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Mein erster »Castor« (Perry Rhodan Bände 2515 und 2516)

Perry Rhodan ... das Universum und ichMein erster »Castor«
Nachbemerkung zur Lektüre von
Perry Rhodan Band 2515 von Rainer Castor

Rainer Castor. Es gibt wohl kaum einen anderen Menschen auf der Welt, der sich im Perryversum so gut auskennt wie der 1961 geborene Autor. Ob geschichtliche Zusammenhänge, Informationen zu den diversen Völkern und Kulturen des Serienkosmos oder technische Fakten, es gibt kaum ein Hintergrundthema, zudem die „lebende Datenbank“ nicht Dutzende von Details in petto hat.

Sein profundes Wissen stellt der „für das technische Exposé verantwortliche“ Schriftsteller (wie es so schön in der Perrypedia heißt) allwöchentlich im »Perry Rhodan Kommentar« unter Beweis.

 

Eigene Romane verfasst Castor eher selten. Sein letzter Beitrag zur EA war Band 2368, liegt also schon eine ganze Weile zurück. Mit »Operation Hathorjan«, PR Band 2515, legte er nach langer Abstinenz nun sein neustes, eigenständig verfasstes Heft zur großen SF-Serie vor – für mich, der ich mit Band 2443 in die Reihe eingestiegen bin, der erste Roman aus seiner Feder.

 

Operation Hathorjan»Operation Hathorjan« habe ich mit einer guten Portion Skepsis entgegengesehen. Grund hierfür waren die Warnungen, die mir allenthalben übermittelt wurden. Castors Romane, so hieß es, würden sich lesen wie seine »Kommentare«: trocken und randvoll gestopft mit unzähligen Fakten, insbesondere solchen aus dem technischen Bereich.

Für jemanden, der mit Hard-SF im Grunde nichts anfangen kann, ist das keine besonders verlockende Aussicht.

Aber gut, ich nahm mir vor, möglichst neutral und ohne besondere Erwartungen an »Operation Hathorjan« heranzugehen. Als ich das Heft endlich in den Händen hielt, machte ich mich neugierig an die Lektüre – und muss leider sagen, dass die warnenden Worte alles andere als übertrieben waren.

»Operation Hathorjan« ist aus der Sicht des Arkoniden Atlan geschildert. Perrys alter Freund wird vom Galaktikum auf eine gefährliche Mission in die Andromeda-Galaxis (von den hier lebenden Völkern „Hathorjan“ genannt) gesandt. Irgendwo in dem gewaltigen Sternenhaufen, so vermuten die Galaktiker, liegt das Reich der Frequenz-Monarchie. Atlan soll dies bestätigen und zugleich möglichst viel über den bislang weitestgehend unbekannten Gegner in Erfahrung bringen.

Was im ersten Moment nach einem spannenden Abenteuer klingt, erweist sich in Sachen Handlung recht schnell als ziemliche Nullnummer. Atlan und einige Gefährten reisen mit dem Hantelraumer JULES VERNE nach Andromeda. Viel mehr geschieht nicht, abgesehen davon, dass auf den letzten Seiten des Romans noch ein flüchtiger Eindruck von den gegenwärtigen Zuständen in der Galaxis vermittelt wird.

Der ein oder andere erinnert sich vielleicht noch: Gerade zum Ende des »Negasphären«-Zyklus hin gab es in PR ja so einige Romane, die handlungsmäßig reichlich dünn waren, aber dennoch bestens zu unterhalten wussten. Insofern muss ein Minimalmaß an (Rahmen-)Handlung nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten.

»Operation Hathorjan« ist leider keiner dieser Romane.

Rainer CastorZunächst einmal so viel: Rainer Castor kann schreiben. Sein Roman lässt sich im Grunde sehr gut lesen. Mein Problem mit dem Heft liegt also nicht in Castors Schreibstil begründet. Nein, was den Roman zu einer echten Herausforderung macht, ist vielmehr sein Inhalt.

Castor kompensiert den Mangel an Story mit einer Fülle an Zahlen, Daten und Fakten. Statt ein spannendes SF-Abenteuer zu erzählen, präsentiert er dem Leser eine schier endlose Abhandlung an technischen und geschichtlichen Hintergrundinformationen zu den verschiedensten Elementen aus dem Rhodanschen Kosmos. Fakt reiht sich an Fakt, Info an Info. Das Ganze erinnert an die Zusammenfassung eines Lexikons und liest sich ungefähr so spannend.

Fans von Hard SF und Leser, die begierig Zusammenhänge und Hintergründen in sich aufsaugen, werden »Operation Hathorjan« lieben. Für alle, die auf ein mitreißendes oder zumindest ganz unterhaltsames SF-Abenteuer hoffen, ist Castors Werk dagegen eine sehr, sehr langatmige, spannungsarme Angelegenheit.

