Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 15)
Moin Rolf, weiter geht’s mit dem 15. Teil des großen Interviews im Hause Gaisbauer. Der Tee ist serviert …
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 15)
Für die ist es sicher gut, wenn hier mal ein Text vorgelegt wird, der auf einen Gespräch vor rund 25 Jahren fußt und jederzeit anhand der EDFC-Publikation auf evtl. Änderungen geprüft werden kann.
Genau genommen hat das, was jetzt kommt, alles nicht viel mit dem ›Fürstentum Helleb‹ zu tun, sondern erzählt in Kürze die aus den Teestunden bekannten Anfänge, wie man zur Fantasy kam und wie die Kasseler und Lippstädter Gruppe zusammen kamen. Es ist eigentlich mehr ein Zwischenspiel vom ersten Punkt ›Schriftstellerisches‹ zum dritten Punkt ›Privates‹ ...
Gustav Gaisbauer: Erzählt doch ein wenig über das Fürstentum Helleb
R. Michael: Es begann alles damit, das ich einen gewissen Hans Klipp kennenlernte, der sich für SF und Ren Dhark interessierte...
Und schon gehts wieder los. Ja, wie habe ich Hans Klipp eigentlich damals kennen gelernt? Ich war damals nach meiner Zeit bei der Bundeswehr wieder in meinen alten Beruf zurück gegangen und wieder Möbel-Verkäufer im Kaufhof. Wir hatten einen neuen ›Stift‹ - eigentlich Lehrling, heute Auszubildender - und der erzählte mir, dass er auch Schlagzeug spiele und auch ein besserer Drumer als ich sei.
Das muss so 1970 der 71 gewesen sein. Ich war damals Anfang der 20 und hatte eigentlich die ganze Beat-Musik schon beiseite gelegt. Nur bei ›moderner Musik in der Kirche‹ saß ich noch am Schlagzeug, da hatte ich mit ein paar uralte Teile zusammen gekauft und ein Drum-Kit draus gebastelt, das man eigentlich so auf keine Bühne hätte stellen können.
Ein besserer Drummer als ich? Das wollte ich hören und sehen. Also ging ich dann am Abend in Richtung Bürgerhaus Helleböhn und hörte schon von weiten die Geräusche eines Erdbebens Stärke 5 auf der Richter-Skala. Oben übte ein Band mit zwei E-Gitarren, einem alten Beatles-Bass und einem halben Schlagzeug, das ›Quelle‹ mal im Angebot hatte. Nur der Drumer war so gut wie ich in meinen Anfangstagen, als ich noch gar kein richtiges Schlagzeug hatte und die Toms aus Waschmittel-Trommeln bestanden. In den 60ern musste man sich manchmal so behelfen.
Die Verstärkeranlage der Jungs war eine atemberaubende Technik mit vielen Auto-Lautsprechern in einer selbst gebastelten Box. Des Rätsels Lösung war, dass einer von ihnen in einem Auto-Haus in der Lehre war ... und wie schon Asmodis so weise behauptet: »Mit Schwund muss man rechnen ...«
Der Takt an den Drums stimmte also nicht und ich war der Meinung, unserem ›Stift‹ das mal vormachen zu müsse. Als wir das Bürgerhaus verließen, war ich in der Band ›Black Skill‹ - und der zweite Gitarrist war eben jener Hans Klipp. Zwei Wochen später stieg der Bassist aus - und Hans übernahm den Bass.
Wir machten Rock-Musik mit viel Begeisterung und wenig Können. Denn noch mussten Stücke von Jimi Hendrix oder Cream dabei sein ... und dann natürlich die Hard-Rock-Legenden der heutigen Tage wie Led Zeppelin, Black Sabbath, Jethro Tull oder Deep Purple. Irgendwann gar es dann richtige Verstärker, die mehr Krach machten und in Jugendraum der Kirche haben wir nach Messung bei einer Veranstaltung außerhalb von der Straße her die Lautstärke eines startenden Düsen-Jets gehabt.
