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...Erinnerungen an einen Freund, meinen Agenten, Jürgen Grasmück und Dan Shocker

Teestunde mit Rolf - SpezialMoin Rolf, heute ist es Zeit für eine besondere Runde Tee. Heute wäre Jürgen Grasmück 70 Jahre alt geworden. Was fällt Dir denn dazu ein? Der Tee ist bereitet, die Teewurst aufs Brot verschmiert und wir harren gebannt Deiner...

...Erinnerungen an einen Freund, meinen Agenten, Jürgen Grasmück und Dan Shocker

Ist das tatsächlich schon zwanzig Jahre her? Die große Feier im „Gelben Saal“ der Stadthalle in Hanau. Die Halbjahrhundertfeier von Jürgen Grasmück, den ich mit Fug und Recht als einen der besten und ehrlichsten Freunde bezeichnen kann, die ich in meinem Leben jemals gehabt habe.

Die Ärzte hatten Jürgen wegen seiner tückischen Krankheit, die ihn seit dem 15ten Lebensjahr dazu verdammte, in einem Rollstuhl zu sitzen, nur eine Lebenserwartung von vierzig Jahren eingeräumt. Alles zusammen haben sich die Herrn Doktores dann um 27 Jahre verrechnet.

 

Auch wenn es ein Leben war, wie ich es niemandem, nicht einmal meinem ärgsten Feind wünschen würde.  Ein Leben im Rollstuhl, seit dem beginnenden Teenager-Alter. Mit 14 hat er, wie er uns mal erzählte, noch Fußball gespielt. Ein Jahr später war es vorbei mit den freien Bewegungen.

Das Schicksal kann grausam sein und den Menschen zu einem Leben verdammen, dass dich von allem, aber auch wirklich von allem abscheidet, was wir „Gesunden“ als Lebenswert ansehen. Ohne die Hilfe  anderer Menschen kannst du nicht, gab nichts machen. Oh, so ein ganz kleine wenig  habe ich gespürt, was Jürgens  Leben war und was er körperlich  durchgemacht hat. Vor fast vier Jahren habe ich davon einen einen Hauch verspürt.

Es war eine Lungenentzündung und die Ärzte gaben mir noch 20 % Überlebenschance. Drei Wochen lag ich im künstlichen Koma. Und als ich auf der Intensiv-Station wach wurde, konnte ich gerade noch die Finger leicht bewegen.  Es war kein Hauch von Kraft mehr da. Nicht einmal die Hand konnte ich richtig heben.

Und genau so ist es Jürgen gegangen. Nur sagen mir dann die Ärzte und Pfleger, dass sich das bei mir alles wieder geben würde. Jürgen aber wusste ganz genau, dass ihn nur der Tod aus dem Rollstuhl erlösen würde. So habe ich zwar für ungefähr vier Wochen bei steigender Besserung ab der dritten Woche körperlich etwas von der Hilflosigkeit verspürt. Aber nicht die seelische Belastung des Bewusstseins, dass sich in diesem Leben nichts, gar nichts ändern würde.  Jedenfalls nicht nach der Schulmedizin. Und Wunder – ja, auf so was haben wir für Jürgen heimlich immer gehofft. Aber – Wunder geschehen nicht, wenn sie der Mensch erhofft, sondern wenn die Kraft, die Wunder geschehen lässt, es will.

Es waren schlimme Tage und noch schlimmere Nächte an über dreißig Versorgungsleitungen und der Hilflosigkeit eines Neugeborenen. Auch wenn ich unbequem lag, ich konnte mich nicht selbst umdrehen sondern musste warten, bis das die Pfleger machten.  Tag später  wurde ich für Stunden in den Rollstuhl gesetzt, konnte mich aber auch da nicht bewegen. Saß ich unbequem musste ich warten, bis zwei Stunden später jemand kam. Durch  den Luftröhrenschnitt und die künstliche Beatmung konnte ich ja auch nicht sprechen.

Und das hat Jürgen Grasmück sein ganzes Leben  ertragen müssen. Das kam mir damals so richtig zu Bewusstsein. Vorher konnte ich das Leben im Rollstuhl und der ständigen Hilfe, ohne die nichts geht, immer nicht so richtig nachvollziehen. Jetzt   kann ich es.

Als ich dann wieder zu Essen bekam, musste ich wie ein Baby gefüttert werden. Ich konnte einfach keinen Löffel halten. Auf diese Art konnte mich mein Bruder, den ich als Baby mit Brei gefüttert hatte, sich fast 40 Jahre später revanchieren.

Doch im Gegensatz zu mir, der wusste, dass er irgendwann wieder voll beweglich und gekräftigt sein würde, gab es für Jürgen  nicht den Hauch einer Chance, dass er sich jemals wieder aus dem Rollstuhl erheben konnte.

Jedenfalls nicht mit seinem irdischen Körper. Am 7. August 2007 jedoch erhob sich seine unsterbliche Seele, ließ den für sie lästigen Körper im Rollstuhl zurück. Und damit begann das, was Jürgen schon zu Lebzeiten als  sein „wahres Leben“ bezeichnete, dass in diesem Augenblick beginnen würde.

Wir haben im Freundeskreis damals sehr wenig über Jürgens Krankheit geredet, sondern sind darüber hinweg gegangen. Jürgen Grasmück lebte mit seinem Schicksal und hatte es akzeptiert. Ständiges Bemitleiden wollte er nicht. Er wollte als Mensch akzeptiert werden. Und deshalb waren Krankheiten bei uns nie das Thema. Zumal wir alle, wenn ich „alle“  sage meine ich überwiegend Werner Kurt Giesa, Hans Klipp, Uwe Schnabel samt mir und meinem Bruder Peter, der damals  meistens  mit dabei war, damals Ärzte und Krankenhäuser nur vom Hörensagen kannten. Das hat sich ja inzwischen geändert. Selbst mein „kleiner Bruder“  ist inzwischen Stammgast beim Onkel Doktor.

