalierstart hin, der Mark förmlich in die Sitze presste. Rasch schnallte er sich an. Der bärtige Alte driftete förmlich auf die Hauptstraße und hatte den Wagen schnell auf über hundertzwanzig Sachen beschleunigt. Plötzlich bremste er ab.
"Die Todeskurve. Schneller als siebzig geht die nicht", brummte er in seinen Bart, aber kaum war er um die Kurve herum, drehte Hinnerk wieder richtig auf. Die Deichlücken am alten Elbdeich durchquerten sie fliegend, aber die Federung des BMW fing das auf. Dann rasten sie schon durch das fast ausgestorbene Drochtersen. Hinnerk gab alles.
"In zehn Minuten sind wir da", sagte er nur.
"Was macht der Hüter eigentlich noch?", fragte Mark, um sich vom Fahrstil Hinnerks abzulenken.
"Wie?", fragte der Alte verständnislos.
"Nun ja, was unternimmt der Hüter gegen das Böse?"
"Gegen die Schwarze Familie? Nichts. Er ist nur dazu da, den Schatz zu schützen", entgegnete Hinnerk.
"Aber der Orden kämpft doch wenigstens gegen die Schwarze Familie", Mark nahm den Sammelbegriff für die höllischen Heerscharren sofort auf, "und versucht sie vom Erdball zu vertreiben, oder?"
"Das würden manche gern, aber der Orden ist seit Jahrhunderten nur in der Defensive", erklärte Hinnerk. "Der, von dem die Blutlinie stammt, lehrte uns, auch die andere Wange hinzuhalten. Und nur die Macht des Schatzes zu schützen. Gelegentlich wehren wir uns, aber nicht oft. Meistens ziehen wir uns zurück und suchen neue Verstecke."
"Dann werden wir eines Tages unterliegen. Heute war es ganz knapp und wahrscheinlich auch schon früher mal."
"Was macht der Hüter eigentlich noch?", fragte Mark, um sich vom Fahrstil Hinnerks abzulenken.
"Wie?", fragte der Alte verständnislos.
"Nun ja, was unternimmt der Hüter gegen das Böse?"
"Gegen die Schwarze Familie? Nichts. Er ist nur dazu da, den Schatz zu schützen", entgegnete Hinnerk.
"Aber der Orden kämpft doch wenigstens gegen die Schwarze Familie", Mark nahm den Sammelbegriff für die höllischen Heerscharren sofort auf, "und versucht sie vom Erdball zu vertreiben, oder?"
"Das würden manche gern, aber der Orden ist seit Jahrhunderten nur in der Defensive", erklärte Hinnerk. "Der, von dem die Blutlinie stammt, lehrte uns, auch die andere Wange hinzuhalten. Und nur die Macht des Schatzes zu schützen. Gelegentlich wehren wir uns, aber nicht oft. Meistens ziehen wir uns zurück und suchen neue Verstecke."
"Dann werden wir eines Tages unterliegen. Heute war es ganz knapp und wahrscheinlich auch schon früher mal."
Ein Seitenblick auf Hinnerk, bewies Mark, dass er recht hatte.
"Was dann passiert, brauche ich dir nicht zu erklären."
In Mark regte sich mehr als nur Kampfgeist (den hatte er immer schon gehabt). Das Erbe seiner Vorväter machte sich bemerkbar, ohne dass er sich dessen bewußt war. Aber er selbst hatte es nie hinnehmen können, aufzugeben oder immer nur in der Defensive zu sein. Lehrer, Trainer, Professoren konnten ein Lied vom kämpferischen Mark Larsen singen. Er war ein Kämpfer. Die Redensart, dass der Klügere nachgibt, war für Mark nie ein Maßstab gewesen, denn es bedeutete, dass der Dümmere siegen würde.
Hinnerk nickte nur.
"Also ist es an der Zeit, die Schwarze Familie zu jagen und zu besiegen, wo wir sie treffen!" verkündete Mark Larsen im Brustton der Überzeugung. "Und der Orden muss mit seinen Mitteln ebenso kämpfen."
"Und wie soll das gehen?", fragte Finch.
"Ganz einfach. Man sucht die Bestien und vernichtet sie. Man stellt sich ihnen, bekämpft sie, wo sie sich zeigen, drängt sie zurück und vertreibt sie. Der Orden ist einflussreich und mächtig. Das muss man sich zunutze machen."
In Mark regte sich mehr als nur Kampfgeist (den hatte er immer schon gehabt). Das Erbe seiner Vorväter machte sich bemerkbar, ohne dass er sich dessen bewußt war. Aber er selbst hatte es nie hinnehmen können, aufzugeben oder immer nur in der Defensive zu sein. Lehrer, Trainer, Professoren konnten ein Lied vom kämpferischen Mark Larsen singen. Er war ein Kämpfer. Die Redensart, dass der Klügere nachgibt, war für Mark nie ein Maßstab gewesen, denn es bedeutete, dass der Dümmere siegen würde.
Hinnerk nickte nur.
"Also ist es an der Zeit, die Schwarze Familie zu jagen und zu besiegen, wo wir sie treffen!" verkündete Mark Larsen im Brustton der Überzeugung. "Und der Orden muss mit seinen Mitteln ebenso kämpfen."
"Und wie soll das gehen?", fragte Finch.
"Ganz einfach. Man sucht die Bestien und vernichtet sie. Man stellt sich ihnen, bekämpft sie, wo sie sich zeigen, drängt sie zurück und vertreibt sie. Der Orden ist einflussreich und mächtig. Das muss man sich zunutze machen."
Marks Gedanken überschlugen sich. Vor seinem geistigen Auge war alles klar.
"Das wäre zu überdenken", gab Hinnerk zu, der ohnehin zu den Verfechtern gehörte, dass man nicht immer die andere Wange hinhalten sollte. "Möglich wäre es. Aber das würde nicht von heute auf morgen gehen."
"Doch, das geht", antworte Mark, der von der Idee in die Offensive zu gehen, mitgerissen wurde.
"Der Orden in all seiner Tradition und Macht und der verschiedenen Schichten denkt in Jahrhunderten", mischte sich Algernon Finch in das Gespräch ein, während Hinnerk mit Vollgas die Moorstraße hinaufraste und dabei an die zweihundert fuhr.
"Algie trifft den Nagel auf den Kopf", gab der Hinnerk ihm recht.
"Nicht, wenn ich den Kampf eröffne", sagte Mark. "Sie werden helfen müssen."
"Das wäre zu überdenken", gab Hinnerk zu, der ohnehin zu den Verfechtern gehörte, dass man nicht immer die andere Wange hinhalten sollte. "Möglich wäre es. Aber das würde nicht von heute auf morgen gehen."
"Doch, das geht", antworte Mark, der von der Idee in die Offensive zu gehen, mitgerissen wurde.
"Der Orden in all seiner Tradition und Macht und der verschiedenen Schichten denkt in Jahrhunderten", mischte sich Algernon Finch in das Gespräch ein, während Hinnerk mit Vollgas die Moorstraße hinaufraste und dabei an die zweihundert fuhr.
"Algie trifft den Nagel auf den Kopf", gab der Hinnerk ihm recht.
"Nicht, wenn ich den Kampf eröffne", sagte Mark. "Sie werden helfen müssen."
Mark Larsen hatte beschlossen, Fakten zu schaffen. Fakten, die der Orden nicht würde ignorieren können. Einer musste den ersten Schritt tun. Warum nicht er?
"Sags ihnen. Ich werde kämpfen." "Und wer bewacht den Schatz?", wollte Algernon Finch wissen.
"Der Butler", antwortete Mark. "Der hat sie heute Abend gerettet, während der Hüter sich opferte. Und ich weiß auch schon, wo wir sie lassen werden."
"Wo denn?", wollte Hinnerk wissen.
"Erst muss ich mit dem Schatz reden", antwortete Mark. "Dann sehen wir weiter."
Das Gespräch erstarb, während Hinnerk im halsbrecherischen Tempo auf die B73 einbog und in Richtung Agathenburg mit Vollgas weiterfuhr.
"Klasse Auto", murmelte er in seinen Bart.
"Der Butler", antwortete Mark. "Der hat sie heute Abend gerettet, während der Hüter sich opferte. Und ich weiß auch schon, wo wir sie lassen werden."
"Wo denn?", wollte Hinnerk wissen.
"Erst muss ich mit dem Schatz reden", antwortete Mark. "Dann sehen wir weiter."
Das Gespräch erstarb, während Hinnerk im halsbrecherischen Tempo auf die B73 einbog und in Richtung Agathenburg mit Vollgas weiterfuhr.
"Klasse Auto", murmelte er in seinen Bart.
Connor Baigent warf sich verzweifelt hin und her, aber die kalten, toten Hände der Vampire drückten ihn zu Boden. Was auch immer er versuchte, nichts konnte den Griff der Vampire brechen.
Das wars! schoss es ihm durch den Kopf. Aus!
Sie hatten ihn. Der Tritt der Tepescu hatte voll getroffen. Mindestens eine Rippe war gebrochen, doch er ignorierte den Schmerz und versuchte, die Vampire abzuschütteln. Gleichzeitig wusste er, es konnte ihm nicht gelingen.
"Umsonst und überflüssig, Hüter", sagte Elena Tepescu milde. "Gib auf!"
"Nie!", presste Connor Baigent hervor.
"Dann eben anders", flüsterte Elena Tepescu.
Sie öffnete leicht die Lippen wie zu einem heißen Kuss, ihre Hände berührten das Gesicht des Hüters. Ein letzter Versuch, sich zu wehren. Ein verzweifeltes Aufbäumen. Die allerletzte Kraftanstrengung.
Doch die Vampire drückten ihn nieder und dann spürte er ein Stechen am Hals und gleich darauf wohlige Schauer. Aller Wille zum Widerstand endete mit süßer Lust, die ihn überkam. Der Gedanke sich dagegen zu wehren, erschien ihm mit einem Mal völlig widersinnig. Er spürte die saugenden Lippen Elenas. Er fühlte ihre Zunge. Er genoss das, was sie brachten und obwohl er wusste, was sie nahmen, konnte er nur den Vorgeschmack auf die höchste Lust empfinden.
