Kurt, Helleb und die Kellerbar
Kurt, Helleb und die Kellerbar
Damals war mein erster ›Zamorra‹ bereits erschienen, wenn auch noch kein Folgeband in Sicht war. Aber es war der Con, auf dem wir auch die Tafelrunde von Helleb, damals bestehend aus Hans Klipp als Herrscher »William von Helleb«, mir aus Statthalter »Erlik von Twerne« und Werner Kurt Giesa als »Baron Gregor tor Lippia« um einen Baron erweiterten - »Sir Jay von Marlos«. Nachdem wir Jürgen erklärt hatten, was der tiefe Sinn der Tafelrunde war, erklärte er sich einverstanden, in diese ›Tafelrunde‹ aufgenommen zu werden.
Nun hatten wir noch einen Autoren, den wir gern dabei gehabt hätten - nämlich »Curtius von Caldaro« den »Sternenbaron«. Das geschah dann in der ›Lindenburg‹, wo Sir Jay residierte, wenn er sich nicht in Helleb befand. Kundige wissen, dass man einen Schritt seitwärts zur Zeit treten muss, um nach Helleb zu gelangen. Damals rollten der Herrscher, der Statthalter, der Baron und der Bannerführer (mein Bruder Peter als »Petrus Karolus von Twerne«) an, um einen neuen Baron in die hohe Runde aufzunehmen.
Bevor ich das jedoch erzähle, habe ich was ausgegraben. Einen Beitrag von Kurt Brand persönlich, den er zum ›Dan Shocker Reader‹ geschrieben hat. Das ist ein Hardcover (für Auserwählte) und ein Paperback, herausgegeben zu Jürgens 50stem Geburtstag und eine absolute Rarität. Da hat Kurt das erste Zusammentreffen mit Jürgen geschildert - ohne auf die ›Zeremonie‹ im Laufe des Abends einzugehen. Aber was Kurt da geschrieben hat, gibt für sehr viele Zusammentreffen der ›Tafelrunde‹ in Altenstadt. Selbst zu Jürgens Geburtstag im Januar waren Kurt und seine Frau Maria einmal anwesend.
Jetzt aber lassen wir Kurt Brand selbst berichten.
Ein Tag bei Jürgen
Das ganze Jahr gibt es jeden Tag hindurch einen Neuen und man verschleißt diese so, wie sie an uns vorbei laufen. Aber ab und zu ist unter dem Angebot einer, der mehr Alltagsqualität besitzt. Dabei sieht man es ihm vorher gar nicht an. Und mit solch einem Tag, der aussah wie alle anderen, hat diese Story zu tun.
Nun ja, der Tag hatte zum Sonnenaufgang wolkenloses Blau aufgelegt, hielt, was er wettermäßig versprach und Altenstadt mit seinem romantisch-schönen Schlosshotel zeigte sich mir von der besten Seite.
Bei Jürgen hinter dem Haus auf der Terrasse, mitten im satten Grün. In einem der bequemen Sitze begann ich mich richtig wohl zu fühlen und sah mir die gepflegte Gartenlandschaft samt Rasen rundum zum ersten Male an. Die Katze hatte schnell mit mir Freundschaft geschlossen und nahm mit wohligem Schnurren meine Streicheleinheiten hin, während Grasmücks kleiner Hund - ist er mehr als einen halben Meter groß? - mich von der anderen Seite der Terrasse und mit treuem Blick aus Hundeaugen nicht aus den Augen ließ. Dabei schaute ich doch nur zu, wie Karin sich am aufgebauten Freizeitgrill mit Holzkohle die Finger schwärzte.
Zwischendurch war Jürgen überall und nirgends und von uns dreien derjenige, der gar keine Ruhe kannte, aber nicht jene berüchtigte Nervosität ausstrahlte, mit der man den sitzfesten Gast zur Tür hinaus jagen kann. Er war einfach da und hatte immer wieder Zeit zu einem kurzen Gespräch.
Dass von Jürgen und Karin noch eine Handvoll Gäste erwartet wurden, ahnte ich nicht. Bloß wunderte ich mich, warum Jürgen ob des hohen Kotelett - und Wurstberges, den Karin vor dem leicht vor sich hin qualmenden Grill aufschichtete, nicht auch staunte, wer das alles essen sollte.
Wir drei vielleicht?
Unsere Unterhaltung nach rechts und links zusammen mit der prachtvollen Stimmung meiner Gastgeber und das Aufwärmen gemeinsamer Erlebnisse ließ die Zeit verrinnen. Jürgen hatte seine Ruhe wieder gefunden und Karin war mit dem Grillfeuer, das erst nicht richtig glühen wollte, zufrieden.
Aber dann war ich sprachlos, als Jürgen mich in seiner Bibliothek auf eine bestimmte Regal-Reihe aufmerksam machte und ich vor Überraschung schluckte. Besaß er doch von mir alle Buch-Romane. Das hatte ich nicht erwartet zu sehen.