Es war für uns völlig ausreichend, dass wir durch die vielen kleinen und kleinsten Dinge, die für ihn notwendig waren, damit konfrontiert wurden. Und wenn wir konnten, fassen wir auch mit zu. Hauptsächlich dann, wenn es mit dem Rollstuhl über die Treppen ging. Nach einer gewissen Zeit wussten wir dann auch alle einigermaßen Bescheid, wo wir da anfassen mussten.  Aber – wir machten immer nur die Arbeit für „dumm und stark“.  An der Lenkung waren immer entweder Karin oder Uwe Schnabel, der sich auch bestens auskannte. Womit wir manchmal spaßeshalber bemerkten, dass Uwe für Jürgen das war was Igor für Victor von Frankenstein ist.

Ein Mensch mit der Krankheit „Muskelschwund“ kann so gut wie nichts selbst machen. Die Tasten seiner Schreibmaschine bedienen oder den Korrekturstift in den Manuskripten zu benutzen – mehr war nicht drin.. Und selbst seine Schreibmaschine war so konstruiert, dass sie einen sehr leichten Anschlag hatte und die Korrekturstifte brauchten nur ganz wenig Druck.

Es gab auch Tage oder Situationen, wo es Jürgen gut ging. Das war meistens bei warmen und trockenem Wetter so.  Oder bei besonderen Ereignissen. Als ich damals meinen Polterabend im gleichen Hotel feierte, wo am nächsten Tag meine Hochzeit stattfinden sollte, kamen Karin und Jürgen etwas später am Abend während Kurt Brand schon mal die Theke vorgewärmt hatte. Die Tafelrunde war also komplett zusammen.

Jürgen war bester Stimmung. Normalerweise trank er keinen Alkohol außer gelegentlich mal etwas Wein.  Hier ließ er sich ein halbes Glas Bier bringen, hob es mit einer Hand am langgestreckten Arm und rief: „Ich fühle mich heute bärenstark!“ Und dann trank er, der normalerweise nur einen oder zwei Schlucke machte, das halbe Glas fast leer.

Für Jürgen war das vermutlich so, als hätte einer von uns eine bayrische Maß Bier getrunken. Wir haben uns später gegenseitig eingestanden, dass es uns allen eiskalt den Rücken runter gelaufen ist. Denn einen solchen „Kraftakt“ haben wir von Jürgen weder vorher noch hinterher jemals wieder gesehen.

Zwanzig Jahre ist die Feier in der Stadthalle Hanau schon wieder her. Eine Einladung, mit der keiner von uns mehr gerechnet hatte.  Die früheren Geburtstagsfeiern hatten wir in der Kellerbar im Hause Grasmück erlebt. Aber diese Zeit  lag schon Jahre zurück. Durch das Desaster im Heftromangeschäft im Jahr 1986, als die Grusel-Serien starben,  war jeder aus dem Freundeskreis auch eigene Wege gegangen. Denn es hieß – rette sich, wer kann.

W.K.Giesa hatte damals nur noch seine Serie „Professor Zamorra“, die ihn, der gerade Ehemann geworden war, noch einigermaßen über die Runden brachte.

Ich hatte nach einem Jahr der Abstinenz, in der ich versuchte, durch das Schreiben von Heften mehr zu verdienen als mein kleines Beamtengehalt ausmachte, wieder meinen Arbeitsplatz bei der Stadtverwaltung Kassel eingenommen. Die Übernahme zum Ordnungsamt in die Abteilung für Handel, Gewerbe und Gaststätten war für mich ein absoluter Traum-Job. Darin ging ich, im Gegensatz zu den früheren Jahren bei der Beschaffungsstelle, als ich mir den persönlichen Frust von der Seele schrieb, voll auf. Und weil ich mich beruflich voll ins Geschirr geworfen habe war auch kein besonderes Interesse mehr vorhanden, Romane zu schreiben.  

Und Jürgen, der durch die Einstellungen von Larry Brent und Macabros ebenfalls von einem auf den anderen Tag völlig ohne Einnahmen war, hatte die Flucht nach vorn angetreten und in Hanau eine esoterische Buchhandlung aufgemacht.

Allerdings – er hätte weiter schreiben können. Denn das Angebot war da. Und zwar von einem anderen Autoren, der auch zu seinen Freunden gehörte.

Ich spreche hier von Helmut „Jason Dark“ Rellergerd. Der war damals Redakteur beim „Professor Zamorra“ und bot Jürgen an, die Serie weiter zu führen. Der Name „Robert Lamont“ wäre dann eben durch „Dan Shocker“ ersetzt worden. Und dieser Name hatte damals noch einen viel bekannteren Klang.  Dem Bastei-Verlag wäre das nur Recht gewesen, ein solches „Zugpferd“ einzukaufen.

Vielleicht wäre der Zamorra-Hintergrund in den Dan-Shocker-Romanen etwas anders gewesen. Aber garantiert nicht schlechter.  Auf einige Dinge aus dem Giesa'schen „Zamorra-versum“ hätte der Leser dann verzichten müssen. Aber seid versichert – es wäre stattdessen etwas anderes gekommen, was die Serie auch am Leben gehalten hätte.

Ja, warum sage ich wohl, das Jürgen nicht nur zu den besten, sondern auch zu den ehrlichsten Freunden gehört, die ich je gehabt habe. Jürgen hat das Angebot, den Zamorra weiter zu machen, mit der Begründung  abgelehnt,  er würde  einem Freund nicht die Existenzgrundlage rauben.

Ja, von 1986 bis zum Jahr 1990 war „viel Wasser die Fulle runtergelaufen“ wie man in Kassel so sagt. Jeder hatte genug mit sich selbst zu tun  und es war nicht mehr notwendig, sich so oft zu sehen, wie das in den Zeiten vorher der Fall war. Vor allem in der Zeit, als Werner und ich dem „Magier“ schrieben und wir uns öfters mal verbal vom „Chef“ abwatschen lassen mussten, weil ihm dieses und jenes im Manuskript nicht gefiel.

Von uns drei „Autoren“ schreib nur noch W.K.Giesa seinen „Zamorra“. Ich stieg voll in meine Tätigkeit als Prüfbeamter für Getränkeschankanlagen und Gaststätten und Jürgen saß hinter dem Tresen der Buchhandlung, machte für Kunden fachgerechte Beratung  oder organisierte esoterische Lehrgänge. Natürlich gab es immer mal Besuche in Altenstadt. Oder besser gesagt, dann fanden sie in Hanau in der Buchhandlung statt.

