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Schatten der Vergangenheit - (Perry Rhodan Bände 2512 - 2514)

Perry Rhodan ... das Universum und ichSchatten der Vergangenheit
Warum vergangene Storylines niemals vergessen werden sollten
PR, Bände 2512 - 2514

Die Aufarbeitung der Vergangenheit und die logische und vor allem auch konsequente Fortsetzung von Handlungssträngen aus früheren Episoden, Romanen und/oder Staffeln – was im Grunde selbstverständlich sein sollte, stellt die Macher von Serien oft vor eine echte Herausforderung. Im Bestreben, neue, unverbrauchte Geschichten zu erzählen, sind sie geneigt, alte Zöpfe rasch abzuschneiden und zuvor geschehene Ereignisse, die für die neue Handlung eher hinderlich sind, so weit wie möglich zu ignorieren.

Wer sucht, der wird schnell eine Fülle von Beispielen finden, mit der sich diese These belegen lässt. Wie oft kommt es etwa vor, dass eine Person in einer Episode verletzt wird, in der Folgeepisode allerdings keinerlei Blessuren mehr aufweist?

 

Oder dass Storylines recht halbherzig abgeschlossen werden und die Geschehnisse, die sich in ihnen vollzogen haben, hiernach allenfalls noch ein- oder zweimal in Nebensätzen angesprochen werden? Ein schönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das Rausschreiben von Figuren aus einer Serie, weil die Autoren urplötzlich nichts mehr mit ihr anzufangen wissen, verbunden mit der Tatsache, dass besagte Person im Folgenden scheinbar komplett aus der Gedankenwelt aller übrigen Protagonisten verschwunden ist.

Auch Serien, die mit viel Zeit, Geld und Mühe produziert werden, weisen mitunter derartige Schwächen auf. Insofern tut es gut, dass es tatsächlich Reihen gibt, in denen man, aller neuen Probleme und aktuellen Handlungsbögen zum Trotz, die Vergangenheit nicht einfach vergisst, sondern im Gegenteil ausführlich thematisiert. So geschehen in den aktuellen PR-Romanen 2512 bis 2514. Auf vielfältige Art und Weise ist es den Autoren hier gelungen, den Schatten der Vergangenheit neues Leben einzuhauchen.

Dass vergangene Ereignisse wichtig sind und keinesfalls vergessen werden dürfen, zeigt Arndt Ellmer im kleinen Rahmen, wenn er in »Ein Fall für das Galaktikum« Bully und Imperator Bostich I. aufeinandertreffen lässt. Lange Zeit verkörperte der arkonidische Herrscher die Erz-Nemesis des Terraners. Kein Wunder, unterzog der Arkonide Bully doch brutaler Folter. Im Angesicht neuer Machtverhältnisse in der Milchstraße sowie mit der Bedrohung durch einen gemeinsamen Feind konfrontiert, sehen die beiden Männer sich nun gezwungen, miteinander zusammenzuarbeiten.

In eindringlichen Bildern beschreibt Arndt, wie schwer dies insbesondere Reginald Bull fällt. Die Folterungen liegen zwar schon viele Jahrzehnte zurück, und schon lange sind die beiden Männer Verbündete, doch noch immer kann Bully nicht vergessen, was Bostich ihm hat antun lassen.

Hätte man diese alte Geschichte wirklich noch einmal aufgreifen müssen? Nicht unbedingt. Immerhin, so könnte man argumentieren, sind über einhundert Jahre mehr als genug Zeit, über eine solche Sache hinweg zu kommen und die Vergangenheit zu begraben. Dass es sich die Verantwortlichen bei PR nicht so einfach machen, erweist sich aber als großer Glücksfall. Es macht die Serie realistischer (Kann sich einer von Euch ernsthaft vorstellen, ganz unverfänglich mit einem Peiniger umzugehen, auch wenn die Qualen und die Erniedrigungen durch diesen viele Jahrzehnte zurückliegen? Ich kann es nicht.) und zeigt, dass die Serie einer gewissen Kontinuität unterliegt und nichts einfach so vergessen wird – selbst dann, wenn es eben nicht ganze Völker betrifft, sondern „nur“ eine Einzelpersonen.

