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Influence is Oil: Verlage, Agenturen und Influencer

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneInfluence is Oil:
Verlage, Agenturen und Influencer

Die schwierige Antwort auf die Frage, was sogenannte Influencer denn jetzt eigentlich sind, wird sicherlich nicht unbedingt auf der nächsten Buchmesse gefunden werden. Zwar ist das Marketing-Buzzword "Influencer" nicht mehr aus der Branche wegzudenken - 2017 hat Bastei-Lübbe gar eine eigene Marke für sogenannte Influencer ins Leben gerufen. Doch die Frage, was Influencer nun eigentlich sind, wird in der Regel nicht genau gestellt.

Den Versuch zu einer Antwort müsste die Medienpädagogik finden, die sich dann gut gerne mit der Frage herumschlagen darf, ob ein Influencer ein Idol ist - so wie Ghandi oder Mutter Theresa - oder ein Vorbild, Idole geben ja eher Richtungen für das Leben eines guten Lebens an; ob ein Influencer nun als "Beeinflusser" übersetzt werden kann oder ob Influencer eine Rolle spielen, die wenig mit ihrem realen Leben zu tun hat. Selbst, wenn man sich natürlich gibt, muss das nicht unbedingt authentisch sein. Wer also bisher dachte, der Begriff "Influencer" wäre so einfach zu erfassen, der irrt.

Gemeinhin wird einfach der deutsche Begriff des "Meinungsmachers" für das amerikanische Wort genommen, was allerdings - wie schon der "Beeinflusser" oder der "Richtungsgeber" - einen gewissen Unterton mitschwingen lässt. "Meinungsmacher" als Begriff ist definitiv nicht neutral, sondern wird gerne zum Beispiel für Leute wie Kai Diekmann gebraucht, für Politiker wie Jens Spahn oder für Bernd Höcke von der AfD. Wenn etwa die SZ im Jahr 2015 titelt, dass die öffentliche Meinung von mächtigen Journalisten gesteuert werden würde - dann ist der Meinungsmacher hier als missliebige Vokabel durchaus präsent. Meinungsmacher sind also Leute, die eine gewisse Agenda verfolgen und diese mit aller Macht durchsetzen - auch, wenn diese Agenda nicht von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird. Gerade das aber ist das Ziel eines Meinungsmachers: Dass seine Meinung gesellschafts- und salonfähig wird, so dass er als Meinungsführer seine Themen setzen kann. Ruhm, Ehre, Geld - was auch immer am Ende dabei dann für ihn rausspringt, auf jeden Fall lohnt es sich für ihn seine Meinung als "allein selig machend" zu etablieren.

So wie im Fall des Youtubers Unge, der seit den letzten Wochen mit seinen "XYZ ist Gift"-Videos Aufmerksamkeit erregte - ob diese nun in parodistischer Weise gemeint sind oder nicht ist zweitrangig, es kommt auf die Methode und auf die Merkmale an. Unge hat Macht, weil er viele Follower - Fans - besitzt, seine Videos häufig angeschaut und öfters geteilt werden. Wenn er somit behauptet: "Milch ist Gift", dann wird ihm das von seinen Fans als glaubwürdig abgenommen - natürlich ist er auch Ziel von Kritikern, was er aber bewußt in Kauf genommen zu haben scheint - und einige Tage war Youtube voll von Reaktionen auf dieses Video. Und auch auf alle anderen Videos. Ziel erfüllt: Unge hat seine Meinung durchgesetzt und sich als Meinungsführer etabliert. Ob parodistisch gemeint oder nicht, Unges Fans nahmen es ihm ab. (Wer es verpasst haben sollte, weil er nicht zur Zielgruppe von Unge gehört, lese sich die ganze Geschichte an dieser Stelle mal durch. Dass Unge hier PR für sich betrieben hat, sollte man übrigens ganz bewußt miteinberechnen. Provokation funktioniert halt.)