Aber allzu oft war das nicht. Denn ich habe  Werner und Heike nur einmal alleine besucht, als sie das große „Malerhaus“ bewohnten und diesen Termin eben zu einem Besuch  bei den „Grasmücken“ genutzt. Es kam noch hinzu, dass ich wusste, dass Jürgen und Karin einen großen Bekannten- und Freundeskreis hatten. Dazu war die Buchhandlung die ganze Woche über geöffnet – auch Samstagvormittags. Da wollte ich ihnen nicht das restliche Wochenende, an dem sie beide etwas Erholung haben konnte, auch noch mit meinem Besuch kaputt machen.

Dass ich hier nur Werner, Jürgen und mich angebe bedeutete nicht, dass der andere Freundeskreis wie Uwe Schnabel, Kurt Brand, Horst Hermann von Allwörden, Hans  Klipp oder mein Bruder Peter da nicht  aufgezählt  werden müssten.  Nur waren die eben nicht durch Heftromane und Agenturvertrag auch noch geschäftlich miteinander verbunden. Und deshalb hat sie das Seriensterben im Phantastik-Bereich im Jahr 1986 auch nicht besonders getroffen.

Aber echte Freunde müssen sich ja nicht immer sehen und aneinander hängen, um die Freundschaft zu pflegen. Ich schicke immer Geburtstags- und Weihnachtskarten um anzuzeigen, dass es mich nicht gibt und ich niemanden vergessen habe.

Meine Freunde wissen auch, dass ich komme und helfe, wenn sie mich rufen. Wie damals als Werner mit Heike von Lippstadt nach Altenstadt und später aus dem „Malerhaus“ in die Siedlung nach Lindheim umgezogen ist.  Aber von alleine komme ich nicht – auch wenn gesagt wird: „Komm doch mal vorbei!“.

Ich bin wie der Teufel. Mich muss man rufen! Und zwar mindestens zwei Mal – was mich eben von Old Satan unterscheidet. Denn den muss man nach Goethes „Faust“ eben drei Mal bitten, wenn er kommen soll.

Der Kontakt mit Karin und Jürgen bestand eigentlich nur aus meinen erwähnten Grußkarten und aus gelegentlichen Telefonaten. Das Internet gab es in dieser Hinsicht noch nicht. Sie organisierten neben ihrer Buchhandlung noch esoterische Lehrgänge und hatten jede Menge zu tun.

Werner hatte inzwischen mit Heike zusammen einen neuen Freundeskreis gefunden und die Kontakte zu ihnen gingen auch nicht über Telefonate hinaus. Jeder hatte seine eigene Welt – und natürlich auch deine Ehefrau. Außerdem hatte  ich  mich eben hauptsächlich in meinen bürgerlichen Beruf gestürzt.  Einer der Gründe, warum ich an schriftstellerischen Erfolgen im Bereich „Heft-Roman“ nicht mehr so recht interessiert war.  Die Zeit war vorbei – und außerdem war ich zu damaligen Zeiten ja verheiratet und musste mich da etwas einfügen.

Doch als die Einladung zu Jürgens 50sten Jubel-Fest nach Hanau kam, war ich wieder frei wie ein Vogel. Ab dem 13. Januar 1990 hatte ich die Wohnung wieder für mich alleine und  so fühlte ich mich beim Fest am 23. Januar wie ein Pferd, das man in die freie Wildbahn entlassen hat. Und damit der Platz neben mir, auf dem sonst jemand anderes gesessen hatte, nicht leer blieb, machte ich klar, dass mein Bruder Peter die Einladung bekam.

So kamen also die Michael-Brothers samt Hans Klipp und den aus dem hohen Norden nach Kassel angereisten Horst Hermann von Allwörden  nach Hanau. Und weil Kurt und Maria Brand extra zu Jürgens Ehrentag aus Kaltern anreiste, war die Tafelrunde derer von Helleb noch einmal komplett. Und nicht nur das, wir haben am Schluss der Feier Hermann in diesen Freundeskreis als den „Küsten-Baron“ aufgenommen.

Uwe Schnabel, Jürgens langjähriger Freund und von Karin mal abgesehen, sein engster Mitarbeiter,  hatte zusammen mit Horst Hermann von Allwörden organisiert, dass zur Feier des Festes speziell für ein Buch mit dem Titel „Dan-Shocker-Reader“ aufgelegt wurde.  Und nicht als Paperback, sondern als Hard-Cover mit Schutzumschlag.  Als Inhalt waren nicht nur Grußbotschaften an das Geburtstagskind und die Würdigungen seiner Werke drin, sondern auch  zwei komplette Dan-Shocker-Romane und eine ganze Reihe seltener, privater Fotos.

Jetzt müsste ich eigentlich was über Dan Shockers Werk schreiben. Aber das haben andere schon besser getan – wie eben im erwähnten „Dan Shocker-Reader“ zu lesen ist. Also erübrigt es sich, darüber was zu schreiben. Sucht die Dan-Shocker-Romane aufzutreiben – seien es Hefte, Taschenbücher oder auch die alten Leihbücher – wobei man auch unter Namen wie Jay Grams oder Jürgen Grasse  schon mal einen SF-Roman findet. Denn eigentlich kommt  Jürgen aus der Science-Fiction – die er aber damals schon mit Grusel-Elementen würzte.

Und das Jürgens Werk auch nach seinem Weggang in eine andere Sphäre weiter  lebt sehen wir daran, dass seine Serien in Hard-Covern und Hörspielen weiter geführt werden.

Eigentlich wollte ich ja jetzt über das Fest schreiben, aber jetzt brodeln die Erinnerungen hoch und wollen raus. Also, lassen wir ihnen freien Lauf... wie das alles so gekommen ist...  

Der erste Kontakt zu Jürgen Grasmück oder besser gesagt zu Dan Shocker ist natürlich  der über seine Romane gewesen. Natürlich habe eine ganze Reihe davon gelesen – wenn auch nicht gesammelt. Gelesen und verschenkt – in meinem kleinen Appartement war damals nicht viel Platz und ein Romanheft-Sammler bin ich nie gewesen.