Von irgendwoher wurde es lauter. Aber als ich die seriösen Stadtvertreter von Kassel und Lippstadt um die Ecke herum auftauchen sah, begriff ich, wer dem Fleisch- und Wurstberg neben dem Grill den Kampf ansagen würde. Und es hieß: "Halllo, Hans..." - Hallo, Werner..." - Hallo, ihr Michaels...!"
Die ganze Terrasse freute sich. Ehrlich! Am meisten unsere phantastischen Gastgeber und ganz besonders war einer von uns in seinem Element - Jürgen.
Er ihn kennt weiß, dass ich mir dieser Behauptung nicht übertrieben habe. Aber darüber darf Jürgens liebe Frau Karin nicht vergessen werden, die an jenem Nachmittag nichts lieber tat als ihrer gegrillten Kostbarkeiten immer wieder anzubieten. Und - sie wurde sie los. Restlos - auch wenn man sich daran die Finger verbrannte - wer nicht aufpasste.
Der Tag, der ganz und gar nicht so war wie all die vielen Tage im Jahr, ging weiter - eine Etage tiefer in Jürgens Katakombe.
Darin hatte der olle Aladin sein Unwesen getrieben und den letzten Tropfen geistiger Existenz in ein prachtvolles Arsenal etikettierter Flasche gesperrt. Dank Jürgens Rat wurden erst einmal die fotografischen Schnappschüsse geschossen und die für die ferne Zukunft geretteten Abzüge beweisen, dass zu diesem Zeitpunkt die Kamera nicht gewackelt hat.
Dann im Rundum-Gespräch (Lies: Keiner ließ keinen ausreden) wurde mit gebührender Behutsamkeit kontrolliert, ob Aladins Flaschengeister das Einsperrt sein gut überstanden hatten. Und der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich deutlich, das sein Flaschengeist auf den Namen "Jack Daniels" hörte und aufs Wort folgte.
Jürgen - unvergesslich dein Schmunzeln mit dem du deine einladenden Geister (Gäste) die du nun nicht mehr los wurdest, bei ihrem aufopfernden Tun beobachtetest. Da gab es auch noch dieses oder jenes und noch viel mehr - und alles war durchdrungen von einer Bombenstimmung, die keine Ecken und Kanten besaß. Und eingepackt in dem Gefühl, einen wunderbaren Tag bei prachtvollen Gastgebern verlebt zu haben, gaben wir dann später nacheinander das Händchen und ließen euch beiden Glücklichen verdient alleine.
Heute, an diesen 23.Januar 1990 in Altenstadt gibt es abermals einen "Tag bei Jürgen" - oder müsste es heißen "Einen Tag für Jürgen", alter Knabe? Wer, wie du, fünfzig Jahre jung geblieben ist, der muss es sich schon gefallen lassen, von einem älteren Freund und Kollege "Alter Knabe" genannt zu werde und - in Gedanken schmunzelnd habe ich dir auf die Schultern geklopft und dir dazu gewünscht"
"Alles Gute, Jürgen, für das, was auf dich zukommt. Alles, alles Gute und toi..toi... toi..
Kurt
So weit also Kurt Brands Original-Text zur Jürgens Geburtstag. Damals als er den Text schrieb, wusste er noch nicht, dass er mit seiner Frau Maria es tatsächlich schaffen würde, zu Jürgens 50stem Geburtstag den ›Alpen-Übergang‹ zu schaffen und selbst zu kommen.
Auf einem Bild im ›Dan Shocker-Reader‹, das dann in einer limitierten Hard-Cover-Version kam, ist auch ein Bild vom ganzen »Helleb-Marlos-Clan« oder der Tafelrunde von Helleb, die ab diesem Tag um einen neuen Baron erweitert wurde. Wie bekannt war das der Herausgeber des Zauberspiegels, als unser Küsten-Baron und Deich-Graf Hermann von der Küste in die Runde aufgenommen wurde - unmittelbar vor dem das Bild gemacht wurde.
Dieses Bild ist ein einzigartiges Dokument - zumal es uns alle mit den Ehefrauen zeigt – sofern man über eine solche verfügte. Meine hatte damals einige Tage vorher die Wohnung verlassen - ganz klar, dass sie nicht dabei ist. Ansonsten sind Karin und Jürgen Grasmück mit Tochter Constanze und Jürgens "Privat-Sekretär" Uwe Schnabel zu sehen. Heike und W.K.Giesa, Maria und Kurt Brand (Kurz steht da wie der Pate von Palermo), außerdem Hans Klipp, Horst Hermann von Allwörden (der neue Baron) mein Bruder Peter (Bannerführer des Reiches Helleb) und meinereiner. Alle in einer sehr ungewöhnlichen Gewandung - Anzüge, als wollten wir zum Opernball.