Connor Baigent schloss die Augen und gab sich der Vampirin völlig hin. Die Sinne schwanden ihm und als er ohnmächtig wurde, das Bewusstsein nach und nach verlor, hörte Elena auf zu saugen. Sie ließ noch etwas Blut in ihm. Er hatte nicht den Todeskuss erhalten. Unheiliges Leben war entstanden. Ein neues Mitglied der Schwarzen Familie war geboren.
Der Hüter wurde durch den Biss der Tepescu zum Vampir.
"Los!", glaubte Connor Baigent zu hören, noch zu sehr von der Lust gefangen und halb bewußtlos, um zu erkennen, was mit ihm geschah. "Durchsucht den Keller. Irgendwo, muss sie sein! Bringt sie mir!"
Dann schwanden ihm die Sinne und er hörte nicht mehr, wie die Blutsauger begannen, den Keller zu durchsuchen.
"Schlaf, mein Sklave! Ich habe dich gerade geschaffen und du musst mir gehorchen, wenn du vom Tode erwachst", lächelte die Tepescu böse, bevor sie sich der Meute der Vampire anschloss, um den verwinkelten Keller zu durchsuchen, um den Schatz zu gewinnen und zu töten, auf dass ein neues Zeitalter unter Herrschaft des Lichtbringers anbrechen konnte.
Den Hüter ließen sie unbesorgt liegen. Wenn er erwachen würde, wartete auf ihn die Erkenntnis, ein Vampir zu sein. Elena hatte den Samen gelegt. Sie würde ihn zum willenlosen Sklaven machen, der zu ihren Füßen saß und tat, was sie wollte.
Connor Baigent lag auf dem Rücken. Ein schmales Rinnsal seines Blutes lief den Hals entlang auf den staubigen Betonboden des Kellers. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht zeigte den Ausdruck höchster Lust. Er atmete nicht mehr.
Er war untot, gefangen zwischen Leben und Tod. Ein Verdammter, verurteilt dazu, eine Kreatur der Nacht zu werden. Die Sonne würde er nie wiedersehen.
Aber er erwachte in seinem neuen Dasein schneller, als Elena das erwartet hatte. Die Vampire wüteten im Keller und zerschlugen Regale im Weinkeller auf der Suche nach dem Schatz. Immer wilder wurde ihr Bemühen, begleitet von den zunehmend ungeduldiger werdenden Befehlen Elena Tepescus, die immer nervöser und ungehaltener wurde.
"Ein Gang!", waren die ersten Worte, die Connor Baigent nach seinem Erwachen hörte.
Sie haben den Gang gefunden. Zu spät! dachte er befriedigt, noch im Hinüberdämmern vom Dunkel des Todes hinüber in sein neues Dasein. Christine ist weit weg und in Sicherheit!
Er hörte eilige Schritte vieler Füße die Gänge des Kellers entlang laufen. Und er lächelte. Es war ohnehin egal, ob sie den Geheimgang zur Scheune gefunden hatten. Der Orden würde das Haus aufgeben, wie so einige vorher.
Wieso lebe ich noch? war der nächste Gedanke, den er hatte. Noch hatte er das Bewusstsein nicht völlig wiedererlangt, schwebte noch immer in dem Dämmerzustand und der Erinnerung an den Rausch des Bisses der Vampirin. Etwas Derartiges hatte er noch nie empfunden. Dieser Biss war besser als Sex gewesen, viel besser. Elena hatte ihn gebissen und ...
Biss ... Vampirin ... Tot?... Leben ... Überleben ... Untot ... Ich bin ein Vampir ...
Connor Baigent wurde bewusst, was er war. Eine Kreatur der Nacht, ein Wesen, dem die Zeit zwischen Dämmerung und Morgengrauen gehörte. Ein Wesen der Finsternis, ein Wesen des Bösen. Etwas, das er stets verachtet hatte.
Ich bin ein Vampir, sagte er zu sich. Aber kein Hass auf sich selbst wollte aufkommen. Erstaunt über sich selbst, erkannte er, dass er seine neue Existenz hinnahm, sogar akzeptierte.
Aber warum freute er sich dann, dass Christine entkommen war? Er suchte in seiner Brusttasche und fand das kleine Leinenkissen, das er seit geraumer Zeit bei sich trug. Es wirkte gegen den bösen Blick, gegen Suggestion und Hypnose und stärkte die Seele. So war es ihm gesagt worden. War dieses kleine unscheinbare Ding seine Rettung davor, so zu werden wie die johlende Meute unter der Tepescu?
Es muss so sein! schoss es Connor Baigent durch den Kopf. Auch jetzt noch bin ich noch ich!
Dann tastete er seinen Hals ab und fühlte die beiden Wunden, die der Biss der Tepescu hinterlassen hatte.
Und was jetzt? fragte er sich. Was mache ich jetzt?
Er erhob sich schwerfällig. Ihm war klar, dass er zwischen den Fronten stand. Der Orden würde ihm nicht mehr vertrauen und ihn vernichten wollen. Was Elena Tepescu mit ihm machen würde, konnte er sich an seinen zehn Fingern abzählen. Er hatte sich ihr widersetzt und der Schatz war weg. Er wäre ihr Sklave, jener, den sie für die erlittene Niederlage strafen würde.
Weg! Ich muss weg!
Und er wusste auch schon, wohin ...
Doch die Vampire drückten ihn nieder und dann spürte er ein Stechen am Hals und gleich darauf wohlige Schauer. Aller Wille zum Widerstand endete mit süßer Lust, die ihn überkam. Der Gedanke sich dagegen zu wehren, erschien ihm mit einem Mal völlig widersinnig. Er spürte die saugenden Lippen Elenas. Er fühlte ihre Zunge. Er genoss das, was sie brachten und obwohl er wusste, was sie nahmen, konnte er nur den Vorgeschmack auf die höchste Lust empfinden.
Connor Baigent schloss die Augen und gab sich der Vampirin völlig hin. Die Sinne schwanden ihm und als er ohnmächtig wurde, das Bewusstsein nach und nach verlor, hörte Elena auf zu saugen. Sie ließ noch etwas Blut in ihm. Er hatte nicht den Todeskuss erhalten. Unheiliges Leben war entstanden. Ein neues Mitglied der Schwarzen Familie war geboren.
Der Hüter wurde durch den Biss der Tepescu zum Vampir.
"Los!", glaubte Connor Baigent zu hören, noch zu sehr von der Lust gefangen und halb bewußtlos, um zu erkennen, was mit ihm geschah. "Durchsucht den Keller. Irgendwo, muss sie sein! Bringt sie mir!"
Dann schwanden ihm die Sinne und er hörte nicht mehr, wie die Blutsauger begannen, den Keller zu durchsuchen.
"Schlaf, mein Sklave! Ich habe dich gerade geschaffen und du musst mir gehorchen, wenn du vom Tode erwachst", lächelte die Tepescu böse, bevor sie sich der Meute der Vampire anschloss, um den verwinkelten Keller zu durchsuchen, um den Schatz zu gewinnen und zu töten, auf dass ein neues Zeitalter unter Herrschaft des Lichtbringers anbrechen konnte.
Den Hüter ließen sie unbesorgt liegen. Wenn er erwachen würde, wartete auf ihn die Erkenntnis, ein Vampir zu sein. Elena hatte den Samen gelegt. Sie würde ihn zum willenlosen Sklaven machen, der zu ihren Füßen saß und tat, was sie wollte.
Connor Baigent lag auf dem Rücken. Ein schmales Rinnsal seines Blutes lief den Hals entlang auf den staubigen Betonboden des Kellers. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht zeigte den Ausdruck höchster Lust. Er atmete nicht mehr.
Er war untot, gefangen zwischen Leben und Tod. Ein Verdammter, verurteilt dazu, eine Kreatur der Nacht zu werden. Die Sonne würde er nie wiedersehen.
Aber er erwachte in seinem neuen Dasein schneller, als Elena das erwartet hatte. Die Vampire wüteten im Keller und zerschlugen Regale im Weinkeller auf der Suche nach dem Schatz. Immer wilder wurde ihr Bemühen, begleitet von den zunehmend ungeduldiger werdenden Befehlen Elena Tepescus, die immer nervöser und ungehaltener wurde.
"Ein Gang!", waren die ersten Worte, die Connor Baigent nach seinem Erwachen hörte.
Sie haben den Gang gefunden. Zu spät! dachte er befriedigt, noch im Hinüberdämmern vom Dunkel des Todes hinüber in sein neues Dasein. Christine ist weit weg und in Sicherheit!
Er hörte eilige Schritte vieler Füße die Gänge des Kellers entlang laufen. Und er lächelte. Es war ohnehin egal, ob sie den Geheimgang zur Scheune gefunden hatten. Der Orden würde das Haus aufgeben, wie so einige vorher.
Wieso lebe ich noch? war der nächste Gedanke, den er hatte. Noch hatte er das Bewusstsein nicht völlig wiedererlangt, schwebte noch immer in dem Dämmerzustand und der Erinnerung an den Rausch des Bisses der Vampirin. Etwas Derartiges hatte er noch nie empfunden. Dieser Biss war besser als Sex gewesen, viel besser. Elena hatte ihn gebissen und ...
Biss ... Vampirin ... Tot?... Leben ... Überleben ... Untot ... Ich bin ein Vampir ...
Connor Baigent wurde bewusst, was er war. Eine Kreatur der Nacht, ein Wesen, dem die Zeit zwischen Dämmerung und Morgengrauen gehörte. Ein Wesen der Finsternis, ein Wesen des Bösen. Etwas, das er stets verachtet hatte.
Ich bin ein Vampir, sagte er zu sich. Aber kein Hass auf sich selbst wollte aufkommen. Erstaunt über sich selbst, erkannte er, dass er seine neue Existenz hinnahm, sogar akzeptierte.
