Der »Idealtyp« - Die Schöpfungskrone des Hardcore-Fan
Die Schöpfungskrone des Hardcore-Fan
Hallo, ich bin es, der Waldo!
Ich treibe Menschen in den Wahnsinn. Nun habe ich mich der Redaktion des Zauberspiegel-Online angeschlossen, um von meinen Erlebnissen mit Deppen, Dumpfnasen und Laberbacken zu erzählen, die das Leben (im Internet) mit Dummheit, Besserwisserei und Größenwahn füllen.
Und es gibt sie in jedem Forum, in jeder Kommentarfunktion, in vielen (verdammt vielen) Blogs. Sie lauern hinter jedem Post. Diese geistigen Tiefflieger tun alles, um das Leben der anderen so beschwerlich wie möglich zu machen.
Nun folgt mir dann und wann zu den Aschtonnen des Internets. Zu denen, die von den tierischen Reflexen des Rückenmarks und den Urinstinkten des Stammhirns gesteuert werden und daraus ihr Lebensglück ziehen.
Folgt mir zu den Dösbaddeln der neuen und alten Medien. Ich zeige sie euch ...
Dieser Mann, von dem hier die Rede ist, stammt aus Mittelhessen und der ›Erbe des Universums‹ und seine Abenteuer haben es ihm angetan. Um die ganze Gewalt seiner Meinung zu entfalten hat er sich »Perry Rhodan« ausgesucht. Und doch, es hätten auch Fußballvereine, Sänger, TV-Serie und Karnickel sein können, die das Ziel seiner Tiraden sein können.
Oh wären es doch bloß Karnickel gewesen! Ich hätte belustigt zusehen können, weil mich Karnickel und deren Vermehrung in organisierter Form so gar nicht interessiert. Allerhöchstens bin ich dem Verzehr der possierlichen Tierchen zugeneigt, denn ich bin ein Omnivore.
Aber nein, dieser Herr aus dem Mittelhessischen neigt eben einer SF-Heftserie zu. Und damit berührt er den von uns beackerten Themenbereich. Und damit wird er auch zu unserem Thema.
Viele Hardcorefans haben dezidierte Meinungen, aber viele von ihnen können (wenn auch manchmal nur schwer nachvollziehbar und oft am Rande des Lächerlichen) erklären, warum sie dieser oder jener Meinung sind. Der Herr aus dem Mittelhessischen macht noch nicht einmal das. Er ist so auf seine Meinung und deren allgemeine Gültigkeit fixiert, dass Erklärungen ihm selbst auf Nachfrage hin komplett überflüssig erscheinen.
Perry Rhodan war mal besser, ist so eine seiner Behauptungen. Das mag ja durchaus sein. Immerhin kann die Serie zum einen auf eine mehr als fünfzigjährige Geschichte zurückblicken und in dem Wort besser schwingt ja auch eine persönliche Wertung mit. Aber fragt man ihn, wann und was besser war, muss man auf eine Antwort verzichten.
Desgleichen ist der Mittelhesse, der den Idealtyp des Hardcorefans darstellt, nicht in der Lange auf Wörter wie »Pack« zu verzichten, wenn er Redaktion und Autoren der Serie und ihrer Taten (sprich Romane) zu beschreiben wünscht. Das geht einfach nicht. Und auf eine detaillierte Kritik muss man ohnehin verzichten.
Es sei eben seine Meinung, lässt der Mittelhesse dann verlauten. Nur, dass er nie sagt, was eben seine Meinung ausmacht und womit er sie begründet. Das Pack, so heißt es dann, könne es eben nicht. Damit muss sicher der Nachfragende dann begnügen.
Ist das nicht Hardcore? So richtig knallig.
Aber das ist noch längst nicht alles. Der Idealtyp aus Mittelhessen kann es noch besser. Verschwörungstheorien gehören auch zu den Kennzeichen des Idealtyps dazu. Wenn nun ein paar Leute es wagen, seine Meinung, die er ja ohnehin nicht begründet, durch Fragen und Antworten zu präzisieren oder anderen dieser seiner Auffassung gar widersprechen, so sind diese entweder ein Meinungskartell oder werden von dem Pack aus Rastatt gesteuert und sind nur die willigen Handlanger von Frick & Co. Die Redaktion ist also mehr oder minder ein Serien- oder Weltenverderber, die arglose Menschen einer Gehirnwäsche unterzieht.