Es gab auch verschiedene Programmpunkte - einer davon war, das Hans Klipp sich noch mal die Gitarre um hing und ich einen Keystar - also ein Keyboard zum Umhängen - und noch mal ein paar Songs zum besten gaben. Hans hatte ja auch einen Text »Party auf Burg Frankenstein« geschrieben, den Harry als Rock-Song vertont hatte - der speziell auf Dan Shocker ausgelegt war.
Aber der Programmpunkt, der uns alle in Erinnerung bleibt ist wohl die Bauchtänzerin, die Karin engagiert hatte. Und wie das so ist, holte sich diese Frau nach einer gewissen Zeit jemanden, der mit ihr tanzte. Und da es das Geburtstagskind nicht sein konnte, was Kurt Brand der Auserwählte. Und was Kurt dann brachte, war nicht nur "echter Bauchtanz", denn schließlich hatte Kurt um den Äquator auch ein beachtliches Kügelchen. Er passte sich den Bewegungen der Tänzerin nicht nur und und ging auf ihre Bewegungen ein sondern seine Augen glichen auch denen eines Tigers, vor dessen Zirkus-Wagen man mit einem Steak spazieren geht. Aber Maria Brand lachte nur drüber. Appetit kann sich der Mann draußen holen - gegessen wird zu Hause.
Ja, Zusammentreffen bei Jürgen und Karin gab es viele - und auch zu den Feiern von Jürgens Geburtstag, wo auch meist sehr viele andere Gäste aus ihrem Freundeskreis anwesend waren, die über ein gewisses gehobenes Niveau verfügten und mit denen man interessante Gespräche führen konnte. Die Geburtstagsfeiern bei Jürgen waren dann auch Karneval, wobei eben alle kostümiert kam. Wie hatten da mit unseren Western-Klamotten wenig Problem und konnten und schon zu Hause ›kostümieren‹. Selbstverständlich kam auch immer Willibald mit - Werners oft erwähntes Skelett, das dann als ›Babsy‹ kostümiert vor dem Haus saß. Bei uns im Auto trug Willibald natürlich seine übliche Cowboy-Montur, wie wir auch.
So auch bei einer Fahrt nach Altenstadt. Der Knochenmann saß hinten zwischen mit und Peter, weil Werner die ›Excalibur‹ steuerte und der ›Herrscher‹ selbstverständlich vorne saß.
Irgendwann hatten die auf der Autobahn konstant die Polizei an Backbord. Die guckten sich die vier verrückten Cowboys an, die da in Richtung Süden fuhren. Also habe Peter und ich den Wilibald mal so nach vorn gebogen, den Kopf gedreht und die Hand erhoben, das er die Jungs von ›Grün-Weiß-Wiesbaden‹ hübsch grüßte. Darauf hin gaben die Freunde und Helfer Vollgas und waren rasch verschwunden. Aber das Leuchtzeichen zum Rechts ran fahren leuchtete nicht und so kamen wir pünktlich nach Altenstadt.
Wenn ich mich recht erinnere, war das Jürgens Geburtstag, wo ich meinen ältesten Wein getrunken habe. Jürgen hatte nämlich mal auf einer Auktion fünf Flaschen Blau-Burgunder aus dem Jahr 1940 ersteigert - seinem Geburtsjahr. Eine dieser Flaschen gab er zu diesem Anlass frei. Jeder der Gäste bekam ungefähr die Menge, die zwei Schnapsgläser haben.
Der Wein war inzwischen dickfüssig wie Likör-Wein geworden und den Geschmack kann man einfach nur mit ›köstlich‹ beschreiben. Das sind eben Erlebnisse, die man hat und die von Leuten, denen man es erzählt, kaum nachempfunden werden können.
»Das ist der Wein, den unsere Jungs damals in Paris getrunken haben!« war Peters Kommentar, der sich mit der neusten Geschichte bestens auskenne - denn 1940 sind ja deutsche Truppen in Paris einmarschiert.
Nächste Woche erzähle ich weiter von den Erinnerungen an diese Zeit mit Kurt, Jürgen, Werner und all den anderen. Diese Woche ist Lisa bei mir und wir müssen gleich los. Kino ist angesagt - der Film ›Ostwind‹. Da geht es natürlich um ein Mädchen und ein Pferd. Am Ostermontag waren wir in Kassel beim Circus Lieberum - mit denen ich ja gut befreundet bin. Während Lisa in den Stall-Zelten Pferde und Kamele streichelte, testete ich mal das Elektonik-Schlagzeug - nach der Vorstellung gabs eine kleine Mucke mit Akkordeon und Trompete zur Einstimmung - und so müssen Lisa und ich am Freitag noch mal hin - ratet mal, wer dann während die Vorstellung in die Musik diverse Effekte trommelt. Und am Samstag auch, wenn ich Lisa zurück bringe.
Je oller, je doller. Einmal Drummer - immer Drummer. Ich bin dann ›mal wieder beim Zirkus‹. Bis in einer Woche also...