Die Dan-Shocker-Romane waren für mich zwar spannend, aber Larry Brent hat nun mal auch einen Haus von James Bond, Agenten-Thriller und Krimi mit einer Gewürzmischung aus Fantasy und SF.. Und ich neige eben nun mal mehr zum klassischen Horror-Roman.  

Und wenn ich mir da wirklich mal einen  Grusel-Roman gekauft habe, dann war es, auch schon vor Werners Zeit, ein „Professor Zamorra“. Wenn da auch nichts über Magie und artverwandte Gebiete drin zu lernen war. Aber es fehlten hier eben die SF- und Agenten-Elemente wie in den Abenteuern der PSA-Agenten um Larry Brent.

Aber so ein echter Heft-Leser oder Fan von einer Serie bin ich ja nie gewesen. Dennoch, Dan Shocker, das war mir natürlich ein Begriff. Eine Art Markenzeichen – schon von der Knochen-Kralle her.  Zumal auch in den Heften ein Bild des Meisters drin war, den wir später immer gern als den „deutschen Grusel-Papst“ bezeichneten.  

Das Bild gefiel mir jedenfalls. Der Autor hatte Vampir-Zähne. Also identifizierte er sich mit den Sachen die er schrieb. Dass eben dieser Autor im Rollstuhl saß und keine Tasse Kaffee heben konnte sah man diesem Bild ja nicht an.   

Und so konnte ich dann auch mit Werners Mitteilung etwas anfangen, als er erzählte, dass sein literarischer Agent Dan Shocker wäre und ihm helfen wolle, Romane professionell zu veröffentlichen. Da von mir überhaupt kein Interesse bestand, jemals etwas zu  veröffentlichen nahm ich an, dass eben jener Dan Shocker nur für Werner wichtig war.

Dan Shocker machte ja „Horror“ und seine Agentur war sicher nur auf „Grusel-Geschichten“ spezialisiert.  Wenn überhaupt, dann wollte ich Action-Fantasy mit Schwerter-Klirren, am Besten so was wie „Conan“ schreiben.

Die ersten Episoden von „Gunnar mit den zwei Schwertern“ in unserem Fanzine „Antares“ waren ja bei den Lesern gut angekommen.  Aber – ich war ja als Schlagzeuger in der Band und hatte zum Schreiben kaum Zeit.
Und was ich eben geschrieben habe, das reichte für die Fanzines.

Wie das alle kam, dass ich mit jenem legendären Dan Shocker doch Jahre später ein Telefonat führte, kann aus meinen anderen derzeit aktuellen „Teestunden“ rausgelesen werden.

Es war eine angenehm weich klingende Stimme mit südhessischem Akzent. Auch so was schafft bei mir Pluspunkte. Durch eine mit Dialekt eingefärbte Sprache zeigt man seine Ursprünglichkeit und baut innere Barrieren ab. So sehe ich das jedenfalls. Mir fließt der Kasseläner Dialekt ja auch in die Rede. Und Kurt Brand redete, wenn er gemütlich war, in seinem rheinischen Dialekt. Nur bei Werner war das anders. Man musste schon sehr genau auf die Wortwahl achten, wollt man den gebürtigen Westfalen raus hören.

Je mehr ich Schreibe-Versuche machte, die nach dem Anfangserfolg mit dem „Kraken-Götzen“ erst mal auf wenig Begeisterung bei Verlagen stießen, häuften sich die Telefonate mit meinem „Agenten“. Jürgen versuchte mir klar zu machen, wie ich denn zu schreiben hätte, damit das in den Augen des Redakteurs  Gnade fände.  

So gut es ging hat er versucht, mit meine „Höhenflüge“ auszutreiben und mir klar zu machen, dass eben der „Lovecraft-Stil“ oder sonst die Art der „Alten Meister“ zu schreiben, höchsten in kleinen Brocken in die Handlung eingeschoben werden dürfen.

„Was Sie da schreiben, sind halbe Sachbücher!“ hörte ich immer wieder.  „Und mit den langen Erklärungen im Text ist es, als wenn man fahrende Züge aufhält!“ Wobei ich Jürgen noch nachträglich Recht geben muss, wenn ich so manches meiner „Frühwerke“ durchblättere.  Wenn ich mir die Sachen heute betrachte, dann gäbe es keinen meiner alten Romane, den ich nicht stilistisch grundlegend ändern würde.

Aber die „Abgelehnten“ waren noch viel abgehobener. Und es war zu erkennen, das Jürgen am Telefon manchmal am Verzweifeln war. „Sie können es doch! Sie haben Talent! Machen Sie es doch so, wie ich gesagt habe!“ Nur – es wollte einfach nicht gelingen. Es war zum Verzweifeln – für Jürgen. Und für mich war die Sache schon wieder halb erledigt. Ich hatte ja einmal was veröffentlicht. Das musste für mein persönliches „Ego“ reichen.

Den Kick gab dann der Film „Jäger des verlorenen Schatzes“, der erste Film mit Indiana-Jones. Als ich das Kino verließ wusste ich, was ich schreiben wollte. Und wie ich es schreiben wollte.  

Den Roman „Herr der grünen Hölle“ hatte ich sehr schnell runter getippt – und es dauert wirklich nicht lange, bis ich den Honorarscheck in der Hand hatte. Seit dieser Zeit hatte ich bis zum großen Zusammenbruch im Jahr 1986 keine Ablehnung mehr.

Werner ging inzwischen im Hause  Grasmück ein und aus und erzählte so einiges davon. Ich erfuhr von Jürgens Krankheit mehr und von seiner Frau Karin, die wirklich alles für ihn machen musste. Auch dass die beiden eine erwachsene Tochter namens Constanze hatten. Und natürlich  wurde auch von Siam-Kater Larry und Bernhardiner-Hündin Cora erzählt. Dennoch hätte ich niemals geglaubt, das alles mal zu sehen.

Einerseits war Jürgen Grasmück zwar mein Agent – andererseits brachte ihn natürlich die Menge seiner Veröffentlichungen bei mir in den Rang eines „Stars“. Und die schwebten eben irgendwo zwischen Jupiter und Saturn und waren für uns kleine Sterblich nicht erreichbar.

