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Fandom und Schreiben, hmm, das ist ne lange Geschichte ...

Teestunde mit Rolf...Du bist übers Fandom zum Schreiben gekommen. FOLLOW und AGSF sind wohl zwei Stichworte. Wie war denn das Fandom so in Siebzigern?

Fandom und Schreiben, hmm, das ist ne lange Geschichte ...

Eigentlich wäre ich nie zu so was wie dem Fandom gekommen. Zwar habe ich Hefte wie z.B. Perry-Rhodan gelesen – doch selbst einen Leserbrief zu schreiben und Kontakte zu „Gleichgesinnten“ zu knüpfen, das erschien mir nicht erstrebenswert. Ich hatte auch genügend andere Dinge im Kopf…ein Heft wurde gelesen…und dann weggelegt.

Aber da war Hans Klipp, damals Bassist der Band „Black Skill“ und heute, so kann man es sagen, mein bester Freund. Der war begeistert von Science-Fiction und „Ren Dhark“. Ja, und ich hatte gerade die „Conan“-Bücher entdeckt mit dem Aufdruck „Fantasy“ auf dem Buchrücken.

Klar, dass wir uns gegenseitig unsere Lieblingslektüre austauschten und ich mit meiner Begeisterung für Conan unsere ganze „Meute“ angesteckt habe.

Wir feierten in einem Wildergelände rauschende Barbarenfeste mit Fassbier und am Feuer gebratenen Fleischstücken, dazu wurden in der Anfangszeit Holzschwerter geschwungen – später fanden wir dann die spanischen Dekorations-Schwerter und die „Umrüstung“ begann. So bekam ich meinen „Friedensstifter“, der rein zufällig die gleiche Parierstange hatte wie das Schwert Sigurds. Dieses Schwert habe ich übrigens an den Sohn meines Freunde Hans Klipp weitergegeben. Der begeistert sich für Fantasy – und solche Leute müssen auf den „Weg“ geführt werden…

Aus der Begeisterung für SF bei Hans und Fantasy bei mir erwuchs der „Science-Fiction- und Fantasy-Club Kassel“, der nominell mit zwei Mitgliedern (Hans und meine Schönheit) heute noch besteht. Als dann die Serie „Dragon – Söhne von Atlantis“ rauskam, wurden wir auf FOLLOW aufmerksam und stellten fest, dass wir mit unserer Begeisterung „nicht alleine im Universum waren“.

Bei FOLLOW sind wir damals durch Kontakte mit dem jetzigen Dr. Helmut Pesch in den „Bären-Clan“ eingestiegen, haben ihn aber auch bald wieder verlassen. Das hatte nichts mit Helmut, aber mit einigen anderen Nasen im Clan zu tun, mit denen wir damals nicht zurecht kamen. Dass ich seit einigen Jahren wieder bei FOLLOW drin bin und die Ehre habe, bei Hubert Straßl im „Clan der Löwen“ zu sein, ist eine andere Geschichte.

Hans tendierte natürlich weniger zur Fantasy als zur SF. Beim SFCD jedoch wurde stark linkslastig politisiert. Perry Rhodan was „faschistoide Literatur“ und wer Heftromane oder so was las, musste sich von gewissen Leuten im SFCD ohnehin in die Nazi-Ecke stellen lassen. Selbst Altmeister wie K.H. Scheer oder Clark Darlton wurden angegriffen und eine der Aussagen des SFCD war, dass der „moderne SF-Autor“ die Gesellschaft der Zukunft als eine Kommunistische darzustellen hätte.

Also, alles was ‚Links’ war in Ehren – Hans und ich waren damals Mitglied der SPD – aber was dort im organisierten Science-Fiction Fandom propagierte, ging mir zu weit. Beim SFCD der 70er Jahre hätte ich ebenso wenig mitgemacht wie in den damaligen Links-Gruppierungen DKP, KBW, DFU und KPD.

Aber dann kam auf der Science-Fiction-Szene plötzlich eine neue Gruppierung auf, gegründet von einem gewissen Johannes Schütte (der Name des ansonsten vergessenen Gründers sei hier ehrenhalber noch mal genannt.). Und sie nannte sich Aktivgruppe Science-Fiction –kurz „AGSF“.

Interessant – eine neue SF-Gemeinschaft neben dem allmächtigen und allein selig machenden SFCD. Hans nahm so Kontakt auf wie ich damals bei FOLLOW.

Und, oh Wunder, die AGSF war für uns beide interessant, weil die „Aktivgruppe Science-Fiction“ vom Namen her eigentlich eine Mogelpackung war. Neben der SF hatte sich dort auch ein starker Fantasy- und Horror-Block gebildet. Und weil es (wenigstens in den ersten zwei Jahren) auch ohne politische und sonstige Querelen abging, bin ich mit Hans bei der AGSF eingetreten.