Aber warum freute er sich dann, dass Christine entkommen war? Er suchte in seiner Brusttasche und fand das kleine Leinenkissen, das er seit geraumer Zeit bei sich trug. Es wirkte gegen den bösen Blick, gegen Suggestion und Hypnose und stärkte die Seele. So war es ihm gesagt worden. War dieses kleine unscheinbare Ding seine Rettung davor, so zu werden wie die johlende Meute unter der Tepescu?
Es muss so sein! schoss es Connor Baigent durch den Kopf. Auch jetzt noch bin ich noch ich!
Dann tastete er seinen Hals ab und fühlte die beiden Wunden, die der Biss der Tepescu hinterlassen hatte.
Und was jetzt? fragte er sich. Was mache ich jetzt?
Er erhob sich schwerfällig. Ihm war klar, dass er zwischen den Fronten stand. Der Orden würde ihm nicht mehr vertrauen und ihn vernichten wollen. Was Elena Tepescu mit ihm machen würde, konnte er sich an seinen zehn Fingern abzählen. Er hatte sich ihr widersetzt und der Schatz war weg. Er wäre ihr Sklave, jener, den sie für die erlittene Niederlage strafen würde.
Weg! Ich muss weg!
Und er wusste auch schon, wohin ...
And in time, it's all a sweet mystery
When you shake the tree of temptation
Yeah and I, I know the fear and the cost
Of a paradise lost in frustration
When you shake the tree of temptation
Yeah and I, I know the fear and the cost
Of a paradise lost in frustration
Kapitel 4
Das Spiel der Hexe
Das Spiel der Hexe
Hinnerk brachte den BMW zum Stehen. Vor der Erfindung von Antiblockiersystemen hätten die Reifen auf dem Asphalt vor dem Hangar erheblich an Gummi eingebüßt und die quietschenden Reifen hätten die Trommelfelle von Anwesenden gefährdet.
"Ich liebe das autofahren. Sollte ich öfter machen", verkündete Hinnerk an niemand Bestimmten gerichtet.
Algernon Finch war bleich. Er hatte die Fahrt zwar überstanden, aber sein Magen revoltierte nach Kräften. Zur Zeit rang er mit seinem Abendessen, dem schottischen Nationalgericht Haggis. Ein importierter Single Malt würde jetzt helfen. Er würde dem Haggis Gesellschaft leisten und ihn beruhigen. Leider hatte er keinen dabei. Den Flachmann und den Koffer (scherzhaft nannte er ihn den Einsatzkoffer) mit den Probierfläschchen, den er für Hausbesuche bei reichen Kunden mitführte, hatte er im Laden gelassen, als ihn der Anruf des Ordens erreichte. Diese Fahrt hatte doch sehr an seinem Nervenkostüm gezehrt.
Mark wollte den Wagenschlag öffnen, als Hinnerk ihn zurückhielt.
"Einen Moment noch", brummte er und drückte Mark etwas in die Hand.
"Was ist das?", fragte der neue Hüter, als er sich die Gabe Hinnerks näher ansah. Es handelte sich um dünnes Leinenkissen, das kaum die Größe eine Zwei-Euro-Stücks hatte. Darin fühlte er etwas Hartes und wenn man genau hinhörte, raschelte Papier darin.
"Das ist etwas, um dich zu schützen. Nenn es einen Talisman. Es schützt dich vor Suggestion, Hypnose, dem bösen Blick und hilft, deine Seele vor den Versuchungen und Einflüsterungen des Bösen zu schützen. Ich habe es selbst gemacht."
"Was ist das?", fragte der neue Hüter, als er sich die Gabe Hinnerks näher ansah. Es handelte sich um dünnes Leinenkissen, das kaum die Größe eine Zwei-Euro-Stücks hatte. Darin fühlte er etwas Hartes und wenn man genau hinhörte, raschelte Papier darin.
"Das ist etwas, um dich zu schützen. Nenn es einen Talisman. Es schützt dich vor Suggestion, Hypnose, dem bösen Blick und hilft, deine Seele vor den Versuchungen und Einflüsterungen des Bösen zu schützen. Ich habe es selbst gemacht."
Der Alte sprach ruhig und gelassen.
"Trag es nahe an deinem Herzen. Es mag der Tag kommen, da du es brauchst."
"Danke", nickte Mark dem Bärtigen zu.
Hinnerk öffnete die Fahrertür. Mark stieg ebenso wie Algernon Finch aus.
"Warte hier", bat Hinnerk Mark. "Algie und ich gehen vor. Wir rufen dich dann."
Mark nickte nur und blieb zurück. Seine Gedanken rasten. Er war voller Pläne, voller Kampfeslust. Es war, als hätte sein 'Ja' zu der Aufgabe des Hüters in ihm Bande, die ihn gefesselt hatten, zerschlagen. Wie der Eiserne Heinrich im Märchen, dachte er schmunzelnd. Hoffentlich ist sie keine Froschkönigin. Es war wie eine Erleuchtung. Es gab ihn, den blendenden Blitz auf der Straße nach Damaskus, und er hatte ihn erlebt. Aber war er wirklich vom Saulus zum Paulus geworden?
Nein, befand er sachlich.
Blickte er jetzt auf sein Leben zurück, so war alles eine Vorbereitung auf den Moment am Strand der Elbe auf der unbedeutenden Insel Krautsand gewesen, wo er seine Aufgabe angenommen hatte. Er hatte sich mit Aberglauben und dem Volksglauben an Vampire, Werwölfe, Hexen und Dämonen beschäftigt. Er hatte sich in Kampfsport geübt und viele Dinge getan, über die seine Kommilitonen geschmunzelt hatten.
In dieser Nacht hatte er sich selbst gefunden! Eine besondere Nacht!
Unwillkürlich sah Mark zum Himmel und suchte ihn nach Zeichen ab. Aber kein Komet erschien wie im Frühjahr 1066 oder kein Stern, dem man folgen konnte. Und doch, er erlebte etwas Außergewöhnliches.
Ein neuer Abschnitt in seinem und im Leben seiner Schutzbefohlenen begann. Wie würde sie sein? Wie sah sie aus? Würden sie miteinander auskommen? Offensichtlich wurde das erwartet und bisher schien es immer geklappt zu haben. Mark hatte noch keine Gelegenheit gehabt, an sie zu denken. Nun ja, jetzt war es zu spät dazu und wäre auch Zeitverschwendung gewesen, denn er hätte sich in 'Was wäre wenns' verloren. In wenigen Augenblicken würde er ihr gegenüber stehen. Dann würde man schon sehen, was passierte. Angst empfand er nicht. Er konnte mit Menschen umgehen. Alles weitere ergab sich schon.
Er hörte, wie Hinnerk sich auf Englisch mit einem Mann unterhielt. Vermutlich der Butler, der den Schatz hierher gebracht hatte. Sie sprachen offensichtlich Belangloses. Zwei Männer unterhielten sich über das Wetter, das allgemeine Befinden und nichts weiter. Smalltalk eben.
Mark hatte aber das Gefühl, dass dahinter ein ausgeklügelter Code steckte, den kein Außenstehender verstehen sollte. Nur der Orden und seine engsten Diener konnten ihn begreifen. James musste zu diesem Kreis gehören. Seine Intuition hatte ihn selten getrogen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, auf seinen Bauch zu hören und auf diese Weise viele richtige Entscheidungen getroffen. Und hier sagte ihm sein Bauch, dass die zwei Männer wichtige Dinge besprachen, ohne auch nur ein offensichtliches Wort darüber zu verlieren.
Wenn man es genau nahm, gehörte er nicht zum Orden, würde es auch nie. Er war nur der Leibwächter des einzigen Grundes, warum es diesen Orden gab: den Schatz, der ein Mädchen war.
"Kommst du?", hörte er Hinnerk.
Statt zu antworten, setzte sich Mark Larsen in Bewegung. Er ging um das Flugzeug herum und sah den Butler. Hager, aufrechte Haltung, ein Gesicht wie eine Maske, ohne sichtbare Regung. Perfekt geschult.
"Guten Abend, Herr Larsen. Mein Name ist James", begrüßte der Diener ihn in nahezu akzentfreiem Deutsch.
Mark erwiderte den Gruß. Hinnerk ergriff das Wort.
"Danke", nickte Mark dem Bärtigen zu.
Hinnerk öffnete die Fahrertür. Mark stieg ebenso wie Algernon Finch aus.
"Warte hier", bat Hinnerk Mark. "Algie und ich gehen vor. Wir rufen dich dann."
Mark nickte nur und blieb zurück. Seine Gedanken rasten. Er war voller Pläne, voller Kampfeslust. Es war, als hätte sein 'Ja' zu der Aufgabe des Hüters in ihm Bande, die ihn gefesselt hatten, zerschlagen. Wie der Eiserne Heinrich im Märchen, dachte er schmunzelnd. Hoffentlich ist sie keine Froschkönigin. Es war wie eine Erleuchtung. Es gab ihn, den blendenden Blitz auf der Straße nach Damaskus, und er hatte ihn erlebt. Aber war er wirklich vom Saulus zum Paulus geworden?
Nein, befand er sachlich.
Blickte er jetzt auf sein Leben zurück, so war alles eine Vorbereitung auf den Moment am Strand der Elbe auf der unbedeutenden Insel Krautsand gewesen, wo er seine Aufgabe angenommen hatte. Er hatte sich mit Aberglauben und dem Volksglauben an Vampire, Werwölfe, Hexen und Dämonen beschäftigt. Er hatte sich in Kampfsport geübt und viele Dinge getan, über die seine Kommilitonen geschmunzelt hatten.
In dieser Nacht hatte er sich selbst gefunden! Eine besondere Nacht!
Unwillkürlich sah Mark zum Himmel und suchte ihn nach Zeichen ab. Aber kein Komet erschien wie im Frühjahr 1066 oder kein Stern, dem man folgen konnte. Und doch, er erlebte etwas Außergewöhnliches.
