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40 Jahre Gruselheftroman...und wie ich meinen Teil davon erlebte...

Das Grauen wird 4040 Jahre Gruselheftroman...
und wie ich meinen Teil davon erlebte...

Ralf Benfer„Er verharrte plötzlich in der Bewegung.“ Wer denkt bei diesem einfachen Satz, dass mit genau jenem der erste Roman eines Genres beginnt, das nun schon 40 Jahre auf dem Buckel hat: dem Grusel- oder auch Gruselheftroman!

Es war am 23.07.1968, als der Zauberkreis Verlag den mutigen Schritt wagte und mit Band 747 ihrer SILBER KRIMI-Reihe den Roman 'Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus' auf den Markt brachte.

Gewiß – es gab bestimmt schon diverse Heftromane, die phantstische oder gruselige Anleihen in ihren Geschichten hatten, doch zum einen wurde hier in der Handlung sich wirklich einer unheimliche Atmosphäre bemüht und zum anderen war es der erste Roman der dies schon mit einem Satz auf dem Cover signalisierte: 'Grusel Krimi Nummer Eins – Ein Roman für starke Nerven!'

Das Genre war geboren!

Der Roman musste großen Erfolg gehabt haben und so gaben die oberen Herren dem Autor Dan Shocker alias Jürgen Grasmück grünes Licht für weitere Hefte. Es kam natürlich, wie es markttypisch kommen musste. Aufmerksam geworden zogen die Konkurrenz-Verläge nach wie etwa Ende 1972 der Pabel Verlag mit dem VAMPIR HORROR ROMAN oder der Bastei Verlag Mitte 1973 mit dem GESPENSTER KRIMI. So spät erst? - mögen sich hier einige Jungleser fragen! Nun, damals war alles noch nicht so schnelllebig wie heute, man wartete erstmal einige Zeit ab, ehe man reagierte. Die schnelle Mark konnte man damals noch nicht verdienen!

So wuchs in den Siebziger Jahren eine wahre Fangemeinde jener ach so oft verpönten und als Trivialliteratur bezeichneten Sparte heran, die in den Achzigern mit ihren unzähligen Horror-, Grusel und Phantastik-Fanclubs ihre Blütezeit erlebte! Bald jede Serie animierte einige Menschen, einen Club zu gründen, Fanmagazine herzustellen und einfach Teil des Ganzen zu sein. Am besten auf einem der Fantreffen – heute so modern 'Conventions' genannt.

Wie konnte es passieren, dass diese Bewegung entstand und dass dieses so oft belächelte Genre nach 40 Jahren immer noch nicht vom Erdboden verschwunden ist? Keine Bange, ich werde nun nicht versuchen dieses Syndrom zu analysieren! Ich bin nur ein kleiner Fan, aber vielleicht gerade deshalb ein klassisches Beispiel für diese doch zeitweise fast ausufernde Gattung von Leseratten eines besonderen Genres.