Ja, und dann kam das schicksalhafte Treffen zweier großer Geister…ahem…

Innerhalb der AGSF lernten wir Stories und Artikel eines Mannes mit Namen Gregor Stephanowitsch Illjuschyn kennen. Das war offensichtlich ein Russe, der ganz gute Stories aus jeder Sparte schrieb. Ja, und dieser „Russe“ sagte sich mit seinen Vasallen irgendwann zu Besuch in Kassel an.

Natürlich musste das Treffen in meinem „Palast“ im „Turm des Schreckens“ stattfinden. Naja, es war ein 40qm Appartement in einem Hochhaus – aber darin hatte schon mal anlässlich der Pfingsttage der gesamte damalige Bärenclan einen Con abgehalten. Raum ist in der kleinsten Hütte…und ein Bierkasten passte auch immer noch rein…und jeder schlief, wo er Platz fand…“Bären“ in ihrer Höhle eben…

Damit der „gottverfluchte Russe“ (ja, so drückte ich mich aus, denn schließlich waren die Iwans zu meiner Zeit beim Komiss Anno 68/69 noch Feinde) sich auch wohl fühlte, hatte ich für Illjuschyn ein Fläschchen Wodka beschafft. Es war Sympathie auf den ersten Blick und der Iwan sprach perfekt Deutsch, so dass die Kommunikation bestens war. Das er aber „Russe“ war bewies er, dass er den Wodka brav austrank und anschließend von seinem Gefolge nach draußen getragen werden musste.

Als ich dem Herrn Illjuschyn dann beste Grüße an „W.K.Giesa“ bestellte, wurde mir klar gemacht, wer der klapperdürre Typ in völlig schwarzer Kleidung und mit schwarzem Vollbart war und dass er über mehr Identitäten verfügte als ein Heiratsschwindler.

Ja, so haben Werner uns ich uns tatsächlich vor sicher mehr als 30 Jahren kennen gelernt. Und im Laufe der Zeit kam Werner erst mit Gefolge, dann alleine, immer öfter nach Kassel.

Ja, wenn die AGSF, die heute nur noch eine Randnotiz der Geschichte des deutschen Science-Fiction-Fandoms ist, zu was gut war, dann um Werner und mich zusammen zu bringen. Ich will hier auch nicht die Geschichte dieser heute sicher vergessenen Gemeinschaft erzählen. Aus Streitereien und Querelen habe ich mich immer rausgehalten und deshalb ist es mir unmöglich, analytisch zu erklären, warum diese Gruppierung in sich zusammenbrach. Es kam eigentlich wie immer. Es gab Streit über Politik und an sich völlig belanglose Dinge. Und dann kamen die Drohungen mit Gerichten und Anwälten. Hans und ich hatten, um die Sache der AGSF zu retten, noch einmal einen kurzfristig angelegten Con in Kassel festgesetzt – das lag für alle zentral. Es gab zwei Parteien – fragt mich bloß nicht mehr, wer das alles war und was die wollten. Jedenfalls war es für diese Leute fürchterlich wichtig.

Für Werner, damals in einer Vorstandsposition, war ein Ausschlussantrag formuliert worden. Und obwohl W.K. einen brillanten Redner als Gegner hatte, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, gelang es ihm, alle Anschuldigungen zu entkräften. Es war so, dass sich der Vorstand bei ihm noch entschuldigen musste. Und nach dieser Entschuldigung griff Werner in die Tasche – und zog seine vorbereitete Austrittserklärung hervor.

Ja, so war das damals. Und als Werner aus der AGSF ausgetreten war, hatten Hans und ich auch keine Heimat mehr in diesem Verein und sind ausgetreten. Es war zwischen uns dreien ohnehin eine echte Allianz und weil Werners Lippstädter Freunde irgendwann andere Interessen hatten, war er ohnehin an den Wochenenden oft in Kassel – sind ja nur 100 km – für sein damaliges Auto, „Veronique“ genannt, keine Strecke.

Dass sich Werner dann vom „organisierten Fandom“ abtrennte, hatte auch den Grund, dass er unmittelbar danach von der Romanagentur Grasmück entdeckt wurde. Dahinter verbirgt sich Dan Shocker, der damals erfolgreichste Autor im Grusel-und Horror Genre – der Grusel-Papst, wie ich das etwas respektlos nannte.

Wie schon angedeutet war es zwischen Werner, dessen Lippstädter SF-und Fantasy-Kreis sich langsam auflöste, und uns in Kassel zu einer recht intensiven Zusammenarbeit gekommen. Hans und ich schrieben außer für unsere eigenen Fanzines gelegentlich bei Werners Mini-Heft-Serien mit, die er mit Spiritus-Umdruck unter dem Eigenverlag „terra-press“ produzierte und die er zum größten Teil unter verschiedenen Pseudonymen selbst verfasste.

