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Wieviel Physik verträgt die Serie? - Techno-Gebabbel in Aktion!

1Wieviel Physik verträgt die Serie?
Techno-Gebabbel in Aktion!

Wir meinen natürlich keine »richtige« Physik. Die Extrapolation der SF aus der echten Naturwissenschaft ist wohl bei Star Trek wesentlich näher als beim Perry.

Gemeint ist selbstverständlich die erfundene Hyperphysik der Serie, die aber eben auch in sich logisch dargestellt werden muss. Wieviel davon benötigt die Reihe also, um ihre Handlungen adäquat zu repräsentieren und voranzutreiben? 

Dieses Thema hat Tradition seit der Frühzeit, als mit Kurt Mahr alias Klaus Mahn bereits ein Physiker in Diensten der Serie stand. Mahr hatte unter anderem die Aufgabe, die beschriebene Hyperphysik auf ihre innere Logik abzuklopfen. Es gab Autoren, die gerne derlei verwendeten, auch heute noch, wie etwa Scheer oder Rainer Castor. Auch bei HGE finden wir dieses Thema oft angesprochen. Andere Schriftsteller wieder kommen sehr gut ohne diesen Bereich aus, etwas damals Willy Voltz oder heute C. Montillon. Man kann ja auch gute, phantasievolle SF erzählen ohne allzuviel  Pseudo-Naturwissenschaft darin. Ein gutes Beispiel dafür ist Jack Vance.Aber das Techno-Gebabbel ist wie das Salz in der Suppe der Perry-SF und erschöpft sich eben nicht nur im Herunterbeten technischer Daten dicker, intergalaktischer Fern- Raumschiffe. Es sollte erzählend integriert werden. Verena Themsen kann das ganz gut.

Es gehört zur Serie ebenso dazu wie die Darstellung fremder Arten oder bizarr geschilderter Welten.Man kann nämlich auch auf diesem Gebiet sehr gute Erzählungen hinstellen, weil sich auch hier die Phantasie gut entwickeln kann, solange der jeweilige Autor/in sich an logische Folgen  hält und keine irrealen Zirkelschlüsse erzeugt, die den Schlüssen der formalen Logik widersprechen. Selbst Voltz schaffte das einst mit einem Taschenbuch über Nome Tschato. Bei HGE finden wir den Fischer des Universums. Die Bizarrheit der geschilderten SF muss nämlich nicht nur in fremden Landschaften oder unbekannten, seltsam aussehenden oder sich seltsam verhaltenden, interstellaren  Fremdvölkern liegen. Sie kann auch über Abenteuer im Hyperraum oder den Linearraum führen. Auch lassen sich mitunter gänzlich fremde Dimensionen einführen wie das Tiefenland oder der Katoraum. Auch dort kann man sehr gut fremde Phänomene und gute Abenteuer beschreiben.

Neuartige, phantasievoll geschilderte, hyperphysikalische Phänomene können den Horizont der perryinternen Welt nicht nur erkenntnistheoretisch erweitern, sondern buchstäblich die Erfahrung des Reisenden. (Peregrinus= der Wanderer). Neue Horizonte tuen sich auf: nicht nur fremde Galaxien wurden bereist, sondern ganze Fremduniversen zumindest teilweise erkundet.Erinnert sei nur an Tarkan oder an das Arresum/Parresum vor und hinter der Hyper-Möbiussschleife. Auch die Quantentheorie lässt sich ja mit ihrer Viele-Welten-Interpretation bestens einbauen, was auch bereits öfter geschehen ist. Selbst der nun weggescherte Thez muss letzten Endes hyperphysikalisch erklärt werden. Im Halbraum lauert der Tod und andere, wirklich gut geschriebene Abenteuer (Kurt Mahr) konnten mit Hilfe der Hyperwissenschaften, die natürlich nur erfunden sind, spannend beschrieben werden.