Was wir mit ›Black Skill‹ machten, könnte man am ehesten ›Punk‹ nennen - nur waren die ›Sex Pistols‹ und der Punk noch ferne Zukunft. Einmal haben wir während eines Übungsabends ein billiges Tonband mitlaufen lassen. Zu meinem 50steh Geburtstag bekam ich dann den Inhalt dieses Bandes ›digital remastert‹ auf CD. Und ich muss sagen, sooo schlecht hört sich das nicht mal an. Ein Zeit-Dokument eben - vor allem auch wegen der Eigenkompositionen.
Was draus wurde? ›Black-Skill‹ spielte in dieser Besetzung rund drei Jahre zusammen - wenig Auftritte - aber Hans und ich waren ja gleichzeitig im Bürgerhaus Helleböhn im ›Club 69‹ mit im Team. Hans und ich als Disc-Jockeys, unser hier auch immer mal wieder genannte Freund Michael Müller hatte mit ein paar anderen Leuten die Theke.
Der Gitarrist wollte dann einen anderen Bassisten - und da wurde ich an Hans Klipp zu einer Art ›Judas‹, weil ich ihn da nicht stützte. Nur - der Gitarrist und ich hatten uns spieltechnisch weiter entwickelt - und Hans war auf dem musikalischen Niveau stehen geblieben. Aber nach einer gewissen Zeit war er ganz froh, raus zu sein. Dass Hans später noch mal als Schlagzeuger eine andere Band gegründet hat (die Travelling Band) gehört hier eigentlich nicht mit dazu. Nur - der ›Black-Skill‹-Gitarrist, den Hans in die Travelling Band geholt hatte, sorgte auch hier dafür, dass er in kurzer Zeit ersetzt wurde. Danach hat er dann so lange alleine gespielt, bis ich gelegentlich auf Partys mit der Snare-Drum. der Hi-Hat und einem Becken dazu kam und das ganze mit Jazz-Besen untermalte - unter Drumern ist diese Zusammenstellung als ›Cocktail-Kit‹ bekannt.
Später habe ich mit dann das Gitarren-Banjo gekauft und damit waren Hans Klipp und ich die absoluten ›Party-Knaller‹. Später wurde der ›Pony-Express‹ daraus - zeitweilig mit W.K.Giesa am Schlagzeug - jedenfalls so lange, bis er statt der Jazz-Besen Trommelstöcke in die Hand nahm. Irgendwo habe ich mal in einer Teestunde davon berichtet. Es existieren auch noch Fotos vom ›Pony-Express‹.
Also ›Black Skill‹ war aufgelöst, Hans war draußen und ich hatte mit jenem Gitarristen und einem anderen Basser die Band ›Ceterum Censeo‹ gegründet. Wir machten auf der Grundlage von dem, was Jimi Hendrix gemacht hatte, rein experimentelle Rock-Musik. Damals haben wir auf der Kasseler ›documenta‹ gespielt... natürlich ohne Gage, das Taxi, um das Schlagzeug zu transportieren, musste ich selbst zahlen. Der Führerschein und das erste Auto kamen, als ich mit der Tanzmusik anfing. Aber das gehört schon lange nicht mehr hierher...
Aber eben durch das Trio Hans Klipp (immer ›der Chef‹ - heute noch), Michael Müller und meiner Schönheit (meine ›Wenigkeit‹ würde schon vom Körpervolumen her nicht stimmen), das den Jugend-Club 69 managte bekam dann auf problemlos einen Raum für den von ihnen gegründeten ›Science Fiction- und Fantasy-Club Kassel‹ - und so schließt sich der Kreis zu den Dingen über unser Fanzine ›Antares‹, die AGSF, unsere Kontakte zur ›Lippstädter Gruppe‹ und unsere spätere Freundschaft zu Werner Kurt Giesa.