Nun könnte jemand auf die Idee kommen und sagen, »Operation Hathorjan« eigne sich perfekt als Einstiegsroman für Neuleser. Immerhin werden hier ja unzählige Informationen zum Background von PR vermittelt. Dem möchte ich vehement widersprechen. »Operation Hathorjan« ist alles andere als der ideale Kandidat zum Einstieg in die SF-Reihe. Wenn jemand, der nicht ohnehin ein überzeugter Hard SF-Fan ist, diesen Roman in die Finger bekommt und damit seine ersten Schritte im Perryversum tut, er wird kein zweites Mal in den Serienkosmos eintauchen wollen. Zu faktenlastig ist das Ganze, und viel zu storyarm, um Leser, die sich eine abenteuerliche Space Opera erhoffen (die PR ja für gewöhnlich auch ist!), auch nur annähernd zu begeistern.

Rainer Castor kann schreiben. Das habe ich schon gesagt und will es auch gar nicht in Abrede stellen. Eine fesselnde Geschichte erzählt er, zumindest in diesem Fall, aber nicht. Seine Begeisterung für Technik und Hintergründe steht ihm hier gewaltig im Weg. Die Erzählung kommt zu keiner Zeit richtig in Fahrt, und statt Action oder zwischenmenschlicher Spannung bestimmt ein Wust an Informationen das Bild, Daten, die man, kaum dass man sie gelesen hat, zum größten Teil ohnehin wieder vergisst.

Alles in allem ist »Operation Hathorjan« ein Roman, den man nur dann wirklich mögen kann, wenn SF und akkurate Technik für einen Hand in Hand miteinander einhergehen. Schade, wirklich schade, denn Castors Schreibe hat mir gezeigt, dass der Autor so viel mehr könnte als das bloße Herunterleiern von Fakten, die in einem Lexikon deutlich besser aufgehoben wären als in einem Roman.

Meine erste Erfahrung mit einem Roman von Castor war alles andere als berauschend. Doch ob ihr es glaubt oder nicht: Ich bin gespannt auf seinen nächsten Roman. Mal sehen, ob er dann eine waschechte Geschichte erzählt und nicht bloß wieder Zahlen und Fakten auflistet – und ob sich mein positiver Eindruck von seinem Schreibstil dann bestätigt.

Die Romane im Überblick
Band 2515, »Operation Hathorjan«, von Rainer Castor
Romankritik siehe obiger Artikel

Die Tauben von ThitdalBand 2516, »Die Tauben von Thirdal«, von Leo Lukas
Unter dem Kommando von Atlan versucht die Besatzung der JULES VERNE weiterhin herauszufinden, wie es um die Machtverhältnisse in der Andromeda-Galaxie bestellt ist. Hierzu beschließen die Galaktiker, die Charandiden, ein pflanzenartiges Volk mit der Gabe des Para-Lauschens, um Hilfe zu bitten. Die Kontaktaufnahme ist allerdings mit so machen Risiken und einigen unerwarteten Gefahren verbunden.

Eigenwillige Charaktere, ein exotisches Setting, ein humorvoller, leicht trashiger Mix aus SF-Roman und Abenteuer – »Die Tauben von Thirdal« ist ein PR-Roman, wie ihn so wohl nur Leo Lukas schreiben kann. Erneut lässt der Autor seiner Kreativität freien Lauf und präsentiert seinen Lesern ein ausgefallenes, reichlich buntes Abenteuer. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen, wie man dies von Romanen aus Leos Feder gewöhnt ist, die ebenso skurrilen wie liebevoll gezeichneten Charaktere. Das Ganze ist gut geschrieben und dank einer gelungenen Mischung aus Action und hervorragend ausgearbeiteter Charaktermomente sehr unterhaltsam. Ich persönlich konnte mit der an Mystik und Symbolen interessierten Hauptfigur der Francinn Teseus-Chan zwar nicht besonders viel anfangen; an der exzellenten Darstellung ihres Wesens ändert dies allerdings wenig.

Einziges Manko des Romans: Leo übertreibt es in Sachen Humor ein wenig. Etwas ernstere Töne wären zeitweilig durchaus angemessen gewesen. Alles in allem gilt aber: Wer exotische Space Operas mag, wird an »Die Tauben von Thirdal« sicherlich viel Freude haben.

Kommentare  

#1 Laurin 2009-11-07 19:39
Leider hinke ich gerade ein wenig hinterher, da ich PR leider erst Freitags bekomme und Heute auf der Intercomic-Messe in Köln-Mülheim war (fragt mich nicht wie, Bahn und Bus waren das reinste Grauen wegen Brückensprengung usw.). So steht Leo Lukas Roman noch bei mir in den Startlöchern und mal ehrlich, ich mag seinen Humor :-) !