Aber irgendwann war der Tag gekommen, dass wir uns kennen lernten. Und nicht nur Jürgen und  Karin zusammen mit Uwe Schnabel, damals schon eine Art Privat-Sekretär und Kanzler des „Herrn von Marlos“ sondern auch Horst-Hermann von Allwörden – allerdings blieb bei mir erst nur der Name Hexen-Hermann hängen.

Es war in der für uns Nordhessen ungeliebtesten Stadt – in Frankfurt am Main. Es war ein Marlos-Treffen anberaumt, das gleichzeitig mit der IAA zusammen fiel. Folglicherweise wurde ich von Werner erst mal an jeder Menge Luxus-Karossen und Nobel-Schlittern vorbei geführt bevor wir dann endlich  zum Con-Lokal kamen.

Ich hatte einige Zeit vorher meinen ersten Zamorra veröffentlicht und Werner  war damals schon Hauptautor dieser Serie.. Dennoch gab es bei Marlos-Treffen eigentlich nur einen Autoren, der richtig Beachtung fand. Und das schließlich mit Berechtigung. Bei Cons haben die Fans Vorrang – man zieht sich ja anschließend diskret zum Plauderstündchen zurück.

Jürgen und ich haben bei diesem ersten Treffen recht wenige Worte miteinander gewechselt. Denn es war ja ein Fan-Treffen und kein Geschäfts-Termin. Aber eine Sache gab es doch noch in Frankfurt. Hans Klipp war nämlich in Frankfurt mit dabei – und zusammen mit Werner hatten wir die Idee der „Tafelrunde von Helleb“ gehabt.

Dieser Tafelrunde sollten nur Autoren angehören, die in ihren Werken die Menschheit darauf vorbereiteten, dass es noch Leben im Kosmos gibt und dass wir irgendwann Kontakt bekommen werden.

Wir baten Jürgen um die Ehre, ihn in unseren Kreis Gleichgesinnter aufzunehmen. Und nachdem  wir ihm klar gemacht hatten, dass dies kein Jokus war sondern ungefähr das gleiche werden sollte, was die „Hyborian Legion“ bei den Fantasy-Autoren in Amerika ist, nahm er unsere Bitte an.

Wir hatten die Schwerter für den Ritterschlag dabei und seit dieser Zeit gehörte  „Sir Jay von Marlos“ zur Tafelrunde. Der Name „Jay“ kommt natürlich von „Jay Grams“, wie schon erwähnt eins von Jürgens früheren SF-Pseudonymen.

Ja, das war der erste Kontakt. Und dann begann eine interessante und außergewöhnliche Zeit vom Gang der Ereignisse nicht mehr genau rekonstruieren kann.  Also gehen die Erinnerungen jetzt sicher etwas durcheinander.

Wo fange ich an? Am Besten bei der damaligen „Torwache“ der „Lindenburg“ am Lindenweg. Ich habe ihr im „Dan-Shocker-Reader“ ein literarisches Denkmal gesetzt habe. Wer das über Jahre geführte Gästebuch von Jürgen und Karin durchblättert, der wird er immer wieder sinngemäße Einträge finden: „nachdem wir an Cora vorbei gekommen waren...“  

Dieses Gästebuch liest sich wie ein „Who is who“ der damaligen Heftroman- und sonstiger Prominenz. Ich bin richtig stolz drauf, dass ich da auch drin stehe. Und sie alle mussten an Cora vorbei.

Cora war eine mächtige Bernhardiner-Dame, die im Flur direkt am Eingang lag. Sie bellte nicht nur, sie drohte auch mit hochgezogenen Lefzen einen Angriff an. Außer Karin und Constanze durfte nur Uwe Schnabel an sie ran. Ich gestehe, dass mir dieser Hund echt Angst eingejagt hat. Mehr als später die Tiger, denen ich immer mal im Käfig gegenüber stand.

Coras Bellen glich  dem grollenden Donner. Und dazu zeigte sie die mächtigen  Zähne. Wenn sich Cora erhob und vor uns aufbaute,  dann waren die Zähne in einer Höhe, wo ein Biss bei einem Mann dynastische Probleme gegeben verursachen kann.

Außer Uwe Schnabel erkannte Cora niemanden an. Auch in den Zeiten, als wir relativ oft kamen, der Hund musste zurück gehalten werden, wenn wir das Haus betreten wollten. Besonders peinlich war das mal für uns nach einer Feier in Jürgens Kellerbar. Es war zu nächtlicher Stunde,  das ganze Haus schlief und  wir mussten dringend aufs Klo. Aber da war der Hund, der uns nicht dorthin ließ, weil der Zugang eben in seinem Flur lag. Wenn Cora aufstand und loslegte konnte man schon jedes Heldentum vergessen.

Dann war da noch Siam-Kater Larry, der uns nach einer solchen Feier immer weckte. Es war nämlich üblich, dass wir Luftmatratzen und Decken mitbrachten, wenn eine Feier in der Gasmück'schen Kellerbar  anstand. So haben wir in den unteren Gelassen des Hauses  übernachtet. Uwe Schnabel, damals immer dabei, hatte sein eigenes Bett im „Marlos-Zimmer“.  Der restliche „Hochadel des Reiches Helleb“ schlief auf den Luftmatratzen. Kater Larry kam dann morgens, fand die Erhebungen auf dem Fußboden toll und sprang von einem zum anderen.   Klar, dass wir alle wach wurden und Peter im Halbschlaf den Spruch prägte: „Jetzt weiß ich endlich, was man unter seinem Kater-Morgen versteht!“

Ja, die Feste in der Kellerbar von Jürgen und Karin, das waren echte Highlights. Meistens waren es Jürgens Geburtstage und es waren oft auch 30 oder sogar mehr Gäste da. Alles angenehme Leute und sehr gebildet. Man konnte hier wirklich über alles und jedes interessante Gespräche führen.

Jürgen saß mit seinem Rollstuhl meist hinter Bar und Karin war bei ihm, um zu helfen, wenn es nötig war.  Einige Male hatten  sogar Kurt und Maria Brand den weiten Weg von Kaltern nicht gescheut. Es war wirklich und wahrhaftig echte Freundschaft – denn ansonsten fährt man diese Strecken nicht. Von Kurt Brand stammt auch der Spruch: „Wir haben alle ein Alter – nur einige von uns erreichen es vorher!“

Bei den Geburtstagsfesten war auch die Kellerbar immer karnevalsmäßig geschmückt. In Südhessen ist man in dieser Hinsicht ja nicht so stur wie bei uns im Norden. Natürlich wurden dann auch die Gäste gebeten, kostümiert zu kommen. Für uns natürlich kaum Problem, wie rannten ja ohnehin immer wie die Leute von der Shilo-Ranch oder die Jungs von Bonanza durch die Gegend.