Wie Vergangenheit im größeren Rahmen lebendig gehalten werden kann (und für die glaubhafte Entwicklung einer Serie geradezu lebendig gehalten werden muss), zeigt Christian Montillon im ersten Teil seines aktuellen Doppelbands. »Die TRAITOR-Marodeure« beschäftigt sich mit den Spätfolgen der Invasion der Terminalen Kolonne in der Milchstraße. So manchen Leser mag dieser Roman zu unwilligem Stirnrunzeln veranlassen, ist die Akte TRAITOR doch im Grunde mit Band 2499 geschlossen worden. Auch, dass der Roman die gegenwärtige Handlung nur bedingt weiterbringt (die Sache mit dem Fund des Polyport-Hofs hätte man mühelos auch mit den Ereignissen aus Band 2513 zusammenfassen können) wird nicht jedem schmecken.

Und doch ist dieser Roman wichtig! TRAITOR stellte immerhin die wohl größte Bedrohung dar, der sich die Milchstraßenvölker jemals ausgesetzt sahen. Die Einheiten der Terminalen Kolonne richteten immensen Schaden an bei dem Versuch, die Negasphäre zu vollenden und einen Chaotender zu bauen. Die Wunden, die hier gerissen wurden, können unmöglich einfach so vergessen werden, neue Storylines und neue Feinde hin oder her. Zudem wurde der Roman von den Machern dazu genutzt, das weitere Schicksal einiger Figuren zu beleuchten, die im vergangenen Zyklus eine Rolle spielten, in der neuen Staffel bislang allerdings nicht zum Zuge kamen. Für alle, denen der Stardust-Zyklus bislang zu wenig auf die Nachwirkungen TRAITORs eingegangen ist, stellt Christians Roman ein echtes Kleinod dar.

Doch damit nicht genug. Die Macher von PR haben sich für den aktuellen Zyklus etwas ganz Besonderes einfallen lassen, eine geradezu brillante Idee, Vergangenes und beinahe schon vergessene Personen erneut in die Handlung einzubauen und so neue, faszinierende Geschichten zu schaffen. Die Rede ist natürlich vom plötzlichen Auftauchen einiger Mutanten, die vor Jahrhunderten in ES aufgegangen sind und nun als Bewusstseinsverkörperungen der Superintelligenz zurückkehren und Rhodan um Hilfe bitten. Für Altleser, die lange Jahre Seite an Seite mit den beliebten Figuren durchs Perryversum gezogen sind, oder Neuleser wie mich, die Mutanten in »PR-Action« kennen und lieben gelernt haben, ist das ein echtes Highlight.

Noch ist natürlich nicht klar, welche Auswirkungen das Auftauchen von Betty Toufry, Ras Tschubai und Co haben wird. Sind es tatsächlich „nur“ Bewusstseinsfragmente von ES? Oder sollte es sich letzten Endes tatsächlich um die „echten“ Mutanten handeln, die im Stardust-Zyklus wieder stärker zum Einsatz kommen (etwas, was ich in der Vorgängerstaffel vermisst habe). In welchem Maße kommen die lange verschwundenen Persönlichkeiten überhaupt zum Zug, und welche Auswirkungen hat das nicht nur auf die aktuelle Story, sondern gerade auch auf die Hauptcharaktere?

Der Rückgriff auf die Vergangenheit, so viel ist sicher, birgt einiges Potenzial. Ich bin gespannt, was sich die Verantwortlichen bei PR hier alles ausgedacht haben – und welche anderen Elemente aus der Vorzeit der aktuellen Handlung noch aufgegriffen werden.

Das Vergessen vergangener Ereignisse, das Ignorieren einmal abgeschlossener Handlungsstränge und die Missachtung von Personen, die eine Zeitlang wichtig waren, im Moment allerdings einfach nicht ins Bild passen, ist etwas, das mir beim Schauen und Lesen von Serien viel zu häufig begegnet. Umso angenehmer ist es, dass man sich bei PR dazu entschieden hat, die Vergangenheit nicht einfach ruhen zu lassen, sondern sie konsequent in die aktuelle Story einzubauen. Der Serie gereicht dies nur zum Vorteil, sei es, weil dem Leser gezeigt wird, dass es sich lohnt, dranzubleiben und die Komplexität des Serienkosmos zu genießen, oder aber schlichtweg deshalb, weil es die Serie realistischer macht. In der wirklichen Welt verschwinden alte Probleme schließlich auch nicht so mir nicht, dir nichts.