Es ist wie in der Geschichte der Menschheit - jedes ›Welt-Ereignis‹ hat seine Vorgeschichte, die erzählt werden muss um begreiflich zu machen, warum alles so und nicht anders abgelaufen ist. Hätte ich in jener Zeit eine gewisse Frau geheiratet - was ich hätte tun sollen, heute weiß ich, dass ich damals ein Narr war - dann wäre alle anders gelaufen. Aber das sind alles Dinge aus der ›Antares-Zeit‹, wo nicht daran zu denken war, das Werner und ich jemals professionell einen Text verkaufen könnten.
Machen wir weiter...
Über meinen Weg war auch ein schwarzhaariger, stahlblauäugiger Barbar namens Conan gelaufen, der mir gut gefiel. Wie tauschten unsere Heftromane (Zusatz: und die Conan- und sonstige Fantasy-TBs) gegenseitig aus und entschlossen und schließlich, einen Fantasy- und SF-Club zu gründen. Wir feierten wilde Barbaren-Feste und kaufen uns Schwerter.
Schließlich kam die Heftromanserie "Dragon" heraus, in der wir lasen: "Wenn Sie Bürger einer Fantasywelt werden wollen, dann schreiben Sie an Hubert Strassl." So sind wir auf FOLLOW aufmerksam geworden.
Auf unseren ersten Brief - in der "Alten Sprache" gehalten, erhielten wir nur eine unbefriedigende Antwort. Aber auf den zweiten, der mit den Worten "Was erfrechet Ihr Euch..." begann, antwortete Elrod, der Bären-Lord, alias Dr. Helmut W. Pesch.
Über FOLLOW erhielten wir Kontakt mit dem übrigen Fandom, unter anderem mit der "Aktiv-Gruppe Science Fiction", kurz AGSF, die damals wirklich aktiv war. Und eine ihrer rührigsten Ortsgruppen war in Lippstadt, wo Ernst Albert und W.K.Giesa aktiv waren. Dort schrieb ein gewisser Gregor Stephanowitsch Illjuschin recht interessante Stories und Artikel.
Nachdem, Hans Klipp ein Treffen mit der Lippstädter Gruppe vereinbart hatte, fand dieses in meiner Wohnung statt - in einem Hochhaus, auch genannt "Turm des Schreckens".
Mein erstes eigenes Refugium lag im ersten Stock und hatte rund 42 qm. Im Verlauf der Teestunden tauchen Episoden auf, wo immer mal von Ereignissen berichtet wird, die dort statt fanden. W.K. hat seinen zweiten Gespenster-Krimi mit Ted Ewigk in Kassel und speziell im Appartement im Turm des Schreckens spielen lassen. Es blieb nicht der einzige Roman. Ich bin sicher, auch ein Professor Zamorra spielt in meinen ›heiligen Hallen‹. Hier entstanden einige meiner ersten Zamorra-Romane, der erste auf einer Quelle-Reiseschreibmaschine, der zweite und die Folgenden dann auf einer ›Olympia -Monika‹, die ich mit u. a. vom ersten Honorar gekauft hatte. Man war ja jetzt ein ›Professioneller‹, da musste es schon was Besonderes sein. Aber als es richtig los ging mit der Schreibe und ich auch im Fandom bekannt wurde, war ich gerade nach Ahnatal umgezogen - in der Zeit des Umzuges drehten wir den Magier-Film »Das Grauen aus der Gruft«.
Gustav Gaisbauer: Etwa 1974, als die FOLLOW-Werbung in "Dragon" erschien, kam eines Tages in Unterammergau ein wunderschönes Dokument des Fürstentums Helleb an. Wer hat das gezeichnet?
R. Michael: Ich
Besser gesagt, ich hatte den Text geschrieben. Das sind so die kleinen Arbeiten des ›Statthalters‹ womit man sich als Herrscher nicht den Tag versaut. Außerdem ist man es dann nicht gewesen, wenn etwas schief läuft. Auch Wallenstein hat nie was selbst unterschrieben sondern von Graf Trzka, einem seiner Generäle, unterschreiben lassen... er wusste warum.