Ein neuer Abschnitt in seinem und im Leben seiner Schutzbefohlenen begann. Wie würde sie sein? Wie sah sie aus? Würden sie miteinander auskommen? Offensichtlich wurde das erwartet und bisher schien es immer geklappt zu haben. Mark hatte noch keine Gelegenheit gehabt, an sie zu denken. Nun ja, jetzt war es zu spät dazu und wäre auch Zeitverschwendung gewesen, denn er hätte sich in 'Was wäre wenns' verloren. In wenigen Augenblicken würde er ihr gegenüber stehen. Dann würde man schon sehen, was passierte. Angst empfand er nicht. Er konnte mit Menschen umgehen. Alles weitere ergab sich schon.
Er hörte, wie Hinnerk sich auf Englisch mit einem Mann unterhielt. Vermutlich der Butler, der den Schatz hierher gebracht hatte. Sie sprachen offensichtlich Belangloses. Zwei Männer unterhielten sich über das Wetter, das allgemeine Befinden und nichts weiter. Smalltalk eben.
Mark hatte aber das Gefühl, dass dahinter ein ausgeklügelter Code steckte, den kein Außenstehender verstehen sollte. Nur der Orden und seine engsten Diener konnten ihn begreifen. James musste zu diesem Kreis gehören. Seine Intuition hatte ihn selten getrogen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, auf seinen Bauch zu hören und auf diese Weise viele richtige Entscheidungen getroffen. Und hier sagte ihm sein Bauch, dass die zwei Männer wichtige Dinge besprachen, ohne auch nur ein offensichtliches Wort darüber zu verlieren.
Wenn man es genau nahm, gehörte er nicht zum Orden, würde es auch nie. Er war nur der Leibwächter des einzigen Grundes, warum es diesen Orden gab: den Schatz, der ein Mädchen war.
"Kommst du?", hörte er Hinnerk.
Statt zu antworten, setzte sich Mark Larsen in Bewegung. Er ging um das Flugzeug herum und sah den Butler. Hager, aufrechte Haltung, ein Gesicht wie eine Maske, ohne sichtbare Regung. Perfekt geschult.
"Guten Abend, Herr Larsen. Mein Name ist James", begrüßte der Diener ihn in nahezu akzentfreiem Deutsch.
Mark erwiderte den Gruß. Hinnerk ergriff das Wort.
"Es wird Zeit, dass du den Schatz kennen lernst. Würdest du sie bitte holen?", wandte er sich an James.
Der Butler deutete eine kurze Verbeugung an und verschwand im Flugzeug, um nur Augenblicke später zurückzukehren. Er ging die drei Stufen der Treppe hinunter und reichte einem Mädchen die Hand, dem man seine Einzigartigkeit nicht ansah.
Mark wusste nicht, was er erwartet hatte. Vielleicht einen Engel! Aber aus dem Flugzeug stieg ein Mädchen, wie es Tausende geben mochte. Ihr Gesicht war ernster, aber ansonsten war sie eben ein Teenager. Ansehnlich, aber nicht herausragend schön.
"Hallo", sagte sie zögernd und versuchte zu lächeln, was nicht ganz glückte. "Ich bin Christine."
Der Butler deutete eine kurze Verbeugung an und verschwand im Flugzeug, um nur Augenblicke später zurückzukehren. Er ging die drei Stufen der Treppe hinunter und reichte einem Mädchen die Hand, dem man seine Einzigartigkeit nicht ansah.
Mark wusste nicht, was er erwartet hatte. Vielleicht einen Engel! Aber aus dem Flugzeug stieg ein Mädchen, wie es Tausende geben mochte. Ihr Gesicht war ernster, aber ansonsten war sie eben ein Teenager. Ansehnlich, aber nicht herausragend schön.
"Hallo", sagte sie zögernd und versuchte zu lächeln, was nicht ganz glückte. "Ich bin Christine."
Auch ihr Deutsch war gut, wenn man ihr auch die englische Herkunft anhörte. So geschliffen gut wie der Butler war sie nicht.
"Hallo", antwortete Mark und setzte sein charmantestes Lächeln auf, "ich bin Mark."
Sie sahen sich beide in die Augen und betrachteten sich. Mark hoffte inständig, er würde die Musterung bestehen, denn was er nicht gebrauchen konnte, war einen Schatz zu hüten, der ihn nicht mochte. Wirklich nicht. Er war auf ihr Wohlwollen, ihr Vertrauen und vielleicht sogar ihre Liebe angewiesen.
"Ich finde ihn gut", sagte sie zu James, der, wie Mark erkannte, ihr vollstes Vertrauen genoss. Er war ja auch ihr Ziehvater gewesen. James nickte nur.
"Du sollst mich nun behüten."
"Hallo", antwortete Mark und setzte sein charmantestes Lächeln auf, "ich bin Mark."
Sie sahen sich beide in die Augen und betrachteten sich. Mark hoffte inständig, er würde die Musterung bestehen, denn was er nicht gebrauchen konnte, war einen Schatz zu hüten, der ihn nicht mochte. Wirklich nicht. Er war auf ihr Wohlwollen, ihr Vertrauen und vielleicht sogar ihre Liebe angewiesen.
"Ich finde ihn gut", sagte sie zu James, der, wie Mark erkannte, ihr vollstes Vertrauen genoss. Er war ja auch ihr Ziehvater gewesen. James nickte nur.
"Du sollst mich nun behüten."
Ihr Lächeln hatte etwas Bitteres, obwohl sie sich um Herzlichkeit bemühte.
"Das freut mich", Mark erwiderte das Lächeln. "Ich mag dich auch."
"Woher kommst du?", fragte sie.
"Aus Hamburg", antwortete Mark. "Aber wir sollten uns in Ruhe in der neuen Schatztruhe unterhalten", sagte Mark.
"Wo ist die denn?", fragte das Mädchen schmunzelnd über den Vergleich. Es war offensichtlich, dass sie ihn mochte. Finch und auch Hinnerk waren Steine vom Herzen gefallen und sie wechselten verstohlene Blicke. Auch James atmete durch, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er war wieder der Butler, der distanzierte, aufmerksame Diener.
Irgendetwas sagte Mark, dass es nicht richtig war, jetzt über den Ort zu sprechen. Sein Instinkt warnte ihn, obwohl es nichts Offensichtliches gab, was hier störte. Weder die Gegenwart von James, Hinnerk oder Algernon Finch hatte dieses Gefühl in ihm ausgelöst.
"Das sage ich dir noch nicht", antwortete Mark. "Es ist eine Überraschung."
Hinnerk hob die Augenbrauen. Aber er sagte nichts. Finch wollte etwas sagen, aber Hinnerk machte eine Bemerkung über die bald aufgehende Sonne.
"Lasst uns fahren", meine Mark Larsen.
Sie gingen zum Auto.
"Das freut mich", Mark erwiderte das Lächeln. "Ich mag dich auch."
"Woher kommst du?", fragte sie.
"Aus Hamburg", antwortete Mark. "Aber wir sollten uns in Ruhe in der neuen Schatztruhe unterhalten", sagte Mark.
"Wo ist die denn?", fragte das Mädchen schmunzelnd über den Vergleich. Es war offensichtlich, dass sie ihn mochte. Finch und auch Hinnerk waren Steine vom Herzen gefallen und sie wechselten verstohlene Blicke. Auch James atmete durch, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er war wieder der Butler, der distanzierte, aufmerksame Diener.
Irgendetwas sagte Mark, dass es nicht richtig war, jetzt über den Ort zu sprechen. Sein Instinkt warnte ihn, obwohl es nichts Offensichtliches gab, was hier störte. Weder die Gegenwart von James, Hinnerk oder Algernon Finch hatte dieses Gefühl in ihm ausgelöst.
"Das sage ich dir noch nicht", antwortete Mark. "Es ist eine Überraschung."
Hinnerk hob die Augenbrauen. Aber er sagte nichts. Finch wollte etwas sagen, aber Hinnerk machte eine Bemerkung über die bald aufgehende Sonne.
"Lasst uns fahren", meine Mark Larsen.
Sie gingen zum Auto.
"Ein Gang!", hörte Elena Tepescu Carel rufen, einen aus ihrer Sippe, den sie selbst zum Vampir gemacht hatte. Wie alle anderen ihrer Sippe eilte sie zu ihm. Sie fanden die Trümmer einer Tür und dahinter die Reste von Regalen. Dahinter war, wie Carel gerufen hatte, ein Gang. Elena schrie vor Wut und lief hinein. Die Meute folgte ihr auf dem Fuß. Immer schneller folgten sie dem Fluchtweg und rannten die Treppen hinauf, die James und Christine benutzt hatten, bis sie inmitten des Heus landeten. Elena fand den Weg aus dem Labyrinth. Der offene Schuppen und die Wagenspuren sagten ihr genug.
Die Vampirin stieß einen Schrei aus, der nichts Menschliches mehr hatte. Wilder Zorn, blanker Hass und das Versprechen ewigen Leidens für Connor Baigent loderte in ihren Augen.
Der Hüter hatte sie an der Nase herum geführt!
Jacques Terrierre konnte sie dafür nicht mehr bestrafen. Der lag in seinen Fesseln tot und blutleer am Boden in dem Zimmer im ersten Stock des Hauses, aber Connor Baigent war ihrer.
Der Schatz, das wusste sie, war weg. Sie waren verflucht gut darin, die Erbin der Blutlinie vor den Augen der Schwarzen Familie zu verbergen. So nah war sie ihr gewesen, ihr Blut hatte sie fast schon geschmeckt und jetzt war sie weg.
Der Hüter war schuld! Nur er allein und dafür würde er viele Jahrhunderte büßen. Sie würde ihn Blutdurst spüren lassen, Körperteile der Sonne aussetzen, ihn auf jede erdenkliche Art und Weise martern und dann irgendwann dem Höllenkaiser übergeben, auf dass er die Rache der Linken Hand vollenden würde mit Ewiger Qual. Aber bis dahin gehörte er ihr und nur ihr.
Ihr Blick loderte immer noch wild, als sie sich an ihre Meute wandte und auf Carel und zwei weitere von ihnen deutete.
Der Schatz, das wusste sie, war weg. Sie waren verflucht gut darin, die Erbin der Blutlinie vor den Augen der Schwarzen Familie zu verbergen. So nah war sie ihr gewesen, ihr Blut hatte sie fast schon geschmeckt und jetzt war sie weg.
