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Fan-Experten - Leser, Autoren und der Kanon

1Fan-Experten
Leser, Autoren und der Kanon

Vor kurzem schrieb ein langjähriger Perryleser, dessen Name mir bekannt ist, in einem Fanzine: »Es geht nicht um Mehrheit oder Minderheit. Experten sind per definitionem eine Minderheit. Es geht um richtig und um falsch.« Damit wollte er klarstellen, was seinem Empfinden und seinem logischen Verstande nach, bei der Perryserie alles nicht richtig läuft. Des weiteren ging es um das Thema des Experten-Fans, der als langjähriger Leser oft den Kanon auswendig weiß.

Als Kanon wird bei PR die offiziell festgelegte Erzählungs-Richtlinie aus der Vergangenheit der Serie bezeichnet. Oft weiß der langjährige Leser es besser als der neue Autor, weil dieser vielleicht eben kein langjähriger Leser ist. Eine solche Kritik sollte dann auch objektiv hingenommen  und nicht als „Nörgeln“ verstanden werden.Wenn man es besser weiß, weiß man es eben auch meist besser.

Wenn also ein „Altleser“ sagt: „In diesem Roman sind zehn Fehler enthalten, weil ...“ dann stimmt das meistens. Im Perry-Forum selbst gibt es viel anregende Kritik, Gedankengänge und Ausspinnungen von Fans über die Weiterentwicklung der Serie. Dazu gehört oft auch harte, harsche Kritik an bestimmten Handlungen oder Erzählsträngen, die eben nicht dem Kanon genügen oder zu offensichtlich sind in ihrer Fehlerhaftigkeit, weil der Autor die Perrypedia nicht bemüht hat (das ist ein PR-Wiki von Fans für Fans) oder der externe Lektor einen gravierenden Fehler übersehen hat (was natürlich uns fehlerhaften Menschen immer einmal passieren kann). Aber der Verlag, der mit seiner papierenen LKS und seiner  Echtzeit-Forenseite nah am Leser ist, (eine alte Tradition beim Perry Rhodan), hat auch früher bereits Expertenwissen von Fans, die keine Autoren der Serie sind, genutzt, erwähnt sei nur Franz Dolenc, der lange Jahre die Silberbände begleitet hat oder die liebevoll zusammengestellten Zusammenfassungen oder laufenden Rezensionen der Serienbände in der SOL und anderswo.

Erwähnt sei auch der „Galaktische Beobachter“, der lange Jahre den Perry im Fanheft SOL kritisch begleitet hat und immer sehr analytisch und begründet „genörgelt“ hat. Durch konstruktive Kritik, die nicht an die Nieren geht (oder noch tiefer …) kann die Serie also nur besser werden. Ein „Das Heft gefiel mir gut“, ist ja eine nette Aussage, wenn auch ohne großen informatorischen Inhalt. Besser ist hier die klare Analyse des Erzählten, der Handlung, der Darstellung und des Umgangs des jeweiligen Autors mit dem Kanonwissen.Leser sind aufmerksam und merken (fast) alles, wie schon Hitchcock bei seinen Filmen über die Zuschauer wusste. Also sollten die Autoren sich wirklich bei aller freien Fabulierung bemühen, möglichst nahe am Kanon zu bleiben und sehr grobe, allzu grobe, Schnitzer zu vermeiden.

Wer einen Perryroman schreibt, sollte also die PP (Perrypedia) dabei offen haben, ein Lexikon zum Perry  parat oder sich eben selbst sehr gut in der Serie (auch der älteren Erzählungen) auskennen. Beispiel: Ein HÜ-Schirm leitet Gegenstände bei harter Berührung in den sogenannten Linearraum ab, einen 4,5 -dimensionalen Raum. Der Körper kann eben nicht „zurückprallen“, denn ein HÜ-Schirm ist kein Prallschirm. Einmal eine Minute über HÜ-Schirme  nachgesehen, und der Fehler wäre vermieden. Aufmerksame Leser, (und davon gibt es viele) merken so etwas und das tut der Serie nicht gut und lässt auch den jeweiligen Autor in keinem wirklich guten Licht erscheinen.