"Meinungsmacher" als Begriff ist also problematisch. Vermutlich werden Verlage, die feststellen, dass sie mit der traditionellen Anzeigenwerbung, Plakaten oder sogar den üblichen Werbeformaten im Internet die trendige Zielgruppe nicht erreichen, diesen Begriff auch deswegen ungerne in den Mund nehmen. Bleibt man beim "Influencer", bleibt man allerdings auch sehr vage, was damit gemeint ist. Für die Buchbranche sind immer noch - wenn man sich die Berichte von der Leipziger Buchmesse durchliest - Blogger interessant. "Die Blogger bleiben bei uns scharf im Blick", versicherte Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, bei der Eröffnung der diesjährigen buchmesse:blogger sessions. Er sei immer wieder beeindruckt von der Begeisterung, mit der sich die Buchblogger für die Literatur einsetzten. Aber man müsse sich "auch professionell aufladen" – und das sei das Anliegen dieser Konferenz." So das Börsenblatt in der Nachberichterstattung zu den Blogger Sessions. (Ein leichtes Lächeln darf jetzt all jene Lippen von Barcampbesuchern umspielen, wenn darüber berichtet wird, dass man im Vorhinein Themen hätte einreichen und darüber abstimmen können. Nun denn...)

Der Umgang mit diesen Meinungsführern, Beeinflussern - nehmen wir mal diese Begriffe - hat sich im Zeitalter von Social Media etabliert. Vorausgesetzt sie ist "authentisch". Gerne wird auch etwas von "Augenhöhe" formuliert oder gar von "Synergien zwischen Print und Online". Mehrwert soll es für den Brand bieten. Neu ist jedenfalls: Verlage gehen einen Schritt weiter und machen sich für die junge Zielgruppe hübsch. Natürlich ist es eine Situation, bei der Beide gewinnen, wenn ein Verlag eine Unterabteilung gründet, die Bücher von Youtubern, Instagrammern und anderen Influencern verlegt. Der Verlag kauft auf diese Art und Weise die Aufmerksamkeit der Fans ein, die Youtuber selber rühren die Werbetrommel und der Verlag darf sich als hipp und jung inszenieren. Bücher werden hier jedenfalls zu "kreativen Projekten", die natürlich auch qualitativ hochwertig sein sollen. Dabei hilft es natürlich, dass die Autoren "extrem glaubwürdig" sind, "bodenständig, meinungsfreudig und klug". (Das findet man tatsächlich in den Beschreibungen des angekündigten Verlagsprogramms für 2018 etwa beim Youtuber Paluten oder der Youtuberin Jana Walter.)

"Influence is Oil - it's your brand, hustle it" also. Vielleicht ist dieses Black Operatives Department doch keine Erfindung von Marcus John Henry Brown, sondern weilt schon mitten unter uns. 2017 jedenfalls gründete Burda "Brands you love", laut dem Fachmagazin "Werben und Verkaufen" ein "Portal, das Influencer mit Unternehmen zusammenbringt". Die ganzen Marketingbuzzwords dürfen natürlich in so einem Bericht nicht fehlen: "Der Verlag bietet sowohl Earned- als auch Paid-Content-Kampagnen. Etwa Word-of-Mouth-Kampagnen, Instagram-Promotions, Blogger-Kampagne oder Social-Media-Challenges. Zusätzlich verspricht das Unternehmen, die wichtigen KPIs auszuwerten und ein Dashboard für automatisiertes Tracking und Live-Reports zur Verfügung zu stellen." Und wo schon mal das Wort "Synergien" fiel: "Außerdem verlängert es die Kampagnen auf Wunsch in den Print- und Online-Auftritten der Burda-Medien von Freundin und Playboy über Focus und Huffpost bis hin zu Fit For Fun und TV Spielfilm." Wenn man von den Beispielen auf der Webseite ausgehen darf, dann ist Innovation nicht unbedingt das, was "Brands you love" auszeichnet. Man kennt das vielleicht von der Aktion mit Coral her: Hippe junge Menschen inszenieren glatte Bilderwelten, in denen dann das Produkt möglichst "authentisch" ins Licht gehalten wird. Inwieweit die Fans der Stars, Idole, Vorbilder, Sternchen, Berühmtheiten das noch als "das reale Leben" empfinden, das müsste man diese bei Gelegenheit mal fragen.

