Die vorletzte Teestunde
Die vorletzte Teestunde
Vermutlich hat WK deshalb dafür gesorgt, dass andere Autoren in die Serie kamen und den letzten Band des 666er dahingehend geändert, als seien damit jetzt alle Fragen geklärt. Dass der Professor Zamorra durch die vielen Neu-Autoren ein noch viel größeres und unübersichtlicheres Spektrum bekam, weil jeder Autor seine eigenen Figuren und Ideen mit einbrachte, ist W.K.Giesa erst aufgegangen, als es zu spät war.
Werner hat mir mehrfach am Telefon sein Leid geklagt, die Neu-Autoren wollten nicht so wie er wollte und keiner würde dich nach seinen Vorgaben richten. Und natürlich hätten sie seiner Meinung nach auch alle kein Format gute Romane zu schreiben.
Nun, nachdem ich über Werners Krankheiten in der Teestunde schon vor längerer Zeit etwas deutlicher geworden bin, als es manche Leute ertragen konnten, sollte man das mit seinem "nicht schreiben können" nicht zu hoch bewerten. Zumal er sich ja für seine eigenen Romane, die ich doch immer mal gelesen habe, ziemliche Kritik anhören musste.
Vor allem kritisierte ich ihn deshalb, weil er meistens wunderschöne Ideen und Möglichkeiten einfach vergab, ohne richtig was draus zu machen - weil eben die Seitenzahl erreicht war. Oder er fing einen Mehrteiler unglaublich stark und rasant an, so dass ich ihn sogar anrief, um ihn zu belobigen. Und schon nach dem zweiten Band flachte Spannung und Rasanz ab - um am Schluss eine schon voraus zu ahnende Entwicklung zu bringen.
Eine seiner wahren "Meisterleistungen" dieser Art war die Spiegelwelt. Was hätte man da draus machen können. Thematik für Taschenbücher und vielleicht sogar Hard-Cover. Aber Werner hat die Spiegelwelt eben so ausgearbeitet, wie es sich für ein Roman-Heft gehört. Nur erinnere ich mich an einen Spruch von Dr. Pesch damals, der sagte, Werner und ich würden Roman-Hefte schreiben, um die ein Buchdeckel gehört. Also sagen wir, nach einem "Buchdeckel"-Einstieg in die Spiegelwelt ging Werner danach "back to the roots".
Die wirklich guten Mehrteiler von Werner waren die "Straße der Götter", seine 200er und 250er Trilogie, die er völlig alleine entwickelt hat und die "Dynastie der Ewigen", die Werner und ich zusammen entwickelten und dann auch in kurzen Exposès fest hielten. Die größte Enttäuschung für mich war der 500ter Zyklus "Die Quelle des Lebens". Der erste Roman ist perfekt. Werner Kurt Giesa in höchster Vollendung - ein absolute Meisterleistung. Und dann gleitet die Handlung samt der Spannung immer weiter ab. Doch diese Romane hat er sicher noch selbst geschrieben.
Werner hätte besser getan, den Leuten, die er so ab Band 650 mit in den Zamorra mit rein genommen hat, ein straff gefasstes Expose vorzulegen und wenn man sich nicht danach gerichtet hätte, den jeweiligen Roman abzulehnen oder ändern zu lassen. Aber so genau weiß ich auch nicht wie damals der Vorlauf war und ob W.K.Giesa wirklich beim Professor Zamorra der Koordinator war, ohne den nichts ging - als was er sich im Gespräch immer bezeichnete.
Ich erinnere mich, ihm im vorletzten Gespräch den Vorschlag gemacht zu haben, mit einem großen Rundschlag alles das, was die Neu-Autoren in die Serie reingebracht haben, wieder raus zu fegen und dann gemeinsam wie damals in Ahnatal in gemeisamen Gespräch zusammen für ein halbes Jahr die Handlung zu entwickeln, die Titel festzulegen und Exposes von ca. 2 bis 3 Seiten Länge zu schreiben.
Aber das wollte Werner nicht. Wahrscheinlich, weil er sich dann viele seiner neuen Freunde vergrämt hätte. Denn ich hatte ihm natürlich auch empfohlen, bis auf zwei oder maximal drei seiner Neu-Autoren alle anderen wieder raus zu werfen. Ich selbst war damals noch im Beruf und hätte ihm vielleicht die Exposè geschrieben, aber keinen Roman. Dafür hatte Werner die Serie meiner eigenen Denkungsweise schon viel zu weit entfremdet.
Aber egal ob Werner damals innerhalb der Serie "noch was zu sagen hatte" der nicht - er verzichtete auf mein Angebot, das für mich als ehrenamtlicher Exposè-Schreiber eine Herausforderung gewesen wäre, wie es zuletzt "Visionia" war. Was sich sonst so alles auf der Verlags- und Schreibe-Szene abspielte interessierte mich weitgehend nicht mehr. Ich war da ja weitgehend "gafia" (Gone away from it all) und die Kontakte waren bis auf Werner alle abgebrochen.