Aber die Grundlage des Wirklichen ist die Phantasie und es wäre nicht das erste Mal, dass die SF Phänomene vorausnimmt, die sich später in der Wirklichkeit umsetzen lassen. Niemand erwartet jetzt ein Sprungtriebwerk in der Realität, so ist die Welt nicht eingerichtet, es gibt eben keinen fünfdimensionalen Überraum, trotz aller mathematischen Modellvorstellungen der theoretischen Physik. Das Universum ist großflächig einfach zusammenhängend vierdimensional. Aber Knochenmikrophone etwa, die den Schall über die Knochen ans Innenohr leiten, und bei Perry bereits vor Jahrzehnten beschrieben waren, werden nun durch das US-Militär technisch umgesetzt. Man sieht, auch kleinere Begriffswelten, die einst nur erfunden waren, lassen sich in die Wirklichkeit überführen. Deshalb sollte auch beim Perry neben allen phantastischen Beschreibungen fremder Völker und bizarrer Welten durch den vielgepriesenen Sense of Wonder  auch die Darstellung der perryinternen Hyperphysik nicht fehlen.

Niemand möchte ausschließlich solche Beschreibungen, das wäre dann doch etwas einseitig. Aber als Zusatz zu den Haupthandlungen und weiterhin unterstützend, ist diese Art von SF ebenso faszinierend wie die Darlegungen über intergalaktische Fremdvölker und ihre Interessen. Interessant auch, dass Perry&Co immer wieder auf kommunikative Völker treffen, die sich auf der gleichen Technikstufe befinden.Von Superintelligenzen (auch den schlafenden oder gerade extern weilenden) und den jenseitigen Mächten abgesehen, gibt es keine wirklich physikalisch  überlegenen Wesenheiten, die den Forschungsdrang der Terraner einfach wegschieben, nach dem Motto: Ihr seid noch nicht weit genug entwickelt … wir wollen Euch nicht. Das ist wohl serienintern so angepasst, damit überhaupt Kommunikation stattfinden kann. Natürlich können auch sozial-gesellschaftliche Phänomene beschrieben werden, wie es MMT gerade getan hat, als er eine Variation des H.G. Wellsschen Zeitmaschinen-Mythos der Morlocks und Eloys  zur psychischen Beschreibung des Weltenbrandes ganz gut umgesetzt hat. Diese Darstellungsschiene würde ich aber eher dem SoW unterordnen. Interessanterweise aber verzahnen und verquicken sich hier beide Bereiche. Auch das ist nicht ganz unspannend und hält das Interesse des Lesers wach.

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#16 Larandil 2018-10-12 10:40
zitiere Heiko Langhans:
H. G. Ewers hat das gelegentlich versucht und ist grandios gescheitert - siehe PR 897, das Passagen aus der Perspektive eines Fremdvolkes enthält, die selbst für Ewers derart wirr sind, dass sogar die Perrypedia kapituliert hat.

So etwas funktioniert nur ganz selten. Wenn den Lesern etwas vermittelt werden soll, sind gemeinsame Bezüge nötig.

Und welches andere in dieser Hinsicht erfolgreiche SF-Beispiel meinst Du? Ernsthaft - mir fällt keins ein.

Ich glaube, Stanislaw Lems Romane "Fiasko" und "Der Unbesiegbare" spielen in dieser Liga.
#17 Postman 2018-10-12 11:11
zitiere AARN MUNRO:

Ja, aber wahrscheinlich waren diese Völker noch sinngemäß begreifbar.Schön wäre es einmal, wenn die Autoren versuchen, außerhalb des SI-Bereiches und der höheren Mächte, Völker aufzustellen, die so fremd sind, dass es kaum Ansätze gibt, sie zu verstehen. Das ist natürlich schwer für den Lesefluss und langsam für den Zyklus ...auch schwer zu beschreiben wahrscheinlich, aber das ist eben SF. Darauf müsste man sich einmal einlassen.Als Autor oder Expokrat, meine ich. Mut zur Beschreibung des wirklich Fremden. In anderer SF gibt es das auch. Das ist schon eine Art Qualitätsmerkmal.Die Frage ist nur, in wieweit die Leser das dann annehmen.