Es wirkt, als hätte der/die gute Mann/Frau dann geschlampt an dieser Stelle. (Natürlich kann man als Autor auch Sollbruchstellen einbauen, damit die Stammleser etwas zum Nörgeln haben. Wird aber normalerweise nicht gemacht, ist ja auch bei Zamorra oder Sinclair nicht der Fall). Also, der Autor/in sollte Ahnung von dem haben, was er/sie da schreibt. Das ist ja auch glücklicherweise meist der Fall … eben bis auf die dicken Schnitzer, die dann den Leser nur noch aufstöhnen lassen, denn er möchte seine Serie natürlich fehlerfrei. Also Leute, wenn ein Altleser sagt: hier ist das falsch, dann ist das auch so. Da kann man auch als Expokrat nicht den Kanon rhetorisch verdrehen und sich heraureden. Experten haben recht, meistens.

Der langjährige Leser ist oft ein solcher wie ein Fussballfan, der sämtliche Spieler des Endspieles von 1954 auswendig weiß und welche Socken Toni Turek im Tor trug.Der Leser hat nämlich ein Fangedächtnis. Als solcher muss er die Serie nicht „lernen“, sie ergoss/ergiesst sich viel mehr von Anfang von selbst in den Kopf des Enthusiasten, wie das so ist, wenn wir Dinge gerne tun. Also sollte man durchaus verstärkt auf die Fanmeinungen hören, von offizieller Seite. Glücklicherweise sind viele Macher der Serie selbst Experten, die einst  aus dem Fanbereich kamen und deshalb gut zuhören können, wenn jemand kommt und sagt: „Das hier ist falsch, bitte im nächsten Heft korrigieren!“ Aber eben nicht immer, das müsste aber immer öfter sein …öfter geschehen.

 Ich selbst zähle mich übrigens nicht zu den wirklichen  Experten (weiß z.B. nicht auswendig, wann die STARDUST startete oder wann Perry Geburtstag hat, im Technischen der Serie bin ich allerdings recht fit) , glaube aber zu wissen,  dass hier mindestens Einer, der ein wirklicher Experte ist,diesen Text liest.

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#1 Kaffee-Charly 2018-09-05 14:25
Ich frage mich immer, ob Hardcore-Fans, die praktisch mit der Lupe nach Fehlern suchen, eigentlich noch Spaß beim Lesen haben.
:sigh:
#2 AARN MUNRO 2018-09-05 20:21
Ich glaube, das geschieht automatisch beim Lesen. Der Roman wird mit dem sehr guten Gedächtnis verglichen, ganz unwillkürlich. Es wird nicht speziell nach Fehlern gesucht. Sie fallen eben dem Experten nur auf.
#3 Kaffee-Charly 2018-09-05 21:09
Wenn ein Detailfehler den Verlauf der Story nicht beeinträchtigt, ist er nicht wirklich relevant.
Als Leser käme ich nicht mal im Traum auf die Idee, darum so einen Bohei zu veranstalten, wie man es manchmal im Perry-Forum beobachten kann. (Ich bin da zwar kein Mitglied, aber ich amüsiere mich dort immer köstlich. :P )
Ob ein (fiktiver !!!) HÜ-Schirm etwas abprallen lässt oder etwas in einen (ebenfalls fiktiven !!!) x-dimensionalen Raum ableitet, dürfte für den Verlauf der Handlung wohl kaum von Bedeutung sein.
Ich betrachte so etwas als fanatische Erbsenzählerei und als Autor würde ich das kalt-lächelnd ignorieren. 8)
#4 AARN MUNRO 2018-09-06 08:20
Zitat:
und als Autor würde ich das kalt-lächelnd ignorieren
Auch ein Sinclair-oder Zamorra-Autor dürfte den dortigen Kanon der Magie, Dämonologie, magische Gadgets etc. nicht ignorieren ... sonst wäre er nicht lange dabei. ich denke, das gilt auch beim Perry. Die Gesamtserie ist aufgrund ihrer Laufzeit recht themenkomplex und beeinhaltet viele Einzelheiten und klare pseudowissenschaftliche oder scheintechnische SF-Begriffe. Wer sich da als Autor nicht auskennt, ist disqualifiziert. Die anzuwendende Nomenklatur kann also kein Autor ignorieren.Dafür hat die Serie ja auch noch einen Außenlektor und "technische" Berater. Wenn also die innere Logik der Handlung mit den begriffsbildungen der Serie nicht übereinstimmt, ist das ein grober Schnitzer ... selbst dann, wenn dieses Thema für die Haupthandlung momentan unwichtig wäre.Stell' Dir vor, Du liest Fritz Leiber und plötzlich schreibt jemand "Blue Mouser" statt "Grey". Für die Handlung unwichtig, aber Verletzung der Figurencharakterisierung.
#5 Heiko Langhans 2018-09-06 09:28
Wenn der Mausling gerade gesoffen hat, passt es. Der Kontext ist entscheidend.
#6 Hermes 2018-09-06 10:07
Zitat:
Ich betrachte so etwas als fanatische Erbsenzählerei und als Autor würde ich das kalt-lächelnd ignorieren.
Logik und Genauigkeit sind also egal? Wer darauf hinweist ist also ein "Fanatiker"?