Hans und ich gaben damals das Magazin „Antares“ heraus, später kamen noch das Ren-Dhark-Magazin „Point Of“ und das Jokus-Zine „Cervisia“ hinzu, in dessen Story-Inhalt es recht lustig zuging (ich schrieb damals die Abenteuer des Raumschiffes „Udo Lindenberg“ – auch genannt, der „Sprit-Raumer“). Werner lieferte damals auch einige Textbeiträge, aber hauptsächlich die Zeichnungen für unsere Zines, denn  da hatten wir echten Mangel. In der Nummer 1 von „Antares“ habe ich, weil keine Zeichner greifbar waren, selbst zum Stift gegriffen. Gut, dass die erste Auflage nur so um die 20 Stück hatte und niemand mehr diese „göttlichen Gemälde“ sehen kann…

Antares und die anderen Magazine sowie Werners Produktionen von „terra-press“ verschwanden, als er richtig ins professionelle Schreiben einstieg und für diese Dinge keine Zeit mehr hatte. Ich kam erst einige Jahre später zu „Profi-Schreibe“ und hatte damals das ganze Fandom eigentlich hinter mir gelassen.

Nachdem ich schon einiges an „Zamorra-Romanen“ veröffentlicht hatte und in Fan-Kreisen langsam durchgesickert war, dass der Typ, der da mit W.K.Giesa zu den Cons anrauschte und irgendwo in der Ecke ruhig sein Bierchen trank, diverse Romane geschrieben hatte, die besonders gut angekommen waren, ging der Rummel los. Klar, Ehrenmitgliedschaften habe ich immer angenommen und mich auch sehr oft mit einer Exclusiv-Story für das jeweilige Zine bedankt.

Diese Geschichten waren meist Satiren mit dem Hintergrund der damaligen Zamorra-Handlung und sind heute für den Leser weitgehend unverständlich. Damals haben beispielsweise die Dämonen im Rom gegen die „Nachrüstung“ demonstriert – die Geister- und Dämonenjäger bekamen ja laufend neue Waffen, während ein Vampir eben nur seine Zähne und ein Werwolf nur seine Klauen hat. Es war die Zeit, als alles gegen Nachrüstung und NATO-Doppelbeschluss demonstrierte…

Ja es war „ne geile Zeit“ und ich habe sie richtig genossen. Am Interessantesten waren für mich allerdings die Gespräche mit der Art von Fans, die über meine Romane nicht nur in Jubelchöre ausgebrochen sind, sondern die auch fundierte Kritik vorgebracht haben. Und so weit es im Rahmen des Heftroman-Gesetzes möglich war, habe ich diese Kritik beherzigt.

Es gäbe so viel über das Fandom zu schreiben. Werner und ich haben uns teilweise recht stark engagiert und beispielsweise auch einen Zelt-Convent in Ahnatal, wo ich damals wohnte, aufgezogen. Anlässlich dieses Cons wurde auch ein Teil des „Zamorra-Films“ gedreht und die Creme de la Creme der Club-Vorsitzenden sind dort zu bewundern. Ich habe auch so öfters Fans, die in Kassel in der Jugendherberge auf Klassenfahrt waren, nach der Arbeit mal mit rüber nach Ahnatal genommen. So konnten sie mal ganz dicht dran an ihren „Star“ sei – der eigentlich gar kein Star war. Und Wotan, mein Rabe, wird für diese Leute wohl unvergesslich sein…

Später kamen dann die üblichen Querelen diverser Interessengruppen. Jeder Club wollte was Besonderes sein – oder gewisse Leute innerhalb der Clubs. Es gab und gibt immer einige Leute, die der Meinung sind das „Vereinsleben“ sei das Höchste während des Erdendaseins. Und die müssen natürlich ihre Meinung jedem anderen offerieren – notfalls mit dem Holzhammer.

Ich habe damals einige Rundbriefe für die Clubs losgelassen, damit diese Leute zur Vernunft kommen und eine neue, gemeinsame Struktur eines Fandoms vorgeschlagen. Das hätte ich besser nicht getan – denn sofort hatten alle einen neuen Feind. Ja, und da – habe ich mich aus dem damaligen Phantastik-Fandom zurückgezogen.

Und das war auch so die Zeit, wo ich die Leiterin des Zamorra-Fan-Clubs Hannover geheiratet habe – und dann kam das Schicksalsjahr 1986, über das wir hier nicht reden wollen…und damit für mich weitgehend das Ende der regelmäßig erscheinenden Romane.

Die Geschichte des Fandoms – das wäre so was für eine Doktorenarbeit. Und wenn ich alte Erinnerungen aus diesen Tagen auskramen wollte, dann käme sehr viel Text zusammen. Und ich bin sicher, dass mir einige Leute, weil ich vielleicht in meiner Ehrlichkeit diverse Sachen wieder zur Sprache bringe, die für den einen oder andren keine Ruhmestaten sind, heute noch ein Gerichtsverfahren anhängen.

Also, Asche drüber! Mit diesen Sachen mache ich das Gleiche wie mit meinen Schulnoten in Mathematik.

Ich vergesse sie….

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