Und wenn die Storylines mit den Schatten der Vergangenheit dann noch so viele Möglichkeiten offenbaren wie jene um die wieder aufgetauchten Mutanten, dann mag der geneigte Leser den Rückgriff auf Vergangenes gleich doppelt gerne – lässt er doch Großes erahnen für die Zukunft ...

Die Hefte im Überblick
Die TRAITOR-MarodeureBand 2512, »Die TRAITOR-Marodeure«, von Christian Montillon
Ronald Tekener führt im Auftrag der USO eine heikle Mission durch. Er macht Jagd auf eine Gruppe von Angehörigen ehemaliger TRAITOR-Einheiten, die nach dem überhasteten Aufbruch der Terminalen Kolonne in der Milchstraße gestrandet waren und deren Nachkommen nun für einigen Ärger sorgen. Zeitgleich muss der Smiler einem Trupp brutaler Killer das Handwerk legen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Nachfahren der TRAITOR-Angehörigen restlos zu eliminieren.

»Die TRAITOR-Marodeure« ist ein spannendes, kurzweiliges Perry-Abenteuer mit Spionagethriller-Flair, in dem Autor Christion Montillon ein wenig „Vergangenheitsbewältigung“ betreibt und zeigt, dass die Akte „Terminale Kolonne“ noch lange nicht geschlossen ist. Es ist schön zu sehen, dass die Macher die Geschehnisse des vorherigen Zyklusses nicht einfach abhaken, sondern zeigen, dass die Invasion TRAITORS bis in die aktuelle Handlungszeit hinein Konsequenzen hat. Ebenso schön ist auch, dass die Probleme der Integration der Ex-TRAITOR-Angehörigen aus verschiedenen Perspektiven geschildert und sowohl die Milchstraßenvölker als auch die ehemaligen Kolonneneinheiten gleichermaßen als Opfer und Täter gezeigt werden.

Besonderes Highlight dieses gut geschriebenen und in jedem Falle lesenswerten Hefts sind aber die Zwischenspiele um Homer G. Adams, der eine unheimliche Begegnung mit einigen alten Bekannten hat. Diese Episoden werden in Band 2513 fortgesetzt und bilden damit gewissermaßen den Rahmen für Christians Doppelband.

Der vergessene HofBand 2513, »Der verborgene Hof«, von Christian Montillon
Ein geheimnisvolles Artefakt, in dessen Besitz Ronald Tekener während seines letzten Einsatzes gelangt ist, bringt die USO auf die Spur eines versteckt liegenden Polyport-Hofs. Auf der Suche nach diesem geraten der Smiler und sein Team in einen schwelenden Konflikt zwischen zwei Völkern, der kurz davor steht, in einen handfesten Krieg auszuarten.

Gäbe es nicht die Rahmenhandlung rund um Homer G. Adams, man würde kaum glauben, dass es sich bei PR Band 2513 um den zweiten Teil eines Doppelbands handelt. »Der verborgene Hof« unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von seinem Vorgänger. Das reicht von einer vollkommen anderen inhaltlichen Ausrichtung (statt Spionagethriller bekommt der Leser diesmal eine Mischung aus Polit- und Kriegsdrama geboten) bis hin zum veränderten Erzähltempo (der Roman ist deutlich weniger rasant als »Die TRAITOR-Marodeure«). Ganz mithalten mit seinem Vorgänger kann der Roman nicht; das Thema hätte einer längeren Ausarbeitung samt weitaus intensiverer Beschäftigung mit den Protagonisten bedurft, um den Leser emotional aufzuwühlen. Spannend unterhalten wird man von dem gut geschriebenen Roman aber nichtsdestotrotz.

Highlight des Romans sind übrigens wieder die kurzen Einsprengsel um die Erlebnisse von Adams, die den Leser reichlich neugierig auf die folgenden Romane des Stardust-Zyklusses machen.

Ein Fall für das GalaktikumBand 2514, »Ein Fall für das Galaktikum«, von Arndt Ellmer
Die Gefahr, die die Frequenz-Monarchie für die Völker der Milchstraße bedeutet, wir immer offensichtlicher. So nimmt sich das Galaktikum des Problems an und sucht nach möglichen Strategien im Kampf gegen den neuen Feind. Unterdessen wird das Bewusstsein des Frequenzfolgers Sinnafoch in einen neuen Körper transferiert. Nur langsam erinnert er sich wieder an sein Leben im Dienste der Frequenz-Monarchie, ein Prozess, der Sinnafoch und dem Leser gleichermaßen Einblick in die Geheimnisse des Zyklus-Gegenspielers liefert.