Vierzig Jahre bin ich nun noch kein Fan – wie auch, diese Jahreszahl erlange ich nächstes Jahr erst als Erdenbewohner! Aber ich kann nun auch schon auf gute 26 Jahre 'Gruselfan' zurückblicken. Es begann – wie wohl oft – durch einen damaligen Freund und Klassenkameraden. „Das musst du unbedingt lesen!“ sagte er und drückte mir einen JOHN SINCLAIR-Roman in die Hände; ziemlich zerfleddert und wohl schon durch einige Hände gewandert. Bis dato lag mein Hauptaugenmerk auf allerlei Lesestoff; die damals gefragten 'Schneider-Bücher' hatten mich immer noch nicht losgelassen, genauso wie Dutzende Comicserien und als Schulhof-Pflichtprogramm die 'Bravo', aber auch diverse Bücher, die ich bei meinen Eltern fand, wurden interessant. Science Fiction von Jack Vance, verschiedene Western-Taschenbücher – all so ein Zeug! Und nun hatte ich 'Die Ameisen greifen an' vor mir liegen? Erstmal musste ich schauen, ob man so etwas tatsächlich Kaufen kann und machte mich auf den Weg zum Kaufladen in der Nachbarschaft. Zurück kam ich mit dem Roman der JOHN SINCLAIR 2. Auflage 'Die Spinnen-Königin'. Ich begann das Heft zu lesen – irgendwie las ich schon immer bevorzugt eigene Bücher oder Magazine; so ein 'Tausch-Heini' war ich nie gerne (das sind wohl die 'Sammler-Gene' in mir) und fand durch das Heft sogar die rettende Abwechslung auf der ungeliebten Geburtstagsfeier meiner Oma. Erst einmal die ganzen Drückereien und Tätschelungen sowie die schlauen und mahnenden Worte der ganzen Tanten über sich ergehen lassend, konnte ich dann in eine andere Welt abtauchen...die mich beeindruckte! Riesige Spinnen - eine mysteriöse Frau, welche sich als ebenso eine verwandelt; das war schon toll. Dann diese übergroßen Ameisen aus dem Heft meines Freundes, die ganze Zeltplätze nieder machten...wow...das gefiel mir. Und so legte ich mir einige Zeit später das nächste Heft zu; diesmal aus der Erstauflage des Geisterjägers: 'Bring mir den Kopf von Asmodina!' Was für ein Titel! Und ich lernte die 'Mordliga' kennen – von da an war ich hin und weg! Was ich da zu Lesen bekam, war ja schlicht und ergreifend der Hammer! Fortan wurde diese Serie natürlich gesammelt; die Sammlertriebe brachen durch und so wurde mit anderen Freunden, die nach und nach begeistet wurden, Flohmärkte besucht, um die Serie komplett zu besitzen. Das ging leider ziemlich ins eh viel zu geringe Taschengeld, so dass neue Hefte von anderen Serien nur sporadisch gekauft werden konnten. Und es gab so viele tolle Serien: GESPENSTER KRIMI, DÄMONENKILLER, LARRY BRENT und so weiter. Ich konnte bei den Anfängen von MAC KINSEY und TONY BALLARD (als eigene Reihe) dabei sein und dazu noch diese vielen alten Serien, die mittlerweile eingestellt noch auf den Flohmärkten und Second-Hand-Läden erhältlich waren, wie MACABROS oder der VAMPIR HORROR ROMAN. Und die Fanwelt wurde noch schöner, wurden überraschenderweise nun auch Hörspiele von MACABROS, LARRY BRENT und dem DÄMONENKILLER produziert, was meine Drei ??? - Sammlung erstmal in die hinterste Ecke des Regales drückte. Man fachsimpelte mit gleichgesinnten Freunden über die aktuellen Hefte, denn JOHN SINCLAIR las ja plötzlich jeder. Oder man machte Hörspiel-Abende! Wir haben sogar aus Knetmasse diverse Monster und Dämonen nachgebaut! Und irgendwann fingen wir an selber kleine Heftromane zu produzieren. Jeder erfand seinen eigenen Helden in seiner eigenen Romanwelt! Alles wurde natürlich klassisch gehalten; wohnhaft in London, eine Knarre mit Silberkugeln, etc. Und dann wurden die Heft ausgetauscht und gegenseitig bewertet und kritisiert! Es war eine feine Zeit!

Tja, leider wurden wir Erwachsen. Plötzlich waren die neuesten Heften weniger wichtig; etliche Serien verschwanden vom Markt. Besonders schlimm traf es die DAN SHOCKER Serien, als der Chefredakteur Müller-Reymann des Pabel Verlages, der ein Jahr zuvor den Zauberkreis Verlag aufgekauft hatte, verstarb und sämtliche Serien gestrichen wurden! Der Markt wurde kleiner; wohl auch weil immer mehr Sender den Fernseher richtig attraktiv machten, der Computer und allerlei Spielkonsolen langsam, aber sicher Einzug in die Haushalte nahm und das allgemeine Freizeitangebot mehr und mehr wuchs. So wurde der Heftroman weit in die Ecken der Geschäfte gedrückt und der Gruselroman ging fast nahezu unter. Trotz vielerlei Interessen und Hobbies konnte ich nicht von den Gruselheften lassen, wenn zeitweise auch nur sehr sporadisch. Der neuste JOHN SINCLAIR wurde aber eigentlich immer gekauft und wenn auch nur aus Sammelgründen. Mitte der Neunziger erhoffte ich einen neuen Aufschwung im Genre. Die Serie VAMPIRA kam auf den Markt, dazu gab es ein erstes größeres Bestreben, durch einen Kleinverlag, die LARRY BRENT sowie die DÄMONENKILLER-Serie wieder aufleben zu lassen. Die Rede ist vom Zaubermond Verlag. Schnell wurde aber klar, dass - obwohl sogar die Original-Autoren für diese Projekte begeistert werden konnten - die Herstellung von Heftromanen weniger gut finanzierbar war, als die von Bücher! Und so wurde das Konzept geändert und es ging in Buchform weiter. Wenn auch anfangs sehr unrythmisch stotternd.