Da Literatur primär hoffentlich von Menschen erstellt und von Menschen gelesen wird :lol: , sollte alles noch in einem begreifbaren Rahmen bleiben. Die wenigsten wollen sich seitenweise durch das verschnörkelte abstruse Gedankenwerk eines Autors quälen. Die meisten Leser suchen mittlerweile eher Entspannung, da es im Alltag schon fortlaufend konzentriert und hektisch genug zugeht.

Statt Verständnis für etwas Fremdes zu erwecken landet man deshalb schnell eher in einer Pratchett Parodie. Dort geht es ähnlich fremdartig und bei manchem gegen bekannte Physik- und menschliche Vernunftsgrundlagen zu.

Die meisten Menschen sind zudem biologisch emotional und nicht rein logisch aufgebaut, weshalb etwas zu Fremdartiges auch in unserem Genetikcode als Schutz gewollt erst mal abschreckend wirkt ...

Noch ein einfaches Beispiel aus der PC Welt:
Es gab in den 90ern das Spiel "Outcast" (gibt es mittlerweile auch als Remaster), welches nur für viele Eigennamen ganz andere Wörter genommen und somit einen alternative Sprache einführen wollte.

Die Rechnung kam mit dem fehlenden Umsatz, denn es war über die längere Spielzeit eher anstrengend den vielen Dialogen zu folgen und überhaupt zu begreifen was die neuen Kulturen überhaupt von sich gegeben hatten oder vermitteln wollten.

Ergo sollte der Autor und auch der Verlag den Spagat zwischen Fremdartigem und Begreifbarem finden, da beiden sonst die Aufmerksamkeit und damit die Leser flöten gehen.
#18 Kaffee-Charly 2018-10-12 22:09
zitiere Postman:

(...)
Ergo sollte der Autor und auch der Verlag den Spagat zwischen Fremdartigem und Begreifbarem finden, da beiden sonst die Aufmerksamkeit und damit die Leser flöten gehen.


Das Problem bei der Beschreibung von etwas völlig Fremden ist die Sprache.
Denn alle in einer Sprache verwendeten Attribute basieren auf dem Bekannten bzw. dem Vorstellbaren.
Wenn der Autor also etwas Unbegreifbares mit Attributen des Begreifbaren beschreiben will, hat er ein eklatantes Problem.
Jedes zur Beschreibung verwendete Attribut erzeugt beim Leser eine Assoziation, die aber zu einer ganz anderen Vorstellung führen kann, als der Autor eigentlich beabsichtigt hat. Jeder Versuch, das zu verhindern, kann nur zu abstrusen Verschnörkelungen führen, die bestimmt kein Vergnügen beim Lesen aufkommen lassen. Den Lesern wird das gewiss nicht gefallen.

Verwendet der Autor dagegen zum Beschreiben des Fremden Attribute, die es in der von ihm verwendeten Sprache aber gar nicht gibt, muss er damit rechnen, dass der Leser nichts damit anfangen kann.
Dann wird der Leser dem Autoren nicht mehr folgen.

Natürlich kann man einwenden, dass es in der SF-Literatur gang und gäbe ist, erfundene Begriffe zu verwenden, die in keinem Wörterbuch zu finden sind. Aber das sind keine Attribute und dienen auch nicht zur Beschreibung, sondern nur zur Benennung bzw. Bezeichnung einer Fiktion, die dann aber wieder mit "normalen" Attributen oder evtl. Attributs-Kombinationen beschrieben werden muss, damit der Leser weiß, was überhaupt gemeint ist. (Ausnahme sind die in der SF bereits vielfach verwendeten und daher bekannten Begriffe, die jeder SF-Liebhaber i.d.R. kennt.)

zitiere AARN MUNRO:

(...)
Die Frage ist nur, in wieweit die Leser das dann annehmen.

Die Antwort auf diese Frage dürfte vorhersehbar sein und bestimmt nicht erfreulich für den Verlag.
Was bei Einzelromanen vielleicht funktionieren könnte, dürfte bei einer Heftroman-Serie ziemlich in die Hose gehen.

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