Die Argumentation kommt mir vor wie bei dem Angeklagten, der vor Gericht ein falsches Alibi angibt und als er ertappt wird keinerlei Reue zeigt. "Ist doch egal, ich war es schließlich nicht"
#7 Harantor 2018-09-06 10:17
Ich sags mal so. Es hängt von der Qualität des Fehlers ab, ob ich als Autor das ignorieren würde.

Geht es um die Anzahl von Nieten in einem Raumschiff oder dergleichen, würde ich dergleichen getrost ignorieren. Oder ob der Freizeitraum auf einer Raumbasis 1000 oder 1200 Quadratmeter umfasst, eben dergleichen fragen. Oder das Beiboot hatte 275 Bände zuvor mal ausgetauscht werden müssen und gehört eigentlich nun der Baureihe 275 B/1 statt 275 B an. Das ist IMHO Erbsenzählerei

Es mag Hinweise geben, die ich als Autor nicht mehr ignorieren kann.

Das ist immer abzuwägen
#8 Kaffee-Charly 2018-09-06 12:06
zitiere AARN MUNRO:
Zitat:
und als Autor würde ich das kalt-lächelnd ignorieren

(...)
Stell' Dir vor, Du liest Fritz Leiber und plötzlich schreibt jemand "Blue Mouser" statt "Grey". Für die Handlung unwichtig, aber Verletzung der Figurencharakterisierung.
In den deutschen Fassungen steht nicht "Grey Mouser", sondern "Grauer Mausling".
Wenn da also mal "Blauer Mausling" stände, würde ich das schmunzelnd als Tippfehler registrieren und mich nicht weiter daran stören. Am tatsächlichen Charakter der Figur würde das nichts ändern.

zitiere Hermes:

Logik und Genauigkeit sind also egal? Wer darauf hinweist ist also ein "Fanatiker"?
(...)

Freundlich darauf hinweisen ist völlig okay.
Das wird sicher kein Autor krumm nehmen.
Aber auf jedem kleinen Detailfehler herumreiten, obwohl dieser die Handlung gar nicht beeinträchtigt, ist nerdiger Fanatismus und einfach übertrieben.

zitiere Harantor:
Ich sags mal so. Es hängt von der Qualität des Fehlers ab, ob ich als Autor das ignorieren würde.
Geht es um die Anzahl von Nieten in einem Raumschiff oder dergleichen, würde ich dergleichen getrost ignorieren. Oder ob der Freizeitraum auf einer Raumbasis 1000 oder 1200 Quadratmeter umfasst, eben dergleichen fragen. Oder das Beiboot hatte 275 Bände zuvor mal ausgetauscht werden müssen und gehört eigentlich nun der Baureihe 275 B/1 statt 275 B an. Das ist IMHO Erbsenzählerei.
Es mag Hinweise geben, die ich als Autor nicht mehr ignorieren kann.
Das ist immer abzuwägen

Nichts anderes habe ich mit meiner Aussage ausdrücken wollen!

Schwerwiegende Fehler, welche die Logik (im Sinne von Folgerichtigkeit) der Handlung beeinträchtigen, darf ein Autor auch nicht ignorieren, wenn er darauf aufmerksam gemacht wird.
Aber wenn Leser (bzw. selbsternannte "Experten") auf jeder Kleinigkeit herumreiten (wie die in deinen Beispielen), dann würde ich so ein Geblubber als Autor einfach an mir "abtropfen" lassen.
#9 DarkDancer 2018-09-06 19:12
Das erinnert mich doch an die drei Ultimaten Fragen deren Antworten Perry im Auftrag der Kosmokraten finden sollte,dumm nur das sich kurz darauf herausstellte das denen die ersten beiden Antworten seit Jahrmillionen bekannt war..
#10 Heiko Langhans 2018-09-07 07:44
Das war ein Test. Die Kosmokraten kannten die Antwort auf die dritte Frage selbst nicht.
#11 DarkDancer 2018-09-07 13:25
zitiere Heiko Langhans:
Das war ein Test. Die Kosmokraten kannten die Antwort auf die dritte Frage selbst nicht.

Ja ja, gepriesen seien die retcons...

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