Hans und ich hatten dann auch immer die Gitarre und das Banjo mit dabei. Jürgen gefiel das, auch wenn mit unserem Drei-Griffe-Repertoire  eigentlich kein Staat zu machen war. Aber es kam an und brachte so richtig Stimmung. Aber  auf dem 50sten Geburtstag hatte ich statt des Banjos ein Keyboard zum Umhängen dabei, das mit vom Spieltechnischen her viel mehr Möglichkeiten bot als das Banjo.

Die Feste in Jürgens Kellerbar werden mit als die harmonischsten Abende in Erinnerung bleiben, die ich so erleben durfte. Angenehme Atmosphäre, weltgewandte, gebildete Leute, gutes Essen und ausgesuchte Getränke, die jeder in Maßen zu sich nahm. Hier verbot es sich schon von selbst, wie sonst üblich nach alter Germanenart zu zechen.

Ich weiß nicht mehr, welcher Geburtstag es war, als Jürgen eine ganz besondere Flasche Wein kommen ließ. Sie war einzeln in einer Holzkiste verpackt und es war ein Burgunder aus dem Jahr 1940 – also Jürgens Geburtsjahr. Er hatte irgendwann mal fünf Flaschen davon kaufen können und jeder der Festgäste bekam so viel wie ungefähr in zwei Schnapsgläser passen. Der Wein war inzwischen eine Art Likör geworden. der erste Schluck schmeckte seltsam, nach dem zweiten Schluck wollte man nichts anderes mehr trinken.

„Das ist also der Wein, den unsere Landser damals in Paris getrunken haben.“ war Peters trockener Kommentar. Ich zitierte Jürgen die Bibel von der Hochzeit von Kanaa: „Jeder bringt zu erst den guten Wein auf den Tisch und erst wenn die Gäste trunken sind den Geringeren!“ und Jürgen sagte mit seinem üblichen feinen Lächeln: „Wenn  ich mal betrunken bin, dann verrate ich euch, was so eine Flasche kostet!“ Ich weiß es bis heute nicht...

Ja, alleine von den Erlebnissen in Jürgens Kellerbar gab es jede Menge Episoden. Auch von den Zeiten, wenn wir uns alle in Kaltern bei Kurt Brand getroffen haben. Entweder im Mai zu Kurts Geburtstag oder im Oktober zur Weinlese.

Es war zwar immer ein besonderer Akt, den Rollstuhl die Treppe hinunter bis in Kurts große Kellerwohnung zu schaffen. Aber nach einiger Zeit hatten wir alle eine gewisse Routine, wo man in welcher Situation am Rollstuhl anpackt. Wobei Karin Grasmück und  Uwe Schnabel allerdings die Einzigen waren, die sich voll damit auskannten.

Der Rollstuhl und Jürgens Behinderung war auch der Grund, warum wir immer in verschiedenen Hotels abstiegen. Während für Hans, Werner, mich und wer sonst noch mit dabei war der „Schwarze Adler“ die Unterkunft war, wo man einfach und billig übernachtete – wenn auch nur mit einem Bad und einer Toilette für alle auf dem Flur – brauchte Jürgen natürlich spezielle Räumlichkeiten, wo es mit dem Rollstuhl weniger Probleme gab.

Doch auch der Rollstuhl und alle Widrigkeiten hielten uns dann nicht ab,  mit Jürgen von Kaltern aus mit dem Reisebus nach Venedig zu fahren. Das muss ist 1984 gewesen, als wir von dort aus zum ersten Kongress der Phantasie nach Passau fuhren.

Wir hatten diese Venedig-Tour schon mal gemacht und wussten, dass es möglich war, dass unser Freund diese Stadt erleben konnte. Jürgen wollte Venedig gerne einmal sehen und auf der Piazza wie Larry Brent Kaffee trinken. Das hat er auch gemacht und uns alle eingeladen.

Doch dass der Kaffee für sechs Personen auf dem Markusplatz rund 150 Mark kosten würde, damit hat Jürgen natürlich nicht gerechnet. Ja, auf diese Art bekam Dan seinen Shocker.  Aber ein X-Ray braucht ja ebenso wenig auf Spesen zu achten wie 007.

Es war schon ein echte Abenteuer, diese Fahrt – zumal Venedig eine Stadt der Treppen ist. Nämlich die Treppen auf den Brücken, die über die Kanäle führen. Im Reisebus saßen Jürgen und Karin direkt hinter dem Fahrer und Werner und ich hatten nach einige Versuchen es wirklich raus, Jürgen aus dem Bus in den Rollstuhl zu hieven und ihn  auch wieder nach oben zu bringen.

So konnte Jürgen auch die Fahrt durch die Dolomiten und dann durch die Ebene nach Venedig besser genießen als aus dem Auto heraus. Und vom Busparkplatz aus ging es mit der Vaporetto, Venedigs öffentlichen Schiffs-Verkehrsmittel, auf dem Canale Grande bis zur Piazza San Marco.

Der Besuch diverser Museen, vom Markus-.Dom einmal abgesehen,  fiel diesmal aus. Jürgen wollte etwas von der Stadt sehen und  so fuhren wir ihn hinüber zum Rialto und dann durch Gassen und Gässchen, was ihn so richtig begeisterte. Ich bin sicher, dass geistig Larry Brent oder Björn Hellmark  unterwegs in Venedig waren.

Werner und ich hatten später auch eingeplant, Jürgens Wunsch für eine Besichtigungstour nach England, Schottland und Wales möglich zu machen. Da ich die dortigen Gemäuer kenne und weiß, dass es da in Türmen Treppen gibt, die so schmal sind, man schon von der Breite her nicht mit einem Rollstuhl durchkommt. Wer mal den Tower in London  besichtigt hat, der weiß auch schon, was ich meine. Aber die alten  Burggemäuer auf dem Land sind noch viel verwinkelter.