Dann kam eben jener Schicksalstag - an dem mir Hermann in der Innenstadt von Kassel während meines Rundganges in der Mittagspause über den Weg lief Zuletzt hatten wir uns an dem Tag gesehen, wo er mir eine kleine, schwarze Katze mit etwas Weiß im Fell brachte. Katze Fee aus dem Hause derer von Allwörden ist inzwischen eine alte Dame geworden mit wenig Zähnen - erfreut sich aber immer noch bester Gesundheit und bleibt jetzt im Sommer auch mal über Nacht weg.
Das Zusammentreffen mit Hermann brachte mich eben wieder dazu, an den bereits so gut wie abgeschlossenen Faden der Schreiberei anzuknüpfen, wo ich eigentlich nichts mehr mit zu tun haben wollte. Aus einem Interview wurde dann die Teestunde und nebenher erfuhr ich, dass inzwischen die Zamorra-Redaktion eine Frau Susanne Picard hatte. Werner habe da nichts mehr zu melden.
Das war irgendwann im Spätsommer 2007. An unserem letzten Telefonat im Januar erklärte mir Werner noch einmal, dass er und nur er im Zamorra das Sagen hätte. Auf die Frage, wie er denn lebe, weil ja kaum noch ein Zamorra-Roman von ihm käme war die Antwort, er käme schon zurecht und ich sollte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.
Nun ja, er wollte keine Hilfe und auch, als ich ihm anbot, mal auf einen Kaffee vorbei zu kommen, falls er sich mal was von der Seele reden wolle wurde mir von ihm gesagt, er habe zu tun und ich solle weg bleiben. Wenn es ihm nach ginge, würde er dahin gehen, wo Heike jetzt ist. Und außerdem habe er genug Freunde in seiner Umgebung, die sich um ihn kümmern würden.
Ungefähr einen Monat später war Werner dort, wo er hin wollte, also bei Heike, und ich vermute, manch einer der mit der Serie "Professor Zamorra" Beschäftigten wird froh gewesen sein, dass W.K.G. nicht mehr miterleben musste, dass vielleicht für ihn im neuen Zamorra-Team nur noch ein Platz als gelegentlicher Gast-Autor gewesen wäre. Denn daraufhin wäre es, wenn ich mir so seine letzten Romane durchsehe, hinaus gelaufen.
Die Möglichtkeit, den Zamorra mit dem Großen Arkana-Tarot als Ewiges Spiel weiter zu führen hatte ich Werner damals schon bei dem Gespräch vorgeschlagen, bis auf zwei oder drei Neu-Autoren den Rest wieder raus zu nehmen. Werner fand das geeignet für eine neue Serie - aber nichts für seinen Professor Zamorra. Nach Werners überraschendem Tod am Valentins-Tag brachte ich das Konzept in die richtige Form und ließ es über Hermann an die Zamorra-Redaktion einreichen.
Die Sache hätte ich auch der Sphinx von Gizeh erzählen können, denn die Reaktion wäre ähnlich gewesen. Und deshalb konntet ihr vor einiger Zeit hier im Zauberspiegel lesen, wie es beim Zamorra weiter gegangen wäre, wenn das Konzept durchgekommen wäre und ich auf dem, was Werner hinterlassen hat, hätte weiter aufbauen können.
Allerdings - außer für Manfred Weinland und maximal noch einem Autoren wäre die Tür für den Rest der Schreiber zu gewesen. Zumal ich kurze Zeit zuvor aus gesundheitlichen Gründen den vorgezogenen Ruhestand angetreten hatte und nun in der Lage gewesen wäre, die Serie alleine zu schreiben. Genau so wie es Werner damals auch machte. Vierzehn Tage sind mehr als ausreichend für ein Romanheft - selbst mit einem etwas erweiterten Hintergrund.
Ich gehe mal davon aus, dass in der Zamorra-Redaktion schon ein Handlungsrahmen geschaffen worden war, als Werner noch lebte. Das wäre nicht nur eine Erklärung, warum weder ich noch Hermann per Mail oder per Telefon erklärt bekamen, dass man im Zamorra andere Wege einschlagen möchte und daher das eingereichte Konzept als Makulatur betrachtet.
Ich gehe stark davon aus, dass Redaktion und Autoren der Zamorra-Serie schon zu Werners Lebzeiten eigene Vorstellungen hatten, wie es in der Serie weiter gehen soll. Eine kompakte, bereits ausgearbeitete und schlüssige Handlung, die der Leser heute eben seit fast fünf Jahren zu lesen bekommt.
Aber das neue Team geht eben einen anderen Weg. Und würde der nicht bei den Lesern ankommen, dann gäbe es die Serie bereits nicht mehr. Und der tausendste Zamorra-Band ist bereits geschrieben und wird sicher den Lesern manche Überraschung bereiten.
Daran, dass der Professor Zamorra mal 1.000 Ausgaben und mehr erleben würde, da war so um den 200ter herum noch kein Gedanke .
Anmerkung der Redaktion: Die Kommentarfunktion ist deaktiviert, da wir über den grundsätzlichen Inhalt des Textes in Variationen an anderen Stellen im Zauberspiegel ausgiebig diskutiert haben ...