Wie mit Gustav mal mündlich erzählte, ging dieser Brief durch alle Hände der anwesenden Follow-Prominenz und man kam zu dem Schluss: »Es gibt noch mehr Verrückte wie uns«. Durch diesen Brief wurde Helmut Pesch dann neugierig ... und für uns in Kassel war es eine unwahrscheinliche Aufwertung, dass gerade der von uns wegen seiner Zeichnungen bewunderte Helmut Pesch sich für uns interessierte. Über seinen Besuch in Kassel und die Zeit im Bären-Clan samt des Bären-Cons bei mir im ›Turm des Schreckens‹ habe ich an anderer Stelle schon berichtet. Wenn auch nicht so viel, weil es eigentlich eine ganz andere Schiene ist.
Aber beim ersten Besuch wurde auch Helmut Pesch durch Schloss und Park Wilhelmshöhe ›getrieben‹ - Hermann hat ja schon mal über so eine Tortur geschrieben - und am Abend wurde der Lord von seinen neuen Gefolgsleuten anständig und ›wie es sie Sitte ist‹ unter der Tisch getrunken. Er war nicht der Erste - und auch nicht der Einzige...
Aber weiter gehts...
Doch zurück zum Thema. Es hieß, alle Lippstädter würden kommen und ich ließ ausrichten, der Russe sollte doch auch mitkommen. Also beschaffte ich eine Flasche Wodka, damit der Russe sich heimisch fühlte.
Die Horde kam, darunter auch W.K.Giesa. Aber dieser war gar nicht so interessant. Wo war der Russe? Ja, der Russe, der sei auch mit dabei. Nun, schließlich sagte ich, diese Flasche Wodka sei für Gregor Stephanowitsch Illjuschin. Und dann fing Werner an zu löffeln. Auf gut Deutsch, er hat fast die ganze Flasche Wodka alleine getrunken, bis ich schließlich feststellte, dass mir Gregor Stephanowitsch Illjuschin bereits gegenüber saß. Und das war, um es mit Humphrey Bogart zu sagen, der Beginn einer wundervollen Freundschaft.
W.K.Giesa: Es gab dann weitere Treffen, bei denen sich der Spruch bewahrheitete, das bei jedem einer Kotzen muss. Beim ersten Mal war es der Russe, beim zweiten Mal waren es alle anderen... 1976 auf dem berühmten Con, lernten wir uns dann so richtig kennen.
Damit endet die Rubrik ›Hellebisches‹ und mit ›Privates‹ machen wir das nächste Mal weiter. Über den 1976er Con der AGSF habe ich erst vor einigen Teestunden geschrieben - vor dem Interview - wo wir dafür sorgten, das fannische ›Todfeinde‹ ihre Differenzen ›wie Männer‹ mit Gummi-Schwertern austrugen.
Über den ersten Besuch der Lippstädter Gruppe in Kassel kann man in dieser Teestunde und über den Con auf der Dönche in dieser Teestunde alles genauer nachlesen.
Ich wünsche euch eine angenehme Woche - und nächste Woche ist auch das neue Visionia-Kapitel da. Warum ich das in den zwei Wochen nicht geschafft habe, es fertig zu bekommen, das wäre Stoff für eine Teestunde - wenns nicht zu privat wäre. Und einen Schluss für das Kapitel einfach hinhauen wollte ich nicht. Schon deshalb nicht, weil ich ja von diesen Sachen nichts mehr raus nehmen kann, sondern das alles Grundlagen für die Weiterentwicklung sind.
Ich bin nun mal nicht Jason Dark, der mit seiner Disziplin jede Woche einen Roman raus haut. Aber ich will mich bemühen, den 14tätigen Termin einzuhalten.
Bis in einer Woche dann... bei der Rubrik ›Privates‹ ...