Der Hüter war schuld! Nur er allein und dafür würde er viele Jahrhunderte büßen. Sie würde ihn Blutdurst spüren lassen, Körperteile der Sonne aussetzen, ihn auf jede erdenkliche Art und Weise martern und dann irgendwann dem Höllenkaiser übergeben, auf dass er die Rache der Linken Hand vollenden würde mit Ewiger Qual. Aber bis dahin gehörte er ihr und nur ihr.
Ihr Blick loderte immer noch wild, als sie sich an ihre Meute wandte und auf Carel und zwei weitere von ihnen deutete.
"Holt mir den Hüter! Bringt ihn zu mir! Dann zu den Wagen."
Die drei verschwanden. Sie sah sie die nächsten beiden.
Die drei verschwanden. Sie sah sie die nächsten beiden.
"Brennt das verdammte Haus nieder! Nehmt die Reservekanister aus den Wagen. Der Rest folgt mir! Wir verschwinden!"
Keiner wagte zu murren oder sich sonstwie den Zorn der Sippenführerin auszusetzen. In ihrer jetzigen Stimmung würde sie jedem von ihnen das Dasein rauben. Und doch war Elena klar, dass ihre Autorität über die Sippe, die ohnehin auf tönernen Füßen stand wie in allen Vampirsippen, gelitten hatte. Sie war für das Fiasko verantwortlich. Das, was sich hier abgespielt hatte, würde an ihr haften. Bei nächster Gelegenheit würde sie herausgefordert werden. Für sie war es in der nächsten Zeit sicherer, ihre Sippen ihren eigenen Weg gehen zu lassen und auf alles, wirklich alles vorbereitet zu sein.
Dieser Baigent! Dieser Hund! Er war schuld an der Misere!
Keiner wagte zu murren oder sich sonstwie den Zorn der Sippenführerin auszusetzen. In ihrer jetzigen Stimmung würde sie jedem von ihnen das Dasein rauben. Und doch war Elena klar, dass ihre Autorität über die Sippe, die ohnehin auf tönernen Füßen stand wie in allen Vampirsippen, gelitten hatte. Sie war für das Fiasko verantwortlich. Das, was sich hier abgespielt hatte, würde an ihr haften. Bei nächster Gelegenheit würde sie herausgefordert werden. Für sie war es in der nächsten Zeit sicherer, ihre Sippen ihren eigenen Weg gehen zu lassen und auf alles, wirklich alles vorbereitet zu sein.
Dieser Baigent! Dieser Hund! Er war schuld an der Misere!
Sie eilten zum Tor des Hauses, rannten durch das Portal und die Hecken zu einem schmalen Feldweg im Schatten eines Buchenhains, der einstmals den Druiden heilig gewesen sein sollte, zu vier parkenden Kleinbussen. Damit waren die Vampire hergefahren. Die Hexe hatte alles arrangiert und in ihr Haus würden sie zurückkehren, bis der Rückweg nach Rumänien arrangiert wurde.
Elena war nervös wie ein Vampir nur sein konnte. Sie hatten nicht bekommen, was sie wollten. Es war klug von der Hexe, ihr zu raten, den Triumph erst dann der Schwarzen Familie zu verkünden, wenn es wirklich einer war. So waren sie vor der größten Schande bewahrt worden: der Demütigung vor Luzifers Vertreter auf Erden, vor Asmodi, der die Linke Hand führte. Auch dem Zorn der Höllischen Majestät waren sie entgangen.
Dennoch war die Lage alles andere als angenehm. Ein neues Versteck, ein neuer Hüter. Der Schatz wieder einmal außer Reichweite. Blamiert vor der Sippe. Sie musste alle Stärke aufbieten, um nicht wieder zu dem Mädchen zu werden, das sie war, bevor der alte Tepescu sie zur Untoten gemacht hatte. Und zur Herrin der Sippe. Ein einziger Biss war es und schon war das schüchterne Aristokratentöchterchen zur Tochter des Herren der Tepescus geworden. Sie hatte seine Wildheit und seine Klugheit, aber hatte sie auch seine Weisheit?
Der heutige Abend hatte gezeigt, wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dass ihr zu einer großen, unantastbaren Führerin der Sippe noch einiges fehlte.
Und sieben aus ihrer Sippe waren von Connor vernichtet worden. Das würde er zu allem Überfluss auch noch büßen müssen. Connor Baigent stand viel bevor.
Die anderen waren in die Kleinbusse gestiegen und nun warteten sie nur noch auf Carel und die vier, die Connor Baigent holen und das Feuer legen sollten. Sie stand vor den Bussen und die Blicke der anderen brannten förmlich in ihrem Rücken. Sie konnte die stummen Vorwürfe spüren und sie ahnte, dass erste Ränke gegen sie zumindest in Gedanken geschmiedet wurden. Noch war die Meute nicht bereit, zusammen über sie herzufallen.
Ein großes Manko der Vampire war ihr Misstrauen und der Neid untereinander, aber wenn sie jemals davon geträumt hatte, die Vampire, nicht nur ihre Sippe, unter ihrer Herrschaft zu vereinen, dann war das der Moment, diese Hoffnungen vorerst zu begraben.
Wo bleiben die nur? fragte sie sich. Dann hörte sie Schritte und die beiden Brandstifter erschienen.
"Wo sind Carel, die anderen beiden und der Hüter?", fragte sie ungehalten.
"Noch nicht zurück?", stellte der erste, Vladek, eine Gegenfrage.
"Würde ich sonst fragen", fauchte Elena wütend.
Im Nachthimmel über dem Herrenhaus spiegelten sich erste Flammen. Der Himmel begann sich rot zu verfärben. Das Feuer fraß sich wie ein Vielfraß durch seine Beute in das trockene, alte Gebälk des Hauses.
"Im Haus waren sie nicht mehr, als wir Feuer legten", verteidigte sich Marek, der zweite Rückkehrer.
"Seht nach!", befahl Elena. "Sucht sie!"
Es sah aus, als wollten Vladek und Marek sich weigern, doch ein Blick in die Augen der Tepescu genügte, um zu wissen, dass in ihrem Blutrausch ein Kampf nur verloren gehen konnte. Elena war klar, dass dies die erste, kleinere Herausforderung war. Weitere würden folgen. Es war wie einst, als sie sich das Erbe ihres Vaters, die Herrschaft über die Sippe erstreiten musste. Es war ihr gelungen. Nun war nach fast achtzig Jahren der Moment der Prüfung gekommen, ob sie das Erbe auch würde halten können.
Sie kamen nach endlosen Minuten zurück.
"Keine Spur von Carel und den anderen zu finden. Auch der Hüter ist weg", meldete Marek.
"Dann nichts wie weg", verkündete Elena. "Wir werden Connor Baigent wiedertreffen und dann gehört er mir!" Es klang wie ein Blutschwur und was Elena Tepescu anging, war es einer.
Mit ihrer dezimierten Schar fuhr sie davon, voll Zorn, Rachegelüsten und Furcht ...
Connor Baigent, der der Hüter des Schatzes gewesen war, taumelte in das erste Stockwerk. Dort war in seinem Schlafzimmer ein Safe, wo er Bargeld verwahrte. Seine Kreditkarten würde der Orden sperren. Schneller, als man bis drei zählen konnte. Vermutlich waren seine Konten schon längst gelöscht und das Geld transferiert. Aber auch ein Vampir brauchte in dieser Welt Geld. Geld, mit dem er sich sein Dasein erkaufen konnte. Erst recht, wenn er nicht den Schutz einer Sippe genießen konnte.
Mit fliegenden Fingern drehte er die Kombination zwölf links, fünf rechts, vierundsechzig links. Er wusste, er hatte nicht mehr viel Zeit, bevor die Tepescu beschloss, ihr Mütchen an ihm zu kühlen. Was im Einzelnen sie ihm antun wollte, ahnte er nicht. Er wusste nur, dass er nicht dabei sein wollte. Sollte sie sich doch ein paar aus ihrer Sippe vornehmen oder den zweiten Judas.
Den wollte er auch suchen, sobald er sich eingerichtet hatte. Und wenn er ihn oder sie gefunden hatte, sollte er sein Schicksal teilen. Connor Baigent spürte in sich eine unkontrollierte Wut aufsteigen. Mit Mühe bewahrte er die Ruhe. Darauf musste er achten. Das Dasein eines Vampirs musste er erst lernen.
Weg, nur weg. In die Jagdhütte. Dort würde er sich erst einmal verkriechen, bis er wusste, wie er erreichen konnte, was er wollte. Er stopfte das Geld, wohl achtzig- oder neunzigtausend Pfund Sterling, in seine Aktentasche. Die Scheine füllten die Tasche nicht einmal zur Hälfte.
"Wo ist er?", hörte Connor Baigent eine aufgeregte Stimme aus der Halle, die ihm vage bekannt vorkam.
Wo hatte er sie schon mal gehört? Egal, beschloss er. Das konnten nur welche aus der Tepescu-Sippe sein. Und nun?
Raus hier, nur raus! rief ein Teil in ihm nach Flucht. Ein anderer Teil flüsterte: Kämpfe. Zeig, dass du immer noch der Alte bist. Erlöse sie. Der Hüter hätte es getan und noch bist du der, der der Hüter einst war.
Connor Baigent war hin- und hergerissen. Aber dann wusste er, was er zu tun hatte: Kämpfen!
Raus hier, nur raus! rief ein Teil in ihm nach Flucht. Ein anderer Teil flüsterte: Kämpfe. Zeig, dass du immer noch der Alte bist. Erlöse sie. Der Hüter hätte es getan und noch bist du der, der der Hüter einst war.
Connor Baigent war hin- und hergerissen. Aber dann wusste er, was er zu tun hatte: Kämpfen!