Aber auch da hatten Werner und ich uns was einfallen lassen, um eine solche Tour mit Jürgen zu realisieren. Auf dem Papier hatten wir eine Art Tragegestell wie ein kleine Sänfte konstruiert. Auf diese Art hätten wir Jürgen auch durch die verwinkelten Burgen in England und Schottland schaffen können.

Doch das folgende Katastrophen-Jahr 1986 machte alle Planungen zunichte.  Geld für Reisen war nicht mehr vorhanden. Es ging um die Existenz – bei Jürgen und Karin eben mit der esoterischen Buchhandlung und die Lehrgänge, die gerade anliefen – da konnten diese Träume eben nicht mehr realisiert werden.

Es gäbe noch viel zu erzählen über die Zeiten und Erlebnisse mit Jürgen und Karin – die meist immer gleichbedeutend mit Erlebnissen mit Constanze und Uwe Schnabel waren. Aber mit dem Jahr 1986 kam auch noch dazu, dass nicht nur ich damals verheiratet war, sondern auch Werner Kurz Giesa in den Stand der Ehe trat  - und – auch Uwe Schnabel heiratete. Bei dieser Hochzeit habe ich sogar richtig Musik gemacht – ein früherer Organist aus der Tanz-Musiker-Zeit hatte mir die Sache so richtig beigebracht.

Natürlich waren auf Karin und Jürgen bei Uwes Hochzeit – wie auch bei meiner Trauung – und auch der Eheschließung von Werner. Jürgen und Werner waren nämlich meine Trauzeugen – und ich hatte die Ehre, mit Jürgen bei Werner diese Rolle zu übernehmen. Ja, damals hing alles noch zusammen – und driftete dann immer mehr auseinander.

Ich war beruflich stark beschäftigt und da ich mir nicht mehr wie früher den Frust von der Seele schreiben musste, war die Romanschreiberei nur noch Vergangenheit. Mehr zufällig hatte ich erfahren, dass die Romanagentur Grasmück aufgehört hatte zu geschäftlich zu existieren. Nachdem W.K.Giesa den Agenturvertrag gekündigt hatte und auch von mir und den anderen Autoren nichts mehr zu erwarten war, ist das eine logische Schlussfolgerung.

Karin und Jürgen kümmerten sich um ihre Buchhandlung und im die esoterischen Seminare. Einmal organisierten sie sogar einen Vortrag von Erich von Dänicken in Hanau.  Aber ansonsten blieb unser Kontakt auf meine üblichen Karten zu Geburtstagen und Weihnachten beschränkt, wobei sich Karin und Jürgen mit Telefonanrufen revanchierten. Was es so zu erzählen gab, konnte man auch per Telefon erzählen.

Einmal waren Karin und Jürgen noch zu Besuch bei Hans Klipp, was ein Treffen möglich machte.  Es ging da eben um Liedertexte und Musik für Tonbandproduktionen für Ron Kelly und den Magier.

Natürlich hieß es am Ende jedes Telefonates immer: „Komm doch mal vorbei!“  Das wird dann zugesagt, aber immer wieder zurück geschoben. Bis eben in den Frühsommer 2006.

Karin teilte mir mit, dass sie die Buchhandlung abgegeben hätten und jetzt „Rentner“ sein, die Zeit hätten. Ich hatte mich ein Jahr vorher von meiner Lebensgefährtin getrennt, nach Nassenerfurth gezogen und war wieder ein freier Mensch – soweit man als Mensch frei ist, wenn man Katzen gehört. Dennoch konnte ich wieder machen, was ich wollte. Also vereinbarten wir einen Besuchstermin. Es war das letzte Mal, dass ich Jürgen sehen sollte.

Nebenher sei gesagt, dass die schon erwähnte Lungenentzündung, an der ich fast gestorben wäre, mich nur ca. 2 Monate später erwischte. Und gerade, weil ich Jürgen vorher noch mal gesehen hatte  war mir in dem Zustand nach drei Monaten Koma klar, was er ein ganzes Leben erlitten hat. Immerhin hat er sich mit 15 Jahren in den Rollstuhl gesetzt und ihn nie wieder verlassen. Bei mir war das alles innerhalb von vier Wochen einigermaßen vorbei. Aber dieses Schicksal das ganze Leben...

Und hier muss ich etwas zu seiner Frau Karin sagen. Wer sie kennt weiß, dass sie selbst mit heute auch um die 70 rum immer noch eine sehr attraktive Frau ist. Als ich sie so vor 30 Jahren kennen lernte, hätte sie rein vom Aussehen her so ziemlich jeden Mann haben können. Und zwanzig Jahre früher garantiert noch mehr.

Karin wusste sehr genau, was auf die zukam und für was sie sich entschieden hat, als die Jürgen das „Ja-Wort“ gab.  Vergessen wir nie – damals war in keiner Weise zu erwarten, dass Jürgen mal ein sehr gut verdienender Schriftsteller sein würde. Und die Anfänge, die sie hatten, waren alles andere als auf Rosen gebettet.  Gemeinsam haben sie er durchgestanden – und gemeinsam ihrer Tochter Constanze nach ihren Kräften eine sorglose Kindheit geschenkt.  

Wenn ich mich so rumhöre, aus was für Gründen Ehen geschieden werden – dann sind diese Gründe alle lächerlich gegen die Gründe, die Karin gehabt hätte – wenn sie gewollt hätte.

Dass sie bei Jürgen geblieben ist – dazu fällt mir nur das eine Wort ein, dass so oft missbraucht wird, aber hier im höchsten, sternenhellen Glanz leuchtet.

L i e b e !

Eine Frau unter Tausend? Nein – eine unter einer Millionen!

Nie waren die Worte Schillers aus der „Ode an die Freunde“ passender: „Wer ein holdes Weib errungen – stimmt in unseren Jubel ein.“ Frau, Geliebte, Gefährtin – in guten wie in bösen Tagen.  Ein Juwel – oder, um es diesmal mir Goethes „Faust“  zu sagen: „Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht.“

Als ich zum Besuch kam hatte sich die Wohngegend so verändert, dass ich den Lindenweg erst mal nicht fand. Woher sollte ich auch wissen, das auf dem Haus inzwischen ein oberes Stockwerk errichtet wurde, wo jetzt Constanze mit ihrer Familie wohnt. Und – das auf diesem Dach eine Glaspyramide erreichtet ist, worunter sich der Raum befindet, in dem esoterische Veranstaltungen abgehalten werden.