Dabei kann man noch einen Schritt weiter gehen: Wenn man keine Influencer für ein Produkt findet, dann macht man sich welche. In diesem Jahr etwa gründete die Agentur STERN eine Abteilung für - nun - Influencer, Brands und all diese Dinge. "Kurzfristig ist auch geplant, eigene Influencer aufzubauen, spezielle Themen-Blogs für verschiedene Branchen zu entwickeln und die Reporting-Tools weiter zu standardisieren." Nun sind Blogs als Werbemaßnahme ja längst etabliert, sowas wie "Curved" etwa arbeitet ja mit dem guten alten Content-Marketing. (Bewußt mal kein Link, man kann das aber mal googlen. Auch, was dieses Content-Marketing sein soll.) Eigene Influencer großzuziehen, die dann konsequent von der eigenen Agentur betreut werden und somit auch komplett von ihr abhängig sind - das ist dann nur der nächste logische Schritt. Ob diese Influencer dann noch glaubwürdig sind? Sind diese dann tatsächlich nichts Anderes mehr als lebende Plakatwände, auf die man nach Belieben die eigenen Marken projeziert?

Damit wären wir tatsächlich der Welt des "Black Operative Departments" nähergerückt, einer Welt, in der jeder Mensch anhand seiner KPIs bewertet wird, in der jede Aktivität dazu dient, die eigene Marke zu stärken. Im Grunde haben wir das heute schon vorgebildet und die passende Plattform zur Auswertung der Aktivitäten ist auch schon längst verfügbar. Burda sei Dank. Jedoch: Wie stark ist der Einfluss von Influencern wirklich?

Die TextilWirtschaft ließ zum Thema "Modeblogger" und "Kaufentscheidung" von der GfK eine Studie durchführen. Deren Ergebnisse sind - nicht besonders euphorisch. "Gerade einmal 2 Prozent der Verbraucher in Deutschland haben schon einmal ein Kleidungsstück gekauft, das von einem Mode-Blogger beworben wurde. (...) Generell hat das Thema Mode-Blogger bzw. Fashion-Influencer für den Großteil der Bevölkerung keine Bedeutung. So antwortet mehr als die Hälfte aller Teilnehmer (56 Prozent) auf die Frage, ob sie einen oder mehrere Influencer kennen, die Mode-Inspirationen auf Blogs, Instagram oder Facebook posten: "Ich kann nichts zum Thema sagen." (...) Schlecht schneidet die neue Werbeform auch beim Thema Glaubwürdigkeit ab. So finden lediglich 4 Prozent aller Befragten Fashion-Posts meistens glaubwürdig."

Allerdings sollte man daneben noch die Studie legen, die der BVDW 2017 durchführte - diese zeigt, dass die Aufmerksamkeit auf ein Produkt durchaus per Facebook oder Youtube oder anderen Kanälen hervorgerufen werden kann. Und immerhin ein Drittel der Befragten hat ein Produkt gekauft, nachdem es von einem Influencer präsentiert wurde. Tatsächlich findet sich dann "Mode" als Begriff durchaus dann weiter unten, wenn es um die Bereiche geht, in denen Influencer wirksam werden. Falls es Jemanden überraschen sollte: "Essen, Kochen bzw. Ernährung und Gaming" sind da die besseren Wirkungsgeber.

Man sollte also das Influencer-Marketing mit einer Prise Salz genießen: Es ist kein Allheilmittel. Es kann in gewissen Segmenten sicherlich verkaufsfördernd sein - dann braucht man allerdings auch ein Tool, um die Customer-Journey messen zu können. Was "Brands you love" nun direkt auswertet kann ich nicht direkt feststellen. Die Verbreitung eines Hahstags? Retweets? Reposts? Positive Bewertungen des Produkts? Irgendwas wird man als Grafik dem Kunden ja hinlegen wollen. Und bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit, wenn Influencer von Agenturen großgezogen wurden, da kann dann wohl nur die Medienpädagogik weiterhelfen. Demnächst also an den Unis: "Influencer-Marketing - Basiskurs. Stunde Eins: Was ist eigentlich ein Influencer?"

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