In dem durchwühlten Zimmer lag ein zersplittertes Stuhlbein, dass durch einen diagonalen Bruch wie ein Pflock zugespitzt war. Connor Baigent packte diese behelfsmäßige Waffe. Aber bevor er das Zimmer verließ, warf er noch die Aktentasche aus dem geöffneten Fenster auf den Rasen neben der Garage. Entweder würde er sie sich später holen oder ein glücklicher Finder konnte das Geld haben. Er würde es im Falle seiner Niederlage nicht mehr brauchen.
Er spürte, dass die Wut eine Quelle der Kraft der Vampire waren. Die Schwäche, die er anfangs gefühlt hatte, wich zusehends. Mit festem Griff hielt er das spitze Stuhlbein gefasst.
Er hörte einen der Vampire die Treppe heraufkommen und langsam den Flur entlang gehen. Connor Baigent stellte sich hinter die Tür. Er hoffte, das offene Fenster würde den Vampir die Vorsicht vergessen und ins Zimmer stürmen lassen.
Dafür betete er.
Ob der Herr mich erhört? fragte er sich.
Er erhörte ihn. Als der Vampir an dem Zimmer vorbei ging, bemerkte er das geöffnete Fenster und stürzte hinein. Er sah nach draußen. Connor Baigent stürmte heran und rammte der Kreatur der Nacht das Stuhlbein von hinten ins Herz. Die Rippen krachten förmlich, als der Pflock in den Körper eindrang.
Den Schrei des Vampirs erstickte Connor Baigent mit seiner Hand, die den Mund des Vampirs zuhielt. Er ließ erst los, als der Untote verging. Connor Baigent genoss den Triumph nicht. Es mochte noch einer oder gar zwei dieser Kreaturen herumlaufen. Die galt es zu erledigen und dann würde er verschwinden.
Vorsichtig verließ er das Zimmer und schlich den Gang entlang. Noch vor der Treppe bog er ab und nahm den Dienstbotenaufgang, den James so oft genommen hatte, um Christine und ihm diesen oder jenen Dienst zu erweisen. Diese Treppe führte direkt in die Küche und die angrenzende Pantry. Das Reich des Butlers.
Connor Baigent betrat die Küche angespannt. Seinen Behelfspflock hielt er angriffsbereit. Aber die Küche war leer. Allerdings konnte er aus der Pantry Geräusche hören.
James war es nicht, der war mit Christine entkommen. Es musste einer aus der Tepescu-Sippe sein. Connor suchte Deckung hinter dem Küchenschrank und wartete geduldig.
Dann öffnete sich die Tür und der Vampir sah aus dem Fenster. Das war der Moment, wo Connor sich aus seinem Versteck löste. Er stürzte heran, aber nicht lautlos genug. Der Vampir hörte ihn und wirbelte herum. Doch Connor warf sich nach vorne und rammte das Stuhlbein in den Körper des Untoten. Ein Schrei löste sich aus dessen Kehle und er verging wie acht seiner Sippenbrüder vor ihm.
Connor kam sofort wieder auf die Füße und nahm den Pflock an sich, den er aus dem zu Staub zerfallenden Körper des Vampirs ohne Mühe herauszog. Vom Flur zur Halle hörte er, wie sich schnelle Schritte der Küchentür näherten. Connor Baigent gelang es nicht rechtzeitig, Deckung zu suchen und noch einen Überraschungsangriff zu starten.
Der Vampir stieß wuchtig die Tür auf, fing die zurückfedernde Tür mit dem Arm ab und stand Connor Baigent gegenüber.
"Hab ich dich!", entfuhr es Geschöpf der Nacht. "Elena erwartet dich."
Erst jetzt fiel sein Blick auf Connor Baigents Waffe, das zugespitzte Stuhlbein. Das Gesicht des Vampirs verzog sich zu einem Lächeln. Dann spürte Connor Baigent wie durch einen Filter den Ruf des Vampirs. Die suggestiven Kräfte begannen zu wirken, aber nicht so, dass er wirklich in die Gewalt des anderen geriet.
Das bemerkte der Tepescu nicht. Langsam kam er näher, hielt ihm seine rechte Hand offen entgegen, um Connor aufzufordern, ihm den Pflock zu geben. Der ehemalige Hüter verspürte unterschwellig den Wunsch, dem nachzugeben. Er riss sich zusammen und ließ den Vampir herankommen. Als er nah genug war, stürzte er vor und rammte dem siegesgewissen Vampir, den Pflock ins Herz.
Connor war auf Handspannenabstand an das Gesicht des ebenso großen Vampirs heran. Er konnte aus nächster Nähe sehen, wie der Triumph in dessen Gesicht verflog und unendlicher Überraschung und den Schmerz über sein Vergehen wich.
"Die Tepescu kann lange warten", waren die letzten Worte, die der Vampir hörte.
Dann verging er zu Staub.
Connor Baigent riss das Stuhlbein aus den zu Boden gehenden Resten seines Gegenübers, wandte sich der Küchentür zu und verließ das Haus, das er als sein Heim betrachtet hatte. Er verschwand durch den Garten in der Garage. Vor dem Haus hörte er zwei Vampire, die in das Haus hineinriefen, aber sie bekamen keine Antwort. Connor Baigent entschied sich gegen die parkenden Autos und fand das Mountain Bike, welches James immer benutzt hatte, um die Milch in der Frühe vom benachbarten Bauernhof zu holen. Er schob das Fahrrad durch den Nebeneingang, fand seine Aktentasche und radelte in der Nacht in Richtung der Jagdhütte davon ...
Connor Baigent riss das Stuhlbein aus den zu Boden gehenden Resten seines Gegenübers, wandte sich der Küchentür zu und verließ das Haus, das er als sein Heim betrachtet hatte. Er verschwand durch den Garten in der Garage. Vor dem Haus hörte er zwei Vampire, die in das Haus hineinriefen, aber sie bekamen keine Antwort. Connor Baigent entschied sich gegen die parkenden Autos und fand das Mountain Bike, welches James immer benutzt hatte, um die Milch in der Frühe vom benachbarten Bauernhof zu holen. Er schob das Fahrrad durch den Nebeneingang, fand seine Aktentasche und radelte in der Nacht in Richtung der Jagdhütte davon ...
Cresmonia Gwscore hatte sich gefangen. Die Tränen trockneten. Die Trauer, das Entsetzen, die Überraschung und die Enttäuschung über das unerwartete Wiedersehen waren der Wut und dem Wunsch nach Rache gewichen. Diese wollte, so eine alte Weisheit, kalt genossen werden.
Genau das hatte Cresmonia vor. Mark Larsen würde für das bluten, was er ihr angetan hatte. Er würde von ihr reichlich Gelegenheit zur Reue erhalten, bis sie ihn von seinen Qualen erlöste.
Sie hatte eigentlich nur ein Spiel zu ihrem eigenen Vergnügen mit dem Orden, den Tepescus und dem Hüter spielen wollen und sehen, wohin es sie führte. Und nun war sie gefangen in ihren eigenen Intrigen. Gefesselt von ihren eigenen Gefühlen, die sie längst begraben geglaubt hatte. Aber so sehr sie sonst mit den Männern der Welt gespielt hatte, Pharaonen, Cäsaren, Könige und Kaiser waren darunter, so sehr hatte Mark Larsen sie verletzt. Er war für sie mehr als ein Spiel gewesen. Sie war sich selbst ausgeliefert, so unvorbereitet hatte sie die Begegnung hier auf einem Flugfeld mitten in der Provinz getroffen.
Mit brennenden Augen lauschte sie, was Mark zu sagen hatte. Der Schatz hatte gerade gefragt, wo das neue Versteck sein würde. Gespannt lauschte die Hexe, was Mark antworten würde. Dort würde sie ihn, der sie verschmäht hatte, stellen, den Schatz vor seinen Augen töten und ihn dann zu ihrem Sklaven machen, im vollen Bewusstsein, dass er versagt hatte.
"Das sage ich dir noch nicht", antwortete Mark zur grenzenlosen Überraschung Cresmonias. "Es ist eine Überraschung."
Was war los? Warum redete er nicht? Der Butler und der bärtige Ältere waren ebenfalls überrascht. Doch gleich darauf sagte der Alte etwas völlig Belangloses.
Was, beim Lichtbringer, geht da vor? dachte Cresmonia Gwscore. Ein nie gekannter Jähzorn erwachte in ihr. Jetzt, jetzt musste sie die Entscheidung herbeiführen. Der Bärtige und der Butler waren kein Hindernis. Aber was Mark Larsen, der Schuft, konnte, das wusste sie. Er war der gefährliche Gegner, den sie erledigen musste.
Die Entscheidung fiel. Jetzt mussten der Hüter und der Schatz sterben, denn Mark hatte offensichtlich etwas von ihrer Gegenwart bemerkt. Bevor der schlaue Fuchs entkommen konnte, musste die Entscheidung fallen. Mark Larsen war aus Verliesen entwichen, hatte dem Stellvertreter des Teufels auf Erden getrotzt und ihn überlistet, hatte den Löwen in der Arena getrotzt, Modred gestellt und vieles mehr überstanden. Er war eine Ratte, die sich überall herauswinden konnte. Damit musste Schluss sein. Ein für alle Mal.
Dann war ihr Spiel mit den Menschen eben zu Ende und Luzifer würde sein irdisches Reich bekommen. Immerhin würde ihr das höchste Ehren bringen.
Braut des Teufels, dachte sie. Eine Ehre, die Elena Tepescu zu gern zuteil geworden wäre. Aber nun würde sie selbst sie sich nehmen. Ich, Luzifers Weib? Warum nicht? Wenn der eine sie verschmähte, würde der andere sie bekommen. Es war besser, als diesen Bastard noch einmal davon kommen zu lassen. Das durfte nicht geschehen.
Da! Sie wandten sich alle dem BMW zu. Wollten verschwinden. Das würde die Hexe zu verhindern wissen. Fünf Leichen würde man am Morgen auf dem Flugfeld finden.
Cresmonia sammelte ihre Kräfte, nahm ihren Besen zwischen die nackten Schenkel und schwang sich in die Lüfte empor. Hoch und immer höher stieg sie, lieferte sich dem Rausch des Fliegens aus, genoss das Hochgefühl und doch blieb es diesmal schal wie altes Bier, denn da war der Schmerz, der unter ihrer Oberfläche schwärte wie eine eiternde Wunde.