Daraus resultiert – wie wir gleich erkennen werden – auch, dass er die vom Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland garantierte Meinungsfreiheit mit einem Artenschutz speziell für seine Meinung verwechselt, denn egal in welchem Tonfall man ihm widerspricht und hinterfragt, es ist immer ein hasserfüllter Angriff, der im Zweifel (Achtung: Verschwörung!) dann auch von Rastatt oder deren willigen Handlangern geführt ist. Man muss doch Respekt vor seiner Meinung haben und diese gelten lassen.
Nein, muss man nicht. Es gibt kein Recht auf die Unantastbarkeit der Meinung (das verwechselt unser mittelhessischer Idealtyp des Hardcorefans mit Menschenwürde, die er wiederum in seinen Tiraden wider Redaktion und Autoren des Öfteren verletzt – wie gesagt, ohne »Pack« oder ähnlichen Begriffen geht es nicht). Es gibt ein Recht, seine Meinung frei äußern zu dürfen. Dieses Recht nimmt er überreichlich in Anspruch. Aber – was er auch vergisst (aber da ist er nicht allein), es gibt jedoch kein Recht darauf dieses auch an jedem Ort tun zu dürfen.
Jede Meinung darf, soll und muss hinterfragt werden. Das ist keine Majestätsbeleidigung, sondern eine Notwendigkeit. Das sollte auch jeder Nase – selbst wenn sie aus Mittelhessen stammt – klar sein. Das ist weder ein Sakrileg noch eine Beleidigung, sondern Teil einer Diskussion. Und wenn eine Meinung die Substanz abgeht, dann kommt das eben heraus. Aber dieser Idealtypus des Hardcorefans schafft es, so was einfach zu ignorieren. Er ist eben die Krone dieser unangenehmen Schöpfung …
Nun ja. Er ist jedenfalls gekommen, um als der Idealtypus des gemeinen Hardcorefans und jede unangenehme Angewohnheit dieser Gattung auf die Spitze zu treiben. Aber das hier passt ganz gut dazu: Ein unbekannter Schöpfer schuf diesen Spruch:
»Meine Meinung steht fest, bitte verwirren Sie mich jetzt nicht mit Tatsachen.«
Aber wie heißt es so schön: Jeder kann was!
Kommentare
von B.: Nein, nein, Euer Ehren. (macht sich Notiz: Harcorefans und Pornos - was für Waldo) Der Hardcorefan ist ein Mensch, der einer bestimmten Sache mehr Bedeutung beimisst, als ihr vernünftigerweise zusteht. Sie kennen sicher die gröhlenden Fußballfans, die am Wochenende herumziehen und sich mit Fans anderer Vereine prügeln.
Richter: Ah, natürlich. Ich verstehe. Und wer ist dieser Perry Rhodan?
v.B.: Perry Rhodan ist ein fiktiver Astronaut, der im Jahre 2036 zum Mond fliegt...
T.: 1971, du Flachzange.
Richter: Mäßigen Sie sich, Herr T. Sie sind nicht dran.
T.: 1971, Sie Flachzange, natürlich.
Richter: Gegen den Kläger ergeht ein Ordnungsgeld nach §§...
Also, Herr von A., der Herr T. ist also ein Fan dieser Perry Rhodan Serie.
v. B.: Ähm, das ist er eben nicht.
Richter: Wie, nicht? Das scheint hier ein langer Tag zu werden.
[...]
Richter: Mein lieber Herr T.,...
T: Ich bin nicht ihr Lieber, sie..., ich meine Euer Ehren.
Richter: Nun, sehr geehrter Herr T., Sie sind also mit dem Neustart der Perry Rhodan Serie nicht einverstanden und haben das oft bekundet. Aber warum eigentlich nicht? Ich meine, das braucht sie doch nicht stören.
T.: Weil das gequirlte Sch**** ist und die damit Geld verdienen.
Richter: ich darf sie nochmal auffordern, auf ihre Wortwahl zu achten. Also, sie mögen nicht, dass Leute mit einem von ihnen geschaffenen Produkt Geld verdienen und tun dies immer wieder kund. Aber von Marktwirtschaft haben sie schon gehört?
T.: Marktwirtschaft? Gemach. Ist doch alles kommunistisch unterwandert hier. Und von Faschisten.
Richter: Von... Ähm, ja, ich denke, das reicht für heute. Wir vertagen uns.
T.: Nichts mit Vertragen, Mann... Euer Ehren.
Richter: Vertagen, sagte ich.