In »Ein Fall für das Galaktikum« erfährt der Leser endlich mehr über die geheimnisvolle Frequenz-Monarchie. Zugegeben, vieles bleibt vage und wird nur angedeutet. So langsam bekommt der neuen Gegner aus dem Rhodanschen Universum allerdings ein Profil. So hat es etwa den Anschein, als stünde die Monarchie unter dem Oberbefehl einer oder mehrerer Superintelligenzen. Man darf gespannt sein, was in den kommenden Romanen noch so alles enthüllt wird.

Arndt Ellmers Heft selbst ist unterteilt in zwei Handlungsstränge, den um Bully und das Galaktikum einerseits und jenen um die Wiederauferstehung Sinnafochs andererseits. Besonders letztgenannte Storyline weiß dank ihrer eindringlichen Schilderung zu überzeugen, doch auch sonst bereitet die Lektüre dieses kurzweiligen Romans viel Freude. Ein wenig enttäuschend ist allenfalls das uninnovative Finale, in dem es erneut zu einer Raumschlacht zwischen den Truppen der Galaktiker und der Frequenz-Monarchie kommt. Zwar läuft dieses Mal alles eine Nummer größer ab als im Roman von Andreas Eschbach, doch davon abgesehen beschleicht einen beim Lesen ein starkes Déjà-vu-Gefühl. Hoffentlich versteht sich die Frequenz-Monarchie auf mehr als bloß das Erobern fremder Gebiete mit immer größeren Armeeverbänden. Wenn nicht, wird der Stardust-Zyklus recht bald eine ziemlich monotone Angelegenheit.

Davon abgesehen erweist sich Arndts neuster Beitrag zum Perryversum aber als sehr unterhaltsame Lektüre. Ein gut geschriebenes Abenteuer, das SF-Fans viel Vergnügen bereitet.

Kommentare  

#1 Laurin 2009-10-24 03:18
Na, die Rückkehr der Altmutanten in die Serie wäre schon ein Traum von mir (wer, bei wachem Verstand will denn schon in einer Superintelligenz aufgehen und von einer frei entscheidenden Persönlichkeit zum Bewusstseinsfragment abdegradiert werden! Da wäre selbst der Tod gnädiger!).
Die Nackenhaare sträuben sich bei mir allerdings etwas, wenn sich hinter der Frequenz-Monarchie schon wieder irgendwelche Superknollen (oder waren das ...Intelligenzen? :-* ) verbergen! Das würde mir den Lesegenuß den ich im Moment bei der EA habe ziemlich versauern :-? .
#2 Jan Hartmann 2009-10-24 22:01
Die zweite Raumschlacht folgt mitnichten dem immergleichen Muster.
Ist es sonst nicht so, dass am Anfang des Zyklus immer alles den Bach runtergeht, bevor man irgendwann eine neue Waffe entwickelt?
Diesmal wird gleich siegreich zurückgeschlagen. Und nicht nur 24 Schifflein, sondern eine ganze große Flotte. Und zwar so deutlich, dass Sinnafoch glaubt, dass auch 24.000 Schiffe keine Chance gehabt hätten.
#3 Gabriel Adams 2009-10-25 11:15
@ Laurin
Mehr Mutanten in PR - da hätte ich auch nix dagegen. Was die Superintelligenzen angeht: Zumindest mir drängt sich bislang der Eindruck auf, dass es eben Superintelligenzen sind, die hinter der F-M stecken. Was auch die Angst von ES erklären würde - das Überwesen hat einen Feind, der ihm gleich oder gar überlegen ist.
#4 Laurin 2009-10-26 17:26
Na ja Jochen, solang es nicht wieder Überhand nimmt mit den Supies, soll's mir ja noch recht sein. ;-)
#5 Pisanelli 2010-04-26 20:50
Habe gerade die "Traitor-Marodeure" durch. Hat mir sehr gut gefallen. Da ich gerade auch den 500er Zyklus durchhatte, ist das Auftauchen der Altmutanten für mich gerade als wäre es gestern gewesen :-)
Auffällig zu den alten Bänden ist ja die deutliche Zunahme von Action und Härte. Den Band hätte man so früher vermutlich nicht schreiben können... ;-)

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