Dann nach fast tausend Metern stieß sie herab wie ein Sturzkampfbomber. Ihre Lippen murmelten unablässig einen Zauber, sie spürte wie ihr ganzer Körper zu kribbeln begann. Sie sammelte all ihre magische Energie, um sie mit einem Schlag frei zu lassen. Ein Blitz verließ ihre Hand und zielte auf den Schatz. Dazu stieß die Hexe ein irres Lachen aus, das über das Flugfeld hallte. Der Zauber verstärkte ihre Stimme wie Donner.
Beides hagelte auf die Menschen herab.
Cresmonia folgte dem Blitz und sah wie Mark Larsen den Schatz packte und sich mit ihm im Arm zur Seit warf. Beide schlugen hart auf, aber der Blitz fuhr wirkungslos in den Boden.
Cresmonia drehte einen waghalsigen Looping und sammelte erneut ihre Kraft. Ein wilder, unartikulierter, animalischer Schrei begleitete den nächsten Blitz, aber wieder reagierte Mark Larsen rein intuitiv und hatte sich mit dem Schatz im Arm in den vermeintlichen Schutz des Flugzeugs gerollt.
Der Asphalt kochte, wo der Blitz der Hexe eingeschlagen war. Cresmonias enttäuschter Ausruf hallte über das Flugfeld und sie warf ihren Besen herum. Sie flog eine lange Kurve und senkte dabei die Flughöhe. Sie raste fast auf Erdhöhe auf der dem Hangar abgewandten Seite auf den Learjet zu.
"Larsen, du bist mein. Stirb jetzt!", rief sie voller Zorn und Hass. "Verfluchter Hund!"
Sie sammelte all ihre Kräfte und ein letzter gewaltiger Blitz raste auf die fünf Menschen unter dem Flugzeug zu. Die Gwscore donnerte mit ihrem Lachen hinterher, wollte sehen, wie der Blitz fünf Menschen zugleich tötete. Kaum hatte der Blitz ihre Hand verlassen, verästelte er sich, wob ein gnadenloses, tödliches Netz, dem Larsen, der Schatz und die anderen drei nicht entkommen konnten.
Triumphierend lachte die Hexe.
Luzifer komm, deine Braut erwartet dich!, schoss es ihr durch den Kopf.
Mark hatte rein instinktiv gespürt, dass Gefahr in Verzug war und reagiert. Reflexartig hatte er Christine gepackt und sie mit sich zu Boden gerissen. Christine hatte prächtig mitgemacht. Entweder es lag in ihrer Natur, sich ihrem Hüter hinzugeben, oder sie hatte es sich antrainiert. Es war egal, aber sie überließ sich voll seiner Führung, so dass beide den vermeintlichen Schutz des Flugzeugs erreicht hatten.
Doch der Hangar war zu weit weg. Der BMW war eine Faradayscher Käfig, aber die Blitze der Hexe waren keine normalen Entladungen. Ob der BMW da Schutz oder Gefängnis war, vermochte Mark nicht zu sagen. Der Wald war völlig außer Reichweite.
Die Hexe war wieder herangebraust. Ihr Lachen und Geschrei war zum Wahnsinnigwerden. Als der mächtige, sich wie ein gewaltiges Netz verästelnde Blitz auf sie zukam, wie in Zeitlupe, gefolgt von der Hexe auf dem Besen, wusste er, dass es zuende war. Er scheiterte, bevor er begonnen hatte.
Wie ein Lebewesen kroch der Blitz auf sie zu. Keine Chance mehr.
AUS! dachte Mark. Das wars!
"Larsen, du bist mein. Stirb jetzt!", hörte Mark ihre Stimme voller Zorn und Hass. "Verfluchter Hund!"
Woher kannte sie ihn? Wer war die Hexe auf dem Besen? Diese Fragen würde er mit ins Grab nehmen müssen, ohne eine Antwort darauf zu erhalten. Christine klammerte sich an ihn. Ihre Augen waren vor Entsetzen und Todesangst geweitet. Sie sah ihn an. Kurz erwiderte Mark den Blick.
Tu was! schien sie zu sagen. Rette mich. Du bist der Hüter!
Aber Mark wusste nicht, was er tun sollte. Ihm fiel nichts ein. Alles lief ab wie in Zeitlupe. Jede Einzelheit ging ihm ein, aber es gab kein Entkommen.
Neben ihm bewegte sich etwas. Hinnerk hatte sich erhoben. Plötzlich stand er, Mark wusste nicht wie, neben dem Flugzeug und ging dem Blitz entgegen, der sich immer weiterverästelte. Es war, als würde ein Käfig entstehen, bevor er sich über ihnen entlud.
Die Hexe raste darüber hinweg und schlug wieder einen Bogen. Ein weiterer Blitz verließ ihre Hand und der würde die Vernichtung komplett machen.
Hinnerk murmelte etwas vor sich hin, aber Mark verstand kein Wort. Immer nur Fetzen von Silben drangen zwischen dem triumphierenden, hasserfüllten Lachen der Hexe an sein Ohr, aber all das ergab keinen Sinn. Für Mark war das Gibberish, völlig sinnlos aneinander gereihte Silben. Dann spreizte Hinnerk die Arme und schrie etwas völlig Unverständliches in einer Sprache, die wohl nie auf der Erde gesprochen worden war, so zumindest schien es Mark und beide Blitze verglühten wie eine Wunderkerze an Sylvester. Dabei wirkte Hinnerk beinahe majestätisch, völlig unirdisch, wie ein Zauberer aus einer längst vergangenen Zeit.
Ein wilder Schrei voller Wut und Enttäuschung aus dem Himmel war die Antwort.
Hinnerk murmelte weiter Worte und Silben dieser unbekannten Sprache vor sich hin. Dann entließ er seinen nächsten Zauber.
"Du Hund!", tönte es von oben. "Dich kriege ich auch!"
Erst konnte man nicht sehen, was er getan hatte. Dann aber wurde es klar. Die Hexe konnte ihren Besen nicht mehr kontrollieren. Sie versuchte gegenzusteuern, schaffte es zunächst auch, aber dann begann der Besen zu taumeln, hob sich in die Höhe und trudelte in westlicher Richtung davon. Egal was die Hexe unternahm, sie konnte nicht verhindern, dass sie davon getrieben wurde wie ein loses Blatt im Herbststurm.
"Ich komme wieder, Larsen! Und dann stirbst du!", war das Letzte, was sie von der Angreiferin hörten.
Sie saßen in der warmen Frühlingssonne auf einer Bank und hölzernen Gartenstühlen in einem gepflegten Garten vor einem Fachwerkhaus in Hüll, einem kleinen Ort, fast schon einer Art Wurmfortsatz der Gemeinde Drochtersen im Landkreis Stade an der Grenze zum Landkreis Cuxhaven.
Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee mit einer Prise Zimt stieg Mark in die Nase und ließ ihn die Sonne noch mehr genießen. Als er den ersten Schluck des außergewöhnlich starken Gebräus getrunken hatte, vertrieb er fast augenblicklich die Müdigkeit. Er setzte noch einmal an und blickte sinnend in die Tasse.
Hinnerk, Algernon und Christine ging es ähnlich. Auch sie tranken den von James bereiteten Kaffee. Der Butler hatte befunden, dass das Wasser sich zur Bereitung von Tee nicht eignete und statt dessen auf die frisch gemahlene Bohne gesetzt.
Hinnerk hatte ihm empfohlen, dass er Wasser aus Ostfriesland kommen lassen müsste, um Tee machen zu können. Das war kalkfrei, während in dieser Gegend das Wasser davon durchsetzt war, was es nur zur Zubereitung von Kaffee geeignet machte. James hatte sofort eine entsprechende Notiz gefertigt, auf dass er bald wieder trinkbaren Tee aus den ehemaligen Kolonien auf dem Subkontinent Indien, statt des schwarzen Gebräus servieren konnte. Und wenn es nur für ihn selbst war. Deutschland (mit Ausnahme Ostfrieslands), hatte der Butler für sich befunden, war ein so kulturloses Land.
Aus dem geöffneten Küchenfenster drang der Geruch von Bauernfrühstück, dessen Zubereitung Mark empfohlen hatte. Die Bratkartoffeln, der Speck und die Eier brieten vor sich hin. James hatte noch ein paar Bratwürste im Gefrierschrank gefunden, die er zusätzlich briet, um dem Ganzen eine englische Note zu geben. Nieren hatte er leider nicht gefunden, aber sie hatten unterwegs gehalten und frisches Brot und Brötchen gekauft. James liebte deutsches Schwarzbrot und hatte verkündete, dass noch Hoffnung für dies Land bestand, der Barbarei zu entkommen. Schwarzbrot gab es in Form von Pumpernickel in der Feinkostabteilung von Harrods nur für einen horrenden Preis zu kaufen.
Als das Frühstück fertig war, brachte James es heraus (für das Servieren und Zubereiten hatte er sich jegliche Hilfe verbeten). Kurz darauf aßen alle voller Appetit. Jeder von ihnen merkte erst jetzt, da alle Anspannung abgefallen war, wie hungrig sie waren.
Mark Larsen aß seine gewaltige Portion Bauernfrühstück und dachte daran, wie sie hierher gekommen waren. Als die Hexe von Hinnerks Zauber davon geweht wurde, hatten sie alle durchgeatmet. Mark hatte bemerkt, dass seine Hand unkontrolliert gezittert hatte. Sein Körper reagierte, nun da die Gefahr vorüber war. Christine hatte ihn in den Arm genommen, sich dann erhoben und Hinnerk, ihrem Retter, mit einer Umarmung wortlos gedankt.
"Wie hast du das gemacht?", hatte Mark den Bärtigen gefragt. "Das war unglaublich. Wer bist du?"