Wolfgang Kubicki erzählte mal in einer Talkshow, dass eine junge Grünen-Abgeordnete ihn gefragt habe, wie er das den alles schaffen könne, politisches Mandat, andere politische Ämter und gleichzeitig Anwaltstätigkeit. Sie habe an der Abgeordnetentätigkeit schon mehr als genug zu tun. Er antwortete nur lapidar: "Was kann ich dafür, wenn sie so langsam lesen?"
Es ist schon so, dass die guten Vertreter der juristischen Zunft sich mit manchmal erstaunlicher Geschwindigkeit in eine Angelegenheit einlesen, die ihnen vielleicht auf Anhieb völlig fremd ist. Hinzu kommt dann der nächste Schritt, aus einem Wust von Informationen das auszusortieren, was eventuell juristisch relevant ist und unter eine Rechtsnorm subsumiert werden kann. (Spreu vom Weizen trennen)
Die Subsumtion ist letztlich der "Vergleich" von Sachverhalt und Rechtsnorm.
Nehmen wir den Sachverhalt "Peter schlug Erwin am 23. Mai mit einer Dachlatte an den rechten Arm." und vergleichen ihn mit §223I StGB: "Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.". Für körperliche Misshandlung (üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden in mehr als nur unerheblicher Weise beeinträchtigt) und Gesundheitsschädigung (Hervorrufung eines vom normalen Zustand der körperlichen Funktion abweichenden, also pathologischen Zustandes) gibt es die in Klammern genannten Definitionen. Man erkennt, dass man hier tiefer in den Sachverhalt einsteigen muss: durch die Lektüre medizinischer Gutachten etwa. Und man landet bei dieser Sache auch ganz schnell beim §223a und muss dann fragen, ob die Dachlatte der nachzulesenden oder zu erinnernden Definition eines "gefährlichen Werkzeugs" entspricht. Ne Waffe ist sie eher nicht. Na ja, und so weiter.
Wenn einer wirklich in der Angelegenheit mit dem obenstehenden Artikel zum Anwalt geht, dann wird ihm der verantwortungsbewusste Anwalt ein freundliches "Lassen Sie's, Sie machen sich allenfalls noch lächerlicher." auf den Weg geben. Man möge die §§185 und 187 StGB einfach nachlesen und bei Bedarf die Definitionen hinzuziehen. Durch die stets aktive und sich verändernde Welt des Netzes wird es auch einen gewaltigen Wust neuer Fachliteratur und Rechtsprechung geben.
Wo liegt das Problem, wenn man jemand sagt "Du redest dummes Zeug und kannst es deswegen auch nicht begründen."? Das steht wohl unter manchen Politikklausuren. Und wenn der Lehrer dann sagt "Einer eurer Mitschüler hat dummes Zeug geschrieben und kann es daher nicht begründen. Ich habe mir einen neuen Begriff ausgedacht. Für mich ist er ein Politiklegastheniker. Der sollte erst mit 20 wählen dürfen, so lange braucht der noch.", ist das zwar unfein, aber auch nicht rechtlich relevant. Selbst mit Namensnennung ist es zwar gemein, aber wohl kaum strafbar.
Fernsehgerichtsverhandlungen sind wirklich übertrieben und konstruiert. Aber doch nicht so weit von der Realität entfernt. Lieschen Müller verfällt vor Gericht erfahrungsgemäß sehr gerne in eine "Jetzt erzähle ich Ihnen mal, was das für einer ist!"-Stimmung. Und dann kommen alle Details aus dem Nachbarschaftsstreit der letzten fünfzehn Jahre zu Wort. ("Und dann guckt er immer so böse. Und grüßen tut er mich sowieso nicht. Und sein Köter hat mal unsere Katze verfolgt. Und dann isser mit quietschenden Reifen bein uns vom Hof gefahrn. [Der Nachbar, nicht der Köter]") Da heißt es dann, wie gesagt: die Spreu vom Weizen trennen.
Also werden die Advokaten gut daran tun, in diesem Fall abzuwinken und ein anderes Mandat annehmen, das mehr einbringt und in der Sache - sagen wir mal - mehr Substanz hat, also einen handfesteren Kern als ein paar Schmähungen, die vielleicht einen getroffenen Hund zum Bellen bringen, den Rest der Welt aber eher weniger interessieren.
Die zweite Hürde wäre dann ja auch, das Gericht davon zu überzeugen, dass bei der Streitsache ein öffentliches Interesse an der Klärung des Sachverhaltes vorliegt. Spätestens hier wird es sehr schwierig!
Und haben sich Anwalt und/oder Gericht schon gemeldet? Gibt es schon einen Termin für die öffentliche Verhandlung?