Nehm ich mir also mal Rainer Castors Roman "Operation Hathorjan" vor. Da muß ich Jochen absolut Recht geben. Wer mit einem solchen Roman einsteigt, steigt auch gleich wieder aus :sad: ! Das Rainer Castor es auch besser kann, weiß ich noch von früher, aber dieser Roman war brutale Kost an Daten und Technik-Hardcore! Ab ca. Seite 40 hab ich alles nur noch angelesen und bin dann gleich zum letzten Kapitel gesprungen, wo eben eine Auseinandersetzung in Andromeda angerissen wurde. Der Roman war so spannend, das ich ihn beinahe schon nach Seite 30 in die Ecke gefeuert hätte weil das lesen zur Qual wurde (Technikfreaks mögen dies anders sehen). So war der Roman "Operation Hathorjan" leider nicht nur ein schwacher Lückenfüller sondern schon eher ein Lückenbüßer! Ich nehm Rainer daher mal Abends in meine Gebete auf (seit wann bete ich eigendlich :oops: ), auf das er sowas nie, nie wieder tun mag! Mal ehrlich Rainer, das kannst du besser ;-) .
#2 Cartwing 2009-11-21 08:04
Habe ihn jetzt auch endlich durch und kann in allen Punkten nur zustimmen.
Ich verstehe auch nicht, warum man den Castor auf einmal wieder Romane schreiben lässt. Der sollte das machen, was er am besten kann: Im Hintergrund arbeiten.
Was mich am meisten ärgert, ist dass man ihn einfach machen lässt. So eine "Nullnummer" (danke, Jochen) hätte ein anderer Autor zurückerhalten mit der Bitte um Überarbeitung.
Ich will einen Roman lesen, kein 60 Seiten langes Datenblatt.
Lukas zeigt, wie es geht: Bei ihm werden die Daten immer nur dann eingestreut, wenn es gerade zur Handlung passt. Castor dagegen unterbricht sogar Dialoge mit seinem Geschwafel.
#3 Larandil 2009-11-21 08:56
Ich muß jetzt doch mal eine Lanze brechen für Rainer Castor.
Er hat schon eine Anzahl lesenswerter Romane abgeliefert. Unglücklicherweise war dieses Thema allerdings genau seine Baustelle - das Erbe der Lemurer? Das Vermächtnis der Meister der Insel? Sonnentransmitter? Darüber hat er schon als Einstieg bei PR drei Taschenbücher geschrieben! Und so kam dann dieser gewaltige Infodump zustande, in dem der Leser unter von überall her zusammengerafften Mosaiksteinen begraben wird. Das passiert sonst auch schon mal, wenn man ihn an den Großkomplex Bostich/Arkon heranläßt, weshalb ich nicht gerade gerne an PR 2239 "Verrat auf der Kristallwelt" erinnert werde. "Praetoria" (PR 2211) oder "Terraner als Faustpfand" (PR 2225) kamen deutlich lesbarer daher.

Dazu noch die Versuchung, den ältesten der Altleser zu beweisen, daß man eben auch schon sehr, sehr lange dabei ist - deshalb Anspielungen auf den "Wasservers", der beim Zweikampf zwischen Atlan und Perry in PR 54 eine Rolle spielte. Und die ohrläppchenverknotende GdvZ (=Geste der vollinhaltlichen Zustimmung) der Sambarkin aus PR 2061 ff. wird im PR-Forum seit fast zehn Jahren am Leben erhalten.
#4 Gabriel Adams 2009-11-22 11:01
@Larandil

Ich hoffe, mein Artikel war nicht missverständlich. Ich will damit Rainer Castor und seinen Beitrag zu PR in keinem Fall herabwürdigen. Oh nein!!!
Aber sein Roman hat mir einfach nicht gefallen. Zu techniklastig und daher nie wirklich spannend.
Wie gesagt, ich finde, Rainer kann gut schreiben. Ich hoffe daher sehr, dass sein nächster Beitrag weniger technische Details enthält und sich mehr aif die Story konzentriert. Dann, da bin ich mir sicher, darf ich mich über ein großartiges Abenteuer freuen.
#5 Zakum 2009-11-24 17:15
Schon sein erster Perry-(Doppel-)Band war schon mit "facts" durchsetzt, allerdings merkte man schon dass er schreiben kann. Eben dann wenn er Figuren agieren ließ.
Ein bisschen trocken nüchterne Materie muß es auch geben, das war schon in den alten Zeiten so. KHS und Kurt Mahr in der Hinsicht meinerseits "gefürchtet", aber im Vergleich immer noch ausgewogen.
Und genau dass war Rainers Roman diesmal nicht: nicht ausgewogen, kein Roman mit sehr starkem Anteil an Facts, sondern ein DATENEXPOSE mit vereinzelten Handlungseinlagen.
#6 Cartwing 2009-11-24 18:20
Kurt Mahr hat meiner Meinung nach aber eine positive Entwicklung hingelegt. Seine späteren Romane waren weniger technisch, dafür epischer und mit lebendigeren Figuren.
Bei Rainer sehe ich so eine Entwicklung nicht. Und schreiben können die andern doch auch alle.
Ein Heftroman sollte kuzweilig und spannend sein, zumindest in diesem Genre. Es muss einen Spannungsbogen geben. Das sollte man als Heftautor nach einigen Jahren drauf haben
#7 Zakum 2009-11-25 17:26
Kurt Mahr: keine Frage, er konnte oder wollte auf die "trockenen Details" nie ganz verzichten, hat sie aber im Laufe der Zeit immer besser in den Roman integriert (und nicht umgekehrt!). In dieser Hinsicht (ohne die anderen schlechtmachen zu wollen) waren er und KHS einzigartig, und so gesehen fehlen mir die beiden heute.

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