Hinnerk hatte ihn angesehen, als würde er erst nach und nach aus einer anderen Welt zurückkehren, als hätte er den Sinn der Frage nicht verstanden. Dann hatte er sein breites ansteckendes Lächeln gelächelt und fiel in den Akzent zurück, den er benutzt hatte, als er das Zeltlager der Kinder betreut hatte.
"Jo mien Jung. Dat will ick di vertellen, wie ich dat mookt heb, ook wenn du dat nicht verstehen tust", und war dann ansatzlos zum akzentfreien Hochdeutsch gewechselt. "Wer ich bin? Das ist nicht so ganz einfach. Sagen wir einfach, ich bin ein alter Mann, der ein paar Tricks beherrscht, die manchmal nützlich sein können."
Hinnerk lächelte und Mark fiel auf, dass er die Frage ausweichend beantwortet hatte, um eine freundliche Umschreibung zu wählen.
"Es ist manchmal gut, die Geheimnisse der Hexen und ihrer Salben zu kennen", erklärte Hinnerk und blickte den neuen Hüter sinnend an. "Woher kennt sie dich? Sie wollte dich töten. Die Frage muss vielmehr sein: Wer bist du? Denn die Hexe wollte deinen Kopf. Es schien, als hätte sie dich am liebsten ausgeweidet, wie ein erlegtes Stück Wild."
"Ich habe keine Ahnung", hatte Mark geantwortet. "Ich kanns mir nicht erklären. Wer war denn das überhaupt?"
"Das war Cresmonia Gwscore, das durchtriebenste Wesen unter allen Hexen. Über sie gibt es die wildesten Gerüchte, die am besten als wahr anzunehmen und wohl nur ein Teil der Wahrheit sind. Sie muss hinter dem ganzen Aufruhr der letzten Nacht gesteckt haben. Sie wird euch auf ihrem Hexenbesen gefolgt sein. Sie hat den Vampiren verraten, wo Christine versteckt war. Sie hatte die Vampire losgehetzt. Mich würde nur interessieren, woher sie von dem Versteck wusste und woher sie dich kennt. Da stimmt was nicht. Insbesondere, dass es neben dem Chauffeur noch einen Verräter in unseren Reihen gab, macht mich nervös."
"In Anbetracht dessen", meldete sich James, "sollten wir Christine nicht an einem Ort verstecken, der dem Orden gehört."
"Richtig", murmelte Hinnerk, "und es auch niemandem verraten. Ich verpflichte euch alle zu Stillschweigen."
"Woher soll das Geld dafür kommen?", fragte Algernon Finch. "Sobald wir auf die Konten des Ordens zugreifen, wissen sie, wo wir sind."
"Das lass meine Sorge sein", meinte Hinnerk. "Auch da gibt es ein paar Tricks."
"Welche denn?", wollte Mark wissen.
"Ich habe keine Ahnung", hatte Mark geantwortet. "Ich kanns mir nicht erklären. Wer war denn das überhaupt?"
"Das war Cresmonia Gwscore, das durchtriebenste Wesen unter allen Hexen. Über sie gibt es die wildesten Gerüchte, die am besten als wahr anzunehmen und wohl nur ein Teil der Wahrheit sind. Sie muss hinter dem ganzen Aufruhr der letzten Nacht gesteckt haben. Sie wird euch auf ihrem Hexenbesen gefolgt sein. Sie hat den Vampiren verraten, wo Christine versteckt war. Sie hatte die Vampire losgehetzt. Mich würde nur interessieren, woher sie von dem Versteck wusste und woher sie dich kennt. Da stimmt was nicht. Insbesondere, dass es neben dem Chauffeur noch einen Verräter in unseren Reihen gab, macht mich nervös."
"In Anbetracht dessen", meldete sich James, "sollten wir Christine nicht an einem Ort verstecken, der dem Orden gehört."
"Richtig", murmelte Hinnerk, "und es auch niemandem verraten. Ich verpflichte euch alle zu Stillschweigen."
"Woher soll das Geld dafür kommen?", fragte Algernon Finch. "Sobald wir auf die Konten des Ordens zugreifen, wissen sie, wo wir sind."
"Das lass meine Sorge sein", meinte Hinnerk. "Auch da gibt es ein paar Tricks."
"Welche denn?", wollte Mark wissen.
Er fand, Hinnerk war ein geheimnisvoller Mann, dem er einmal auf den Grund gehen musste.
"Beizeiten sage ich es dir", war die entwaffnende Antwort.
"Aber wo wollt ihr mich verstecken?", fragte Christine in die Runde.
Mark hatte Christine angesehen und sie um das Gespräch unter vier Augen gebeten, das sie dann auch geführt hatten.
"Beizeiten sage ich es dir", war die entwaffnende Antwort.
"Aber wo wollt ihr mich verstecken?", fragte Christine in die Runde.
Mark hatte Christine angesehen und sie um das Gespräch unter vier Augen gebeten, das sie dann auch geführt hatten.
Die Sonne war aufgegangen, als Mark den Wagenschlag des BMW öffnete. Lange hatte er mit dem Schatz gesprochen. Christine hatte zuerst noch unter Schock gestanden, sich aber schnell erholt. Die in ihr wohnende Macht schützte nicht nur die Erde, sondern auch das Gefäß. Mark war sehr froh darüber. Es mochte nicht die letzte gefährliche und lebensbedrohende Situation sein, in die sie gerieten. Da war es gut zu wissen, dass Christine kein Nervenbündel war.
Er hatte ihr das neue Versteck schmackhaft gemacht und von seinen Plänen erzählt. Sie war auf seiner Seite. Dann hatte Mark einen alten Freund angerufen und ihn gefragt, ob er für ein paar Tage das Haus haben konnte oder es sogar zu verkaufen war. Es war zu verkaufen, da Knut Ukena zuviel in Hamburg zu tun hatte und das Haus nicht einmal mehr am Wochenende besuchte. Über den Preis würden sie sich einig werden.
Er hatte ihr das neue Versteck schmackhaft gemacht und von seinen Plänen erzählt. Sie war auf seiner Seite. Dann hatte Mark einen alten Freund angerufen und ihn gefragt, ob er für ein paar Tage das Haus haben konnte oder es sogar zu verkaufen war. Es war zu verkaufen, da Knut Ukena zuviel in Hamburg zu tun hatte und das Haus nicht einmal mehr am Wochenende besuchte. Über den Preis würden sie sich einig werden.
Mark hatte den Freund aus einem bestimmten Grund angerufen. Es war das Geburtshaus eines Spökenkiekers und Heilers gewesen und galt, wie Knut ihm mal erzählt hatte, als Glückshaus. Unter den alten Dörflern wurde geflüstert, dass nicht einmal der Teufel selbst dort hineinkam. Menschen mit dem bösen Blick konnten es darin nicht lange aushalten. Knut hatte Mark mal die Geschichte von einem Kollegen erzählt, der andere gerne mobbte. Er war nur kurz in dem Haus gewesen, hatte Schweißausbrüche bekommen und nicht richtig atmen können. In dem Moment, als der das Haus verlassen hatte, wurde es augenblicklich besser.
Das war der Unterschlupf, den sie brauchten.
Mark und Christine hatten sich angefreundet, waren sich näher gekommen und vertrauter geworden. Christine wusste, ihr neuer Hüter war einer, auf den sie sich verlassen konnte. Einer, der ihr Leben mit dem seinen verteidigen würde.
Hinnerk und die anderen kamen herbei, als Mark die Hupe betätigte.
"Lasst uns fahren und diesmal fahre ich", sagte Mark sehr zur Enttäuschung Hinnerks und zur Freude Algernon Finchs, der nicht ahnte, dass Mark ein ähnlich aggressiver Autofahrer war wie Hinnerk. Nur hatte mittlerweile der morgendliche Berufsverkehr auf der Bundesstraße eingesetzt und er würde erst Dampf machen können, wenn sie über Hammah und Groß Sterneberg nach Hüll düsen würden. Ihr Ziel war der Drakenstieg, Drachensteig in Hochdeutsch. Woher diese Straße ihren Namen hatte, wusste Mark nicht.
Die Minuten, als sie die Hexe angegriffen hatte, Hinnerks Zauber und die Zeit danach, war im milden Licht der Morgensonne fast die unwirkliche Erinnerung an einen Traum.
"Los steigt ein", meinte Mark. "Es wird Zeit fürs Frühstück und dann sollten wir schlafen, bevor wir Pläne machen."
Zustimmung von allen Seiten. Dann stiegen sie ins Auto und Mark fuhr mit einem Kavalierstart vom Flugfeld Stade Agathenburg.
Die Nacht war voller Aufregungen gewesen ...
Das war der Unterschlupf, den sie brauchten.
Mark und Christine hatten sich angefreundet, waren sich näher gekommen und vertrauter geworden. Christine wusste, ihr neuer Hüter war einer, auf den sie sich verlassen konnte. Einer, der ihr Leben mit dem seinen verteidigen würde.
Hinnerk und die anderen kamen herbei, als Mark die Hupe betätigte.
"Lasst uns fahren und diesmal fahre ich", sagte Mark sehr zur Enttäuschung Hinnerks und zur Freude Algernon Finchs, der nicht ahnte, dass Mark ein ähnlich aggressiver Autofahrer war wie Hinnerk. Nur hatte mittlerweile der morgendliche Berufsverkehr auf der Bundesstraße eingesetzt und er würde erst Dampf machen können, wenn sie über Hammah und Groß Sterneberg nach Hüll düsen würden. Ihr Ziel war der Drakenstieg, Drachensteig in Hochdeutsch. Woher diese Straße ihren Namen hatte, wusste Mark nicht.
Die Minuten, als sie die Hexe angegriffen hatte, Hinnerks Zauber und die Zeit danach, war im milden Licht der Morgensonne fast die unwirkliche Erinnerung an einen Traum.
"Los steigt ein", meinte Mark. "Es wird Zeit fürs Frühstück und dann sollten wir schlafen, bevor wir Pläne machen."
Zustimmung von allen Seiten. Dann stiegen sie ins Auto und Mark fuhr mit einem Kavalierstart vom Flugfeld Stade Agathenburg.
Die Nacht war voller Aufregungen gewesen ...