Für mich persönlich taten sich dann durch das Internet neue Möglichkeiten auf. Die wilderen Jahre abgelegt und doch etwas solider geworden, gab es nun durch Online-Märkte wie Ebay oder Hood die einmalige Chance, verschiedene Serien, die man früher nur angelesen hatte, relativ schnell komplett zusammen zu kaufen. Denn diese Gruselhefte faszinierten mich nach wie vor und rückblickend gesehen seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen stark! Und das Taschengeld war ja auch lange Geschichte! So konnte ich mir alle Serien des Herzens zulegen: DR. MORTON, DAMONA KING, MONSTRULA und viele, viele mehr! Hm, ja – das Internet hat den Markt schon sehr verwandelt! Natürlich hat das Ersteigern eines Romans nicht den Flair einer Tauschbörse, wo man stundenlang in irgendwelchen alten Kartons nach den fehlenden Nummern suchte. Dafür wird man aber nahezu an Informationen erschlagen. Denn Informationen waren damals ja nicht so einfach zu bekommen. Warum LARRY BRENT nach dem Band 192 nicht mehr auf dem Markt war, erfuhr ich echt erst Jahre später!

Heute schaue ich auf mein kleines Gruselheft-Imperium und erfreue mich der kostbaren Zeit, die ich mit diesem verbringen kann. Denn diese Freizeit ist in den letzten Jahren immer weniger geworden. Man ist mehr in den Beruf involviert. Die eigene Familie entsteht und wächst und – wie schon erwähnt – gibt es sehr viele interessante Freizeitmöglichkeiten. Aber so geniesse ich die Stunden, in denen ich in den Heften stöbere, umso mehr. Es macht einfach Spaß: ob ich nun eine Rezension zu einer Geschichte schreibe oder einfach nur ein Heft lese; so zum Beispiel im Augenblick den GESPENSTER KRIMI 99: 'Das Bildnis des Samurai'. Die Ballard Hefte derzeit bevorzugt, weil ich nämlich schon länger an einer eigenen Tony Ballard Datenbank bastel – auch so eine Sache, die zu dieser Leidenschaft gehört: Listen führen und Datenbanken anlegen.

Vierzig weitere Jahre werden es wohl nicht werden, die dieses Genre noch erlebt! Leider! Habe mir letzte Woche das Sachbuch von Jochen Bärtle 'Grusel, Grüfte, Groschenhefte' zugelegt, welches zum 40. Jahrestag des Genres frisch erschienen ist und in diesem sind einige Statistiken und Auflistungen enthalten, die genau das wirklich bestätigen, was eigentlich jeder registrieren sollte: in wenigen Jahren ist es vorbei! Zumindest am Kiosk! Viele Serien des Gruselsektors haben ja mittlerweile in den Kleinverlägen wie Romantruhe, Zaubermond oder Blitz – um nur einige zu nennen – eine Heimat gefunden und werden zur Freude der Leserschaft dort fortgeführt, wenn auch in Buchform. Einige jüngere Serien werden in verschiedenen Kleinverlagen auch noch als (eine Art) Heftroman angeboten, aber die Zeit des Gruselheftromans auf der Ladentheke ist bald vorbei.

Und trotzdem wird es weiterleben...

 

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