Als ich kam saß Jürgen alleine hinten im Garten und erst mal habe ich mich erschrocken, als ich ihn sah. Die Jahre waren nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Aber die Augen, die waren noch genau so wie früher.

Und keine fünf Minuten später war es, als hätten wir uns drei Tage zuvor erst gesehen.

Ja, es wurde eigentlich mehr über die alten Zeiten geredet als  über das, was noch kommt. Ich wusste damals schon über meine Lungenkrankheit und einige andere Sachen und der Arzt hatte mich auch mit einem: „Das kann noch Jahrzehnte dauern – oder auch mal schnell gehen.“ entlassen. Also, gedenke das du sterblich bist.

Aber darüber haben wir bei meinem letzten Besuch nicht gesprochen. Es war ein wundervoller, harmonischer Nachmittag.  Inzwischen war auch meine Bibliothek so angewachsen, dass sie sich langsam mit der in Jürgens Arbeitszimmer messen konnte. Nur – das war vornehmer eingerichtet. Alleine der venezianische Schreibtisch, an dem Dan Shocker arbeitete,  gehört normalerweise in ein Museum.

Jedenfalls haben wir vereinbart, dass es nicht mehr so lange dauern sollte bis zum Wiedersehen. So einmal im Jahr würde ich wohl Zeit finden.

Wie wichtig es ist, mit solchen Sachen nicht so lange zu warten, stellte ich dann einige Monate danach fest. Und es gab nichts, was mich mehr erleichtert hat als dass die Ärzte mir sagten: „Das wird schon wieder.“  Denn das kann ich euch sagen. Es gibt nichts Schlimmeres, als gerade mal so viele Kraft im Körper zu haben, dass die Finger bewegt werden können.

Deshalb hatte ich wirklich vorgehabt, Karin und Jürgen im nächsten Jahr zu besuchen. Den September hatte ich so angepeilt, wenn es nicht mehr so heiß war.

Ja, und dann kam die Karte, dass für meinen Freund Jürgen jetzt ein anderes Leben begonnen hatte. Ein Leben ohne Rollstuhl – wo auch immer – vielleicht in den Gefilden der Seligen – er weiß es schon – und wir alle werden es irgendwann einmal wissen.

Karin erzählte mir das Jürgen sehr sanft gestorben wäre. Er war bis zum letzten Moment Herr über seine Gedanken und auch bereit, die große Reise anzutreten. Was wenige wissen, als Jürgen war tief religiös – auch  wenn er das nach Außen nicht so gezeigt hat. Und Karin ist es auch . Keine Frage – nur die Religion gibt die Kraft, das zu ertragen, was nicht ertragen werden kann.

An dem Platz, wo er früher mit seinem Rollstuhl gestanden hat, steht heute Jürgens Bild und an den Seiten brennen zwei Kerzen. Irgendwie habe ich es auch verspürt, dass er auf eine gewisse Art anwesend ist. Es gibt Dinge, die sich nicht mathematisch beweisen oder mit Logik erklären lassen. Aber sie sind dennoch da.

Ja, und heute, wo ihr dies lest, jährt sich zum 20sten mal der Tag, an dem wir Jürgens 50sten Geburtstag gefeiert haben. Und wo er seinen 70sten Geburtstag feiern würde.

Damals, zu Jürgens 50stem Wiegenfest,  war die Tafelrunde zum letzten Mal zusammen.  Es ist damals sogar ein Film gedreht worden – auch von der engagierten Bauchtänzerin, die sich Kurt Brand als Tanzpartner auf die Fläche holte – und unser „Sternenbaron“ konnte ja rein von der Körperform her einen echten „Bauch“-Tanz machen.

Ja, vergangen und vorüber – aber nicht vergessen. Zuerst mal nicht bei uns, die wir das Glück hatten, Jürgen Grasmück zu kennen und ihm in gewisser Weise nahe zu sein. Und ich werde in meiner Teestunde noch oft von ihm berichten – und von den gemeinsamen Erlebnissen, die ich hier nur streifen konnte.

Was gäbe es da noch zu sagen...dass Werners Skelett „Willibald“ mal als „Babsi“ kostümiert war und bei einer Geburtstagparty am Eingang saß...dass neben dem Haus der „Dan-Shocker-Weg“ lang führte...die Halloween-Partys auf Burg-Frankenstein, wenn Werner und ich voll in Fantasy - Gewandung mit blanken Schwertern über das Gelände zogen, während Jürgen seine „Monster-Frankenstein-Taschenbücher“ signierte.....dass ich mal Wotan, den Raben, mit hatte, weil Jürgen den Vogel mal erleben wollte... ach, es gäbe noch so Vieles zu berichten, wenn die Erinnerungen zurück kommen.  Und wie ich schon sagte, in den Teestunden wird noch Einiges zu lesen sein, was damals so abging.

Vierzig Jahre  haben ihm die Ärzte gegeben – siebenundzwanzig hat ihm Gott als Zugabe gegeben.  Und die hat er sich auch verdient. Denn  mit seinen Romanen hat er seinen Lesern ja nicht nur spannende Lesestunden bereitet – Helden wir Larry Brent oder Björn Hellmark kann von der Charakteristik her auch jeder Leser nacheifern.

Was Karl May für Abenteuer im Wilden Westen und im Orient war – das war Dan Shocker für das Grauen, das um Bonnards Haus und ähnliche Spukschlösser schlich.

Ich habe ihn gekannt und bin stolz darauf, dass ich mich seinen Freund nennen durfte.

Und ihr – die ihr zu spät geboren seid – vielleicht werdet ihr ja Dan Shockers Leser. Es lohnt sich  - wirklich.... 

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2010-01-23 22:21
Ich konnte es nicht vermeiden feuchte Augen zu bekommn als ich den Bericht las. Und ich schließe mich Rolfs letztem Satz an - oder wie Dan Shocker es gesagt hätte: kommt nach Marlos - es lohnt sich!

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